Urteil des LSG Bayern vom 19.02.2002

LSG Bayern: körperliche schwerarbeit, diabetes mellitus, erwerbsfähigkeit, erwerbstätigkeit, erwerbsunfähigkeit, gesundheitszustand, verdacht, sad, berufsunfähigkeit, reform

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.02.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 12 RJ 857/99 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 546/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31.03.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung.
Der am 1938 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger. Er hat keinen Beruf erlernt und war in war in seiner
Heimat zwischen 1961 und Februar 1970 insgesamt 6 Jahre 11 Monate und 14 Tage versicherungspflichtig
beschäftigt. Er ist nach den Vorschriften seiner Heimat als Invalide anerkannt und bezieht seit Mai 1990
Invalidenrente vom Versicherungsträger Novi Sad.
Am 26.06.1970 hatte er eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland aufgenommen und war hier bis
1986 versicherungspflichtig als ungelernter Industrie- und Bauarbeiter beschäftigt. Anschließend war er bis 1991
zunächst arbeitsunfähig und anschließend mit Unterbrechungen arbeitssuchend gemeldet. Insgesamt hat er für 195
Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen.
Seinen ersten Rentenantrag vom 19.06.1988 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 19.02.1991 abgelehnt. Nach einer
stationären Untersuchung in der ärztlichen Gutachterstelle in Regensburg vom 07.01. bis 09.01.1991 seien beim
Kläger als Gesundheitsstörungen zwar ein Alkoholismus mit Leberparenchymschaden ohne wesentlichen
Prozessaktivität, ein leichter labiler Bluthochdruck bei Übergewicht ohne Ausgleichsstörungen des Kreislaufs, ein
Zustand nach Magenteilresektion ohne Auswirkung auf den Ernährungszustand und Wirbelsäulenbeschwerden bei
leichten Abnutzungserscheinungen festzustellen. Er sei jedoch noch in der Lage, leichtere bis mittelschwere Arbeiten
vollschichtig zu verrichten und habe damit keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.
Am 30.03.1998 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Im Gutachten der Invalidenkommision
Novi Sad vom 23.12.1998 stellten die Kommisionsärzte Dres.C. und K. beim Kläger als Gesundheitsstörungen
Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, einen chronischen Alkoholismus mit Leberschädigung sowie eine
chronische Bronchitis bei Nikotinabusus und chronische Verstopfung fest und beurteilten den Kläger nur noch zu einer
zweistündigen bis unterhalbschichtigen täglichen Erwerbstätigkeit in der Lage. Der ärztliche Dienst der Beklagten sah
weiterhin eine vollschichtige Erwerbstätigkeit mit leichten Arbeiten ohne überwiegende einseitige Körperhaltung oder
besonderen Zeitdruck durch Akkord oder Fließband ohne erhöhte Verletzungsgefahr und nicht auf Leitern und
Gerüsten als gegeben an.
Mit Bescheid vom 15.03.1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 30.03.1998 ab mit der Begründung,
dass angesichts des Restleistungsvermögens des Klägers weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege.
Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 zurück.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben.
Mit Urteil vom 31.03.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Entscheidung hat es damit begründet,
dass nach den vom Kläger nachgewiesenen Versicherungszeiten er nur dann einen Anspruch auf Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit haben könne, wenn der Leistungsfall vor dem 01.03.1993 eingetreten gewesen wäre.
Dies sei jedoch nach Überzeugung der Kammer aufgrund der Aktenlage nicht der Fall. Es bestünden keine
Anhaltspunkte, dass der Kläger vor diesem Zeitpunkt durch gesundheitliche Gründe an einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit gehindert gewesen wäre.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Der Senat hat zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers Gutachten auf nervenärztlichem, orthopädischem und
innerem Fachgebiet eingeholt.
Dr.K. stellt in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 28.09.2001 von Seiten seines Fachgebietes als
Gesundheitsstörungen ein chronisches Hals-, Brust- und Lendenwirbelsyndrom ohne funktionell relevante
neurologische Ausfälle, einen Zustand nach vermehrtem Alkoholkonsum ohne nachweisbare Sekundärfolgen und ein
latentes Carpaltunnel-Syndrom links fest. Durch diese Gesundheitsstörungen seien die Fähigkeiten des Klägers einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen nur gering bis allenfalls mittelgradig beeiträchtigt. Der Kläger sei noch in der Lage auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis fallweise mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Zu
vermeiden seien Akkord- oder Schichtarbeiten und Arbeiten unter Zwangshaltungen sowie solche die mit schwerem
Heben und Tragen von Lasten verbunden seien.
Dr.F. stellt in seinem orthopädischen Gutachten vom 28.09.2001 beim Kläger einen im Wesentlichen seit 1993
gleichbleibenden Gesundheitszustand fest. Als Gesundheitsstörungen seien Verschleißerscheinungen an der Hals-,
Brust- und Lendenwirbelsäule sowie als Nebendiagnosen eine leichte Dupuytren-Erkrankung an den Händen, eine
leichte Varikose mit Ödemen an beiden Beinen, Senkspreizfüße, geringe Zehenverformungen und Übergewicht zu
erheben. Mit Rücksicht darauf sei der Kläger vor dem 01.03.1993 weiterhin gesundheitlich zu leichten körperlichen
Arbeiten vollschichtig in der Lage. Dauernde Streckhaltungen der Halswirbelsäule, Heben und Tragen schwerer Lasten
oder Einflüsse von Kälte, Nässe oder Zugluft oder Tätigkeiten die pausenloses Stehen oder ununterbrochenes Sitzen
erforderten seien dem Kläger nicht zumutbar.
Dr.E. diagnostiziert in seinem Gutachten vom 09.11.2001 eine Hepatopathie mit Verdacht auf beginnenden
Leberumbau ohne Funktionsstörungen der Leber, eine kompensierte Niereninsuffizienz unklarer Herkunft, eine geringe
obstruktive Ventilationsstörung bei Zustand nach Thoraxdurchschuss, eine unklare Sinustachykardie, ein
Übergewicht, Hyperlipidämie, Hyperuricämie und Verdacht auf Diabetes mellitus sowie Verdacht auf arteriellen
Hypertonus und diskrete Beinvarikosis. Diese Gesundheitsstörungen seien weder vom Schweregrad noch vom ihrer
Art geeignet schwerwiegende Funktionsstörungen hervor zu rufen. Eine quantitative Leistungseinschränkung sei auch
mit Rücksicht auf das bereits fortgeschrittene Alter des Klägers nicht gerechtfertigt. Der Gesundheitszustand habe
sich seit 1993 zwar verschlechtert, dennoch sei der Kläger noch zu leichten Arbeiten vollschichtig in der Lage soweit
dabei Tätigkeiten dauerhaft im Freien mit Nässe-, Kälte- oder Hitzeeinfluss in Akkord- oder Nachtschicht oder
Arbeitsplätze mit vermehrten Staubanfall oder unter Einfluss von reizenden Gasen oder Dämpfen vermieden würden.
Dem entsprechend habe mit Sicherheit zum 28.02.1993 kein schlechteres berufliches Leistungsvermögen bestanden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31.03.2000 sowie den Bescheid der
Beklagte vom 15.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1999 aufzheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihm aufgrund seines Antrages vom 30.03.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen
Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Landshut auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt
der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich ist sie jedoch nicht begründet, da der Kläger
keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 hat. Ebensowenig besteht ab 01.01.2001
ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000.
Berufsunfähig gemäß § 43 Abs.2 Satz 1 und 2 SGB VI a.F. sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen
Gesundheitsstörungen auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden
Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der
Tätigkeit, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren
Kräften und Fähigkeiten entsprechen und die ihnen mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang ihrer Ausbildung zu
ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Erwerbsunfähig ist, wer wegen Gesundheitsstörungen auf nicht absehbarer Zeit außer Stande ist, eine
Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen zu erzielen, das
monatlich 630,00 DM übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der ab 1996 geltenden Fassung).
Gemäß § 43 SGB VI (i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom
20.12.2000) ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Diese gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsminderung
sind beim Kläger nach der Überzeugung des Senates bis heute nicht eingetreten. Die vom Senat zum beruflichen
Leistungsvermögen des Klägers gehörten ärztlichen Sachverständigen sehen den Kläger aufgrund der von ihnen
festgestellten Gesundheitsstörungen in seinem beruflichen Leistungsvermögen nur insoweit eingeschränkt, als ihm
körperliche Schwerarbeit oder Arbeit unter besonderen nicht allgemein üblichen Arbeitsbedingungen nicht mehr
zugemutet werden können. Durch den Gesundheitszustand des Klägers werden damit nur solche Tätigkeiten
ausgeschlossen, die mit schwerem Heben und Tragen von Lasten unter ungeschützten Einflüssen von Kälte, Nässe
oder Hitze, reizenden Gasen oder Stäuben ausgeführt werden müssen oder einen Wechsel der Körperposition nicht
zulassen bzw. in Zwangshaltungen ausgeführt werden müssen. Im Übrigen ist der Kläger jedoch nicht an einer
vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit körperlich leichteren Arbeiten gehindert.
Danach ist der Kläger nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen der von ärztlichen Sachverständigen
Dr.K. , Dr.F. und Dr.E. jedenfalls in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu den üblichen
Bedingungen zu verrichten, da die ärztlicherseits geforderten Einschränkungen der Arbeitsbedingungen weder von
ihrer Art noch von ihrer Vielfalt die Fähigkeit zu körperlich leichten Tätigkeiten wesentlich beeinträchtigen. Damit ist
der angesichts seines beruflichen Werdeganges und seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit in Deutschland auf
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbare Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig oder
erwerbsgemindert und hat deshalb keinen Rentenanspruch.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Dem Kläger wird empfohlen zur gegebenen Zeit Antrag auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu
stellen.