Urteil des LSG Bayern vom 23.04.2009

LSG Bayern: aktiengesellschaft, arbeitnehmereigenschaft, versicherungspflicht, geschäftsführer, unternehmen, arbeitsentgelt, abgrenzung, insolvenz, geschäftsordnung, gesellschafter

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.04.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 34 AL 158/03
Bayerisches Landessozialgericht L 9 AL 351/05
Bundessozialgericht B 11 AL 126/09 B
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Zahlung von Insolvenzgeld (Insg) an den Kläger
abgelehnt hat, weil er Vorstand der in Insolvenz geratenen Aktiengesellschaft war.
Der 1949 geborene Kläger war als Vorstand bei der AG tätig, einer Capital-Venture Gesellschaft mit den
Anteilseignern H. und der V. AG (Nachfolgerin der M. AG) mit jeweils fast 50 %igem Anteil. Unternehmenszweck
waren die Entwicklung und Vermarktung eines Archivierungsprojekts für die H. AG. Über die M. AG eröffnete das
Amtsgericht M. am 01.11.2002 das Insolvenzverfahren.
Am 14.11.2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis
31.10.2002. Als Arbeitsentgelt gab er ein monatliches Bruttogehalt von 21.449,74 Euro (= 12.529,11 Euro) netto an.
Abzüglich der für August 2002 erhaltenen Bezüge von netto 7.868, 23 Euro machte er für den Insolvenzgeldzeitraum
insgesamt 29.719,10 Euro geltend.
Mit Bescheid vom 28.11.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, als Vorstandsmitglied der
insolventen M. AG sei der Kläger nicht als Arbeitnehmer im Sinne der gesetzlichen Regelung zum Insolvenzgeld
anzusehen. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft hätten eine unternehmerähnliche, unabhängige Stellung im
Unternehmen.
Ab November 2002 bewilligte die Beklagte wegen der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der "S. GmbH" mit
Bescheid vom 03.01.2003 Arbeitslosengeld (Alg).
Mit dem am 09.12.2002 gegen die Ablehnung der Insolvenzgeldzahlung eingelegten Widerspruch machte der
Bevollmächtigte des Klägers geltend, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb ein GmbH-Minderheitsgesellschafter mit
einer Beteiligung von 25,01% Kapital Anspruch auf Insolvenzgeld habe, ein Vorstandsmitglied mit Mini-Aktien unter 1
% aber nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Tätigkeit als
Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (AG) begründe keine Versicherungspflicht.
Mit der dagegen beim Sozialgericht München (SG) am 10.02.2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht,
er habe nach der Insolvenz vom Arbeitsamt M. mit Bescheid vom 03.01.2003 Arbeitslosengeld bewilligt bekommen.
Insolvenzgeld für die zwei Monate vor Insolvenzeröffnung - Gehälter September 2002 und Oktober 2002 in Höhe von
27.530,- Euro - sei aber versagt worden, obwohl er Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Er sei kein regulärer Vorstand
gewesen. Das Sagen im Aufsichtsrat hätten dort die beiden Vorstände, die von den beiden Großanteilseignern H. und
V. entsandt wurden. Er sei als Vorstand lediglich ein ausführendes Organ gewesen. In der Gründungsphase einer
Capital Venture Gesellschaft bis zum Börsengang habe der Vorstand nur eine ihm von den Anteilseignern
vorgegebene Planerfüllungspflicht. Ein eigenverantwortlicher Gestaltungsspielraum scheide aus. Entsprechend einem
unter 25,01 % beteiligten GmbH-Geschäftsführer ohne Sperrminorität habe er damit Anspruch auf Insolvenzgeld.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2005 abgewiesen. Der Kläger habe durch seine Beschäftigung als
Vorstand einer AG eine versicherungsfreie Beschäftigung gewählt, die auch entsprechend dotiert wurde. Da die
eigenständige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des Insolvenzgeldes zu verneinen gewesen sei, habe es
keiner weiteren Sachaufklärung zum vorgetragenen Bezug von Arbeitslosengeld nach der Insolvenz bedurft.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung vom 07.09.2005 trägt der Kläger vor, er sei kein Vorstandsmitglied mit auch
nur noch so geringfügigem Entscheidungs-, geschweige denn Gestaltungsspielraum gewesen. Die Gesellschafter als
jeweilige fast 50 %ige Anteilseigner hätten die Pläne für den Börsengang diktiert. Er habe nur den ihm vorgegebenen
Plan erfüllt. Nur die Hauptaktionäre hätten planwidrig die letzte geplante Kapitalspritze nicht getätigt.
Die Beklagte meint, Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG) seien kraft ihrer Vorstandstätigkeit nicht wie
abhängig beschäftigte Arbeitnehmer innerhalb der AG tätig. Es komme dafür nicht darauf an, wie die Anteile der AG
verteilt sind und wie die Vorgaben des Aufsichtsrates für den Vorstand lauten. Der Kläger übersehe, dass mit der
Einflussnahme der Anteilseigner nicht die Festlegung der Arbeitsbedingungen einer abhängigen Beschäftigung als
Arbeitnehmer gemeint seinen, sondern eine Begrenzung der Entscheidungsfreiheit des AG-Vorstandes in der
Ausführung der erforderlichen Geschäfte.
Der Senat hat die Geschäftsordnung für den Vorstand der M. AG (Anlage 2 zum Protokoll der Aufsichtsratssitzung
vom 15. Juni 2000) und den Vorstandsvertrag zwischen der M. AG und dem Kläger vom 9. November 2000 bzw. vom
10. Dezember 2000 sowie das Schreiben des Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu dem von ihm unterschriebenen
Vorstandsvertrag (Schreiben vom 9. November 2000) beigezogen. Hierin wird für die Tätigkeit des Klägers als
Vorstand der AG Versicherungspflicht in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung verneint.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. 07.2005 und den Bescheid vom 28.11.2002 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.01.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den
Zeitraum vom 01.08.2002 bis zum 31.10.2002 Insolvenzgeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Die Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 28.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.02.2003, in
dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis zum 31.10.2002
zu zahlen.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Insolvenzgeld zu. Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) in
der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-
AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie
im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die
vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen
auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III).
Der Kläger war zwar im Insolvenzgeldzeitraum bei der Aktiengesellschaft "M. AG" als Vorstand tätig, aber nicht als
Arbeitnehmer im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
Die Arbeitnehmereigenschaft während des Insolvenzgeld-Zeitraums ist Voraussetzung des Anspruches auf
Insolvenzgeld. Wer nicht Arbeitnehmer ist, hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Daraus, dass der Begriff des
Arbeitnehmers in den Vorschriften über das Insolvenzgeld (Konkursausfallgeld) nicht geregelt ist, hat die
Rechtsprechung den Schluss gezogen, dass für die Abgrenzung der Arbeitnehmer von den Selbständigen die in den
Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung verwendeten Merkmale Anwendung finden
(vgl.: Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III K § 183 Rn. 26 ).
Zur Feststellung der Anspruchsberechtigung ist auf die Regelung in § 25 Abs. 1 SGB III abzustellen, wonach
Personen versicherungspflichtig sind, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt
(versicherungspflichtige Beschäftigung) sind (vgl.: Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III K § 183 Rn. 26a).
Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Damit ist auch im Rahmen der Insolvenzgeld-Versicherung maßgebend, ob eine Arbeitsleistung in persönlicher
Abhängigkeit von einem Arbeitgeber erbracht wird (BSG, Urteil vom 04. 6. 1998 - B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7
Nr. 13 m.w.N.). Die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit beurteilt sich nach
dem Gesamtbild der Tätigkeit. Liegen nach den Umständen des Einzelfalles sowohl Merkmale der Abhängigkeit als
auch der Selbständigkeit vor, kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen (z.B. Bundessozialgericht vom
29.01.1981, BSGE 51,164). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen
von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (so z.B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 -
B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 S 78).
Hervorzuheben ist, dass die Grundsätze der Versicherungspflicht der Beschäftigten im Rahmen der Versicherung nur
entsprechend heranzuziehen sind, so dass aufgrund der übereinstimmenden Maßstäbe z. B. über Arbeitslosengeld-
und Insolvenzgeld-Ansprüche bei Zweifeln an der Arbeitnehmereigenschaft materiellrechtlich zwar in gleicher Weise
zu befinden ist, ohne dass allerdings von einer Vorgreiflichkeit oder Bindungswirkung auszugehen wäre. Insbesondere
findet die Regelung über die leistungsrechtliche Bindung der Bundesagentur für Arbeit (§ 336) auf das Insolvenzgeld
keine Anwendung (vgl: Voelzke in: Hauck/ Noftz, SGB III K § 183 Rn. 27)
Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sind bei Tätigkeiten für das Unternehmen, dessen Vorstand sie
angehören, grundsätzlich keine Beschäftigten i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und damit keine Arbeitnehmer i.S.
von § 183 Abs.1 Satz 1 SGB III.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, sind Vorstandsmitglieder einer
Aktiengesellschaft auf Grund ihrer unternehmerähnlichen unabhängigen Stellung im Unternehmen nicht Arbeitnehmer
im Sinne der Insolvenzausfallversicherung. Noch unter Bezugnahme auf die beiden insolvenzschutzrechtlichen
Sicherungsvorschriften des § 141b Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a
Konkursordnung (KO) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die übereinstimmende Zielsetzung beider
Regelungen es nicht rechtfertigt, den durch sie erstrebten Schutz auch auf die Vorstandsmitglieder von
Aktiengesellschaften zu erstrecken (Urteil vom 22.04.1987, USK 8732).
Die für die Abgrenzung der Arbeitnehmer- oder Arbeitgeber-Eigenschaft der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer
maßgeblichen Gesichtspunkte sind auf die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaften wegen ihrer wesentlich
anders gestalteten und vor allem weitaus unabhängigeren Stellung nicht zu übertragen. Der Vorstand einer
Aktiengesellschaft ist ein Verfassungsorgan der Aktiengesellschaft, das die Gesellschaft unter eigener Verantwortung
zu leiten hat. Dem Umstand, dass dem Vertretungsverhältnis ein Anstellungsvertrag zwischen der Aktiengesellschaft
und dem Vorstandsmitglied zugrunde liegt, kommt in diesem Zusammenhang keine eigenständige Bedeutung zu.
Auch durch andere Vorschriften des Aktiengesetzes ist die Organstellung des Vorstandsmitgliedes von
Aktiengesellschaften nicht arbeitnehmer- sondern arbeitgeberähnlich ausgestattet. Sie leisten keine
weisungsgebundenen Dienste, sondern erteilen als Organ der Gesellschaft vielmehr solche Weisungen. Dasselbe gilt
für die Bezüge der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaften, die nicht nach arbeitsrechtlichen, sondern nach
besonderen aktienrechtlichen Grundsätzen festgesetzt werden. Schließlich schränken auch die Vorschriften über die
Stellung des Aufsichtsrates im Verhältnis zum Vorstand die Arbeitgeberfunktion der Vorstandsmitglieder nicht ein.
Diese rechtliche Beurteilung hat für alle Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften zu gelten, unabhängig von der
Größe und Kapitalbeteiligung. Ebenso wenig schlägt für die Organmitglieder von Aktiengesellschaften das für die
GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer allgemein angeführte Argument durch, die Differenzierung zwischen der
Arbeitnehmer- oder Unternehmerstellung richte sich danach, ob die Tätigkeit hauptsächlich eigen- oder
fremdwirtschaftlich orientiert ist (vgl. BSG a.a.O und zustimmend Peters-Lange in: Gagel SGB III, 2008, § 183 Rn.
11). Irrelevant ist daher der vom Kläger herangezogene Vergleich mit einem Gesellschaftergeschäftsführer einer
GmbH.
Damit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber in § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ausdrücklich bestimmt, dass
Personen in einer Beschäftigung als Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen
Vorstand sie angehören, versicherungsfrei sind. Grund für die fehlende Arbeitnehmereigenschaft und
Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft ist, dass diese nach den maßgebenden
Bestimmungen des Aktiengesetzes nicht wie ein abhängig Beschäftigter in den Betriebsablauf eingebunden sind.
Selbst wenn er sich bei seiner Tätigkeit nach den organisatorischen und funktionalen Regeln des Unternehmens
richtet, verhält er sich nicht anders als ein Unternehmer in seinem Betrieb. Wie dieser hat das Vorstandmitglied die
genannten Regeln selbst aufgestellt oder zumindest an deren Aufstellung oder Beibehaltung entscheidend mitgewirkt.
Soweit die Handlungsmöglichkeiten des Vorstands im Übrigen begrenzt sind, beruht dies nicht auf
Einzelanordnungen, sondern auf generell-abstrakten Leitlinien (Gesetz, Satzung, Beschlüsse der Hauptversammlung
), deren Beachtung zur Erreichung des mit der Tätigkeit verbundenen Ziels notwendig ist. In solchen Fällen hat das
Bundessozialgericht aber eine abhängige Beschäftigung verneint (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom
18.07.2006 Az.: L 13 AL 1766/06 zitiert nach juris unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in:
BSG SozR 2200 § 165 Nrn. 36, 45 und 61 sowie BSG, Urteil vom 18 Mai 1983, USK 8393 und BSGE 85, 214, 220).
Damit sind etwaige (unternehmenspolitische) Vorgaben des Aufsichtsrats keine Weisungen bezüglich der Art und
Weise der Ausführung der Arbeit, wie sie bei Arbeitnehmern üblich sind. Sie konkretisieren vielmehr den
Entscheidungsspielraum des Vorstands.
Soweit § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ebenso wie der frühere seit 1. Januar 1993 gültig gewesene § 168 Abs. 5 des
Arbeitsförderungsgesetzes und ähnlich § 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die
Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft ausdrücklich angeordnet hat, handelt es sich
nicht anders als der frühere § 3 Abs. 1 a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) um eine typisierende Regelung, bei
der atypische Besonderheiten des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben und die z.B. auch Vorstandsmitglieder einer
kleinen und wirtschaftlich leistungsschwachen Aktiengesellschaft vom Versicherungsschutz ausschließt (LSG Baden
Württemberg, a.a.O., unter Verweis auf BSG SozR 2400 § 3 Nr. 4 und BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 1). Dieser
Ausschluss gilt auch unabhängig davon, ob die Vorstandsmitglieder am Kapital der Aktiengesellschaft beteiligt sind
oder nicht (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 1987, a.a.O.).
Der Kläger hat vorliegend keine Gesichtspunkte aufgezeigt, weshalb in seinem Fall die Arbeitnehmereigenschaft
abweichend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu bejahen sein soll.
Dass der Bundesgerichtshof den Organmitgliedern juristischer Personen einen erweiterten konkurs- und
pfändungsrechtlichen Schutz zugebilligt hat, ist vom Bundessozialgericht ebenfalls gesehen, jedoch nicht als zu einer
anderen Auffassung zwingend beurteilt worden (BSG, Urteil vom 22. April 1987, a.a.0. ).
Angesichts der in typisierender Wertung verneinten Schutzbedürftigkeit der Vorstandsmitglieder einer
Aktiengesellschaft ist auch den vom Kläger angeführten Umständen der im Einzelnen geregelten Vorgehensweise
durch die Anteilseigner während der Gründung der Aktiengesellschaft keine entscheidungserhebliche Bedeutung
beizumessen. Denn soweit die Handlungsmöglichkeiten des Klägers als Vorstand begrenzt waren, beruhte dies nicht
auf Einzelanordnungen oder Einzelweisungen, sondern auf generell-abstrakten Leitlinien (Gesetz, Satzung,
Beschlüsse der Hauptversammlung), deren Beachtung zur Erreichung des mit der Tätigkeit verbundenen Ziels der AG
notwendig war. Dies belegen auch die Geschäftsordnung für den Vorstand der M. AG (Anlage 2 zum Protokoll der
Aufsichtsratssitzung vom 15. Juni 2000) und der Vorstandsvertrag zwischen der M. AG und dem Kläger vom 9.
November 2000 bzw. vom 10. Dezember 2000. In der Geschäftsordnung für den Vorstand wird u.a. auf die
gesetzlichen Bestimmungen und Satzungen verwiesen und im Übrigen wird das Vorstandsmitglied nicht an Aufträge
und Weisungen gebunden. Eine entsprechende Regelung enthält § 1 des Vorstandsvertrags.
Auch befand sich die Aktiengesellschaft in dem Zeitraum, für den der Kläger Insolvenzgeld beantragt, nicht mehr in
der Gründungsphase; aber auch in der Vorgesellschaft wäre der Vorstand das Leitungs- und Vertretungsorgan (vgl.:
Pentz in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2008, § 41 Rn. 33).
Die Bestimmungen des § 93 AktG über die Sorgfaltspflichten des Vorstands gelten entsprechend bereits vor
Eintragung der Gesellschaft. Im Hinblick auf die dem Vorstand schon im Gründungsstadium zukommende Funktion
kann er auch vor der Eintragung der Gesellschaft entsprechend § 84 Abs. 3 AktG vom Aufsichtsrat nur aus wichtigem
Grund abberufen werden. Aus den gleichen Gründen ist er den Weisungen der Gründer nicht unterworfen, auch wenn
er sich an den ihrer Disposition unterliegenden Umfang der Geschäftsführungsbefugnis zu halten hat (vgl.: Pentz,
a.a.O.). Eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers im Sinne des § 183 SGB III lag damit auch in der
Gründungsphase der Aktiengesellschaft nicht vor.
Der Kläger war auch durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats über diese Rechtslage informiert worden. Das
Übersendungsschreiben des Vorsitzenden des Aufsichtsrats vom 9. November 2000 hat der Kläger unter Erklärung
seines Einverständnisses mit dem Inhalt des Schreibens am 10. Dezember 2000 abgezeichnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).