Urteil des LSG Bayern vom 10.03.2009

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Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 10.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 37 AL 754/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 9 B 1081/08 AL ER
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht München (SG) hatte mit Urteil vom 27.01.1995 mehrere Rechts- streitigkeiten des 1957 geborenen
Antragstellers entschieden, bei denen es unter anderem um eine höhere Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage eines
höheren Bemessungsentgelts ging (S 37 AL 798/93). Der Antragsteller legte hiergegen am 22.06.1995 Berufung zum
Bayer. Landessozialgericht ein (L 9 AL 202/95), das mit Beschluss vom 16.12.1997 das Rechtsmittel zurückwies;
bezüglich der Höhe der Arbeitslosenhilfe nahm es Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung sowie auf seinen
früheren Beschluss vom 16.11.1997 (L 9 VR 3/96.AL).
Der Antragsteller beantragte am 23.04.2008 beim Bayer. Landessozialgericht sinngemäß die Wiederaufnahme des
Verfahrens, das unter dem Az. L 9 AL 119/08 WA geführt wird. Am 22.07.2008 beantragte er beim SG im Wege des
vorläufigen Rechtsschutzes eine höhere Arbeitslosenhilfe für die zurückliegende Zeit von 1990 bis 1994. Nach dem
Nichtbestehen des zweiten juristischen Staatsexamens habe er Arbeitslosenhilfe bezogen auf der Grundlage der
Bemessung der Leistung nach den Referendarbezügen. Wegen seines vorherigen Studiums der Betriebswirtschaft
von 1976 bis 1980 hätte die Arbeitslosenhilfe nach den Bezügen eines Diplombetriebswirts berechnet werden müssen.
Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2008 den Antrag abgelehnt (S 37 AL 754/08 ER).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 01.12.2008. Durch die Entscheidung der Beklagten sei
er in seinen Grundrechten aus Art. 1, 3, 12, 14, 20 Grundgesetz verletzt, es liege ein Prozessbetrug vor; außerdem
mache er seine Rechte aus dem Herstellung- und Folgenbeseitigungsanspruch geltend. Ihm stehe Arbeitslosenhilfe
von 1990 bis 1994 auf der Bemessungsgrundlage der Bezüge eines Diplombetriebswirts zu.
Er beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom
19.11.2008 zu verpflichten, ihm Arbeitslosenhilfe von 1990 bis 1994 nach einer Bemessungsgrundlage von 5000,00
DM monatlich zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Senats und des SG Bezug genommen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 171, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber
unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt, wie die inhaltsgleiche Vorschrift des
§ 123 Verwaltungsgerichtsordnung im Verwaltungsprozess voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein
Anordnungsgrund gegeben sind.
Es geht im vorliegenden Fall um eine Regelungsanordnung, da der Antragsteller eine vorläufige Regelung einer zu
Grunde liegenden Verpflichtungs- und Leistungsklage geltend macht. Eine vorläufige Regelung setzt nach allgemeiner
Meinung stets voraus, dass sie zur Abwehr wesentlicher Nachteile, drohender Gewalt oder aus anderen Gründen
dringend nötig ist. Denn eine einstweilige Anordnung dient sowohl als Sicherungsanordnung, als auch als
Regelungsanordnung nur der Sicherung von Rechten des Antragstellers, nicht ihrer Befriedigung. Streitgegenstand
einer einstweiligen Anordnung ist nicht das zu sichernde Recht oder das zu regelnde Rechtsverhältnis, sondern nur
dessen vorläufige Sicherung bzw. vorläufige Regelung. Das Eilverfahren bezweckt nicht die Verwirklichung des
Rechts mit Rechtskraftwirkung der entsprechenden Entscheidung, sondern nur eine vorläufige Sicherung, die
verhindern soll, dass der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aufgrund von Zeitablaufs vor vollendete
Tatsachen gestellt wird (Senatsbeschluss vom 04.04.2008, L 9 B 1179/07 AL ER m. w. N. der Rechtsprechung und
Literatur).
Da bei der Anordnung vorläufiger Geldzahlung bereits eine begrenzte Befriedigung eintritt, sind hier besonders strenge
Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit zu stellen. Dies gilt insbesondere, wenn, wie im vorliegenden Fall,
Geldzahlungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Denn bereits aus dem Wortlaut des § 86 b Abs. 2
SGG ergibt sich, dass einstweilige Anordnungen die Sicherung bzw. Regelung eines Rechtsverhältnisses für die
Zukunft zur Abwendung wesentlicher Nachteile bezwecken. Die vorausgesetzte Eilbedürftigkeit als ein Element eines
Anordnungsgrundes kann im Allgemeinen nicht bejaht werden, wenn Leistungen für vergangene Zeiträume
beansprucht werden.
Auch unter dem übergreifenden Gesichtspunkt des Sicherungszwecks ist ein Anordnungsgrund zu verneinen. Bei
einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung von Geldforderungen fehlt es regelmäßig wegen der Leistungsfähigkeit
des Sozialleistungsträgers an einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).