Urteil des LSG Bayern vom 07.09.2004

LSG Bayern: zumutbare tätigkeit, erwerbsunfähigkeit, rente, berufsunfähigkeit, berufliche tätigkeit, ärztliche behandlung, gutachter, erwerbsfähigkeit, bauarbeiter, minderung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.09.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 6 RJ 520/01
Bayerisches Landessozialgericht L 16 RJ 419/02
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 6. Mai 2002 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Rente an den Kläger wegen Berufsoder Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI in
der bis 31.12.2000 geltenden Fassung - a.F. - sowie Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43, 240 SGB VI in der ab
01.01.2001 geltenden Fassung - n.F.
Der 1944 geborene Kläger beantragte bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz am 19.12.2000 Rente wegen Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit. Er gab an, seit 18.12.2000 arbeitslos zu sein und Leistungen vom Arbeitsamt zu beziehen. Seit
1980 ist er aus Österreich zugezogen und in der Bundesrepublik wohnhaft. Zum Beruf gab er an, Kraftfahrer gewesen
zu sein, allerdings ohne Lehr- und Ausbildungsverhältnis.
Der Kläger hatte zahlreiche Beschäftigsverhältnisse in Österreich und Deutschland als Kraftfahrer, teilweise auch als
Busfahrer.
Die Beklagte ließ den Reha-Entlassungsbericht der S.klinik A. über den Behandlungszeitraum 24.10.2000 bis 14.11.
2000 auswerten. In diesem Bericht wurde der Kläger als arbeitsunfähig bis auf weiteres für die Tätigkeit als
Bauarbeiter bezeichnet. Allerdings seien leichte Arbeiten ohne Kälte- und Nässseexposition, ohne Heben und Tragen
von schweren Lasten im Wechselrhythmus vollschichtig möglich.
Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.01. 2001 ab mit der Begründung, es liege weder Berufs-
noch Erwerbsunfähigkeit vor.
Nach einer Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt hat der Kläger in Österreich zwischen 1957 und 1980
insgesamt 221 Monate Beitragszeit zurückgelegt. Der Antrag des Klägers auf Rente wurde dort durch gerichtliches
Urteil vom 17. März 2003 ab Januar 2001 anerkannt.
In der Bundesrepublik wurde der Widerspruch vom 16.02.2001 mit Bescheid vom 29.06.2001 von der Beklagten
zurückgewiesen, mit der Begründung, unter Berücksichtigung aller Befunde könnten vollschichtig noch leichte
Arbeiten verrichtet werden. Der Kläger sei deshalb weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Mit der Klage vom 07.08.2001 verfolgt der Kläger die Rentengewährung weiter. Er ließ vortragen, es liege eine
schwere chronische Erkrankung der LWS vor, die operatives Vorgehen erfordere. Außerdem könne er auf Grund einer
Vielzahl von Gesundheitsstörungen höchstens zwei bis drei Stunden täglich arbeiten.
Beigezogen wurden die medizinischen Unterlagen des Arbeitsamts und das Gutachten von Dr.G. vom 10.10.2001.
Danach sind schwere und mittelschwere Arbeiten besonders mit häufigem Bccken, Zwangshaltung oder Heben und
Tragen von Lasten nicht, leichte Arbeiten aber noch vollschichtig möglich. Als Kraftfahrer mit schwerer Ladetätigkeit
sei der Kläger nicht mehr einsetzbar. Allerdings könnten andere Tätigkeiten, wie z.B. Kurierfahrer, noch ausgeübt
werden.
Nach Veranlassung des Sozialgerichts wurde der Kläger am 15.04. 2002 durch Dr.W. begutachtet. Dieser stellte die
Diagnosen: 1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Wurzelreizerscheinungen bei degenerativen
Veränderungen und 2. Bandscheibenschäden. Refluxkrankheit.
Dr.W. war der Auffassung, dem Kläger seien leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und
Tragen noch vollschichtig möglich, nicht jedoch unter Schicht- und Akkordbedingungen. Nicht mehr eingesetzt werden
könne er als Kraftfahrer oder Bauarbeiter. Andere Tätigkeiten seien möglich, auch die üblichen Wegstrecken könne er
zurücklegen.
In den im österreichischen Verfahren eingeholten Gutachten wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit den
üblichen Pausen angenommen, allerdings müsse die Tätigkeit im Wechsel zwischen Gehen und Stehen erfolgen.
Das Sozialgericht Regensburg wies mit Urteil vom 06.05.2002 die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass der
Kläger als Kraftfahrer keinen Berufsschutz genieße, da er nur eine angelernte Tätigkeit verrichtet habe. Es gebe
keinen Hinweis dafür, dass er die früher ausgeübte Tätigkeit im Fernverkehr mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten
aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe. Als angelernter Arbeiter sei er aber auf andere angelernte oder
ungelernte Tätigkeiten verweisbar. Nach den Gutachten seien noch zahlreiche Tätigkeiten denkbar, so dass weder
Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit im Sinne der früheren Bestimmungen noch teilweise oder volle
Erwerbsminderung im Sinne der heutigen Bestimmungen vorliege.
Mit der Berufung vom 12.08.2002, eingegangen am 12.08.2002, gegen das am 06.08.2002 zugestellte Urteil verfolgt
der Kläger seinen Anspruch weiter. Er ließ zunächst vortragen, dass im Urteil des Landesgerichts I. vom qualifizierten
Berufsschutz ausgegangen worden sei. Das Landesgericht I. habe nach einer halbtägigen Überprüfung durch eine
Fahrschule den Kläger als Berufskraftfahrer anerkannt. Deshalb sei davon auszugehen, dass er auch nach
deutschem Recht einen Berufsschutz als qualifizierter Facharbeiter genieße und ihm mangels zumutbarer
Verweisungstätigkeiten zumindest eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zustehe.
Beigezogen wurde ein Befundbericht des Dr.Z. , Facharzt für Allgemeinmedizin sowie das Urteil des Landesgerichts I
...
Auf Veranlassung des Senats fand eine Begutachtung des Klägers am 29.10.2003 durch Dr.D. statt (Oberarzt und
Orthopäde an der Orthopädischen Klinik L.). In diesem Gutachten vom 15.01.2004 sind als Diagnosen genannt: 1.
Degeneratives lokales Halswirbelsäulensyndrom bei geringer Fehlstatik ohne neurologische Ausfallerscheinungen. 2.
Degeneratives Brustwirbelsäulensyndrom bei leichter Fehlstatik ohne neurologische Ausfallerscheinungen. 3.
Degeneratives pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom bei geringer Fehlstatik ohne fassbare neurologische
Ausfallerscheinungen der unteren Extremitäten. 4. Impingementsyndrom beider Schultern bei initialen degenerativen
Veränderungen in beiden Schulterhauptgelenken 5. sowie im rechten AC-Gelenk. Morbus Dupuytren im Bereich der 6.
rechten Hand. Geringe Fehlstatik im Bereich beider Füße im Sinne eines initialen Spreizfußes.
Der Gutachter kam zum Ergebnis, ab Dezember 2000 könne der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen eines
Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten verrichten und dabei noch acht Stunden arbeiten. Vermieden werden müssten
Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen von Lasten, häufigem Bücken oder in vorgebeugter Haltung sowie in länger
dauernder Zwangshaltung der Wirbelsäule. Auch auf Leitern und Gerüsten könne er nicht mehr zumutbar arbeiten.
Ebenso seien unzumutbar Tätigkeiten über Schulterhöhe. Vermieden werden müsse erhöhter Zeitdruck und
überdurchschnittliche Stressbelastung. Bei entsprechender Bekleidung sei der Kläger sowohl im Freien als auch in
geschlossenen Räumen einsetzbar. Die möglichen Anmarschwege zur Arbeit betrügen mehr als 500 m. Er werde
auch für fähig gehalten, sich auf andere als die bisher ausgeübten Tätigkeiten umzustellen. Beim neurologischen
Status ergaben sich keine sensiblen Störungen und keine Defizite. Die Beweglichkeit der Hüfte war gegeben. Im
Bereich der Kniegelenke fanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Reizerscheinungen, auch keine
Bandinstabilitäten. Die Sprunggelenke waren aktiv und passiv unauffällig. Beim neurologischen Befund fanden sich an
den unteren Gliedmaßen keine Auffälligkeiten. Die Befunde bezüglich der Schulter wurden durch Beachtung der
Einschränkungen berücksichtigt. Der Gutachter hat weitere Untersuchungen nicht für erforderlich gehalten.
Der letzte Arbeitgeber, die Fa. H. Hoch- Tiefbau GmbH, teilte mit, der Kläger sei als Bauhelfer und Fahrer beschäftigt
gewesen. Hierfür sei eine Anlernzeit von einem Monat ausreichend. Die Tätigkeit wurde nicht tariflich, sondern
einzelvertraglich entlohnt.
Auf Antrag des Klägers wurde der Orthopäde Dr.S. zum Gutachter bestimmt.
Dieser hat im Gutachten vom 06.07.2004 die Gesundheitsstörungen wie folgt bezeichnet: 1. Bandscheibensyndrom
der Lendenwirbelsäule. 2. Funktionelles Halswirbelsäulensyndrom. 3. Subacromiales Schmerzsyndrom des rechten
Schultergelenks, Arthose des Schultereckgelenks rechts. 4. Meralgia paraesthetika beidseits. 5. Dupuytrensche
Kontraktur der rechten Hohlhand Stadium I. 6. Krampfaderleiden beider Beine. 7. Spreizfüße.
Dr.S. bezeichnete die von Seiten des orthopädischen Fachgebiets bestehenden Störungen als altersgemäße
Aufbrauchveränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit entsprechenden mäßigen Funktionseinschränkungen
dieser einzelnen Wirbelsäulenabschnitte. Durch konsequente ärztliche und physiotherapeutische Behandlung könnten
die Beschwerden gebessert werden. In beiden Schultergelenken zeigte sich eine endgradige
Bewegungseinschränkung und ein durch Einengung des Raumes zwischen Oberkopf und Schulterdach
hervorgerufener Schmerz. Wesentliche Funktionsstörungen der wichtigen Sehnen der Schultergelenke konnte der
Gutachter aber nicht feststellen. Es fanden sich keine Zeichen für eine Defektbildung der Rotatorenmanschette.
Neu hinzugekommen sei seit der Begutachtung im Verwaltungsverfahren, die Meralgia paraesthetika beidseits.
Trotzdem sei der Kläger weiterhin in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes acht
Stunden täglich zu arbeiten. Schweres Heben und Tragen, Zwangshaltung, gebückte Körperhaltung oder vorgeneigte
Haltung mit dem Oberkörper dürfe dabei nicht abverlangt werden. Auch längerfristige Überkopfarbeiten sollten
vermieden werden. Unter Zeitdruck und unter Akkordbedingungen sollte der Kläger ebenfalls nicht arbeiten müssen.
Die üblichen Wege von mehr als 500 m könne er aber zurücklegen. Der Gutachter hat besonders darauf hingewiesen,
dass eine außergewöhnliche Minderung der Gebrauchsfähigkeit der Hände und Finger nicht bestehe. Deswegen seien
auch keine zusätzlichen unüblichen Arbeitspausen beim Kläger erforderlich.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.05.2002 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 26.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2001 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, Die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Regensburg sowie die
beigezogenen Akten der Bundesagentur für Arbeit und die Akten des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG Sozialgerichtsgesetz) ist zulässig, erweist sich
jedoch als unbegründet.
Der Kläger hat weder Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI in der bis
31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) noch wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der ab
01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.).
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der
bis zum 31.12. 2000 geltenden Fassung, da der Kläger seinen Rentenantrag bis zum 31.03.2001, nämlich am
19.12.2000, gestellt hat und er Rente auch für Zeiten vor dem 31.12.2000 begehrt (§ 300 Abs.2 SGB VI). Soweit ein
Anspruch für die Zeit nach dem 31.12.2000 in Betracht kommt, richtet sich der Anspruch des Klägers nach den
Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung.
Nach § 43, 44 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, wenn sie, 1. berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor
Eintritt der Berufsunfähig keit bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Zwar hat er die allgemeine Wartezeit (§§ 50 Abs.1 Satz 1, 51
Abs.1 SGB) erfüllt, es liegt jedoch weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vor.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte
derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von
Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen
Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die
Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind.
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).
Erwerbsunfähigkeit besteht bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit
außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße (ab 1.April 1999 630,00 DM) übersteigt (§ 44
Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F.). Da der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft
ist, als derjenige der Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung von Berufsunfähigkeit ohne weiteres das Fehlen von
Erwerbsfähigkeit (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 05.04.2001 - Az.: B 13 RJ 61/00 R).
Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der bisherige
Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat. Dies ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, die in der Bundesrepublik ausgeübt wurde. Kann ein
Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur dann vor, wenn es nicht
zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch
fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des
bisherigen Berufs.
Das zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist eingeschränkt, denn er kann nach dem
Ergebnis der eingeholten Gutachten nicht mehr als Kraftfahrer arbeiten. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen
eines Arbeitsverhältnisses vollschichtig noch leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten ausüben, sofern dabei das
Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken bzw. Arbeiten in vorgebeugter Haltung oder länger dauernder
Zwangshaltung der Wirbelsäule ausgeschlossen sind. Nicht zumutbar sind außerdem Tätigkeiten auf Leitern und
Gerüsten oder Arbeiten, die über Schulterhöhe, mit erhöhtem Zeitdruck oder überdurchschnittlicher Stressbelastung
ausgeübt werden müssen. Es sind aber Tätigkeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen zumutbar
und der Kläger kann sich auch auf andere als die bisher ausgeübten Tätigkeiten umstellen. Zum Erreichen des
Arbeitsplatzes sind nach den Feststellungen des vom Senat beauftragten gerichtlichen Sachverständigen Dr.D. auch
Wegstrecken von mehr als 500 m zu einem öffentlichen Verkehrsmittel bzw. zum Arbeitsplatz möglich. Eine zeitliche
Einschränkung des Leistungsvermögens hat Dr.D. für die Zeit ab Dezember 2000 verneint. Diese Einschätzung von
Dr.D. wurde durch den vom Kläger benannten Arzt seines Vertrauens, dem Orthopäden Dr.S. , in vollem Umfang
bestätigt. Dieser hat sowohl die Befunde als auch die Diagnosen in gleichem Umfang erhoben und das
Leistungsvermögen gleich eingeschätzt. Hinzugekommen ist lediglich die Meralgia paraesthetika, wobei laut Dr.S.
dieser Oberschenkelschmerz mit Gefühlstörungen keine wesentliche zusätzliche Leistungseinschränkung bedingt. Im
Übrigen könnte durch eine konsequente ärztliche Behandlung noch eine Besserung dieses hinzugekommenen
Krankheitsbildes erreicht werden. Auch Dr.S. hat betont, dass die üblichen Wegstrecken zugemutet werden können,
keine außergewöhnliche Minderung der Gebrauchsfähigkeit der Hände oder Finger besteht und unübliche, zusätzliche
Arbeitspausen nicht erforderlich sind.
Das Gutachten von Dr.S. hat somit, ohne wesentlich neue Gesichtspunkte herauszuarbeiten, die bisher getroffene
Leistungseinschränkung bestätigt und insbesondere die von Dr.D. zusammengefasste Leistungseinschätzung nicht in
Frage gestellt. Durch das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere die im Berufungsverfahren eingeholten
Gutachten von Dr.D. und Dr.S. , aber auch durch die im Verwaltungs- und sozialgerichtlichem Verfahren
durchgeführten Begutachtungen steht somit fest, dass beim Kläger keine Leistungseinschränkungen gegeben sind,
die nicht mit einer Vielzahl von Berufsbildern noch vereinbar wären. Die gehörten Sachverständigen haben gut
nachvollziehbar und überzeugend begründet ihre Leistungsbeurteilung dargestellt. Da keine abweichende Beurteilung
vorliegt, musste sich der Senat auch zu keiner weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen. Da der Kläger seinen
Hauptberuf, d.h. den bisher ausgeübten versicherungspflichtigen Beruf (vgl.Kasseler Kommentar-Niesel, § 43 SGB VI
Rdnr.21 ff. m.w.N.) nicht mehr ausüben kann, ist die Frage der zumutbaren Verweisungstätigkeit zu prüfen.
Zur Beurteilung der Berufe hat das BSG in ständiger Rechtsprechung die Berufe der Versicherten ausgehend von der
Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, in Gruppen eingeteilt, die durch
die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des
Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten
Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des
ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG SozR 2200 § 46 Nr.132, 138 140). Die Einordnung eines
Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt auf Grund der Qualität der verrichteten Arbeit. Das ist der aus einer
Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt dabei auf das Gesamtbild an, wie es
durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale wie Dauer und Umfang der Ausbildung sowie die
besonderen Anforderungen an die bisherige Berufstätigkeit umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.27,
33).
Gemessen an diesen Kriterien ist der Kläger als Kraftfahrer, der zuletzt nur angelernte Tätigkeiten verrichtet hat, die
nach Mitteilung des Arbeitgebers nur eine Anlernzeit von einem Monat erfordert haben, nicht Facharbeiter im Sinne
dieser Rechtsprechung. So hat er keine Prüfung als sogenannter Berufskraftfahrer abgelegt. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG könnte aber auch bei dieser Ausbildung ohne weitere Qualifikation nicht von einem
Facharbeiter ausgegangen werden. Es handelt sich vielmehr beim Kraftfahrer in der Regel um eine Tätigkeit im
Anlernbereich. Beim Kläger ist darüber hinaus weder vorgetragen noch erkennbar, dass er in der Bundesrepublik
besonders qualifizierte Berufskraftfahrerarbeiten ausgeführt hat. Die Prüfung durch das Landesgericht I. ändert an
dieser Einschätzung nichts, denn nach der Rechtsprechung kommt es auf die ausgeübte Tätigkeit, nicht auf die
tatsächlich noch vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten an. Der Arbeitgeber hat aber mitgeteilt, es habe sich um
eine Anlerntätigkeit gehandelt und auch die Art des Arbeitsplatzes bestätigt diese Einschätzung. Im Übrigen kann die
Entscheidung des österreichischen Gerichts keine Bindungswirkung für deutsche Gerichte entfalten.
Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es aber nicht aus, dass Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr
ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann
berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder
sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR-2200 § 1246 RVO 138). In
Anwendung der vorgenannten Kriterien für die Einteilung der Berufsgruppen ist der Kläger, wie bereits ausgeführt, der
Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit
von drei Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG, Urteil vom 29.03.1994 - 13 J 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO
Nr.45), zuzuordnen.
In diesem Urteil hat das BSG ausgeführt, dass die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter in
einen oberen und unteren Bereich zerfällt und die Abgrenzung der beiden Bereiche nach der sozialen Wirklichkeit, d.h.
der realen Struktur der Anlerntätigkeiten entsprechend, erfolgen muss. Dem unteren Bereich sind dabei zuzuordnen
Tätigkeiten, die eine Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten erfordern. Im Gegensatz zum Landesgericht I. konnte der
Senat sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger Berufsschutz als Kraftfahrer genießt, denn er hat keine
Tätigkeiten in diesem Beruf ausgeübt, die einer Berufskraftfahrertätigkeit mit entsprechender Ausbildung vergleichbar
wären. Zuletzt war er in der Bundesrepublik versicherungspflichtig als Kraftfahrer beschäftigt, tariflich aber nicht wie
ein Facharbeiter eingestuft. Bei Fehlen einer entsprechenden Berufsausbildung und der tariflichen Einstufung konnte
der Senat damit keinen Schutz als Facharbeiter feststellen.
Die von den gerichtlichen Sachverständigen genannten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit sind nicht besonders
zahlreich und mit einer Vielzahl von Tätigkeiten vereinbar. Als angelernter Arbeiter im unteren Bereich ist der Kläger
auf alle angelernten und ungelernten Tätigkeiten verweisbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist.
Dabei ist nicht maßgeblich, ob dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
tatsächlich vermittelt werden könnte, denn bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten ist der Arbeitsmarkt als offen
anzusehen und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht vom
gesetzlichen Rentenversicherungsträger zu tragen. Dementsprechend bestimmt § 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI a.F., dass
nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann und dass hierbei die jeweilige
Arbeistmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen
Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr.8). Bei einer vollschichtigen
Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten ist der Kläger ohne Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit
erforderlich machen würde (vgl. BSGE 80, 24), liegt nicht vor. Die für ungelernte Tätigkeiten typischen Verrichtungen
wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken oder Montieren sind dem hinsichtlich der Feinmotorik nicht
eingeschränkten Kläger, der noch über das notwendige Umstellungsvermögen für einfache Arbeiten verfügt, ohne
weiteres möglich.
Da der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne von § 43 Abs.2 SGB VI a.F. ist, liegt auch für einen Versicherungsfall
nach dem 31.12.2000 keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §§ 43, 240 SGB VI n.F. vor, denn
hierfür wäre ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen Voraussetzung.
Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat somit erst recht keinen Anspruch auf
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 SGB VI a.F. bzw. voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs.2
Satz 2 SGB VI n.F., weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit oder der vollen
Erwerbsminderung nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziffer 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.