Urteil des LSG Bayern vom 23.05.2007

LSG Bayern: elterliche sorge, eltern, berufungsschrift, vertreter, pflege, sorgerecht, vertretung, prozessfähigkeit, bevollmächtigung, eigenhändig

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.05.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 2 P 100/01
Bayerisches Landessozialgericht L 2 P 51/04
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. Mai 2004 wird verworfen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist nach Berufungseinschränkung am 28.11.2006 noch, ob der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2000 bis
30.09.2002 Pflegegeld wegen häuslicher Pflege nach Stufe 1 zusteht.
Die 1994 geborene Klägerin leidet an Glasknochenkrankheit. Die Beklagte gewährte ihr seit 1995 Leistungen nach der
Pflegestufe 1. Grundlage für diese Entscheidung war die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der
Krankenkassen (MDK) vom 19.10.1995 mit ergänzender Stellungnahme vom 04.03.1996. Im Gutachten vom
11.12.1998 sprach sich der MDK für die Beibehaltung der Pflegestufe 1 aus. Bei der Wiederholungsbegutachtung am
10.05.2000 kam er zum Ergebnis, gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind bestehe jetzt nur noch ein
Hilfebedarf bei wenigen Verrichtungen von insgesamt 16 Minuten pro Tag im Wochendurchschnitt. Nach Anhörung
hob die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2000 den früheren Leistungsbescheid mit Ablauf des 31.07.2000 wegen
wesentlicher Änderung auf.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Abstand zwischen ihrem Hilfebedarf und dem eines gesunden
gleichaltrigen Kindes habe sich eher vergrößert als verringert. Den Widerspruch wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 11.09.2001 zurück. Der Bescheid vom 07.07.2000 sowie der Widerspruchsbescheid
waren an die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin gerichtet und zugestellt worden.
Dagegen hat die Klägerin - vertreten durch ihre nicht miteinander verheirateten Eltern - beim Sozialgericht Regensburg
(SG) am 10.10.2001 Klage erhoben. Die handschriftliche Klageschrift, in der beide Eltern als Absender aufgeführt
waren, war lediglich vom Vater der Klägerin unterzeichnet, der versicherte, ihm stehe als leiblichem Vater gemeinsam
mit der Mutter der Klägerin das Sorgerecht zu. Die weitere Korrespondenz wurde mit dem Vater geführt.
Eine erneute Begutachtung durch den MDK am 16.01.2003 führte dazu, dass die Beklagte mit Bescheid vom
15.07.2003 für die Zeit vom 01.10.2002 bis 30.04.2003 die Voraussetzungen für Pflegegeld nach der Stufe 1
anerkannte.
Das SG beauftragte nach Beiziehen verschiedener Befundberichte Dr. E. mit der Begutachtung der Klägerin. In
seinem Gutachten vom 04.02.2003 schloss sich der Sachverständige der Meinung des MDK an. Für die Zeit nach
01.05.2003, nach Ausheilung einer Hüftfraktur, sei kein Pflegebedarf mehr zu erwarten.
Mit Urteil vom 28.05.2004, das im Rubrum nur den Vater der Klägerin als gesetzlichen Vertreter aufgeführt, wies das
SG die Klage ab, soweit Leistungen für die Zeit ab 01.07.2000 (richtig ab 01.08.2000) bis 30.09.2002 und über den
01.05.2003 hinaus begehrt wurden. Es bezog sich dabei auf das Gutachten des Dr. E. vom 04.02.2003 sowie auf die
MDK-Gutachten. Das Urteil wurde nur dem Vater der Klägerin zugestellt.
Dagegen hat die Klägerin, angeblich gesetzlich vertreten durch ihren Vater, Berufung eingelegt. Der Pflegeaufwand
habe sich nicht verringert sondern eher erhöht, weil es bei ihr immer wieder zu Knochenbrüchen komme. Mit
Schreiben vom 28.11.2006 hat die Klägerin ihr Begehren auf Leistungen nach der Pflegestufe 1 auf den Zeitraum vom
01.08.2000 bis 30.09.2002 reduziert.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, im Hinblick auf die Beschränkung des Anspruchs sei nicht beabsichtigt, ein
weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Er hat ferner am 31.03.2007 darauf hingewiesen, der als
gesetzlicher Vetreter der Klägerin auftretende Vater der Klägerin müsse entweder seine Bevollmächtigung durch die
Mutter der Klägerin oder die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn allein nachweisen. Das Schreiben blieb
unbeantwortet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für die Klägerin niemand.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 28.05.2004
den Bescheid vom 07.07.2000 i. d. F. des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2001 mit der Maßgabe aufzuheben, ihr
für die Zeit vom 01.08.2000 bis 30.09.2002 Leistungen wegen häuslicher Pflege nach der Stufe 1 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.05.2004
zurückzuweisen, hilfsweise zu verwerfen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der
Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die auf den Zeitraum vom 01.08.2000 bis 30.09.2002 beschränkte Berufung ist unzulässig, da die minderjährige
Klägerin nicht ordnungsgemäß vertreten ist.
Nach § 1629 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) umfasst die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Gem. § 1705
BGB i.d. bis 01.01.2002 geltenden Fassung stand die elterliche Sorge des minderjährigen, nicht ehelichen Kindes der
Mutter zu. Dass die Eltern der Klägerin auf Grund der Neufassung des KindRG vom 16.12.1997 bzw. Art 224 § 2 des
Einführungsgesetzes zum BGB vom 13.12.2003 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, dass ihnen das
gemeinsame Sorgerecht übertragen wurde, ließ sich nicht feststellen. Damit bleibt es dabei, dass allein die Mutter zur
Vertretung der Klägerin berechtigt ist.
Die Berufung ist zwingend schriftlich einzulegen (§ 151 SGG). Bei prozessunfähigen Personen, wie der minderjährigen
Klägerin, ist die Berufungsschrift eigenhändig mit vollem Familiennamen vom gesetzlichen Vertreter, hier der Mutter,
zu unterzeichnen (Meyer-Ladewig, SGG, Komm. 8. Aufl. § 151, rn 4). Die handschriftliche Berufungsschrift vom
05.08.2004 trägt diesem Erfordernis nicht Rechnung. Sie ist ausschließlich vom Vater der Klägerin unterzeichnet und
lässt nicht erkennen, dass die Berufung auch im Namen der Mutter der Klägerin erhoben werden sollte. Damit fehlt die
in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Prozessfähigkeit der Klägerin gem. § 71 Abs. 1 SGG.
Dies hätte durch Vorlage einer auf den Vater lautenden, von der Mutter der Klägerin ausgestellten Vollmacht behoben
werden können, ist aber trotz Hinweis nicht geschehen.
Die Berufung ist somit unzulässig. Der vom Senat zu entscheidende Fall unterscheidet sich von denjenigen, in denen
der Bundesgerichtshof für Zivilsachen in seinen Entscheidungen vom 22.02.1990 und 04.11.1999 (BGHZ 110, 294
und BGHZ 143, 122) nicht die Berufung, sondern die Klage für unzulässig angesehen hat. Dort war bereits zum
Zeitpunkt der Klageerhebung der Kläger bzw. Beklagte prozessunfähig. Dies trifft hier nicht zu, weil die Mutter der
Klägerin und damit die richtige gesetzliche Vetreterin in der Klageschrift aufgeführt ist, was nach der Sollvorschrift für
die Klageeinreichung nach §§ 90, 92 SGG ausreicht. Dass nicht die Mutter der Klägerin als gesetzliche Vertreterin im
Rubrum des angefochtenen Urteils erscheint, sondern der Vater, schadet nicht. Insoweit hätte das SG von einer
zumindest stillschweigenden (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O. § 73 Rn 13) gewillkürten Bevollmächtigung und damit von
Prozessfähigkeit ausgehen dürfen. Ein Sachurteil konnte damit ergehen. Anders verhält es sich, wie bereits dargelegt,
bei der vom Senat zu beurteilenden Berufungseinlegung.
Die auf den Zeitraum vom 01.08.2000 bis 30.09.2002 eingeschränkte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts
Regensburg vom 28. Mai 2004 war als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.