Urteil des LSG Bayern vom 31.07.2002

LSG Bayern: aufschiebende wirkung, verwertungsverbot, datenschutz, rechtsstaatlichkeit, hauptsache, entziehung, ausnahme, straftat, rechtsschutz, vollziehung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 31.07.2002 (nicht rechtskräftig)
S 9 V 10/01 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 18 B 237/01 V ER
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20.08.2001
aufgehoben und die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 26.06.2001 und die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001 und
der Klage vom 07.08.2001 angeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob dem am 1911 geborenen Beschwerdeführer (Bf) vom Beschwerdegegner (Bg) gemäß § 1a
Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der
Rechtsstaatlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus entzogene Versorgungsleistungen einstweilen bis
zur Entscheidung über die - derzeit beim Sozialgericht (SG) Würzburg anhängige - Hauptsache weitergezahlt werden.
Der Bf war nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 19.08.1968 wegen Beihilfe zum Mord in zwei
Fällen (Tötung von mehreren tausend Juden) zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Er verbüßte
zwei Drittel der Strafe, der Rest der Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden.
Das Bayer. Landesamt für Versorgung und Familienförderung (BLVF) teilte dem Amt für Versorgung und
Familienförderung (AVF) mit Schreiben vom 08.09.2000 mit, dass das Bundesministerium für Arbeit und
Sozialordnung (BMA) mit Schreiben vom 19.07.2000 eine CD-Rom mit personenbezogenen Daten übermittelt habe,
die von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg (Zentrale Stelle) zur Verfügung gestellt und
zwischenzeitlich ausgewertet worden sei. Dem war ein Beschluss der 69. Konferenz der Justizministerinnen und -
minister am 17. und 18.06.1998 in Rostock-Warnemünde vorausgegangen, wonach die Zentrale Stelle verpflichtet
wurde, zur Durchführung des § 1 a BVG alle dort gesammelten Informationen für eine Auswertung durch die
Versorgungsverwaltungen bereitzustellen. Im Rahmen des Datenabgleichs hatte sich für den Bf eine
Übereinstimmung ergeben. Das BLVF teilte dem AVF den Namen, das Geburtsdatum und das Aktenzeichen in der
Versorgungssache des Bf mit und bat um unverzügliche Einleitung eines Verfahrens nach § 1 a BVG.
Das AVF bat mit Schreiben vom 25.09.2000 die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main um
Übersendung der vorhandenen älteren Aktenunterlagen des Bf. Der Generalstaatsanwalt beim OLG Frankfurt/Main
teilte dem AVF mit Schreiben vom 29.09.2000 mit, dass das Ersuchen um Übersendung der Strafakte KS 2/67 des Bf
an das Hessische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden weitergeleitet worden sei. Das Hauptstaatsarchiv übersandte dem
AVF das Strafurteil gegen den Bf in Fotokopie. Von einer Übersendung der mehrere hundert Bände umfassenden
Ermittlungsakten wurde im Einverständnis mit dem AVF abgesehen.
Der Bg entzog mit Bescheid vom 26.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001 die
Versorgungsleistungen gemäß § 1a BVG im Hinblick auf den sich aus dem beigezogenen Urteil ergebenden
Sachverhalt und die Verurteilung des Bf wegen Beihilfe zum Mord an Juden.
Der Bf hat am 21.07.2001 beim SG Würzburg einen Antrag auf (vorläufige) Weiterzahlung der Versorgungsleistungen
gestellt und am 07.08.2001 Klage gegen den og Bescheid erhoben. Mit Beschluss vom 20.08.2001 hat das SG den
Antrag auf Weiterzahlung der Leistungen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Bf am 10.09.2001
Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ua gerügt, der Bg habe sich die Kenntnis vom
Strafurteil aus der Zentralen Stelle durch eine Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften verschafft. Außerdem
hat er sich bezüglich der Verurteilung und des zugrunde liegenden Sachverhalts auf ein Verwertungsverbot nach dem
Bundeszentralregistergesetz (BZRG) berufen und geltend gemacht, durch das Vorgehen des Bg werde er in seinem
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, da die Eintragung über die Verurteilung im Register bereits
getilgt worden sei.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf Anfrage des Senats hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz mitgeteilt, dass er an den Beratungen des
Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des BVG (Einführung des § 1 a BVG) in den Jahren 1997 und 1998 nicht
beteiligt gewesen sei. Während der Bundesbeauftragte für den Datenschutz offen gelassen hat, ob § 12 Abs 3
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG), eingefügt durch das Justizmitteilungsgesetz (JuMiG)
vom 18.06.1997, BGBl I 1997 S 1429 ff, auf die Datenübermittlungen der Zentralen Stelle Anwendung findet, hat der
Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg eine solche grundsätzlich bejaht. Der Hessische
Datenschutzbeauftragte hat die Übermittlung der Daten durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt im Hinblick auf das
JuMiG und § 474 Strafprozessordnung (StPO) für zulässig erachtet. Alle gehörten Datenschutzbeauftragten und die
Zentrale Stelle haben letztlich keine datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Übermittlung der Daten geäußert.
Auf eine Anfrage des Senats hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof - Dienststelle
Bundeszentralregister - unter Hinweis auf § 24 Abs 2 BZRG mitgeteilt, dass ab 18.05.2001 (Vollendung des 90.
Lebensjahres des Bf) für den Bf keine Eintragungen im Register mehr bestehen. Der Bf hat mitgeteilt, gegen ihn lägen
keine weiteren Verurteilungen vor.
Der Bf beantragt,
den Beschluss vom 20.08.2001 abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen
den Bescheid vom 26.06.2001 anzuordnen.
Der Bg beantragt,
die Beschwerde des Bf gegen den Beschluss des SG vom 20.08.2001 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogenen Beschädigtenakten des Bf, die Akte des SG Würzburg S 9 V
12/01, die Akte des SG Würzburg im Antragsverfahren und die Beschwerdeakte des LSG Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG),
wonach gegen die Entscheidung der Sozialgerichte in Verfahren dieser Art die Beschwerde stattfindet (Meyer-Ladewig
SGG, Kommentar, 7.Aufl, § 86 b RdNr 21 mwN). Sie ist auch rechtzeitig in der Monatsfrist des § 173 SGG eingelegt
worden.
Die Beschwerde ist begründet. Dem Bf sind die Versorgungsleistungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der
Hauptsache weiter zu gewähren.
An der Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheides vom 26.06.2001 idFd Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001
bestehen ernstliche Zweifel. Nach der in den Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen
Prüfung ist ein Erfolg des Bf in der Hauptsache wahrscheinlicher als ein Misserfolg. Es ist daher gerechtfertigt, das
nach dem Gesetz als vorrangig bewertete Vollzugsinteresse zurücktreten zu lassen.
Die hier begehrte Anordnung richtet sich nach dem gemäß Art 19 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes (6.SGGÄndG) ab 02.01.2002 in Kraft getretenen § 86 b Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 SGG
(eingefügt durch Art 1 Nr 35 6.SGGÄndG). Der Senat legt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung
zugrunde (so auch Meyer-Ladewig, aaO RdNr 18 mwN). Nach § 86 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 SGG kann das
Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und, falls der Verwaltungsakt im Zeitpunkt
der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden war, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Der Antrag
konnte schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides bzw vor Klageerhebung gestellt werden (§ 86 b Abs 3 SGG). In
Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts entfällt die aufschiebende Wirkung bei Verwaltungsakten, die
eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen (§ 86 a Abs 2 Nr 2 SGG). Dies entspricht bisher geltendem Recht
(Meyer-Ladewig aaO § 86 a RdNr 14). Eine inhaltlich gleiche Regelung galt bis zum In-Kraft-Treten des 6.SGGÄndG
gemäß § 97 Abs 2 Satz 1 SGG aF. Der angefochtene Bescheid vom 26.06.2001 idF des Widerspruchsbescheides
vom 24.07.2001 entzieht eine laufende Leistung. Der Bf bezog vom Bg eine Grundrente nach § 31 BVG, eine
Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG und hatte einen Heilbehandlungsanspruch nach § 10 Abs 1 und 2 BVG.
Der Erlass der begehrten Anordnung beurteilt sich nach einer Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen
des Bf an der Fortzahlung der ihm bewilligten Leistungen und dem Interesse des Bg, die aus seiner Sicht
rechtswidrigen Leistungen nicht fortsetzen zu müssen (aaO § 86 b RdNr 12 und § 86 a RdNr 20). Bei dieser
Interessenabwägung sind von besonderem Gewicht die Erfolgaussichten des Hauptsacheverfahrens, weil an der
Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes bzw der Beibehaltung der Wirkungen eines
offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein Interesse besteht (aaO, 5.Aufl, § 97 RdNr 13 a). Danach ist die
begehrte Anordnung zu erlassen, wenn der angefochtene Bescheid aller Voraussicht nach rechtswidrig ist und
demnach kein Interesse daran besteht, dessen aufschiebende Wirkung gegenüber dem Bewilligungsbescheid zur
Geltung kommen zu lassen (ebenso LSG Niedersachsen, Beschluss vom 29.09.1997, Az L 8 Ar 276/97 eR).
An der Rechtmäßigkeit des gemäß § 1 a Abs 2 BVG ergangenen Entziehungsbescheides des Beklagten bestehen
ernstliche Zweifel. Nach dem mit Gesetz vom 14.01.1998 (BGB I S 66) eingefügten und am 21.01.1998 in Kraft
getretenen § 1 a BVG sind Leistungen zu versagen, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem sich die
Berechtigung ableitet, während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder
Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat und er nach dem 13. November 1997 einen Antrag auf Leistungen gestellt hat.
Anhaltspunkte, die eine besonders intensive Überprüfung erforderlich machen, ob ein Berechtigter durch sein
individuelles Verhalten gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, können sich
insbesondere aus einer freiwilligen Mitgliedschaft des Berechtigten in der SS ergeben (Abs 1). Leistungen sind mit
Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise zu entziehen, wenn ein Versagungsgrund iS des Absatzes 1 vorliegt und
das Vertrauen des Berechtigten auf eine fortwährende Gewährung der Leistungen im Einzelfall auch angesichts der
Schwere der begangenen Verstöße nicht überwiegend schutzbedürftig ist (Abs 2).
Eine Entziehung der Rente nach dieser Vorschrift kann daran scheitern, dass die vom Kläger begangenen Straftaten
dem Bf wegen des Verwertungsverbots des § 51 BZRG im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen.
Der Senat lässt es im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz dahingestellt, ob die an der Erhebung, Übermittlung und
Verarbeitung der persönlichen Daten des Bf beteiligten staatlichen Stellen (Justizministerkonferenz der Länder,
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Zentrale Stelle, BLVF, AVF, Generalstaatsanwalt beim OLG
Frankfurt/Main, Hessisches Hauptstaatsarchiv) gegen Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder verstoßen
haben und die übermittelten Daten schon deshalb vom Bg nicht hätten verwertet werden dürfen. Insbesondere kann
es im vorliegenden Eilverfahren auf sich beruhen, ob die Zentrale Stelle Art 1 JuMiG, §§ 12 ff EGGVG unterliegt, die
verfahrensübergreifende Mitteilungen von Justizorganen regeln. Der Senat hält es nämlich für fraglich, ob die Zentrale
Stelle als Staatsanwaltschaft iS des § 12 Abs 1 EGGVG zu erachten ist. Die Aufgabe der von den Justizministern
und Senatoren der Bundesrepublik Deutschland aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung des Jahres 1958
gegründeten Zentralen Stelle, der die neuen Bundesländer beigetreten sind, besteht vor allem darin, Vorermittlungen
durchzuführen und an Verbrechen beteiligte Personen festzustellen. Es fehlen ihr aber wesentliche Befugnisse einer
Staatsanwaltschaft. Nach der Organisationsverfügung für die Zentrale Stelle vom 01.08.1966 ist die Zentrale Stelle
keine Staatsanwaltschaft, erfüllt jedoch staatsanwaltschaftliche Aufgaben. Wenn das JuMiG für die Zentrale Stelle
keine (entsprechende) Anwendung findet, kommt auch das Übermittlungsverbot des § 12 Abs 3 EGGVG nicht zum
Tragen. Danach unterbleibt eine Übermittlung von Daten, wenn ihr eine besondere bundes- oder entsprechende
landesgesetzliche Verwendungsregelung entgegen steht. Hierzu ist auch das Verwertungsverbot des § 51 BZRG zu
rechnen (so Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JuMiG BT Drucks 13/4709 vom 22.05.1996 S 22). Der Senat
lässt es auch dahingestellt, ob das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts -
Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) vom 02.08.2000 (BGBl I S 1253-1260/1262), das inhaltlich
Regelungen für Auskünfte an öffentliche Stellen wie das JuMiG vorsieht (vgl § 474 Abs 2 Nr 2 StPO, eingefügt durch
Art 1 StVÄG Nr 15), in Kraft getreten am 1. November 2000 (Art 14 StVÄG), vorliegend zur Anwendung kommt. Der
Senat hat aber Bedenken, ob die Rechtsauffassung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Hessen
und Baden-Württemberg sowie der Zentralen Stelle, dass Datenschutzgesetze nicht verletzt seien, im Lichte der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15.12.1983 zum Volkszählungsurteil (BVerfGE 65,1)
Bestand haben kann, weil jede Übermittlung personenbezogener Daten aus Justizverfahren einen Grundrechtseingriff
darstellt und der Verwendung unrichtiger und überholter Daten entgegenzuwirken ist (so BT-Drucks 13/4709 S 74).
Auch hat der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württenberg bereits in seinem 17. Tätigkeitsbericht 1996 (6.
Teil 1. Abschnitt Justiz, Ziffer 2.) gerügt, dass der Datenschutz für die von der Zentralen Stelle erfassten Personen
nicht gewährleistet ist und deshalb eine Regelung dieser Frage in einem Staatsvertrag vorgeschlagen.
Ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfragen bestehen ernste Zweifel, ob der Entziehungsbescheid des Beklagten
rechtmäßig ist, weil der Bg die ihm übermittelten Daten wegen des Verwertungsverbots des § 51 Abs 1 BZRG nicht
mehr nutzen durfte. Nach § 51 Abs 1 BZRG dürfen die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr
nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im
Register getilgt worden oder zu tilgen ist. Der Senat geht von der Tilgung der Straftat aus, obwohl bei dem über 90
Jahre alten Bf bereits alle Eintragungen gemäß § 24 Abs 2 BZRG aus dem Register entfernt sind und die
Rechtswirkung der Tilgung nach § 51 BZRG durch bloße Entfernung der Eintragungen nicht eintritt (so
Götz/Tolzmann, BZRG, Komm, 4.Auflage § 24 RdNr 11). Zwar lässt sich der Nachweis der Tilgung nicht mehr
erbringen. Unter Berücksichtigung der unverschuldeten Beweisnot des Bf hält der Senat aber die Auskunft des Bf für
glaubhaft, dass weitere Verurteilungen, die eine Ablaufhemmung nach § 47 Abs 3 BZRG bewirkt hätten, nicht
vorgelegen haben. Die Tilgung und das Verwertungsverbot sollen den Strafmakel einer Verurteilung beseitigen. Sie
sollen damit der Wiedereingliederung Vorbestrafter in die Gesellschaft dienen und diese nicht durch das Aufgreifen
längst gesühnter Taten gefährden (so auch BVerwGE 101, 24). Die Vorschrift des § 51 Abs 1 BZRG gilt nicht nur für
Gerichte, sondern auch für alle Verwaltungsbehörden (Götz/Tolzmann, aaO, § 51 RdNr 5). Nach Tilgung der
Eintragung über die Verurteilung im Zentralregister darf diese von der Verwaltungsbehörde in einem neuen Verfahren
nicht mehr berücksichtigt werden (vgl aaO; Rebmann/Uhlig, BZRG, Komm, § 51 Rdr 51). Dies bedeutet, dass dem
Betroffenen weder die Tat noch die Verurteilung im Rechtsverkehr mehr vorgehalten werden dürfen (Götz/ Tolzmann
aaO RdNr 5). Anders wäre die Rechtslage bei einer Verurteilung des Bf zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu
beurteilen, da § 45 Abs 3 Nr 1 BZRG in einem solchen Fall eine Tilgung ausschließt und ein Vertrauenstatbestand
nicht zum Tragen käme (vgl für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe SG Potsdam, Breithaupt 2002, 837).
Eine Ausnahme von der Tilgung nach § 52 BZRG liegt ersichtlich nicht vor.
Ebenso ist eine Ausnahme vom Vorhalte- und Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs 2 BZRG nicht gegeben. Gemäß §
51 Abs 2 BZRG bleiben aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der
Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit
der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, unberührt. Vorliegend könnte die Entziehung der Versorgungsleistungen
dann rechtmäßig sein, wenn die Wirkungen der Tat oder der Verurteilung sich unmittelbar aus einem Bundesgesetz -
hier § 1 a BVG - ergäben (vgl Götz/Tolzmann aaO RdNr 60). Das Gesetz, dessen Rechtsfolgen aufgrund der Tat oder
der Verurteilung eintreten, muss aber vor Eintritt der Tilgungsreife in Kraft getreten sein (aaO). Eine andere
Rechtsauslegung würde gegen das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot verstoßen. Der Bf konnte
darauf vertrauen, dass die mit dem abgeschlossenen Tatbestand (Tilgung des Strafurteils im BZRG) verknüpfte
gesetzliche Rechtsfolge des Verwertungsverbots im Jahr 2000 anerkannt bleibt. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sind belastende Gesetze, die abgeschlossene Tatbestände rückwirkend erfassen,
regelmäßig unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zu dessen wesentlichen Elementen die
Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger Vertrauensschutz bedeutet (BVerfGE 30, 367 mwN).
Ausnahmen können nur dann gelten, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig ist (vgl
BVerfGE 13, 261; 32, 111). Das Verwertungsverbot des § 51 BZRG ist jedoch bei objektiver Betrachtung geeignet, ein
Vertrauen des Bf auf seinen Fortbestand 12 Jahre nach dem Eintritt der Tilgungsreife zu begründen.
Nach § 46 Abs 1 Nr 4 BZRG betrug die Tilgungsfrist für das Urteil des Landgerichts Frankfurt/ Main vom 19.08.1968
15 Jahre. Im Fall des § 46 Abs 1 Nr 4 BZRG verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitstrafe (§ 46 Abs 3),
wobei für die Anwendung der Frist die vom Gericht ausgesprochene Strafhöhe maßgebend ist (Das Deutsche
Bundesrecht II B 72 S 38). Bei einer Freiheitsstrafe von acht Jahren beträgt die Tilgungsfrist unter Berücksichtigung
der Strafaussetzung zur Bewährung von einem Drittel somit 20 Jahre ab der Verkündung des Urteils. Die Frist begann
mit dem Tag des Urteils (§ 36 Abs 1 BZRG) und endete somit im Jahr 1988. Die 1988 zu tilgende Straftat kann dem
Bf im Jahr 2000 nicht mehr aufgrund eines im Jahr 1998 in Kraft getretenen Gesetzes vorgehalten werden.
Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchte der Senat die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Versorgungsleistungen
im Übrigen nicht zu prüfen.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).