Urteil des LSG Bayern vom 20.04.2005

LSG Bayern: abkommen über soziale sicherheit, wartezeit, eintritt des versicherungsfalles, altersrente, slowenien, kroatien, zusammenrechnung, republik, sozialversicherungsabkommen, unabhängigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 12 RJ 97/02 A
Bayerisches Landessozialgericht L 16 R 533/02
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. Mai 2002 aufgehoben und die
Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
4. Januar 2002 abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte aus der deutschen
Rentenversicherung, insbesondere über die Frage ob für die Wartezeit die in der Bundesrepublik Deutschland,
Kroatien und Slowenien zurückgelegten Beitragszeiten zusammengerechnet werden können.
Der 1938 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Kroatien. Er hat dort
zwischen 04.03.1961 und 29.12.1998 insgesamt 28 Jahre, 9 Monate, 6 Tage Versicherungszeiten zurückgelegt.
Unterbrochen ist diese Zeit zwischen Mai 1970 und März 1974 durch die in Deutschland zu- rückgelegte
Versicherungszeit von 45 Monaten. In Slowenien sind für 4 Jahre, 11 Monate und 20 Tage Beitragszeiten vom
01.05.1964 bis 22.04.1969 bekannt.
Beim kroatischen Versicherungsträger stellte der Kläger am 06.07.2001 Antrag auf Altersrente für langjährig
Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Der kroatische Träger teilte mit, die Voraussetzungen für die
Alterspension in Kroatien erfülle der Kläger seit 30.12.1998. Ab diesem Zeitpunkt werde die Pension bezahlt.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20.11.2001 ab mit der Begründung, für die
Altersrente an langjährig Versicherte sei eine Wartezeit von 35 Versicherungsjahren erforderlich, diese
Voraussetzungen seien beim Kläger nicht erfüllt, da für ihn nur 45 Kalendermonate deutsche Versicherungszeit und
344 Kalendermonate kroatische Versicherungszeit berücksichtigt werden können. Dies ergäbe insgesamt nur 389
Monate, so dass die erforderlichen 420 Kalendermonate nicht erreicht werden.
Dagegen richtet sich der Widerspruch des Klägers. Er teilte mit, er möchte nur die Teilrente für die in Deutschland
gearbeitete Zeit bekommen. Wenn er kein Recht auf eine Teilrente habe, wolle er wenigstens die Auszahlung der
eingezahlten Beiträge.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, erneut mit der Begründung,
statt der erforderlichen 420 Kalendermonate würden durch die deutschen und kroatischen Versicherungszeiten nur 389
Kalendermonate erreicht, so dass die Wartezeit für die Altersrente nicht erfüllt sei. Dem Kläger wurde gleichzeitig
erläutert, dass für die Wartezeit die deutschen und kroatischen Beiträge zusammengerechnet würden, während die
Rentenhöhe sich grundsätzlich nur nach den deutschen Zeiten berechne.
Über den Antrag auf Beitragserstattung entschied die Beklagte ablehnend mit Bescheid vom 08.01.2002. Nach dem
deutsch-kroatischen Abkommen über Soziale Sicherheit vom 24.11.1997 bestehe für kroatische Staatsangehörige mit
Wohnsitz in Kroatien grundsätzlich das Recht zur freiwilligen Versicherung, so dass die Voraussetzung für die
Beitragserstattung nach deutschen Recht nicht erfüllt seien.
Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 04.01.2002 wegen Zurückweisung des Antrags auf Altersrente
für langjährig Versicherte richtet sich die zum Sozialgericht Landshut erhobene Klage. Zur Begründung trug der Kläger
vor, er habe in Slowenien und Kroatien Beitragszeiten geleistet, zusammen mit den deutschen Zeiten erfülle er die
Wartezeit von 35 Jahren und habe deshalb Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte. Den Beschluss des
slowenischen Versicherungsträgers, der seinen Antrag auf Altersrente ab dem 58. Lebensjahr abgelehnt hatte, da
hierfür eine Wartezeit von 40 Jahren erforderlich sei und dies durch die Zusammenrechnung der kroatischen und der
slowenischen Zeiten nicht erreicht werde, fügte der Kläger bei.
Das Sozialgericht Landshut verurteilte die Beklagte im Urteil vom 15.05.2002 unter Aufhebung des Bescheides vom
20.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2002 zur Bezahlung der Altersrente für langjährig
Versicherte ab 01.01.2002 und zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Das Sozialgericht begründete dies damit, dass auch die durch den Bescheid des Versicherungsträgers in Lublijana
nachgewiesenen slowenischen Versicherungszeiten neben den deutschen und den kroatischen Versicherungszeiten
auf die Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen seien, da die genannten Zeiten vor dem Tag der Unabhängigkeit der
Teilrepublik Slowenien im damaligen Gesamtstaat Jugoslawiens zurückgelegt worden seien und somit nach Art.25
Abs.1 des damals geltenden deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens von 1969 vom Kläger für die
Wartezeit bereits erworben waren, als Slowenien am 25.06.1991 die Unabhängigkeit erlangte. Etwas anderes würde
dann gelten, wenn die Versicherungszeit in Slowenien erst nach Loslösung vom Gesamtstaat Jugoslawien und somit
in einem Drittstaat zurückgelegt worden wäre. Bei Zusammenrechnung stehe dem Kläger aber die begehrte Leistung
zu.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, der Kläger habe die
erforderliche Wartezeit von 35 Jahren gem. § 50 Abs.4 Nr.1 SGB VI nicht erfüllt, da durch das deutsch-kroatische
Abkommen zwar eine Zusammenrechnung deutscher und kroatischer Versicherungszeiten für die Wartezeit zu
erfolgen habe, mit den kroatischen und deutschen Zeiten zusammen aber insgesamt nur 389 Kalendermonate
anrechenbar seien. Nach dem deutsch-kroatischen Abkommen könnten die in Slowenien zurückgelegten Zeiten nicht
berücksichtigt werden (Art.2 Abs.2 Satz 1 des deutsch-kroatischen Abkommens), eine entsprechende Regelung
enthalte auch das deutsch-slowenische Abkommen vom 24.09.1997 (Art.2 Abs.2 Satz 1). Diese eindeutigen
Regelungen ergäben, dass der deutsche Versicherungsträger Beitragszeiten jeweils getrennt nach den zur Anwendung
kommenden Abkommen berücksichtigen müsse. Es gebe keine gesetzliche und keine abkommensrechtliche
Regelung, nach denen der deutsche Rentenversicherungsträger die getrennt bestätigten Versicherungszeiten
zusammenrechnen könne, unabhängig davon, zu welcher Zeit die Versicherungszeiten zurückgelegt wurden.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 04.02.2004 mit, dass dem Kläger zwischenzeitlich mit Bescheid vom
30.01.2004 Regelaltersrente für die Zeit ab 01.01.2004 bewilligt wurde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.05.2002 auf- zuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Berufung nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayer.
Landesso- zialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und
begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Kläger kei- nen Anspruch auf Versichertenrente nach § 36 i.V.m.
§§ 50 Abs.4, 51 Abs.3 und 4, 50 SGB VI und dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen vom
24.11.1997 (BGBl II 1998, S.2034) noch nach dem deutsch-slowenischen Abkommen vom 24.09.1997 (BGBl II 1998,
S.1987) noch nach dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 (BGBl. II 1969, S.
1438) i.d.F.d. Änderungsabkommens vom 30.9.1974 (BGBl. II 1975 S.390).
Der Kläger kann die Wartezeit von 420 Kalendermonaten für die begehrte Rente nicht erreichen, da in der
Bundesrepublik 45 Kalendermonate, in Kroatien 346 Monate mit Beiträgen belegt sind und die Zusammenrechnung
somit weniger als 420 Kalendermonate ergibt.
Denn für die Zusammenrechnung der deutschen und kroatischen Zeiten findet das deutsch-kroatische Abkommen
Anwendung und zwar Art. 25 Abs. 1 bis 3. Gleichzeitig bestimmt das Abkommen aber auch, dass das frühere
deutsch-jugoslawischen Abkommen keine Anwendung mehr findet (Art.42). In Art.2, Abs. 2 ist geregelt, dass andere
Abkommen der Vertragsstaaten bzw. diese bindende überstaatliche Regelungen im Verhältnis der Vertragsstaaten
außer Acht bleiben, d.h. keine Anwendung finden.
Da das neue Abkommen mit Kroatien eindeutig regelt, in welchem Umfang frühere bilaterale Bestimmungen in Kraft
bleiben (Versicherungslastregelung, aus dem deutsch-jugoslawischen Abkommen von 1956, Art.41) muss daraus
geschlossen werden, dass die Vertragsparteien bewusst die Zeiten nicht in ihre Regelung eingeschlossen haben, die
in den anderen Nachfolgerepubliken Jugoslawiens zurückgelegt wurden.
In Hinblick auf den Regelungswillen der Vertragsparteien der Sozialversicherungsabkommen, die in Kenntnis der
Rechtsprechung des Gemeinsamen Senates des BSG (Beschluss vom 29.5.1984 Az. GS 1/82, GS 2/82 und GS
3/82) eine Regelung gewählt haben, die keine Berücksichtigung von Verträgen mit Drittstaaten zulässt, ist somit allein
nach dem Wortlaut des anwendbaren deutsch-kroatischen Abkommens zu verfahren. Somit ist eine multilaterale
Zusammenrechnung der Beitragszeiten, d.h. also eine Berücksichtigung der slowenischen Zeiten für die Wartezeit
ausgeschlossen.
Das BSG hatte im genannten Beschluss zwar die aus seiner Sicht erforderliche und wünschenswerte multilaterale
Zusammenrechnung von Versicherungszeiten bei der Wartezeiterfüllung ausführlich dargestellt und begründet (BSG
a.a.O. RdNr.23 ff. 31ff, 38), ausdrücklich unentschieden blieb aber die Frage, ob an dieser Auslegung eine vertraglich
ausgeschlossene Berücksichtigung anderer Abkommen etwas ändere. Für die Entscheidungen des BSG war dies
deshalb ohne Bedeutung, da die fragliche Ausschlussregelung im österreichischen Abkommen erst nach dem Eintritt
des Versicherungsfalles in Kraft getreten und deshalb unanwendbar war.
In späteren Entscheidungen hat das BSG dann aber mehrfach entschieden, dass die sog. Abwehrklauseln, wie sie die
bilateralen Abkommen seit 1980 verstärkt enthalten, wirksam sind und keinen verfassungsrechtlichen Bedenken
begegnen. (BSG vom 20.4.93 5 RJ 60/91 und vom 28.8.91 13/5 RJ 40/89 und so auch BayLSG vom 8.10.2003 L 13
RA 159/89).
Gleichlautende Regelungen, wie das deutsch-kroatische Abkommen enthält das deutsch-slowenische Abkommen,
das für den hier maßgeblichen Zeitraum anwendbar bleibt, da der Beitritt Sloweniens zur Europäischen Gemeinschaft
erst im Mai 2004 erfolgte, der Anspruch des Kläger aber nur bis 31.12.2003 zu prüfen war, da er - unstreitig - ab der
Vollendung des 65. Lebensjahres im Dezember 2003 Anspruch auf die Regelaltersrente hat und diese auch bezieht.
In den Vereinbarungen zwischen Slowenien und Kroatien gibt es vergleichbare Regelungen. Denn wie der slowenische
Rentenbescheid zeigt, werden auch dort für die Wartezeit nur die slowenischen und kroatischen Zeiten, die deutschen
hingegen nicht berücksichtigt.
Nicht überzeugen kann die Auffassung des SG, das die Berücksichtigung aller Zeiten damit begründet hat, die Zeiten
seien alle zur Zeit der Republik Jugoslawien zurückgelegt worden und müssten deshalb zusammen berücksichtigt
werden. Etwas anderes könne nur für Zeiten gelten, die bereits in der Republik Slowenien zurückgelegt seien. Dies ist
nur vordergründig ein möglicher Anknüpfungspunkt, denn es gilt auch für diese Frage der Grundsatz, dass die
Rechtsvorschriften und damit auch die vertraglichen Vereinbarungen Anwendung finden müssen, die zum Zeitpunkt
der Feststellung des Rentenanspruchs gelten. Im nationalen Recht findet dieser Gedanke in § 300 Abs. 1 SGB VI
seinen ausdrücklichen Niederschlag. Für den Anspruch des Kläger auf Altersrente ab 1.1.2002 ist damit ein Zeitpunkt
nach Inkrafttreten des Abkommens mit Kroatien maßgeblich. Entscheidend ist somit nicht der Rechtszustand, der zur
Zeit der Beitragsleistung bestand, sondern der bei Feststellung des Leistungsanspruchs. Darüber hinaus wäre hierfür
eine Regelung durch die Nachfolgestaaten der Republik Jugoslawien zu fordern, die auch im Verhältnis untereinander
gerade eine solche Weitergeltung nicht vereinbart haben.
Ein Anspruch des Kläger auf Altersrente an langjährig Versicherte kann daher nicht begründet werden, so dass das
Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 SGG.
Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. In Hinblick auf die bereits
vorliegenden Entscheidungen des BSG zu den Abwehrklauseln ist eine Grundsätzlichkeit zu verneinen.