Urteil des LSG Bayern vom 30.11.2005

LSG Bayern: rechtliches gehör, wartezeit, erwerbsunfähigkeit, zustand, anstaltsleitung, rente, persönlichkeitsstörung, arbeitsstelle, schwarzarbeit, amputation

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.11.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 5 RJ 102/04
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 400/04
Bundessozialgericht B 5a/5 R 32/06 B
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23. Mai 2004 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1962 geborene Kläger stellte mit dem am 3. Juni 2003 eingegangenen Schreiben Antrag auf Gewährung einer
Erwerbsminderungsrente. Er hält sich seit einem Motorradunfall am 9. September 1980 für voll erwerbsgemindert.
Neben dem im September 1980 erlittenen Motorradunfall, der zu einer Verletzung des linken Unterschenkels führte,
erlitt er im September 1981 einen weiteren Unfall. Die Verletzungsfolgen am linken Unterschenkel heilten
offensichtlich nie ganz aus. In der Folgezeit kam es zu einer Osteomyelitis und im Jahre 1993 zu einer Amputation.
Nach den klägerischen Angaben hat es sich nicht um Arbeitsunfälle gehandelt.
Von September 1979 bis Februar 1980 befand er sich nach seinen Angaben in Berufsausbildung zum
Werkzeugmacher, die er aus nicht gesundheitsbedingten Gründen abgebrochen habe.
Im Zeitraum 1. September 1979 bis 30. Juli 1991 hat der Kläger 24 Pflichtbeitragsmonate zurückgelegt. Daneben
enthält der Versicherungsverlauf beitragsfreie Zeiten der Krankheit und der Arbeitslosigkeit. Die letzten
Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung datieren vom 11. April bis 31. August 1989 sowie vom 21.
August 1985 bis 30. Juni 1986.
Seit 1996 ist der Kläger inhaftiert (Strafvollstreckung in psychiatrischer Unterbringung im BKH S.).
In einem nicht im Rentenverfahren erstellten Gutachten des Medizinaldirektor A. vom 25. Mai 1993 wird ausgeführt,
dass der Kläger sich seit 1988 zehnmal in stationärer Behandlung im Bezirkskrankenhaus E. befunden habe. Nach
Entlassung aus der Klinik nach dem Unfallereignis 1981 sei es zu erheblichem Alkoholmissbrauch gekommen. Auf
Stresssituationen reagiere er mit aggressiven Durchbrüchen und Verhaltensweisen. Im Rahmen eines
Alkoholentzuges 1992 habe sich ein symptomatisches cerebrales Anfallsleiden mit großen epileptischen Anfällen
eingestellt. An Diagnosen lägen vor: - Chronischer Alkoholismus, - symptomatisches Anfallsleiden mit Grand-mal-
Epilepsie, - Zustand nach mehrfachem Schädelhirntrauma mit Schädelfraktur links parietial sowie
Subarachnoidalblutung, - Zustand nach Polytrauma vor zwölf Jahren mit chronischer Osteitis bzw. Osteomyelitis im
linken Fuß und Unterschenkel, - Zustand nach Amputation des linken Unterschenkels, - schwere
Persönlichkeitsstörung/-Veränderung mit zeitweise auftretenden aggressiven Durchbrüchen. Konkrete
Angelegenheiten beispielsweise im Bereich von Gesundheitsfürsorge-Bestimmung des Aufenthaltes,
Wohungsvermögens und Rentenangelegenheiten könne der Betroffene deshalb nicht selbst besorgen; er sei als
geschäftsunfähig anzusehen.
Nach der sozialmedizinischen Stellungnahme Dr.P. vom 21. Januar 2004 besteht seit 16. Juli 1988 eine zeitliche
Leistungsminderung auf unter zwei Stunden täglich.
Mit Bescheid vom 27. August 2003 und Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2004 wurde der Rentenantrag
abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bezogen auf einen anzunehmenden Leistungsfall im Juni 1988 die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten
werde nicht erreicht. Für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung liege kein Hinweis vor. Die sogenannte Drei-Fünftel-
Belegung sei nicht gegeben.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben.
Das Sozialgericht veranlasste ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr.H. Z. vom 30. April 2004 nach
Aktenlage. Der Sachverständige führt aus, dass beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vorlägen: 1. Chronische
Alkoholerkrankung mit fortgeschrittener Hirnfunktionsstörung, 2. Zustand nach Unterschenkelamputation links.
Von 1981 bis 1982 habe völlige Erwerbsunfähigkeit bestanden. Danach sei er mit Einschränkungen vollschichtig
wieder einsetzbar gewesen. Auszuschließen seien Tätigkeiten mit ununterbrochenem Stehen und Gehen gewesen.
Dies gelte von Seiten des Beines auch sicherlich noch heute. Der Kläger habe mittlerweile eine Prothese erhalten, die
das Leistungsvermögen nicht in quantitativer Weise herabsetze. Allerding sei aufgrund der psychiatrischen
Erkrankung anzunehmen, dass seit dem Beginn der stationären Aufenthalte in den psychiatrischen Kliniken im Juli
1988 auf Dauer kein vollschichtiges Leistungsvermögen mehr bestanden habe. Ab diesem Zeitpunkt haben keine
regelmäßigen Arbeiten mehr abverlangt werden können.
Das Sozialgericht wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2004 ab. Zur Begründung wird auch hier
ausgeführt, dass der Kläger seit Juli 1988 voll erwerbsgemindert sei. Von Mai 1982 bis Juni 1988 sei er in der Lage
gewesen, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Gehe man von einem Leistungsfall im Juli 1988 aus, würden die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger trägt vor, seit 1980 erwerbsgemindert zu sein. Aufgrund der chronischen Schmerzen und des schlechten
Krankheitsverlaufs habe er sich in Alkohol geflüchtet, was zu einer Alkoholabhängigkeit geführt habe. Aufgrund
dessen habe er leider nicht lange bei einer festen Arbeitsstelle bleiben können. Er habe immer wieder versucht zu
wechseln und dies jeweils auch einige Male geschafft. Leider habe er wegen des dauernden körperlichen Leides nie
eine feste Arbeitsstelle länger durchhalten können. So sei er zu Schwarzarbeit über den Bekanntenkreis gezwungen
gewesen. Er habe dies aus reinem Überlebenswillen getan, um überhaupt existieren zu können.
Der Senat hat bei der Arbeitsverwaltung angefragt, für welche Zeiten Leistungen nach dem AFG bezogen worden sind.
Die Agentur für Arbeit N. teilte mit, dass Leistungsunterlagen nicht mehr vorhanden seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 23. Mai
2004 den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2004
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles im September 1980
Rente wegen Erwerbsminderung ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hatte den Kläger zunächst unter der Anordnung des persönlichen Erscheinens zur mündlichen Verhandlung
geladen. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 teilte dieser jedoch sinngemäß mit, nicht erscheinen zu wollen. Er
möchte sich vom Krankenhauspersonal nicht zu einer Verhandlung fahren lassen, da doch alle Akten vorlägen und die
Erwerbsunfähigkeit erwiesen sei. Daraufhin wurde die Anordnung des persönlichen Erscheinens aufgehoben. Mit am
14. November 2005 eingegangenem Schreiben, teilte der Kläger dann mit, seine Meinung geändert zu haben und an
der mündlichen Verhandlung nun doch teilnehmen zu wollen. Er bat darum, von der Polizei abgeholt zu werden. Ihm
wurde am 15. November 2005 mitgeteilt, dass es ihm frei stehe, zum Termin zu erscheinen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie des Amtes für
Versorgung und Familienförderung Nürnberg, der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Landshut sowie der Streitakte
des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143. 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Durchgreifende Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers bestehen nicht. Der Senat hält den Kläger nicht aufgrund
krankhafter Störung der Geistestätigkeit für geschäftsunfähig. Dabei stützt er sich auf eine Auswertung der
zahlreichen Schriftsätze, in denen der Kläger zielgerichtet die versagenden Bescheid- und Urteilsgründe zu widerlegen
und gedankenklar einen Prozesserfolg herbeizuführen versucht. Der Senat schließt daraus, dass - möglicherweise
aufgrund der Therapie im unterbringenden Bezirkskrankenhaus - die offenbar früher nicht bestehende
Geschäftsfähigkeit wieder hergestellt ist. Auch die im Jahr 1993 angeordnete Betreuung (Vermögenssorge; ohne
Einwilligungsvorbehalt) besteht nicht mehr (i.Ü.: OLG Zweibrücken vom 20. Juni 2000, FamRZ 2000, 1324 ff.).
Die Berufung erweist sich jedoch als nicht begründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer
Erwerbsminderungsrente.
Der Anspruch des Klägers beurteilt sich nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der ab dem
1. Januar 2001 geltenden neuen Fassung, da der Antrag im Juni 2003 gestellt worden ist (§ 300 Abs.1, Abs.2 SGB
VI).
Nach § 43 Abs.1 Abs.2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente
wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert im Sinne der
rentenrechtlichen Vorschriften sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die
allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Ungeachtet der Frage des Zeitpunktes des Eintritts des Leis-tungsfalles hat der Kläger bis heute die allgemeine
Wartezeit nicht erfüllt.
Die allgemeine Wartezeit für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beträgt fünf Jahre (§ 50 Abs.1 SGB VI).
Hierbei werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und (hier nicht vorliegenden) Ersatzzeiten angerechnet (§ 51
Abs.1, Abs.4 SGB VI). Beitragszeiten sind nach § 55 Abs.1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge
(Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Zu den Beitragszeiten gehören auch Zeiten, für die
in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1991 für Anrechnungszeiten Beiträge gezahlt worden sind, die
der Versicherte ganz oder teilweise getragen hat (§ 247 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten,
für die die Bundesagentur für Arbeit in der Zeit vom 1. Juli 1978 bis zum 31. Dezember 1982 wegen des Bezuges von
Sozialleistungen Pflichtbeiträge gezahlt hat (§ 247 Abs.2 SGB VI).
Ausweislich des Versicherungsverlaufes hat der Kläger nur 24 Pflichtbeitragsmonate, in der Zeit vom 1. September
1979 bis zum 3. Juli 1991 zurückgelegt. Vom 9. September 1980 bis 20. Mai 1982 werden überdies beitragsfreie
Zeiten (Krankheit) sowie auch vom 15. Januar 1987 bis zum 10. April 1989 Zeiten der Arbeitslosigkeit vermerkt.
Jedoch handelt es sich dabei nicht um Zeiten im Sinne des § 247 Abs.1, Abs.2 SGB VI. Weder konnte der Kläger
dartun noch vermochte eine Anfrage bei den versichernden Krankenkassen bzw. der Agentur für Arbeit, Nürnberg,
Hinweise dafür zu erbringen, dass in den nicht durch Beitragszeiten belegten Monaten Beiträge entrichtet worden
waren, die der Versicherte ganz oder teilweise selbst getragen hat.
Der Kläger erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur dann, wenn man unter Berücksichtigung der
Vorschriften über die vorzeitige Wartezeiterfüllung, die auch die Notwendigkeit der Erfüllung der
versicherungsrechtlichen Voraussetzung der sogenannten Drei-Fünftel-Belegung entfallen lässt, den Eintritt des
Leistungsfalles entsprechend vorverlegen könnte (§§ 43 Abs.5, 53, 245, 245a SGB VI)). Da der Kläger selbst angibt,
dass die Unfallereignisse in den Jahren 1980 und 1981 keine Arbeitsunfälle gewesen seien, ist die allgemeine
Wartezeit nur dann vorzeitig erfüllt, wenn der Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer
Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt hat. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der
vollen Erwerbsminderung verlängert sich dabei um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17.
Lebensjahres bis zu sieben Jahren (§ 53 Abs.2 SGB VI). Unter Berücksichtigung des Endes der Berufsausbildung im
Februar 1980 (Abbruch des angegebenen Lehrverhältnisses) müsste demnach der Leistungsfall spätestens im
Februar 1986 eingetreten sein. Zwölf Pflichtbeitragsmonate für eine versicherte Beschäftigung oder gleichgestellte
Zeiten sind im Sechsjahreszeitraum jedoch nicht zurückgelegt worden.
Der Kläger könnte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen demnach nur über die Vorschrift des § 245 Abs.3
SGB VI erfüllen. Danach wäre die allgemeine Wartezeit erfüllt, wenn er wegen eines Unfalles im September 1980 oder
September 1981 irgendwann bis zum Ablauf des Sechsjahreszeitraums im Februar 1986 erwerbsunfähig geworden
wäre und in den zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens sechs Kalendermonate mit
Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung zurückgelegt hat. In Ansehung des Versicherungsverlaufes
müsste dann eine Erwerbsunfähigkeit spätestens im November 1981 eingetreten sein und bis heute fortbestehen.
Vom Vorliegen einer seit diesem Zeitraum bis heute durchgehend bestehenden Erwerbsunfähigkeit kann sich der
Senat mit der erforderlichen Beweisdichte jedoch nicht überzeugen. Hierbei schließt er sich den nachvollziehbaren
Ausführungen des durch das Sozialgericht gehörten Sachverständigen Dr.Z. an, wie sie dieser in seinem Gutachten
vom 30. April 2004 niedergelegt hat. Danach mag möglicherweise im Zeitraum 1980 bis 1982 tatsächlich
Erwerbsunfähigkeit bestanden haben. Jedoch ist nachfolgend eine Besserung insofern eingetreten, als der Versicherte
in der sich anschließenden Zeit unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen für leichte Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes wieder vollschichtig einsatzfähig wurde. Die Einschätzung deckt sich mit den in den
Akten enthaltenen medizinischen Unterlagen. Erst im Juli 1988 und dies nicht aufgrund der Gesundheitsstörungen des
linken Beines, sondern aufgrund einer sich entwickelnden schweren Persönlichkeitsstörung, ist ein Absinken der
Leistungsfähigkeit auf ein Erwerbsunfähigkeitsniveau nachweisbar. Diese Überzeugung des Senates wird gefestigt
durch die eigenen Darlegungen des Klägers, der in seiner Berufungsschrift ausgeführt hat, dass er in der Zeit nach
Abheilung der Verletzung Schwarzarbeit verrichtete, weil er es nicht lange auf Arbeitsplätzen ausgehalten habe und er
aufgrund seiner Behinderung am Bein sowie der Alkoholabhängigkeit nur eingeschränkt wettbewerbsfähig gewesen
war. Im Übrigen hat der Kläger vom 21. August 1985 bis zum 30. Juni 1986 elf Pflichtbeitragsmonate ohne
Unterbrechung zurückgelegt. In dieser Zeit hat er als LKW-Fahrer gearbeitet. Die Höhe der gemeldeten Entgelte
spricht für die Verrichtung einer vollschichtigen Tätigkeit.
Der Senat sah sich auch nicht gehindert, ohne den nicht erschienen Kläger über die Berufung zu entscheiden. Dabei
verkennt der Senat nicht, dass die mündliche Verhandlung ein wesentliches Mittel darstellt, dem grundgesetzlichen
Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen und auch ein der Strafvollstreckung unterliegender
Prozessbeteiligter ein Teilnahmerecht besitzt. Grundsätzlich obliegt es dem Gefangenen, bei der Anstaltsleitung die
Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen. Kann die Teilnahme eines Prozessbeteiligten an der
mündlichen Verhandlung, der seinerzeit alles ihm zumutbare unternommen hat, um teilzunehmen, nur durch die
rechtlich zulässige Mitwirkung des Prozessgerichtes, insbesondere durch Anordnung des persönlichen Erscheinens,
erreicht werden, so sieht sich der Senat verpflichtet, entsprechend auf eine Teilnahme hinzuwirken (BSG, Urteil vom
21. Juni 1983 - 4 RJ 3/83; Urteil vom 23. Februar 1960 - 9 RV 576/55, E 12, 9 ff.).
Im vorliegenden Fall hatte der Senat von sich aus zunächst den Kläger zur mündlichen Verhandlung unter der
Anordnung des persönlichen Erscheinens geladen, um dem Kläger die Rechtsauffassung des Senates noch einmal zu
erläutern. Da der Kläger daraufhin jedoch darum gebeten hat, von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden
zu werden, weil er nicht teilnehmen wollte, wurde die Anordnung sodann aufgehoben. Auf die Ankündigung, nun doch
Erscheinen zu wollen, wurde ihm mitgeteilt, dass ihm eine Teilnahme selbstverständlich frei stehe. Es wäre nun
Sache des Klägers gewesen, bei der Anstaltsleitung einen entsprechenden Antrag auf Ausführung zu stellen. Es ist
nicht Aufgabe des Senates, den Transport zum Termin zu organisieren. Der Kläger hat auf das letzte Schreiben des
Senates nicht verlauten lassen, dass die Anstaltsleitung seinem Anliegen nicht Rechnung trage. Zu einer erneuten
Anordnung des persönlichen Erscheinens oder sonstigen Unterstützungsmaßnahmen gegenüber der Anstaltsleitung
hätte sich der Senat dann verpflichtet gesehen, wenn der Kläger zu erkennen gegeben hätte, dass, was nicht
geschehen ist, seinem Antrag nicht entsprochen werde, obwohl er alles hierfür zumutbare unternahm. Vielmehr hat
der Kläger erst fünf Minuten vor Aufruf der Sache bei der Gerichtsverwaltung angefragt, warum er denn nicht abgeholt
worden sei. Auch damit gab er letztlich nicht zu erkennen, einen (erfolglosen) Antrag auf Vorführung gestellt zu haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).