Urteil des LSG Bayern vom 19.11.2002

LSG Bayern: auflösung der gesellschaft, ungerechtfertigte bereicherung, verwaltungsakt, auflage, gesellschafter, sachleistung, widerruf, integration, arbeitsloser, jugendlicher

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.11.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 13 AL 629/99
Bayerisches Landessozialgericht L 10 AL 85/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Lohnkostenzuschüssen an den Kläger für die Einstellung der
Arbeitslosen B. A. und S. I. , beide geboren 1973, in der Zeit vom 01.12.1998 bis 14.10.1999/19.07.1999 und
Erstattung von 20.866,67 DM/15.200,00 DM.
Der Kläger - mit dem Beigeladenen Gesellschafter der am 14.07.1998 beim Gewerbeamt angemeldeten S.
Wollwarenfabrik GmbH i.G. (S.) - erhielt von der Beklagten ab 15.10.1998/ 20.07.1998 Leistungen der freien Förderung
gemäß § 10 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) zur betrieblichen Eingliederung der Arbeitslosen B. und S.
aus dem Sonderprogramm des Arbeitsamtes E. zur Integration arbeitsloser Jugendlicher sowie Fachhochschul-
/Hochschulabsolventen für die Dauer von einem Jahr in Gestalt eines Lohnkostenzuschusses in Höhe von je
24.000,00 DM. Dieser wurde an die GmbH i.G. in einer Summe gezahlt. In den Bewilligungsbescheiden vom
23.10.1998/30.07.1998 wurde der Kläger darauf hingewiesen, unaufgefordert jede Änderung mitzuteilen, die für den
Anspruch auf Förderung von Bedeutung ist. Bezug genommen wurde ferner auf die mit der Antragstellung bekannt
gegebenen Förderregelungen.
Am 16.11.1998 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft. Zum 30.11.1998 stellte die
Gesellschaft ihre Betriebstätigkeit ein. Am 01.12.1998 meldete der Kläger das Gewerbe bei der Stadtverwaltung
S./Oder mit Wirkung zum 30.11.1998 ab und teilte dies der Beklagten mit, wobei er auf Zahlungsschwierigkeiten
hinwies. Die Mitarbeiter B. und S. wurden ab 01.12.1998 freigestellt. Mit Bescheiden vom 28.01.1999 hob die
Beklagte ihre Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 01.12.1998 bis 14.10.1999/19.07.1999 gemäß § 48 Abs 1
Satz 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) auf und forderte die überzahlten Zuschüsse in Höhe von
20.866,67 DM/ 15.200,00 DM vom Kläger und dem Beigeladenen zurück. Die Widersprüche des Klägers und des
Beigeladenen - diese brachten vor, es habe sich nicht um Lohnkostenzuschuss, sondern um einen Zuschuss zur
Einrichtung eines Arbeitsplatzes für Arbeitslose gehandelt - wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom
28.05.1999 mit der Begründung zurück, die Bewilligungsentscheidung sei gemäß § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB X zu
Recht widerrufen worden, da der bewilligte Lohnkostenzuschuss nicht mehr dem Zweck entsprechend eingesetzt
werde. Dem Kläger und dem Beigeladenen sei bekannt, dass die Förderung zurückzuzahlen sei, wenn der
Arbeitnehmer nicht durchgehend ein Jahr beschäftigt werde. Der überzahlte Betrag sei gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB
X zu erstatten.
Dagegen hat der Kläger jeweils Klage zum Sozialgericht Neuruppin erhoben, das die Rechtsstreitigkeiten an das
örtlich zuständige Sozialgericht Nürnberg (SG) verwies. Das SG hat den früheren Gesellschafter C. B. zum Verfahren
beigeladen und die Klagen Az: S 13 AL 629/99 und S 13 AL 648/99 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden. Der Kläger hat beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 29.01.1999 (richtig 28.01.1999) in der Gestalt
der Widerspruchsbescheide vom 28.05.1999 aufzuheben. Der Beklagten stehe ein Rückforderungsanspruch nicht zu.
Mit Urteil vom 19.01.2000 hat das SG die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zu Unrecht habe die
Beklagte die Aufhebungsbescheide auf § 47 SGB X gestützt. Einschlägig sei vielmehr § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB
X. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er im Falle der vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
verpflichtet sei, die Leistungen anteilig zurückzuzahlen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und auf sein bisheriges
Vorbringen Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2000 sowie die Bescheide vom 28.01.1999 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 28.05.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2000 zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 153 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), aber nicht begründet. Das SG
hat im Ergebnis zu Recht die Klagen gegen die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 28.01.1999 in der
Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.05.1999 abgewiesen. Allerdings lässt sich die Aufhebung der
Leistungsbewilligung nicht auf §§ 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1, 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X stützen, wie dies die Beklagte
getan hat.
Nach § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB X in der ab 21.05.1996 gültigen Fassung (Art 6 Abs 2 Gesetz vom 02.05.1996,
BGBl I S 656) kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung
eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald
nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Vorliegend ist
jedoch der Anwendungsbereich des § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB X nicht eröffnet. Zwar werden von dieser
Bestimmung grundsätzlich Leistungen der Beklagten an Arbeitgeber erfasst (von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 47
RdNr 14), allerdings nicht schon alle Verwaltungsakte, denen eine mit der Sozialleistung zusammenhängende
Zwecksetzung zugrunde liegt. Die Vorschrift knüpft vielmehr ausschließlich an die im Verwaltungsakt selbst
getroffene Zweckbestimmung zur Verwendung der bewilligten Geld- oder Sachleistung an (BSG SozR 3-1300 § 47 Nr
1). Daher kommt ein Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nach § 47 Abs 2 SGB X nur in betracht,
wenn der Empfänger der Leistung den im Verwaltungsakt festgelegten Leistungsverwendungszweck nicht erfüllt.
In den Bewilligungsbescheiden vom 23.10.1998/30.07.1998 ist aber eine zum Widerruf berechtigende
Zweckbestimmung nicht enthalten. Sie enthalten im Betreff lediglich die Formulierung "freie Förderung gemäß § 10
SGB III; Sonderprogramm des Arbeitsamtes E. zur Integration arbeitsloser Jugendlicher sowie FH-
/Hochschulabsolventen". Eine die Verwendung des gezahlten Zuschusses betreffende Bestimmung, zB dass der
Kläger den Lohnkostenzuschuss nur zur Zahlung des Nettolohnes, der Lohnsteuer des Arbeitnehmers oder der
Sozialversicherungsbeiträge verwenden darf, ist dem bewilligenden Verwaltungsakt mithin nicht zu entnehmen.
Eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Lohnkostenzuschusses stellt jedoch § 223 Abs 2
SGB III dar (BSG Urteile vom 21.03.2002 - B 7 AL 48/01 R und B 7 AL 68/01 R). Nach § 223 Abs 2 SGB III in der bis
31.07.1999 geltenden Fassung ist der Eingliederungszuschuss - zu den Eingliederungszuschüssen zählen auch
Lohnkostenzuschüsse an Arbeitnehmer (Menard in Niesel, SGB III, 2. Auflage § 217 RdNr 1) - zurückzuzahlen, wenn
das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraumes beendet wird. Dies war hier der Fall. Das
Beschäftigungsverhältnis der Arbeitslosen B. und S. endete am 30.11.1998, also innerhalb des bis
14.10.1999/19.07.1999 laufenden Förderungszeitraums. Ab diesem Zeitpunkt waren die Mitarbeiter freigestellt, wie
sich aus dem Lohnjournal 11/98 ergibt. Darauf, ob das Arbeitsverhältnis, etwa durch Kündigung beendet wurde,
kommt es nicht an, denn der Wortlaut des § 223 Abs 2 SGB III, in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung stellt
auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses ab.
Ausnahmen von der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 223 Abs 2 Satz 2 Nrn 1, 2 SGB III liegen nicht vor.
Daneben sind die Voraussetzungen der §§ 48, 50 SGB X nicht zu prüfen. Auf Grund der Regelung des § 223 Abs 2
SGB III bedarf es nämlich einer gesonderten Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung nicht (BSG, Urteile vom
21.03.2002 aaO).
Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger nicht berufen, da der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
keinen Raum für die ergänzende Heranziehung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften über die ungerechtfertigte
Bereicherung lässt (BSG SozR 1500 § 51 Nr 28; BT-Druck S.8/4022 S.83 zu § 48; Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4.
Auflage, § 50 RdNr 1). Rechtlich unerheblich ist es, dass die Beklagte ihren Anspruch auf eine unzutreffende Norm
gestützt hat. Ob ein Verwaltungsakt gesetzmäßig ist, prüfen die Gerichte bei gebundenen Entscheidungen nämlich
unabhängig von der im Verwaltungsakt gegebenen Begründung. Die sachlich zutreffende Begründung ist insoweit
keine zusätzliche Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54
RdNr 35).
Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2000
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.