Urteil des LSG Bayern vom 06.04.2009

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Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 06.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 9 U 265/05
Bayerisches Landessozialgericht L 2 B 513/08 U
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 6. Mai 2008 wird verworfen. II. Der
Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des vom Sozialgericht Landshut (SG) dem Beschwerdeführer
auferlegten Ordnungsgeldes. Im unter dem Az.: S 9 U 265/05 geführten Rechtsstreit beauftragte das SG den
Beschwerdeführer auf Antrag des dortigen Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 25.07.2007 mit der
Erstattung eines Gutachtens. Nachdem der Beschwerdeführer das Gutachten trotz Mahnungen nicht vorlegte, setzte
ihm das SG mit Schreiben vom 20.03.2008 Frist zur Abgabe des Gutachtens bis 15.04.2008. Es wies zugleich darauf
hin, dass Ordnungsgeld verhängt würde, falls das Gutachten nicht fristgerecht eingehen sollte. Der Beschwerdeführer
reagierte daraufhin nicht. Mit Beschluss vom 06.05.2008 legte das SG dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe
von 500,00 Euro auf. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Einschreiben-Rückschein zugestellt. Der
Zusteller vermerkte, er habe das Schriftstück dem Beschwerdeführer selbst übergeben. Mit seiner Unterschrift
bestätigte der Beschwerdeführer, die Sendung am 09.05.2008 erhalten zu haben. Mit beim SG am 11.06.2008
eingegangenem Schreiben vom selben Datum legte der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde ein. Er machte
gesundheitliche Gründe für die Verzögerung geltend, kündigte an, die für das Gutachten notwendige Untersuchung am
13.06.2008 vornehmen zu wollen und das Gutachten schnellstmöglich vorzulegen. Er wandte sich auch gegen die
Höhe des Ordnungsgeldes. Das SG legte das Schreiben dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor. Der
Senat wies darauf hin, dass die Beschwerde nicht innerhalb der am 09.06.2008 abgelaufenen Frist eingelegt worden
sei. Der Beschwerdeführer erklärte, die Einschreibsendung könne ihm nicht am 09.05.2008 zugestellt worden sein, da
er an diesem Tag nicht erreichbar gewesen sei. Der Zusteller habe den Brief bei der Post zur Abholung bereitgelegt.
Erst am 11. oder 12.06.2008 habe er die Sendung abgeholt. Die Beschwerde sei daher rechtzeitig eingegangen und
der Beschluss des SG vom 06.05.2008 aufzuheben.
II. Die statthafte Beschwerde (§ 172 SGG) ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 SGG beim
SG oder beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt wurde. Sie ist verspätet und daher unzulässig. Für die Zustellung
gelten nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 175 ZPO i. d. F. des
Zustellungsreformgesetzes vom 25.06.2001 (BGBl. I 1206) kann ein Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein
zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein (§ 175 Satz 2 ZPO). Die Zustellung ist
danach mit Übergabe an den Adressaten ausgeführt (Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 24. Auflage, § 175 Rdnr.
4). Die in der Literatur vertretene Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004
(B 3 KR 14/04 R) bestätigt. Danach ist die Zustellung ähnlich dem Wirksamwerden einer Willenserklärung gegenüber
Abwesenden gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht.
Zugegangen ist danach eine Willenserklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser
unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. In Anwendung dieser
Grundsätze hat der Senat keine Bedenken, die Zustellung als mit der Übergabe an den Beschwerdeführer am
09.05.2008 bewirkt anzusehen. Die einmonatige Beschwerdefrist gemäß § 173 Satz 1 SGG endete daher mit Ablauf
des 09.06.2008. Die erst am 11.06.2008 eingegangene Beschwerdeschrift ist danach verspätet. Die Beschwerde war
daher zu verwerfen. Mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründen
konnte sich der Senat daher nicht befassen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf analoger Anwendung des §
197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Beschwerdeführer gehört nicht zum
kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG, so dass § 197 a SGG Anwendung findet mit der Folge, dass das
Beschwerdeverfahren kostenpflichtig ist. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).