Urteil des LSG Bayern vom 05.05.2003

LSG Bayern: stationäre behandlung, versorgung, wohnung, nahrung, form, aufstehen, zustand, schlaganfall, haus, endoprothese

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 05.05.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 1 P 18/01
Bayerisches Landessozialgericht L 7 P 47/02
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2002 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe I streitig.
Die Beklagte gewährte dem am 1909 geborenen Kläger ab 27.07.1999 Pflegegeld nach Stufe I, hob diese Bewilligung
allerdings mit Bescheid vom 07.04.2000 ab 30.04.2000 nach Ein- holung eines weiteren Gutachtens auf.
Auf erneuten Antrag vom 29.05.2000 hin wurde der Kläger von einer Pflegekraft des Medizinischen Dienstes der
Krankenkassen in Bayern (MDK) am 27.06.2000 untersucht. In dem Gutachten vom 06.07.2000 wurde der Bedarf in
der Grundpflege mit acht Minuten täglich und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung mit 15 Minuten bewertet,
woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 18.07. 2000 eine Leistungsgewährung ablehnte. Auf den Widerspruch hin
wurde nach Untersuchung des Klägers am 31.10.2000 ein weiteres Gutachten des MDK eingeholt, in dem der
Grundpflegebedarf ebenfalls mit acht Minuten angegeben wurde. Hierauf gestützt wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 30.01.2001 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Bayreuth (SG) hat eine Befundbericht der praktischen Ärztin D. vom
02.04.2001 eingeholt und den leitenden Medizinaldirektor a.D. Dr.T. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat den
Kläger am 09.06. 2001 zu Hause aufgesucht und das Gutachten vom selben Tage erstellt. In der Grundpflege bestehe
ein Hilfebedarf von 18,7 Minuten, in der hauswirtschaftlichen Versorgung hingegen von 148,6 Minuten.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.08.2002 hat das SG die Klage abgewiesen und sich auf die Feststellungen des
Sachverständigen Dr.T. bezogen; Einwendungen hiergegen seien nicht erhoben worden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, es sei eine tägliche Pflege von wenigstens
90 Minuten, insbesondere für Fahrten zum Arzt und zum Einkaufen, erforderlich.
Das Gericht hat erneut einen Befundbericht der praktischen Ärztin Dr.D. , bei der der Kläger bis Februar 2002 in
Behandlung war, und des Allgemeinarztes Dr.E. , bei dem Kläger seit Februar 2001 in Behandlung ist, eingeholt.
Weiterhin sind Berichte über die stationäre Behandlung vom 14. bis 26.02.2002 des Kreiskrankenhauses W. und der
Deutsch-Ordensklinik W. , Klinik für Geriatrie, über einen Aufenthalt vom 26.02. bis 28.03.2002 vorgelegt worden. Im
Auftrag des Senats hat die Sachverständige Dr.B. den Kläger am 09.01.2003 zu Hause aufgesucht und das
Gutachten vom 21.01.2003 erstellt. Danach beträgt der Hilfebedarf in der Grundpflege täglich 19 Minuten, während für
die hauswirtschaftliche Versorgung ein Pauschalwert von 45 Minuten täglich berücksichtigt werden könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2002 und den Bescheid vom
18.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihm ab 29.05.2000 Pflegegeld nach Stufe I zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 SGG) liegt nicht vor.
Ausschließungsgrund (§ 144 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet. Der Kläger hat gegenwärtig jedenfalls noch keinen
Anspruch auf Pflegegeld wenigstens nach Stufe I.
Gemäß § 15 Abs.3 Nr.1 SGB XI ist hierfür Voraussetzung, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder
eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und
hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, im wöchentlichen Tagedurchschnitt mindestens 90 Minuten beträgt, wobei
auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Zur Grundpflege zählen Hilfeleistungen im Bereich der
Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämen, Rasieren, Darm- oder Blasenentleerung), der
Ernährung (mundgerechtes Zubereiten oder Aufnahme der Nahrung) und der Mobilität (selbständiges Aufstehen und
Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder Verlassen und Wiederaufsuchen der
Wohnung). Der Kläger benötigt zwar Hilfe in der Grundpflege, jedoch nicht in einem Umfang von mehr als 45 Minuten
täglich, weshalb ein Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe I gegenwärtig nicht besteht. Deshalb kann
dahinstehen, in welcher Höhe er Hilfebedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung hat.
Wie die vom Senat zur Sachverständigen bestellte Ärztin Dr.B. in ihrem schlüssigen und überzeugenden Gutachten
vom 21.01.2003 darlegt, steht beim Kläger als pflegebegründend im Vordergrund ein Zustand nach Schlaganfall vor
mindestens zehn Jahren mit jetzt noch bestehender deutlichen Restschwäche der linken Körperhälfte und daraus
resultierenden Koordinations- und Feinmotorikproblemen. Im Februar 2002 zog sich der Kläger eine
Oberschenkelhalsfraktur rechts zu und wurde am 14.02.2002 mit einer Total- endoprothese versorgt. Infolge dessen
besteht noch eine deutliche Gang- und Mobilitätsbehinderung. Der Kläger, der alleine in seinem Haus lebt, bedarf
fünfmal wöchentlich der Unterstützung bei der Ganzkörperwäsche und zweimal wöchentlich der Hilfe in Form einer
teilweisen Übernahme beim Duschen. Beim Rasieren ist einmal täglich Nacharbeiten bei der Nassrasur erforderlich.
Für das mundgerechte Herrichten der Nahrung benötigt er dreimal täglich Unterstützung, ebenso bei der
portionsgerechten Vorgabe der Mahlzeiten. Für An- und Auskleidung ist jeweils einmal täglich Unterstützung
erforderlich, für das Verlassen der Wohnung zu Arztbesuchen ist ebenfalls gelegentlich Hilfe erforderlich, wobei der
Kläger gelegentlich auch selbständig in die Sprechstunde seines Hausartzes, der sich an seinem Wohnort befindet,
geht.
Somit besteht gegenwärtig ein Hilfebedarf bei der Verrichtung der Grundpflege von durchschnittlich 19 Minuten täglich.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Verrichtungen, die nicht wenigstens einmal in der Woche anfallen, nicht zu
berücksichtigen sind.
Somit war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2002 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.