Urteil des LSG Bayern vom 06.03.2002

LSG Bayern: gemeinschaftspraxis, reformatio in peius, schutz der ehe, abschlag, unbestimmter rechtsbegriff, härte, vergleich, budget, vergütung, zahl

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.03.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 42 KA 1105/99
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 96/00
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. April 2000 wird zurückgewiesen. II.
Die Kläger haben der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Honorarverteilung in den Quartalen 1 und 2/97 streitig.
Die Kläger, ein Ärzteehepaar, sind in B. als Frauenärzte in Gemeinschaftspraxis niedergelassen und zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der für die streitgegenständlichen Quartale 4/96 bis 2/97 auf der Grundlage des Beschlusses der
Vertreterversammlung der Beklagten vom 14. September 1996 ab 1. Oktober 1996 geltende
Honorarverteilungsmaßstab (HVM) - insbesondere dessen Anlage 1 (Honorarverteilung Regionalkassen) und Anlage 2
(Honorarverteilung im Bereich der Ersatzkassen), die im Wesentlichen die Anlage 1 für entsprechend anwendbar
erklärt - sieht zunächst eine Unterteilung der auf Landesebene zu einer Summe zusammengefassten, von den
Krankenkassen pauschal bezahlten Gesamtvergütungsanteile (vgl. Anlage 1 Buchstabe B Nr.1) in die Honorarfonds
"Labor O I und O II", "Labor O III", "Fremdärzte" und "übrige Leistungen" vor (vgl. Anlage 1 Buchstabe B 1.1 bis 1.3).
Der Honorarfonds "übrige Leistungen" wiederum ist in einen Honorarfonds R 1 ("Hausarzttopf") und einen
Honorarfonds R 2 für die übrigen Ärzte ("Facharzttopf") unterteilt (vgl. Buchstabe B Nr.1.3.2). Für die Ausstattung der
Honorarfonds R 1 und R 2 wird für jede Praxis der Anteil an der Gesamtvergütung im jeweiligen Quartal des Jahres
1995 unter Herausrechnung der hausärztlichen Grundvergütung, des Honorars für Notfall- und Notarztleistungen, des
Honorars für genehmigungspflichtige Leistungen der Psycho- und Verhaltenstherapie und der Zahlungen nach Anlage
1 Abschnitt B Nr.2.3 und Nr.2.6.1 sowie Abschnitt C des ab 1. Januar 1995 gültigen HVM ermittelt. Die so bereinigten
Gesamtvergütungsanteile derjenigen Praxen, welche aus dem Honorarfonds R 1 honoriert werden, sind zu einer
Summe zusammenzufassen. Entsprechendes gilt für die Gesamtvergütungsanteile der Ärzte und
Gemeinschaftspraxen, die aus dem Honorarfonds R 2 honoriert werden. In dem Verhältnis, in dem diese beiden
Honorarfonds R 1 und R 2 zugeordneten Summen zueinander stehen, erfolgt zunächst unter entsprechender
Zuordnung die Aufteilung nach Satz 1. Der rechnerische Punktwert im Rahmen des Honorarfonds "übrige Leistungen"
wird gemäß der Nr.2 ff. der Anlage 1 i.V.m. der Anlage 2 ermittelt. Aus der im Honorarfonds nach Nr.1.3.1 enthaltenen
Gesamtvergütungssumme (Honorarfonds "übrige Leistungen") werden vorweg einige Teilbereiche vergütet (vgl.
Nr.2.3.1 bis 2.3.6). Für die verbleibenden "restlichen Leistungen" (vgl. Nr.2.3.7) erfolgt die Berechnung des
Punktwertes entsprechend den Nrn.2.3.7.1 ff. der Anlage 1 i.V.m. der Anlage 2 zum HVM im Rahmen eines
sogenannten "individuellen Praxisbudgets". Auf der Grundlage der Abrechnungen des Jahres 1995 wird gesondert je
Quartal und je Praxis gemäß Nr.2.3.7.2 bis 2.3.7.9 ein individuelles Praxisbudget in Punkten ermittelt. Der für das
jeweilige Quartal 95 anerkannte Anteil an der Gesamtvergütung je Praxis wird durch die Gesamtzahl der
Behandlungsausweise der Praxis im Quartal geteilt (Nr.2.3.7.2). Das Ergebnis wird durch 0,1 geteilt und ergibt den
individuellen Fallwert 95 in Punkten der Praxis. Dieser Fallwert 95 wird mit der Gesamtzahl der entsprechenden
Behandlungsausweise der Praxis im aktuellen Quartal, höchstens mit der Zahl der Behandlungsausweise des
entsprechenden Quartals 95, multipliziert. Die so ermittelte Punktzahl wird um die beabsichtigten Auswirkungen des
EBM 96 fachgruppenbezogen entsprechend Anhang 2 prozentual bereinigt (im Falle der Kläger als Gynäkologen um -
0,15 % im Primärkassenbereich bzw. - 0,04 % im Ersatzkassenbereich). Die verbleibende Punktzahl wird um einen
Abschlag in Höhe von grundsätzlich 9 % vermindert, um die Honorierung von Mehrleistungen nach Nr.2.3.7.1 Satz 3
und den Finanzbedarf für Sonderfälle (z.B. Praxisneuanfänger) sicherzustellen. Das Ergebnis ist das endgültige
anzusetzende individuelle Praxisbudget in Punkten. Bis zur Grenze des Praxisbudgets wird der angeforderte und
anerkannte Leistungsbedarf der Praxis im aktuellen Quartal mit einem festen Punktwert von 10,0 DPf vergütet. Der
das individuelle Praxisbudget übersteigende angeforderte und anerkannte Leistungsbedarf des aktuellen Quartals
(Mehrleistungen) wird gemäß Nr.2.3.7.10 und 2.3.7.11 vergütet. Gemäß Nr.2.3.7.11 S.4, 5 ist der Vorstand der
Beklagten ermächtigt, den prozentualen Abschlag von 9 % nach Nr.2.3.7.2 Satz 5 unter bestimmten, genau
festgelegten Voraussetzungen zu erhöhen. Führt die Anwendung vorstehender Regelungen im Einzelfall zu einer
unbilligen Härte, erfolgt gemäß der Nr.2.3.8 die Festlegung des individuellen Praxisbudgets bzw. der
Großgerätehonorierung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem
Ermessen.
I.
Die Beklagte hat mit Honorarbescheid vom 17. Juli 1997 im Quartal 1/97 das Honorar der Kläger auf DM 116.228,56
festgesetzt. Dem Bescheid lag auch die Berechnung des individuellen Praxisbudgets 1/97 entsprechend den Anlagen
1 und 2 des HVM Abschnitt B Ziffer 2.3.7 bei. Hiergegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 18. August 1997
Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch richte sich in erster Linie gegen das "HVM-Praxisbudget", das willkürlich und
von der Regelungskompetenz der Beklagten als Selbstverwaltungskörperschaft nicht gedeckt sei. Durch diese
ungerechte Honorarkürzung werde der Status als freiberufliche Vertragsärzte und somit die grundrechtlich geschützte
Berufsausübungsfreiheit rechtswidrig beschränkt. Des Weiteren werde die durch den HVM bedingte willkürliche
Ungleichbehandlung der Fachärzte gegenüber den Hausärzten gerügt, die sich insbesondere in dem gegenüber dem
Primärkassenbereich um 4,52 % höheren "Vorwegabzug" dokumentiere. Gleiches gelte für die Vergütung der
sogenannten "Mehrleistungen", die bei den Fachärzten um 3,2 DPf im Primärkassenbereich und 3,6 DPf im
Ersatzkassenbereich niedriger liege. Darüber hinaus sei die festgesetzte Höhe des Vorwegabzuges von insgesamt
13,52 % nicht nachvollziehbar und damit rechtswidrig. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.
März 1999 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wird zunächst der im Quartal 1/97 geltende
Honorarverteilungsmaßstab dargestellt, insbesondere auch die Regelungen zum "individuellen Praxisbudget". Im
Übrigen wird ausgeführt, dass der vorgenommene Abschlag in Höhe von 13,52 % im Bereich der Regionalkassen sich
auf die Nr.2.3.7.11 Satz 4 und 5 der Anlage 1 zum HVM stütze, wonach der Vorstand der KVB für den Fall einer nicht
ausreichenden Gesamtvergütung im Honorarfonds R 2, zu dem die Kläger als Fachärzte gehörten, ermächtigt sei, den
prozentualen Abschlag von 9 % soweit zu erhöhen, dass der Punktwert von 10,0 DPf für Leistungen im Budget
erreicht werde und die übrigen Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf honoriert werden könnten. Um eben dieses
Erfordernis erfüllen zu können, sei der Abschlag auf 13,52 % erhöht worden. Dieses Ergebnis sei allein durch die
Entwicklung der aus dem Honorarfonds R 2 zu vergütenden Punktzahlen begründet und nicht durch die Entwicklung
der aus dem Honorarfonds R 1 (hausärztlicher Bereich) zu vergütenden Punktzahlen beeinflusst. Im
Ersatzkassenbereich sei keine Erhöhung des Vorwegabzugs notwendig gewesen, da die Vergütung mit dem
geforderten Mehrleistungspunktwert gewährleistet gewesen sei. Die Punktwertdifferenz bei Hausärzten und
Fachärzten sei auch hier auf die Entwicklung der aus dem Honorarfonds R 2 zu vergütenden Punktzahlen
zurückzuführen und nicht durch die Entwicklung der aus dem Honorarfonds R 1 (hausärztlicher Bereich) zu
vergütenden Punktzahlen beeinflusst. Bis zur Höhe des individuellen Praxisbudgets würden die angeforderten und
anerkannten Punktzahlen mit einem Punktwert von 10,0 DPf vergütet. Im Bereich der Regionalkassen habe der
Mehrleistungspunktwert (nach Abzug der Leistungen mit 10 DPf und 4,5 DPf) im Quartal 1/97 bei 0,5 DPf, im Bereich
der Ersatzkassen bei 2,2 DPf gelegen. Somit seien alle von den Klägern angeforderten und anerkannten Punkte
vergütet worden, wenn auch zu unterschiedlichen Punktwerten.
Gegen diesen Widerspruch richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 22. April 1999. Den HVM-
Regelungen werde vor allem insoweit widersprochen, als eine Anfängerpraxis mit unterdurchschnittlicher Fallzahl
hinsichtlich ihres Umsatzes (Fallzahl und Fallwert) auf dem Stand von vor zwei Jahren (1995) festgehalten werde.
Dies widerspreche heutiger höchstrichterlicher Auffassung. Trotz bestehender Anfängerregelung seien sie konkret
durch die Nichtberücksichtigung von mindestens 52, eventuell sogar 68 Fällen und durch einen Punktwert, der dem
aktuellen Leistungsgeschehen in keiner Weise entspreche, beschwert.
II.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 4. März 1997 an die Beklagte ein erhöhtes Budget beantragt und dabei eine
Gleichbehandlung mit einem ähnlich gelagerten Fall verlangt. Sie bitte darum, die Besonderheit des Einzelfalles
(Niederlassung nach dem 31. Dezember 1992) so zu berücksichtigen, wie es im HVM selbst für in Einzelpraxis
niedergelassene Kollegen geregelt sei. Die Beklagte hat in einer Anlage zum Honorarbescheid für das Quartal 1/97
dem Antrag der Klägerin auf Anwendung der Härtefallregelung stattgegeben und für den Partner der
Gemeinschaftspraxis, der sich nach dem 1. Januar 1993 neu niedergelassen habe, die Budgetberechnung
entsprechend der Neuanfängerregelung nach Nr 2.3.7.3 bzw. 2.3.7.4 der Anlage 1 des HVM vorgenommen
(Niederlassung Dr.K. T.: 1981, Niederlassung Dr.C. T.: 1. Juli 1993, Gemeinschaftspraxis seit 1. Juli 1993). Gemäß
dem Status als neuer Partner der Gemeinschaftspraxis würden bei der Ermittlung des Praxisbudgets die individuellen
Fallzahlen der Gemeinschaftspraxis unbeschränkt zugrunde gelegt, soweit diese die für das Praxisbudget
herangezogenen Fallzahlen um mehr als 15 % übersteigen. Hiergegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 21.
August 1997 Widerspruch eingelegt. Die Budgetberechnung 1/97 gehe von 1.410 (870 + 540) Fällen aus. Da an
anderer Stelle 1.462 budgetrelevante Fälle genannt seien, würden demnach mindestens 52 Fälle fehlen. Vom
Geschäftsführer der KVB - Bezirksstelle Oberfranken - Herrn F. seien telefonisch bis über 2.000 Fälle zugebilligt
worden. Auch den im Quartal 1/97 berechneten Fallwerten müsse widersprochen werden. Die Zugrundelegung von
Vergleichszahlen aus den Quartalen des Jahres 1995 sei willkürlich und speziell für die Bedingungen der Entwicklung
der Anfängerpraxis der neu hinzugekommenen Partnerin der Gemeinschaftspraxis ungeeignet. Als Mutter von vier
kleinen Kindern (zwischen drei und acht Jahren alt) habe die Klägerin 1995 bei weitem nicht so viel Sprechstundenzeit
anbieten und auch nicht so intensiv pro Zeiteinheit ordinieren können wie zwei Jahre später. Entsprechend reduziert
sei die Leistungserbringung und Leistungsanforderung gewesen. Eine Festschreibung auf den Stand von 1995 sei
deshalb ungerecht. Es werde unter Billigkeitsaspekten deshalb - analog der fallzahlmäßigen HVM-Regelungen für
Anfängerpraxen - die Festsetzung mindestens der durchschnittlichen Fallwerte vergleichbarer Praxen vorgeschlagen.
Es würden noch immer genug Punktwerte zum ruinösen "Mehrpunktwert" übrig bleiben. Ein bereinigter 1/97-er
Fallpunktwert von 739,6 Punkten pro Ersatzkassenschein für das Quartal 1/97 (Vorquartal 844,6 Punkte) könne
jedenfalls ebenso wenig hingenommen werden, wie kaum zu glaubende 664,1 Primärkassen-Punkte im Quartal 2/97
(die ja durch Abschlagserhöhung auch noch weiter nach unten korrigiert werden könnten). Die Beklagte hat in einem
Aktenvermerk festgehalten, dass das Widerspruchsbegehren der Kläger sich auf die Aufteilung der Fallzahlen nach
den tatsächlichen Gegebenheiten und die Vergütung der durchschnittlichen Fallwerte vergleichbarer
Gemeinschaftspraxen richte. Nach Nr.4.2.1 des Fragenkataloges sei die Regelung für ambulante Operateure
zugestanden worden, ebenfalls die Regelung nach Nr.4.1.4 für Praxisneuanfänger. Weitere Sondertatbestände über
den Fragenkatalog seien nicht gegeben. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 1999 nochmals darauf
hingewiesen, dass die Quartale 1/95 und 2/95 nicht als Vergleichsquartale herangezogen werden könnten und zwar
sowohl, was die Fallzahl als auch was den Fallwert betreffe. Seine Frau und er selbst hätten es für richtig gehalten,
1995 wegen der Kinder weniger intensiv zu arbeiten als 1997. In diesem Zusammenhang wird auf ein Urteil des
Bundessozialgerichts vom 21. Oktober 1998 (gemeint ist BSG, SozR 3-2500 § 85 Nr.28) hingewiesen. Die Beklagte
hat mit Bescheid vom 15. Juni 1999 - nach Befassung der kleinen Arbeitsgruppe HVM mit dem Antrag der Kläger -
den Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin zu 1) habe die volle Neuanfängerregelung erhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 16. Juli 1999 zum Sozialgericht München. Die Kläger tragen dazu
vor, der Praxis werde durch das Festhalten an Regelungen im HVM das Erreichen eines durchschnittlichen Umsatzes
verwehrt. In ausführlich begründeten Widersprüchen hätten sie bei der Beklagten erfolglos Anspruch auf die volle
Zubilligung der erreichten (unterdurchschnittlichen) Fallzahl und eines angemessenen, mindestens aber eines
durchschnittlichen Fallwertes angemeldet. Nachdem die Beklagte unverständlicherweise nunmehr erneut nur über
einen Teilaspekt (Fallzahl) entschieden habe, werde das Gericht gebeten, den zugrunde liegenden Sachverhalt von
Amts wegen vorab zu ermitteln. HVM-Regelungen, die es Vertragsärzten, insbesondere Anfängern, verwehrten,
mindestens den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu erreichen, seien höchstrichterlich bereits mehrfach als
rechtswidrig beurteilt worden. Der Vergleich mit dem Referenzquartal aus dem Jahr 1995 benachteilige sie aber auch
fallwertmäßig in unzulässiger Weise und dürfe somit nicht herangezogen werden. Der Praxis fehle die den Zielen des
HVM zugrunde liegende Möglichkeit, die Leistungsmenge zu steuern bzw. zu reduzieren. Es sei keine
Unwirtschaftlichkeit festgestellt worden. Leistungserbringung und Leistungsanforderung entsprächen trotz
Zusatzqualifikationen ziemlich exakt der Fachgruppe, nicht jedoch die Höhe der zugebilligten Fallwerte. Die daraus
resultierende Schieflage mit einem plötzlich massiven Anstieg an praktisch unvergüteten sogenannten
Mehrleistungspunktzahlen, obwohl keineswegs mehr Punkte abgerechnet worden seien als in den Quartalen davor,
was in detaillierten Aufstellungen und Grafiken dargelegt worden sei, sei von der Beklagten offenbar als nicht
sachrelevant angesehen worden. Der ohnehin willkürlich hergestellte Bezug mit dem Referenzquartal 1995 werde den
Besonderheiten der Entwicklung der Praxis (Kombination Senior + Anfängerin) schon deswegen nicht gerecht, weil die
Möglichkeit der Leistungserbringung wie auch der Grad der Inanspruchnahme der Juniorpartnerin mit Rücksicht auf die
vorhandenen vier kleinen Kinder im Jahr 1995 noch gering gewesen sei bzw. geschwankt habe. Aber auch zu dieser
Situation, eine Frau (bzw. eines Ehepaares) mit Kindern, gebe es seit dem sogenannten Familienurteil mittlerweile
eine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung, die es in das Belieben der Eltern stelle, wie und wann sie sich
ihren diversen Aufgaben in Familie und Beruf zu widmen wünschen.
III.
Die Beklagte hat mit Honorarbescheid vom 16. Oktober 1997 das Honorar der Kläger im Quartal 2/97 auf DM
107.909,88 festgesetzt. Dem Honorarbescheid liegt auch die Berechnung des individuellen Praxisbudgets für das
Quartal 2/97 entsprechend dem HVM Anlagen 1 und 2 Abschnitt B Ziffer 2.3.7 zugrunde. Hiergegen haben die Kläger
mit Schriftsatz vom 10. November 1997 Widerspruch eingelegt. Die zum Quartal 4/96 erstmals eingeführten HVM-
Budgets würden unabhängig von der medizinisch notwendigen Leistungserbringung einen im Wesentlichen von
vornherein feststehenden Honorarbetrag ergeben. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1999 den
Widerspruch zurückgewiesen. In dem Widerspruchsbescheid wird wiederum zunächst der Regelungsinhalt des
einschlägigen Honorarverteilungsmaßstabes dargestellt. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass der
vorgenommene Abschlag von 22,71 % sich im Bereich der Regionalkassen auf die Nr.2.3.7.11 Satz 4 und 5 der
Anlage 1 zum HVM stütze, wonach der Vorstand der KVB für den Fall einer nicht ausreichenden Gesamtvergütung im
Honorarfonds R 2 ermächtigt sei, den prozentualen Abschlag von 9 % soweit zu erhöhen, dass der Punktwert von
10,0 DPf für Leistungen im Budget erreicht würde und die übrigen Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf honoriert
werden könnten. Um eben dieses Erfordernis erfüllen zu können, habe der Abschlag auf 22,71 % erhöht werden
müssen. Dieses Ergebnis sei allein durch die Entwicklung der aus dem Honorarfonds R 2 zu vergütenden
Punktzahlen begründet und nicht durch die Entwicklung der aus dem Honorarfonds R 1 (hausärztlicher Bereich) zu
vergütenden Punktzahlen beeinflusst. Auch im Ersatzkassenbereich (Anlage 2 HVM) sei eine Erhöhung des
Vorwegabzugs (mit 10,53 %) für das Quartal 2/97 notwendig gewesen, um die Vergütung mit dem geforderten
Mehrleistungspunktwert gewährleisten zu können. Sowohl im Bereich der Regionalkassen wie im Bereich der
Ersatzkassen habe der Mehrleistungspunktwert 0,5 DPf betragen.
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 27. August 1999, die mit Schriftsatz der
Prozessbevollmächtigten vom 29. März 2000 näher begründet wurde. Die Klägerin sei aufgrund ihrer familiären
Verpflichtungen und hier insbesondere der Kindererziehung im für das vorliegende Verfahren entscheidungsrelevanten
Vergleichszeitraum der Quartale 1/95 und 2/95 nicht im selben Ausmaß wie der Kläger in der gemeinsamen Praxis
tätig gewesen. Die Kläger hätten im Vorverfahren durch die Vorlage von entsprechendem internen Datenmaterial
glaubhaft dargelegt, dass von den im Jahr 1995 erbrachten Leistungen regelmäßig etwa zwei Drittel dem Kläger und
ein Drittel der Klägerin zuzuordnen gewesen seien. Die Angaben der Kläger würden selbstverständlich auf
Schätzwerten beruhen, da die Abrechnung im Rahmen von Gemeinschaftspraxen grundsätzlich nicht den einzelnen
Mitgliedern zugeordnet werden könne. Die Klägerin habe nach 1995 ihren Tätigkeitsumfang kontinuierlich gesteigert,
nachdem sie durch das Heranwachsen ihrer Kinder zeitlich zusehends entlastet gewesen sei. Dies dokumentiere sich
nicht nur anhand der kontinuierlich angestiegenen Fallzahlen. Auch habe die Klägerin vermehrt z.B. zeitaufwendige
Gesprächsleistungen bei psychosomatischen Erkrankungen (z.B. Nrn.850 und 851 EBM) ausgeführt, die sie in den
Referenzquartalen 1995 noch zu erheblichen Teilen an Kollegen überwiesen habe. In diesem Zusammenhang werde
ein Abhilfebescheid der Beklagten vom 14. Januar 1999 vorgelegt, in dem es den Klägern aus Sicherstellungsgründen
genehmigt worden sei, Leistungen nach der Nr.851 EBM bis zum dreifachen Wert des Fachgruppendurchschnittes
ungekürzt vergütet zu erhalten. Der Bescheid dokumentiere anschaulich, dass im hier gegenständlichen Quartal durch
die hier angegriffene Honorarverteilungsregelung die tatsächliche Veränderung des Leistungsverhaltens der Klägerin
nicht berücksichtigt worden sei. Denn durch die Anknüpfung an die Vergleichsquartale 1995, in der die genannten
Leistungen gerade noch nicht in vergleichbarem Umfang erbracht worden seien, ergebe sich trotz entsprechender
Ausnahme von den betreffenden Teilbudgetierungsregelungen eine minimale Vergütungssteigerung von knapp DM
140,00 bei insgesamt ca. 27.000 nachzuvergütenden Punkten. Die Honorarverteilungsregelungen hätten zur Folge,
dass weder hinsichtlich Fallzahl noch hinsichtlich Fallwert eine Entwicklung der Abrechnungsmöglichkeiten - nicht
einmal bis zum Fachgruppendurchschnitt - ermöglicht werde. Dies zeige sich bereits bei dem durchschnittlichen
Fallwert in DM im Vergleich der Quartale 2/95 und 2/97. Trotz nachvollziehbar gestiegenem Aufwand je Fall
insbesondere im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin habe die Gemeinschaftspraxis im Quartal 2/95 bei 1.326
abgerechneten Behandlungsausweisen ein Honorarvolumen von DM 101.255,95 erhalten, was einem
durchschnittlichen Fallwert von DM 76,36 entspreche. Im Quartal 2/97 seien 1.570 Behandlungsausweise bei einem
Honorarvolumen von DM 107.909,88 abgerechnet worden. Dies ergebe einen durchschnittlichen Fallwert in DM von
68,73 und somit eine signifikante, den tatsächlichen Gegebenheiten zuwiderlaufende Entwicklung. Hinzuweisen sei
auch darauf, dass im Quartal 2/97 die Praxis im kurativen Bereich in Punkten mit einer minimalen Abweichung einen
fachgruppendurchschnittlichen Fallwert erreicht habe. Die Fallzahl der Praxis liege dagegen deutlich unter dem
Fachgruppendurchschnitt. Obwohl die Praxis der Kläger bei den Fallzahlen nach wie vor weit unter dem
Fachgruppendurchschnitt liege, seien lediglich 1.431 Fälle als budgetrelevant anerkannt worden, die tatsächliche
Fallzahl habe bei 1.570 Fällen gelegen. Die darüber hinaus zugestandenen unterdurchschnittlichen Fallwerte (PK
564,1; EK 758,9) führten im Ergebnis zu einem Punktzahlvolumen von ca. 120.000, das mit dem sogenannten
Mehrleistungspunktwert von 0,5 DPf und somit quasi überhaupt nicht vergütet worden sei. Auf die dargestellte
Sachverhaltsdarlegung der Kläger, dass eine hälftige Teilung wegen der unterschiedlichen Arbeitsbelastung im Jahre
1995 nicht sachgerecht sei, sei nicht eingegangen worden. In den einschlägigen Bestimmungen des HVM sei nicht
erkennbar, dass bei Gemeinschaftspraxen mit zwei Partnern grundsätzlich und ausnahmslos von hälftigen Werten
ausgegangen werden müsse, vor allem, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass eine solche
Annahme den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls nicht hinreichend Rechnung trage. Der hier gegenständliche
Honorarverteilungsmaßstab sei rechtswidrig, weil er der Praxis der Kläger weder hinsichtlich der durchschnittlichen
Fallwerte noch hinsichtlich der Fallzahlen erlaube, Fachgruppendurchschnittswerte zu erreichen. Dies gelte
insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Klägerin sowohl wegen ihres Anfängerstatus als auch ihrer
vorübergehend eingeschränkten Tätigkeit wegen Kindererziehung im HVM keine angemessene Ausnahmeregelung
eingeräumt werde.
IV.
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 15. Mai 1997 auch für das Quartal 2/97 Antrag auf ein erhöhtes individuelles
Praxisbudget im Rahmen der Härtefallregelung gestellt. Die Beklagte hat in einer Anlage zum Honorarbescheid vom
Oktober 1997 (Quartal 2/97) dem Antrag auf Anwendung der Härtefallregelung insoweit stattgegeben, als die Kläger
über die Regelung für ambulante Operateure und Anästhesisten für alle Mehrfälle gegenüber dem Vergleichsquartal
den in der Budgetberechnung ausgewiesenen Fallwert mit einem Punktwert von 4,5 DPf und nicht mit dem
Mehrleistungspunktwert von 0,5 DPf erhalten. Für den Partner der Gemeinschaftspraxis, der nach dem 1. Januar 1993
neu zugelassen worden sei, erfolge die Budgetberechnung entsprechend der Neuanfängerregelung nach Ziffer 2.3.7.3
bzw. 2.3.7.4 der Anlage 1 des HVM. Gemäß dem Status als neuer Partner der Gemeinschaftspraxis würden bei der
Ermittlung des Praxisbudgets die individuellen Fallzahlen der Gemeinschaftspraxis unbeschränkt zugrunde gelegt,
soweit diese die für das Praxisbudget herangezogenen Fallzahlen um mehr als 15 % übersteigen. Hiergegen haben
die Kläger mit Fax vom 21. November 1997 Widerspruch eingelegt. In der Gemeinschaftspraxis seien 121 Scheine
(75 Primärkassen- und 47 Ersatzkassen-Scheine) als nicht bud- getrelevant gestrichen worden, obwohl insgesamt nur
1.431 Behandlungsausweise zur Abrechnung gelangt seien. Der Abzug der o.g. Scheinzahl vom Budget der
Gemeinschaftspraxis sei ebenso willkürlich wie die sowohl für die Quartale 2/95 als auch 2/97 vorgenommene
schematische Aufteilung von 50: 50, der bereits in der Vergangenheit widersprochen worden sei. Die Mehrtätigkeit der
Gemeinschaftspraxis gegenüber dem Vergleichszeitraum 1995 gehe jedenfalls im vollen Umfang auf die Zunahme der
Praxistätigkeit der Partnerin in der Gemeinschaftspraxis zurück. Des Weiteren werde der Festsetzung der
zugebilligten Punkte pro budgetrelevantem Behandlungsschein widersprochen (564 Punkte bei Primärkassen und
758,9 Punkte bei Ersatzkassen). Die untragbare und höchst ungerechtfertigte Situation spiegle sich in der gegenüber
den Vorquartalen exorbitanten Zunahme der mit einem Punktwert von 0,5 DPf praktisch unvergüteten
Budgetüberschreitung von jetzt über 400.000 Punkten bei einer anerkannten Punktzahl von ca. 942.000 Punkten
wieder. Mit weiterem Schriftsatz vom 11. Januar 1998 wurde eingewandt, die auf sie angewandte sogenannte "15 %-
Regelung" stehe auf besonders wackligen Füßen, da es sich nicht um einen Beschluss der Vertreterversammlung
handle, sondern um einen "Einfall" des Vorstandes der KVB zur Abwicklung von "Härtefällen". Die nach den
Bestellunterlagen ermittelte tatsächliche Inanspruchnahme der Partner der Gemeinschaftspraxis werde als Anlage
beigelegt. Daraus werde klar, dass das Mehr an Behandlungsscheinen ausschließlich auf eine Tätigkeitsausweitung
der Klägerin zurückzuführen sei bei gleichzeitig rückläufiger Inanspruchnahme des Klägers. Insofern sei der
schematischen 50: 50-Aufteilung in den Quartalen 1 und 2/97 erneut zu widersprechen, da sie durch Streichen von
Behandlungsfällen aus dem Budget der Klägerin zu einem ungerechten Resultat führe. Neben dieser Ungerechtigkeit
habe der Ansatz der Fallwerte aus dem Jahr 1995 zu dem erheblichen Honorarrückgang beigetragen. Es werde die
Forderung erneuert, mindestens die Durchschnittswerte vergleichbarer Gemeinschaftspraxen in Ansatz bringen zu
können. Die Explosion an mit 0,5 Pfennigen praktisch unvergüteten Mehrleistungspunkten sei nicht auf eine stark
gestiegene Zahl anerkannter Punkte zurückzuführen, die anerkannten Punktzahlen hätten sich vielmehr kaum
verändert. Dem Schreiben liegen mehrere Anlagen bei, die die Entwicklung der Gemeinschaftspraxis der Kläger im
Vergleich von 1995 zu 1997 darstellen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15. Juni 1999 den Widerspruch vom 20.
November 1997 zurückgewiesen. Die Klägerin habe die volle Neuanfängerregelung erhalten. Die Begründung der
Praxis, dass der Kläger weniger Fälle als aufgrund des arithmetischen Mittelwertes (Basis 1995) erhalten habe, könne
nicht überprüft und bestätigt werden. Im HVM sei im Übrigen keine Wahlmöglichkeit vorgesehen, wer wieviele Fälle für
sich angerechnet bekomme. Eine solche Regelung sei aufgrund der fehlenden Beweislage nicht umsetzbar. Die
Qualifikationen der beiden Ärzte könnten als Merkmal nicht herangezogen werden, da beide laut Arztverzeichnis die
Sonographie-Genehmigung besäßen. Die Fallzahltrennung werde daher nicht als Sondersachverhalt berücksichtigt.
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht vom 16. Juli 1999. Der Inhalt des Klageerhebungsschriftsatzes
entspricht demjenigen zum Quartal 1/97, lediglich bezogen auf das Quartal 2/97.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. April 2000 hat das SG die Streitigkeiten mit den Az.: S 42 KA 1105/99,
S 42 KA 1851/99, S 42 KA 1852/99 und S 42 KA 2341/99 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden. Der Vertreter der Beklagten hat bezüglich der Anwendung der Härtefallregelung gemäß Nr.2.3.8 der
Anlagen 1 und 2 des HVM für die Quartale 1 und 2/97 zu den Bescheiden vom 15. Juni 1999 zu Protokoll der
mündlichen Verhandlung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2000 folgende
Widerspruchsentscheidungen erlassen: "Die Widersprüche werden zurückgewiesen. Bezüglich der Begründung werde
vollinhaltlich auf die Gründe in den Ausgangsbescheiden Bezug genommen und diese zu Eigen gemacht."
Mit Urteil vom 4. April 2000 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 15. Juni 1999 (Härtefallregelung 2.3.8 HVM
Quartal 1 und 2/97) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. April 2000 aufgehoben und die Beklagte
verpflichtet, gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wurden die Klagen
abgewiesen. Durch die Verbindung der vier Klagen seien auch Unsicherheiten bezüglich der Reichweite der
Klagegegenstände beseitigt worden. Dazu komme es, weil die allgemeine Härtefallregelung nach Ziffer 2.3.8 der
Anlagen 1 und 2 des HVM der Beklagten in der ab 1. Oktober 1996 geltenden Fassung nicht von vorneherein als
eigenes Antragsverfahren ausgestaltet sei. Jedoch könne die Behörde über einen teilbaren Verfahrensgegenstand
auch mehrere Teilentscheidungen in getrennten Verwaltungsakten erlassen. Aus dem Nebeneinander der Bescheide
mit den Entscheidungen vom 15. Juni 1999 in Gestalt der im Termin erlassenen Widerspruchsbescheide vom 4. April
2000 habe die Kammer geschlossen, dass über die Frage einer weitergehenden Anwendung der Härtefallregelung in
den Entscheidungen vom 15. Juni 1999 und 4. April 2000 allein und abschließend entschieden worden sei. Ausgehend
davon würden sich die Klagen bezüglich der höheren Festsetzung des individuellen Praxisbudgets im Rahmen der
Härtefallentscheidung nach Ziffer 2.3.8 Anlagen 1 und 2 HVM im Sinne der Aufhebung und
Neubescheidungsverpflichtung als begründet erweisen. Im Übrigen sei der Honorarverteilungsmaßstab in
rechtmäßiger Weise umgesetzt worden. Die Honorarverteilungsregelungen würden einer rechtlichen Überprüfung
standhalten. Insoweit seien die Klagen abzuweisen gewesen. Die für den typisierten Fall des Vertragsarztes mit
gewachsenem Patientenstamm (zu Beginn des Vergleichsquartals 1995) und anschließend erfolgender
Mengenausweitung konzipierte rechtmäßige Regelung erfordere es, für von diesem Normalfall abweichende typische
Sachverhalte Ausnahmeregelungen zu schaffen, um als verteilungsgerechte, nicht willkürliche Regelungen Bestand
haben zu können. Die Beklagte habe dem in rechtmäßiger Weise dadurch Rechnung getragen, dass für die typische
Sondersituation, wie Neuanfängerpraxis, Aufbaupraxis und Neustruktur in der Gemeinschaftspraxis, ausdrücklich
Sondertatsbestände normiert worden seien. Für die Gemeinschaftspraxen, die nach dem 1. Januar 1995 gebildet
worden seien, sei eine solche Sonderregelung in Ziffer 2.3.7.6 der Anlage 1 und 2 HVM getroffen worden. Danach sei
das individuelle Budget durch Addition der individuellen Praxisbudgets, wie sie sich bei Führung von Einzelpraxen
ergeben würden, zu errechnen. Verbunden mit den weiteren Sonderregeln hinsichtlich Anfängerpraxen und
Aufbaupraxen ergäben sich Durchbrechungen der Fallzahlbegrenzung. Diese Regelungen seien für die Kläger nicht
direkt anwendbar, da die Gemeinschaftspraxis vor dem 1. Januar 1995 schon bestanden habe. Die Beklagte sei
zugunsten der Kläger vom Bestehen eines Härtefalles ausgegangen. Sie habe die auf Kindererziehungszeiten
beruhende Leistungseinschränkung in den Vergleichsquartalen zum Anlass genommen, die Kläger so zu behandeln,
wie eine neugebildete Gemeinschaftspraxis, in denen einer der Partner erst nach dem Jahr 1992 zugelassen worden
sei. Hinsichtlich der Fallzahlen habe das Bundessozialgericht bereits mit Urteil vom 21. Oktober 1998 ausgeführt,
dass in der Sondersituation des Vertragsarztes, der noch nicht über einen längeren Zeitraum am gleichen
Vertragsarztsitz tätig sei und der somit noch nicht über einen gewachsenen, sich kaum verändernden
Patientenstamm (Aufbausituation) verfüge, eine Berücksichtigung der Fallzahlen zumindest bis zum Durchschnitt der
Fachgruppe erfolgen müsse. Die Beklagte habe dem in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens bei der
Festsetzung der individuellen Fallpunktzahl dadurch Rechnung getragen, dass sie im Ergebnis die Hälfte der
Fallzahlsteigerung der Gemeinschaftspraxis bei der Ermittlung des individuellen Praxisbudgets berücksichtigt habe
und nur bezüglich der anderen Hälfte die allgemeine Fallzahlbegrenzung auf das Vergleichsquartal 1995 durchgreifen
lasse. Zur Begründung der Ermessensentscheidung werde in den Bescheiden vom 15. Juni 1999 ausgeführt, dass die
Klägerin die volle "Neuanfängerregelung" erhalten habe. Im Übrigen sei keine Wahlmöglichkeit vorgesehen, wer
wieviele Fälle für sich angerechnet haben möge. Die Qualifikation der beiden Ärzte könne als Merkmal nicht
herangezogen werden. Diese Begründung erweise sich aufgrund der Bezugnahme auf die Neuanfängerregelung als
fehlerhaft. Es sei nicht zutreffend, dass die Festsetzung des individuellen Praxisbudgets, welche für die beiden Kläger
getrennt vorgenommen worden seien, bei der Klägerin auf der Grundlage der Neuanfängerregelung nach Ziffer 2.3.7.4
Anlage 1 und 2 HVM erfolgt sei. Denn dann hätte die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe eingesetzt werden
müssen. Vielmehr sei es zur entsprechenden Anwendung der Aufbaupraxenregelung nach Ziffer 2.3.7.3 gekommen.
Damit könne bereits dahinstehen, ob die genannten spärlichen Ermessensgründe zur Festsetzung des individuellen
Praxisbudgets der Gemeinschaftspraxis ausgereicht hätten. Dabei wolle die Kammer nicht dahin verstanden werden,
dass bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung das hier getroffene Ergebnis nicht einer rechtlichen Überprüfung
standhalten könne. Die Beklagte habe die Zurechnung der Fallzahlsteigerung auf die einzelnen Partner unter
Betätigung des ihr eingeräumten Ermessens noch einmal vorzunehmen. Im Gegensatz zu den Ausführungen im
Zusammenhang mit der Fallzahlsteigerung bestehe auch bei einer Aufbaupraxis mit noch nicht gewachsenem
Patientenstamm nicht von vorneherein eine Pflicht, Fallwertsteigerungen erst ab Erreichen eines Durchschnittswertes
der betreffenden Fachgruppe zu begrenzen. Im Grundsatz werde davon auszugehen sein, dass der die Praxis
aufbauende Vertragsarzt sehr bald sein Leistungsspektrum entwickelt habe und sich so der dem Patientenklientel
angemessene Fallwert herausbilde. Wenn dann der Arzt in Aufbaupraxis den sich manifestierten
unterdurchschnittlichen Fallwert weiter steigere, werde diese Steigerung nicht innerhalb des gestützten
Vergütungsbereiches zu berücksichtigen sein, zumal es gerade Sinn und Zweck des individuellen Praxisbudgets sei,
objektiv nicht begründete Fallwertsteigerungen zu vermeiden und diejenigen Praxen zu schützen, die die
Leistungsmenge nicht objektiv erklärbar und anerkennenswert ausweiteten. Allerdings könnten auch hier besonders
Situationen, insbesondere in einer Anfangs- und Orientierungsphase, wie z.B. späterer Erwerb einer von Anbeginn
angestrebten Abrechnungsgenehmigung oder Lieferung eines bestellten Gerätes, vorliegen, die die darauf beruhende
Steigerung des Fallwertes als anerkennenswert erscheinen lassen würden. Daneben mag es auch angehen, wie im
Fall der Klägerin, eine möglicherweise nach der Veränderungsentscheidung, gerichtet auf ein sich erneutes
Volleinbringen in die Praxis mit kurzer Eingewöhnungsphase, eine eintretende Fallwertsteigerung ebenfalls zu
berücksichtigen. Die Kläger hätten solche Änderungen in Gestalt eines unterschiedlichen Leistungsspektrums der
Klägerin (leistungsintensivere psychotherapeutische Ausrichtung) vorgetragen, auf die die Gründe der
Ermessensentscheidung nicht eingehen. Dies werde weiter zu ermitteln und bei der Entscheidung einzustellen sein.
Die Kammer erneuere ihren von der Klägerseite abgelehnten Vergleichsvorschlag, der eine volle Berücksichtigung der
Fallzahlsteigerung zu den Quartalen von 1/95 bzw. 2/95 im Vergleich mit den Quartalen 1/97 bzw. 2/97 und nicht nur
deren hälftige Einstellung vorgesehen habe, jedoch für eine Fallwertsteigerung keine weitere Erhöhung des
Praxisbudgets beinhalte.
VI.
Hiergegen richtet sich die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht vom 22. September 2000, die zunächst nicht
weiter begründet wurde. Die Kläger sind vielmehr wiederum in intensive Ver- gleichsverhandlungen mit der Beklagten
eingetreten. Daraufhin haben die Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 25. Januar 2001 das Mandat
niedergelegt. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2002 wurde nunmehr ein Vergleichstext vorgelegt. Nach diesem
Vergleich werden alle abgerechneten Behandlungsfälle als budgetrelevant anerkannt und den Klägern ein Betrag in
Höhe von DM 9.707,56 (Vergütung DM 6.997,57 sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von DM 2.709,99) nachgezahlt.
Im Gegenzug nehmen die Kläger die Widersprüche gegen die Honorarbescheide und die Härtefallentscheidungen für
die Quartale 1/97 und 2/97 hinsichtlich der Fallzahlproblematik zurück und erklären insoweit den Rechtsstreit
bezüglich der Fallzahlerhöhung für endgültig erledigt. Die Fallwerterhöhung werde in einem gesonderten Verfahren
erledigt. Die Kläger haben sodann mit Schriftsatz vom 2. März 2002, eingegangen beim BayLSG am 5. März 2002,
geltend gemacht, dass zwar nun die Zahl der abgerechneten und der budgetrelevanten Fälle identisch sei, ihr
"Problem" eines Missverhältnisses zwischen Fallzahl- und Honorar-Entwicklung bleibe jedoch gravierend: viel mehr
Fälle, viel weniger Honorar. Ursächlich dafür sei - unter anderem - die HMV-mäßige Nivellierung durch Festschreibung
der Fallwerte 1997 auf die jeweiligen Fallwerte des Jahres 1995, wodurch sich die Gemeinschaftspraxis honorarmäßig
nicht habe entwickeln können, weil die Vergütung eines sehr großen Teils der nach Prüfung anerkannten Leistungen
nur zum sogenannten Mehrleistungspunktwert erfolgt sei. Als Anlage wird der Entwurf einer Berufungsbegründung der
vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2000 vorge- legt. Weiterhin wird ausgeführt, dass die Kläger
seit 1993 eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis bildeten. Die praxisinterne Verteilung in den zu
Vergleichszwecken wesentlichen Quartalen 1/95 und 2/95 habe etwa ein Drittel (Dr.C. T.) zu zwei Drittel (Dr.K. T.)
betragen. Diese Schätzung sei von den Klägern durch Vorlage von interem Datenmaterial verifiziert worden. Die von
1995 auf 1997 zu beobachtende Fallzahlsteigerung sei ausschließlich auf das zwischenzeitig gesteigerte
Arbeitspensum der Klägerin zurückzuführen. Neben der Zunahme der absoluten Behandlungsfallzahlen habe sich
durch die zunehmende Tätigkeit der Klägerin das tatsächlich erbrachte Leistungsvolumen je Fall gesteigert. Die
Klägerin sei in verstärktem Maße in der Lage gewesen, insbesondere zeitintensive Leistungen, die sie bisher nur
extrem eingeschränkt selbst durchgeführt bzw. überwiesen habe, selbst zu erbringen. Hierzu gehörten unter anderem
die zeitintensiven psychotherapeutischen Leistungen. Die Kläger würden Wert auf die Feststellung legen, dass sie
auch nach der Erweiterung des Tätigkeitsumfanges der Klägerin in den hier gegenständlichen Quartalen 1/97 und 2/97
hinsichtlich der Behandlungsfallzahlen signifikant unter und hinsichtlich der Fallwerte annähernd exakt im Bereich des
Fachgruppendurchschnittes der bayerischen Gynäkologen liegen würden. Vor diesem Hintergrund würden die Kläger
im Ergebnis eine Regelung ihres Honoraranspruches in den streitgegenständlichen Quartalen begehren, die es der
Klägerin für die Gemeinschaftspraxis aufgrund ihres Anfängerstatus und der bereits dargestellten familienbedingten
Tätigkeitsbeschränkung dem Grunde nach ermögliche, zumindest fachgruppendurchschnittliche Umsätze zu erzielen,
ohne dass dies durch entsprechende Abzüge im Rahmen der Honorierung ihres Ehemannes nivelliert werde. Ob
dieses Ergebnis durch die sachangemessene Anwendung einer "Härtefallregelung" herbeigeführt werde oder aber im
Rahmen der gerichtlichen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des Honorarverteilungsmaßstabes als solches als
Ursache für das bisherige unangemessene Verteilungsergebnis ermittelt werde, spiele eine untergeordnete Rolle.
Allerdings sei ein Honorarverteilungsmaßstab schon dann rechtswidrig, wenn er keine hinreichenden
Ausnahmetatbestände für typische Fallkonstellationen normiere. Im HVM müssten Regelungen enthalten sein, die
entsprechende Schutzwirkungen nicht nur bei der Aufbauphase von Praxen, sondern auch bei der Wiederaufnahme
der Praxistätigkeit nach z.B. kindererziehungsbedingten Unterbrechungen oder Tätigkeitseinschränkungen vorsähen,
falls aufgrund der HVM-Regelungssystematik ein Vertikalvergleich mit eigenen Abrechnungswerten der Vergangenheit
gezogen werde. Hierbei handle es sich um so zu bezeichnende typische Ausnahmekonstellationen, welchen ein
undifferenzierter Vergleich mit eigenen Abrechnungswerten der Praxis in der Vergangenheit nicht hinreichend
Rechnung tragen könne. Solche Regelungen benötigten nach Clemens (vgl. Clemens in MedR 2000, S.17 ff.) nicht
nur einen Fallzahl-, sondern auch einen Fallwertbezug. Der HVM sehe gerade keine konkrete Ausnahmeregelung für
vorübergehende kindererziehungsbedingte Tätigkeitseinschränkungen vor, was im Übrigen nicht nur im Hinblick auf
Art.3 GG unter dem Stichwort des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit, sondern auch im Hinblick auf den
besonderen Schutz der Ehe und Familie in Art.6 GG schweren verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Der
gegenständliche HVM sei gerade im Falle von Gemeinschaftspraxen nur unzureichend umsetzbar. Wie könne
eigentlich auf Grundlage der derzeit gültigen Abrechnungsbestimmungen bei einer Gemeinschaftspraxis, in der ein
Partner noch als Anfänger einzustufen sei, fallzahl- und fallwertbezogen ein angemessenes Verteilungsergebnis
zwischen den beiden Partnern ermittelt werden? Dies könne jedenfalls nicht dadurch geschehen, dass eine hälftige
Teilung zwischen den Partnern vorgenommen werde, obwohl bei tatsächlicher Betrachtung ein solches
Verteilungsergebnis evident unangemessen und unzutreffend sei. Jedenfalls schweige sich die Anfängerregelung in
Ziffer 2.3.7.6, die auf die Praxiskonstellation der Kläger nicht unmittelbar zutreffe, aber angeblich im Rahmen des
Härtefalls analog angewendet worden sei, zur tatsächlichen Umsetzung aus. Die ausschließliche Fallbezogenheit der
hier gegenständlichen Ausnahmeregelungen führe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. Oktober 1998) zur Rechtswidrigkeit des hier gegenständlichen HVM. Denn das
BSG führe dort nicht etwa aus, dass Ausnahmeregelungen für Anfängerpraxen nur zumindest das Erreichen
durchschnittlicher Fallzahlen ermöglichen müssten, sondern es müsse der durchschnittliche Umsatz der betreffenden
Arztgruppe erreichbar sein. Hierzu gehörten im Fallwertbereich eben auch angemessene Entwicklungsmöglichkeiten,
da sich der Umsatz als Produkt von Fallzahl und Fallwert darstelle. Im Ergebnis zutreffend stelle das Sozialgericht
fest, dass nachvollziehbare Fallwertsteigerungen im Rahmen einer nochmaligen und dann ordnungsgemäßen
Ermessensausübung sehr wohl miteinfließen müssten.
Die Kläger stellen sinngemäß den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. April 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der
Honorarbescheide für die Quartale 1/97 und 2/97 vom 17. Juni 1997 und 16. Oktober 1997 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 16. März 1999 und 20. Juli 1999 sowie die Entscheidungen der Beklagten vom 15. Juni
1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. April 2000 zu verpflichten, erneut unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Vertreterinnen der Beklagten haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Übersicht der klägerischen
Fallwerte zu den gewichteten Fallwerten der Arztgruppe des Bezirks mit wenigen Ausnahmen ab dem Quartal 1/95
vorgelegt. Zusätzlich wurden die auf der Grundlage des am 16. Januar 2002 unterzeichneten Teilvergleichs
überarbeiteten Berechnungen des Praxisbudgets für die Quartale 1 und 2/97 vorgelegt.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakte, die Klageakten mit den Az.: S 42 KA 1105/99, S 42 KA 1851/99, S 42 KA
1852/99 und S 42 KA 2341/99 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 96/00 vor, die zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht
eingelegte Berufung der Kläger ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine weitergehende
Entscheidung zu ihren Gunsten als sie in dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts München vom 4. April 2000
getroffen wurde, in dem die Bescheide der Beklagten vom 15. Juni 1999 (Härtefallregelung der Nr.2.3.8 des HVM in
den Quartalen 1 und 2/97) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. April 2000 aufgehoben wurden und die
Beklagte verpflichtet wurde, gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, und im Übrigen die
Klagen abgewiesen wurden. Unter Beachtung des (Teil-)Vergleiches vom 18. Januar 2002, mit dem alle von den
Klägern in den streitigen Quartalen 1 und 2/97 abgerechneten Behandlungsfälle auch als budgetrelevant berücksichtigt
wurden, ist zunächst festzustellen, dass zwischen den Beteiligten nur noch streitig ist, ob bei der Berechnung des
Praxisbudgets für die streitigen Quartale 1/97 und 2/97 ein höherer Fallwert zu berücksichtigen war, sei es aufgrund
einer erst noch zu schaffenden Regelung im Honorarverteilungsmaßstab selbst oder in Anwendung der
Härtefallregelung gemäß der Ziffer 2.3.8 des HVM. Da gegen das Urteil des Sozialgerichts lediglich von Seiten der
Kläger Berufung eingelegt wurde, dienen die folgenden Ausführungen des Senats unter Beachtung des Verbotes einer
"reformatio in peius" allein der Begründung der Entscheidung, dass ein über den Ausspruch des Sozialgerichts
hinausgehender Anspruch der Kläger auf eine neue Berechnung des individuellen Praxisbudgets in den Quartalen 1/97
und 2/97 - bezogen auf den allein noch streitigen Fallwert - nicht besteht. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden,
dass der in den Quartalen 4/96 bis 2/97 geltende Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten im Grundsatz nicht zu
beanstanden ist (vgl. Urteile des Senats vom 1. August 2001, Az.: L 12 KA 89/00; vom 26. September 2001, Az.: L
12 KA 86/00, vom 30. Januar 2002, Az.: L 12 KA 22/01, jeweils eine Fallwertproblematik betreffend). Hier wie dort
geht es entscheidungserheblich um die Frage, ob die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass für ihre
Fallgestaltung eine weitergehende Sonderregelung im HVM selbst hätte geschaffen werden müssen, bzw. ein
Anspruch auf Anwendung der im HVM enthaltenen allgemeinen Härtefallregelung unter der Nr.2.3.8 des HVM besteht.
Die Beklagte war zunächst nicht verpflichtet, über die im HVM bereits enthaltenen Härtefallregelungen hinaus weitere
Härtefallregelungen zugunsten der Kläger im HVM selbst vorzusehen. Eine solche Verpflichtung besteht nur bei
sogenannten typischen Fallkonstellationen (vgl. hierzu Clemens, Regelungen der Honorarverteilung, in MedR 2000,
S.19/20). Bei der Bildung eines Praxisbudgets mit Anknüpfung an die Vergangenheit ist daher in einer Sonderregelung
im HVM selbst sicherzustellen, dass Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl, typischerweise Neuanfänger,
ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten zumindest bis zum
durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe steigern können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.27, S.195, vgl. auch die
Urteile vom gleichen Tage - 21. Oktober 1998 -, Az.: B 6 KA 67/97 R, B 6 KA 68/97 R, BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.28,
S.204 ff. und B 6 KA 35/98 R; sowie auch BSG, Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R, S.5). Dieser
Forderung nach einer Sonderregelung, insbesondere für Neuanfänger, ist die Beklagte in den Nrn.2.3.7.3, 2.3.7.4
(Neuanfänger) und 2.3.7.5 (kein individueller Fallwert 95 gegeben) ausreichend nachgekommen, wobei unter den
Ziffern 2.3.7.6 bis 2.3.7.9 ergänzende Regelungen für Gemeinschaftspraxen vorgesehen sind. Es kann vorliegend
offen bleiben, ob die genannten Regelungen direkt oder analog bzw. unter ergänzender Anwendung der allgemeinen
Härtefallregelung zur Anwendung kamen. Im Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten, dass alle von der
Gemeinschaftspraxis der Kläger in den Quartalen 1/97 und 2/97 zur Abrechnung gebrachten 1.478 bzw. 1.552
Behandlungsfälle (jeweils Fallzahlen kurativ und präventiv/sonstige Hilfen) letztlich auch als budgetrelevant anerkannt
und bei der Berechnung des individuellen Praxisbudgets berücksichtigt wurden. Die Kläger können daher - und tun
dies nach Abschluss des (Teil-)Vergleiches vom 19. Dezember 2001/18. Januar 2002 auch nicht mehr - nicht geltend
machen, dass die besondere Situation der Gemeinschaftspraxis - insbesondere die erfolgte Tätigkeitseinschränkung
durch die Klägerin/Kläger wegen Kindererziehung - im HVM der Beklagten hinsichtlich der Berücksichtigung der
abgerechneten Behandlungsfälle zu ihren Lasten rechtswidrig wäre. Die Kläger können aber auch nicht geltend
machen, dass für die beschriebene Besonderheit der Gemeinschaftspraxis (Tätigkeitseinschränkung wegen
Kindererziehung) hinsichtlich des Fallwertes eine spezielle Härtefallregelung im HVM der Beklagten selbst hätte
getroffen werden müssen. Eine eingeschränkte Praxistätigkeit führt typischerweise dazu, dass weniger Patienten
behandelt werden, nicht aber dazu, dass bei diesen wenigeren Patienten typischerweise auch noch ein Rückgang des
Fallwertes festzustellen ist (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1. August 2001, L 12 KA 89/00). Vielmehr ist davon
auszugehen, dass der Arzt, der in der Zeit der eingeschränkten Praxistätigkeit weniger Patienten behandelt, diesen
Patienten nach dem Maßstab des § 12 SGB V notwendige Leistungen nicht vorenthält. Ganz allgemein entspricht es
vielmehr der Erfahrung des Senats, dass bei deutlich unterdurchschnittlichen Fallzahlen tendenziell ein erhöhter
Fallwert zu beobachten ist. Soweit im Einzelfall eine hiervon abweichende Fallgestaltung vorliegt, kann dies
gegebenenfalls ausreichend im Rahmen einer allgemeinen Härtefallregelung Berücksichtigung finden. Eine solche
allgemeine Härtefallregelung sieht der HVM der Beklagten in der Nr.2.3.8 vor, wonach die Festlegung des individuellen
Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen
erfolgt, wenn die Anwendung vorstehender Regelungen im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt. Die dargestellte
Härtefallregelung setzt auf der Tatbestandsseite eine unbillige Härte, im Einzelfall kausal verursacht durch die
Anwendung des HVM voraus, erst danach stellt sich die Frage der veränderten Festlegung des individuellen
Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen.
Der auf der Tatsbestandsseite verwendete Begriff der "unbilligen Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach
gefestigter Rechtsprechung des Senats - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des SG - der vollen gerichtlichen
Nachprüfung unterliegt (vgl. Urteile des Senats vom 1. August 2001, Az.: L 12 KA 89/00, vom 26. September 2001,
Az.: L 12 KA 86/00, vom 30. Januar 2002, Az.: L 12 KA 22/01). Eine "unbillige Härte" im Sinne der Nr.2.3.8 des HVM
ist nach Auffassung des Senats dann gegeben, wenn die Anwendung des HVM beim Kläger zu einem besonders
schweren Nachteil führt, der es objektiv unzumutbar erscheinen lässt, den Arzt bei der Festlegung des individuellen
Praxisbudgets an der Fallzahl oder dem Fallwert aus den Vergleichsquartalen des Jahres 1995 festzuhalten. Ein
Festhalten an den Fallzahlen liegt nach dem vorgelegten (Teil-)Vergleich vom 19. Dezember 2001/18. Januar 2002 gar
nicht mehr vor. Die entscheidende Frage liegt danach darin, ob seitens des Senats weitergehende Vorgaben für die
nochmalige Entscheidung durch die Beklagte über das Vorliegen eines allgemeinen Härtefalls im Sinne der Nr.2.3.8
des HVM hinsichtlich des für die Berechnung des individuellen Praxisbudgets herangezogenen Fallwertes zu treffen
waren, als dies bereits durch das allein von den Klägern angefochtene Urteil des Sozialgerichts München vom 4. April
2000 geschehen ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Nach der genannten Rechtsprechung des
Senats ist ein Festhalten eines Arztes an den Fallwerten der Bezugsquartale des Jahres 1995 grundsätzlich schon
dann keine unzumutbare Härte, wenn die Fallwerte in den in Bezug genommenen Quartalen des Jahres 1995 über den
Fallwerten der Arztgruppe liegen. Vorliegend überschreiten die Kläger im Bezugsquartal 1/95 den Fallwert der
Vergleichsgruppe nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung um + 8,7 % bzw. nach der
Gesamtübersicht ohne Nachträge um + 8,9 % bzw. im Quartal 2/95 nach den Angaben der Beklagten in der
mündlichen Verhandlung um + 3,9 % bzw. der Gesamtübersicht ohne Nachträge um + 3,4 %. Des Weiteren ist
festzustellen, dass die Kläger in den streitigen Quartalen 1/97 und 2/97 hinsichtlich des Fallwertes in etwa im Schnitt
der Arztgruppe liegen (nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung liegen die Kläger im Quartal
1/97 um + 0,6 % (nach der Gesamtübersicht um + 0,7 %) über der Arztgruppe bzw. im Quartal 2/97 um - 0,1 % unter
dem Fallwertdurchschnitt der Arztgruppe). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Härtefallregelung der
Nr.2.3.8 zugunsten der Kläger schon im Rahmen der Berücksichtigung der Behandlungsfallzahlen in den Quartalen
1/97 und 2/97 zur Berechnung des Praxisbudgets angewendet wurde und zu dem Teilvergleich hinsichtlich der Fall-
zahlproblematik geführt hat. Der Abschluss des (Teil-)Vergleiches führt auch zu der von den Vertretern der Beklagten
vorgelegten geänderten Berechnung des individuellen Praxisbudgets in den Quartalen 1/97 und 2/97. Danach haben
die Kläger im Quartal 1/97 insgesamt 923.419,2 Punkte abgerechnet. Hiervon wurden 698.243,0 Punkte mit 10 DPf (=
75,61 %) abgerechnet und 225.176,20 Punkte mit 0,5 DPf (= 24,39 %), was zu einem gemischten Punktwert von 7,68
DPf führt. Im Ersatzkassenbereich haben die Kläger im Quartal 1/97 insgesamt 565.647,0 Punkte abgerechnet, davon
449.628,8 Punkte mit 10 DPf (= 79,49 %) und 116.018,20 Punkte mit 2,2 DPf (20,51 %), was zu einem gemischten
Punktwert von 8,40 DPf führt. Im Quartal 2/97 haben die Kläger im Primärkassenbereich insgesamt 941.597,5 Punkte
abgerechnet, davon 571.276,3 Punkte mit 10 DPf (= 60,67 %) und 370.321,2 Punkte mit 0,5 DPf (= 39,33 %), was zu
einem gemischten Punktwert von 6,26 DPf führt. Im Ersatzkassenbereich schließlich haben die Kläger insgesamt
569.390,00 Punkte abgerechnet, davon 475.230,20 Punkte mit 10 DPf (= 83,46 %) und 94.159,80 Punkte mit 0,5 DPf
(= 16,54 %), was einen gemischten Punktwert von 8,43 DPf ergibt. Vor diesem Hintergrund ist für die Annahme einer
unbilligen Härte im Sinne der Nr.2.3.8 des HVM der Beklagten und einer noch weitergehenden Erweiterung des
Praxisbudgets nur noch wenig Spielraum. Zu denken wäre etwa an eine gegenüber dem Bezugszeitraum völlige
Änderung bzw. eine ins Gewicht fallende Erweiterung des Leistungsspektrums, z.B. nach Erhalt einer neuen
Genehmigung. Hierzu wurde von Klägerseite bislang lediglich darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1) z.B.
vermehrt zeitaufwendige Gesprächsleistungen bei psychosomatischen Erkrankungen (Nrn.850 und 851 EBM)
durchgeführt habe, die sie in den Referenzquartalen 1995 noch zu erheblichen Teilen an Kollegen überwiesen habe.
Hierzu wurde auch ein Abhilfebescheid der Beklagten vom 14. Januar 1999 vorgelegt, in dem es den Klägern aus
Sicherstellungsgründen genehmigt wurde, Leistungen nach der Nr.851 EBM bis zum dreifachen Wert des
Fachgruppendurchschnitts ungekürzt vergütet zu erhalten. Diesbezüglich ist aber festzustellen, dass bereits das
angegriffene Urteil des Sozialgerichts diesen Gesichtspunkt aufgegriffen hat und die Beklagte insoweit auch verurteilt
hat, diesbezüglich weitere Ermittlungen anzustellen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Zu einer
weitergehenden Verpflichtung der Beklagten besteht angesichts der dargestellten Sach- und Rechtslage keine
Veranlassung. Dem Senat ist es unter dem Gesichtspunkt des Verbotes einer reformatio in peius aber auch verwehrt,
die Entscheidung des Sozialgerichts zu Lasten der Kläger abzuändern. Der Senat ist daher vorliegend nicht
berechtigt, die Frage des Vorliegens eines Härtefalls im Sinne der Nr.2.3.8 des HVM selbst zu entscheiden, wie dies
sonst als Folge der vom Senat vertretenen vollen Überprüfbarkeit des unbestimmten Rechtsbegriffs der "unbilligen
Härte" geschieht. Die Beklagte wird daher, da sie gegen das Urteil des Sozialgerichts München ihrerseits weder
Berufung noch Anschlussberufung eingelegt hat, nach Maßgabe und unter Beachtung der Vorgaben des
Sozialgerichts nochmals zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1, 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.