Urteil des LSG Bayern vom 29.05.2008

LSG Bayern: tschechische republik, tschechien, aufenthalt, spanien, sorgerecht, familie, ergänzung, berufungsschrift, rkg, klageänderung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.05.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 9 KG 18/04
Bayerisches Landessozialgericht L 14 KG 12/05
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Juni 2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) i.V.m. mit dem koordinierten europäischen
Sozialrecht für insgesamt sieben Monate im Zeitraum vom 01.10.2003 bis 30.04.2004.
Der in Spanien lebende deutsche Kläger, der Erwerbsminderungsrente von der deutschen Rentenversicherung
bezieht, beantragte ausweislich der Akten der Beklagten am 01.10.2002 Kindergeld für seine Tochter K ... Am
08.11.2002 erhielt der Kläger ein Schreiben von der Hauptstelle der Beklagten, worin ihm mitgeteilt wurde, dass zur
Überprüfung seiner Kindergeldangelegenheit noch Kindergeldunterlagen benötigt würden.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund mit Schreiben vom 04.12.2002. Das Sozialgericht
Dortmund verwies das Verfahren mit Beschluss vom 22.01.2003 an das Sozialgericht Nürnberg. Während des
Verfahrens vor dem SG Nürnberg (S 9 KG 2/03) übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 23.10.2003 einen
Bescheid vom 21.10.2003 an das Sozialgericht Nürnberg zur Kenntnisnahme. In dem Bescheid wurde dem Kläger
Kindergeld für die Tochter K. für die Zeit vom August 2002 bis August 2003 bewilligt und ein Anspruch für die Zeit ab
Oktober 2003 abgelehnt. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde er auf die Widerspruchsmöglichkeit zutreffend
hingewiesen.
Mit Schreiben vom 17.12.2003 teilte der Kläger dem SG Nürnberg mit, dass sein Begehren bezüglich des Zeitraums
von August 2002 bis August 2003 "erledigt" sei und bat gleichzeitig "jedoch um Beachtung, dass meine Forderungen
ab Oktober 2003 vermutlich wiederum Gegenstand eines Rechtsstreites werden". Das SG übersandte dieses
Schreiben des Klägers der Beklagten mit dem Hinweis, dass der Kläger die Klage zurückgenommen habe bezüglich
des vergangenen Zeitraums und der Kläger mit dem Schreiben gleichzeitig Widerspruch gegen den Bescheid vom
21.10.2003 erhoben habe. Anschließend trug das SG den Rechtsstreit unter Az.: S 9 KG 2/03 durch
Abschlussverfügung vom 19.12.2003 als erledigt aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2004 wurde das Begehren des Klägers, ab Oktober 2003 Kindergeld für seine
Tochter K. zu erhalten, abgelehnt. Der Kläger habe vorgebracht, dass seine Tochter am 19.09.2003 ohne sein Wissen
und sein Zutun von der nicht sorgeberechtigten Mutter in die Tschechische Republik gebracht worden sei und er
Strafanzeige insoweit wegen Kindesentführung gestellt habe. Darauf käme es jedoch ebensowenig an wie auf die
nach wie vor bestehende Meldung eines Wohnsitzes für die Tochter in Spanien. Entscheidend sei allein der
tatsächliche Aufenthalt in Tschechien; da Tschechien im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht zur EU gehörte,
bestünde nach § 2 Abs.5 Satz 1 BKGG und auch Art.77 EG-Verordnung Nr.1408/71 kein Anspruch auf Kindergeld.
Dies sei auch mit Bescheid vom 16.02.2004, der in Abänderung des Bescheides vom 21.10.2003 erging, zusätzlich
als Begründung klargestellt worden. Dieser Abänderungsbescheid sei gemäß § 86 SGG Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens geworden.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 07.07.2004, eingegangen beim Sozialgericht
Nürnberg am 16.07.2004, Klage (S 9 KG 18/04). Das SG entschied mit Urteil vom 27.06.2005, dass die Klage
zulässig gewesen sei, da mangels zutreffender Rechtsbelehrung im Widerspruchsbescheid die Klage auch innerhalb
einer Jahresfrist hätte erhoben werden können. Im Ergebnis sei die Klage jedoch unbegründet, da es allein auf den
tatsächlichen Aufenthalt der Tochter ankäme für die Gewährung von Kindergeld nach deutschem Recht. Die Tochter
des Klägers habe sich seit 19.09.2003 jedoch durchgängig in Tschechien aufgehalten.
Gegen das am 27.07.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit E-Mail von 24.10.2005 Berufung zum Bayer.
Landessozialgericht eingelegt. Aus der E-Mail war der Name des Klägers ersichtlich. Im Folgenden gingen vom Kläger
originalunterschriebene Schriftsätze ein.
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen vor, der Wohnsitz und Lebensmittelpunkt der
gesamten Familie sei seit 03.12.1998 Teneriffa gewesen. Das habe fortgegolten zumindest für ihn und seine Tochter
bis April 2004. Denn die Tochter habe sich aufgrund der Mitnahme durch die Mutter widerrechtlich in Tschechien
aufgehalten und sei weiterhin in Spanien gemeldet gewesen; er habe das alleinige Sorgerecht gehabt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Juni 2005 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 21.10.2003 und den Abänderungsbescheid vom 16.03.2004, jeweils in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.03.2004, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kindergeld für seine
Tochter K. (1997) vom 01.10.2003 bis 30.04.2004 in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Es käme allein auf den tatsächlichen Wohnsitz an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung war unzulässig, da der Kläger die Berufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist lediglich per E-Mail, die
nicht unterschrieben war, zugeleitet hat. Dem Kläger war jedoch aufgrund des Verfahrensablaufs Wiedereinsetzung zu
gewähren, so dass die Berufung nicht schon deshalb mangels Zulässigkeit zu verwerfen ist.
Der gegen den Widerspruchsbescheid unter dem Az.: S 9 KG 18/04 beim Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage
steht auch das frühere beim Sozialgericht Nürnberg betriebene Verfahren unter dem Az.: S 9 KG 2/03 nicht dergestalt
entgegen, dass bereits vorher eine Klage gegen den Bescheid vom 21.10.2003 rechtshängig gewesen wäre mit der
Folge, dass der Abänderungsbescheid vom 26.04.2004 und der Widerspruchsbescheid vom 29.03.2004 Gegenstand
des anhängigen Verfahrens S 9 KG 2/03 geworden wären. Denn im Verfahren S 9 KG 2/03 wendete sich der Kläger
nach Antragstellung gegen die Beklagte, ohne dass bereits ein Bescheid ergangen war. Eine Klageänderung in Bezug
auf den Bescheid vom 21.10.2003 wurde nicht vorgenommen. Nachdem das Verfahren erledigt war, konnte der
Bescheid vom 21.10.2003, ohne dass er nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden wäre, mit
einem Rechtsmittel angegangen werden. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid dann auch fristgerecht Widerspruch
und gegen den Widerspruchsbescheid fristgerecht die unter Az.: S 9 KG 18/04 streitgegenständliche Klage zum
Sozialgericht erhoben.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Entscheidend kommt es allein auf den Wohnsitz bzw. tatsächlichen Aufenthalt
der Tochter des Klägers an (vgl. auch BSG, Urteil vom 14.04.1993 Az.: 10 RKg 15/82). Wohnsitz bzw. tatsächlicher
Aufenthalt der Tochter des Klägers war - auch nach dem Sachvortrag des Klägers - seit 19.09.2003 Tschechien.
Nachdem im Berufungsverfahren kein weiterer, wesentlicher neuer Sachvortrag erfolgt ist, wird gemäß § 153 Abs.2
von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und die Berufung aus den Gründen der
angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos
blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.