Urteil des LSG Bayern vom 25.08.2005

LSG Bayern: gesetzlicher vertreter, erlass, haushalt, wahrscheinlichkeit, obsiegen, leistungsanspruch, verfügung, miete, anteil, unterhalt

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 25.08.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 51 AS 54/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 7 B 350/05 AS ER
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10. Juni 2005 wird
zurückgewiesen. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschwerdegegnerin (ARGE) berechtigt ist, das dem Beschwerdeführer
(Bf) nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehende Sozialgeld um einen Anteil des der Mutter
des Bf ausgezahlten Kindergeldes zu kürzen.
Dem Vater des 1990 geborenen Bf wurden von der ARGE mit Bescheid vom 23.11.2004 ab dem 01.01.2005
Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Der Bf hält sich zehn Tage im Monat im Haushalt des Vaters und den Rest
des Monats im Haushalt der Mutter auf. Das dem Bf an sich zustehende Sozialgeld in Höhe von 92 EUR kürzte die
ARGE deshalb um das anteilige Kindergeld, das der Mutter in voller Höhe ausgezahlt wird, um 51 EUR (154 EUR: 30
x 10 = 51 EUR), so dass sie das Sozialgeld nur in Höhe von 41 EUR monatlich auszahlt.
Am 04.03.2005 beantragte der Bf (durch seinen Vater) beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer
einstweiligen Anordnung mit dem Antrag, die ARGE zu verpflichten, ab Mai 2005 Sozialgeld in Höhe von weiteren 51
EUR monatlich zu zahlen.
Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 10.06.2005 abgelehnt. Zur Begründung hat
es im Wesentlichen ausgeführt, da die begehrte Leistung der Sicherung des Lebensunterhaltes des Kindes dienen
solle, handele es sich um einen eigenen Anspruch des Ast, nicht des Vaters. Der Bf habe aber keinen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zutreffend gehe die ARGE davon aus, dass der Bf nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II
zu zwei Bedarfsgemeinschaften zähle, nämlich zu der des Vaters und der der Mutter. Dies habe zur Folge, dass die
Berechnung der Leistungen anteilig zu erfolgen habe. Anders als in dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht sei
sowohl im neuen Sozialhilferecht (§ 82 Abs. Satz 1 SGB XII) als auch in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich
bestimmt, dass das Kindergeld für minderjährige Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, soweit
es bei ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Daher sei es auch bei der hier vorliegenden
Fallkonstellation anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Der Bf hat gegen den am 21.06.2005 zugestellten Beschluss mit einem am 12.07.2005 beim Gericht eingereichten
Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 19.07.2005). Zur Begründung
macht er im Wesentlichen geltend, der Bedarf in der Bedarfsgemeinschaft des Vaters sei nicht mehr gedeckt. Er und
sein Vater hätten keine Zugriffsmöglichkeit auf das Kindergeld, weil dieses der Mutter ausgezahlt werde. Ohne
finanzielle Hilfe von Freunden hätte der Vater schon manchmal die Miete nicht zahlen können. Der vom SG
angewandte Eigentumsbegriff sei äußerst fragwürdig. Es sei nicht zulässig mit fiktivem Einkommen der betroffen zu
"jonglieren".
Der Beschwerdeführer stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10. Juni 2005
aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Mai 2005
weitere 51,- EURO Sozialgeld zu zahlen. Zudem beantragt er, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin stellt sinngemäß den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, dass der Beschluss des SG nicht zu beanstanden sei. Neue rechtserhebliche Gründe seien
nicht vorgetragen worden.
II.
Die eingelegte Beschwerde ist zulässig, sachlich ist das Rechtsmittel aber nicht begründet, weil die vom Bf begehrte
einstweilige Anordnung nicht ergehen kann.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes
in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei hat der Bf die Notwendigkeit einer vorläufigen
Regelung (den Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den Anordnungsan-spruch)
glaubhaft zu machen.
Zutreffend hat das SG den Antrag des Vaters dahingehend ausgelegt, dass der Bf der richtige Antragsteller ist, weil
es sich um seinen eigenen Anspruch handelt. Der Vater war als gesetzlicher Vertreter befugt, das Verfahren zu
betreiben.
Das SG hat auch zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass der Bf
einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Der Senat folgt den Gründen des Beschlusses des SG und sieht
entsprechend § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Allein die Tatsache,
dass dem Vater des Bf nur beschränkte Mittel für den gemeinsamen Unterhalt zur Verfügung stehen, berechtigt den
Senat nicht, eine vom Gesetzgeber gewollte Regelung außer Kraft zu setzen. Dass der Bf im Hauptsacheverfahren
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird, ist bei der in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
nur möglichen summarischen Überprüfung eher unwahrscheinlich, sodass kein Raum für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung besteht. Offensichtlich verkennt der Bf, dass es im vorliegenden Verfahren in erster Linie
nicht um die Klärung der Frage geht, ob ihm ein höherer Leistungsanspruch zusteht, sondern darum, ob die
Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen oder ob es ihm zumutbar ist, den Ausgang
des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Der Antrag des Ast, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, musste zurückgewiesen
werden, weil - wie dargestellt - für dieses keine Erfolgsaussichten bestanden. Der Anregung des Bf, über die
Beschwerde erst nach Einholung einer Stellungnahme seines zukünftigen Anwalts zu entscheiden, konnte nicht
entsprochen werden, weil ein Anwalt nicht beizuordnen war und es bei einem Eilverfahren nicht gerechtfertigt ist, die
Entscheidung auf unabsehbare Zeit zu verschieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.