Urteil des LSG Bayern vom 27.06.2005

LSG Bayern: vermieter, heizung, sozialhilfe, mietsache, anfang, bestreitung, absicht, mietzins, ausnahmefall, mutwilligkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 27.06.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 13 AS 37/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 B 227/05 AS ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.03.2005 wird zurückgewiesen. II. Der
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. III. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten allein um die Frage, ob die Kosten für Unterkunft, Heizung und Warmwasser, die (derzeit) in
der Sache und in der Höhe unstreitig sind, von der Antragsgegnerin (Ag) an die Antragsstellerin (Ast) oder an deren
Vermieter auszubezahlen sind.
Die am 1966 geborene Ast erhielt in der Vergangenheit Leistungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz
(BSHG), wobei der frühere Träger der Sozialhilfe die Kosten für Unterkunft und Heizung bis zum 31.12.2004 direkt an
den Vermieter der Ast ausbezahlte.
Seit dem 01.01.2005 erhält die Ast Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Ag,
darunter auch die Kosten für Unterkunft, Heizung und Warmwasser in Höhe von monatlich 720,- EUR. Die Ag
bestreitet im Ergebnis zwar die Angemessenheit dieser Kosten i.S. des § 22 Abs 1 Satz 1 HS 2 SGB II, im Hinblick
auf die Regelung in § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht aber im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
Mit Bescheid vom 04.02.2005 teilte die Ag der Ast mit, dass "die Miete in Höhe von 720,- EUR" ab März 2005 direkt
an den Vermieter überwiesen werde. Hiergegen erhob die Ast Widerspruch.
Mit dem am 09.03.2005 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) eingegangenen Schreiben beantragte sie sinngemäß, die
Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für Unterkunft, Miete und Warmwasser in Höhe
von monatlich 720,- EUR unmittelbar an sie auszubezahlen.
Ihr blieben derzeit monatlich nur 184,- EUR abzüglich 47,- EUR für Stromkosten zur Bestreitung des
Lebensunterhaltes. Sie brauche deshalb "die Sozialhilfe in voller Höhe".
Die Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Die Ast sei ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Miete nicht nachgekommen, weswegen erhebliche Mietschulden
entstanden seien und bei anderer Verfahrensweise die Obdachlosigkeit der Ast drohe.
Das SG lehnte mit Beschluss vom 24.03.2005 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Die Ag
habe nachgewiesen, dass die Ast ihrer Pflicht zur Mietzahlung gegenüber dem Vermieter nicht nachgekommen sei.
Hiergegen wendet sich die Ast mit der am 07.05.2005 beim SG eingegangenen Beschwerde, ohne im
Beschwerdeverfahren einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Für das Beschwerdeverfahren beantragt sie die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).
In der von ihr seit 01.11.2003 bewohnten Wohnung sei von Anfang an die Heizung defekt. Die Schalter im
Kinderzimmer, Schlafzimmer und Wohnzimmer ließen sich nicht regulieren. Sie habe deshalb eine Mietminderung
durchgeführt, im Monat Januar 2005 habe sie noch 300,- EUR Miete bezahlt, im Februar 2005 dagegen keine Miete
mehr überwiesen. Aus diesem Grunde habe der Vermieter den Mietvertrag gekündigt. Auch fehle es an der
Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004.
Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren bisherigen Sachvortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die
vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG
hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde der Ast ist unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, den monatlichen Betrag für Unterkunft, Heizung und Warmwasser in Höhe von 720,- EUR
direkt an die Ast auszubezahlen. Hierwegen kann auch die Frage, ob die Ag im vorliegenden Verfahren passiv
legitimiert ist oder ob sie den die Leistung ablehnenden Verwaltungsakt im Namen der Leistungsträger gemäß § 6
SGB II erlassen hat, offen bleiben, weil sie nicht mehr entscheidungserheblich ist.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
(Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder
unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der
Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977
BVerfGE 46, 166/179).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die Ast Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes -
das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-
rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm §
920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -; Mayer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 86 b RdNr
41).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl im Einzelnen dazu: BVerfG vom 12.05.2005 Az:
1 BvR 569/05) zeigt sich, dass der Ast der geltend gemachte Anspruch nicht zur Seite steht.
Gemäß § 22 Abs 4 SGB II sollen die Kosten für Unterkunft und Heizung an den Vermieter gezahlt werden, wenn die
zweckentsprechende Verwendung durch den erwerbsfähigen Hilfeberechtigten nicht sichergestellt ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind hier offensichtlich erfüllt. Ausweislich der Ermittlungen der Ag hat
die Ast von den ihr überwiesenen Kosten für Unterkunft und Heizung im Januar 2005 lediglich 300,- EUR an ihren
Vermieter weitergeleitet, im Februar 2005 hat sie keine Mietzahlungen mehr geleistet. Als Grund für ihr Verhalten
nannte die Ast bereits im Verwaltungsverfahren, sie habe im Monat März 2005 nur 885,66 EUR zum Leben erhalten.
Davon seien von der Ag 720,- EUR direkt an den Vermieter bezahlt worden, 47,- EUR betrage die Stromrechnung, 40,-
EUR habe sie für einen Bußgeldbescheid bezahlen müssen, so dass ihr insgesamt nur noch 78,66 EUR im Monat
März 2005 verblieben seien. Die Ast bringt damit ihre Absicht zum Ausdruck, die Kosten für Unterkunft und Heizung
nicht an den Vermieter weiterzuleiten, sondern zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zu verwenden. In ihrer
Beschwerdebegründung vom 16.06.2005 trägt sie zwar ergänzend vor, sie mindere derzeit den Mietzins wegen
Mängel der Mietsache. Diese Ausführungen überzeugen aber nicht. Sie stehen zum einen im direkten Widerspruch zu
den bisherigen Begründungen ihrer Verhaltensweise. Zum anderen rechtfertigen die von der Ast geltend gemachten
Mängel der Mietsache und die Tatsache, dass die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004 noch nicht vorliegt,
unter keinem Gesichtspunkt die Kürzung des Mietzinses für Januar 2005 in Höhe von 420,- EUR und die Einbehaltung
des gesamten Mietzinses für Februar 2005. Diese Überlegung findet ihre Bestätigung auch darin, dass die Ast im
laufenden Jahr 2004 die Überweisung der Kosten für Unterkunft und Heizung an den Vermieter durch den früheren
Träger der Sozialhilfe hingenommen hat, obwohl die angeblichen Mängel der Mietsache bereits seit 01.01.2003
festzustellen waren.
Nachdem mithin die zweckentsprechende Verwendung der Leistungen für Unterkunft und Heizung durch die Ast nicht
i.S. des § 22 Abs 4 SGB II sichergestellt ist, erfolgt die Ausbezahlung dieser Leistungen direkt an den Vermieter der
Ast rechtsfehlerfrei. Nach § 22 Abs 4 SGB II soll die Ag so verfahren. Ein atypischer Ausnahmefall der ihr im
vorliegenden Fall eine Ermessensentscheidung eröffnen könnte, ist nicht zu ersehen.
Ebenfalls zutreffend hat das SG festgestellt, dass die im Betrag von 720,- EUR enthaltenen anteiligen
Warmwasserkosten genau genommen keine Kosten für Unterkunft und Heizung i.S. des § 22 Abs 1 SGB II sind, und
somit auch nicht der Regelung des § 22 Abs 4 SGB II unterfallen können (vgl dazu auch Löns/Herold-Tews, SGB II,
2005, § 22 RdNr 2). Die anteiligen Warmwasserkosten sind von der Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhaltes gemäß § 20 Abs 1 SGB II umfasst und durch die monatliche Pauschale abgedeckt. Insoweit liegt
eine Überzahlung der Ag vor. Die Ast kann deshalb auch nicht die Ausbezahlung dieses Teilbetrages an sich selbst
verlangen.
Mithin führt auch eine abschließend zu treffende umfassende Güter- und Folgenabwägung nicht zur Begründetheit der
Beschwerde, weil der Ast der geltend gemachte Anspruch unter keinem Gesichtspunkt zur Seite steht.
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für dieses Beschwerdeverfahren ist abzulehnen.
Aus den oben unter Nr 1 angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das die Ast PKH
beantragt hat, von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S. des § 73 a SGG iVm §§ 114 ff ZPO hatte.
Auf die Frage der Mutwilligkeit und auf die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommt es nach
alledem nicht mehr an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.
4. Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).