Urteil des LSG Bayern vom 27.07.2007

LSG Bayern: europäische menschenrechtskonvention, popularklage, ergänzung, gleichstellung, verfassung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.07.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 13 AS 541/06
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 187/07
Bundessozialgericht B 14 AS 137/07 B
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 30. Mai 2007 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger für die Zeit vom 01.06. bis 31.10.2006 ein höherer Anspruch auf
Ar-beitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz-buch (SGB II) zusteht.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 24.05.2006 für die Zeit vom 01.06. bis 31.10.2006 Alg II. Mit
seinem Wi-derspruch rügte er insbesondere die Gleichstellung von Ar-beitslosen, die - wie er - Beiträge zur
Arbeitslosenversiche-rung erbracht hätten, mit Sozialhilfeempfängern. Verfassungs-widrig sei die Höhe des
Regelsatzes von 345 EUR. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006
zurückgewiesen.
Mit seiner am 01.09.2006 zum Sozialgericht Regensburg (SG) er-hobenen Klage verwies er auf seine Ausführungen
im Verfahren S 13 AS/174/05. Dort hatte der Kläger wiederum die Verfassungs-widrigkeit des SGB II geltend gemacht
und auf die Klagebegrün-dung eines Rechtsanwalts in einem Verfahren vor dem Sozialge-richt Dortmund verwiesen.
Ferner hatte er dort geltend ge-macht, die gesetzlichen Regelungen des SGB II über Zumutbar-keitsregelungen,
Eingliederungsvereinbarungen und Ein-Euro-Jobs seien verfassungswidrig, diese würden gegen das Grundgesetz, die
Bayerische Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.05.2007 abge-wiesen und zur Begründung unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Wesentlichen ausgeführt, es beständen gegen die Höhe der
Regelleitung keine durchgreifen-den verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Übrigen hat es auf die Begründung seines
Gerichtsbescheides vom 19.12.2006 im Verfah-ren S 13 AS 174/05 Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 08.06.2007 zugestellten Ge-richtsbescheid mit einem am 14.06.2007 beim SG
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er durch Bezugnahme auf seine Begründungen
in weiteren Verfahren vor dem SG geltend, er werde durch den Gerichtsbescheid in seinen verfassungsmäßig
garantierten Grundrechten verletzt. Das SG habe eine Klagebegründung eines Rechtsanwaltes an das SG Dortmund
und seinen eigenen Schriftsatz vom 08.07.2005 missachtet.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 30.05.2007 aufzuheben
und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 24.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.08.2006 zu verurteilen, ihm höheres Alg II zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Begrün-dung des SG.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und
die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, weil davon auszugehen ist, dass der Kläger zusätzliche Leistungen von mehr als 500 EUR
begehrt.
Das Rechtmittel ist jedoch nicht begründet, weil dem Kläger kein höherer Anspruch auf Alg II zusteht. Dieser
begründet ei-nen solchen Anspruch allein mit der Verfassungswidrigkeit der Regelungen des SGB II. Zur Überzeugung
des Senats widerspricht die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II nicht hö-herrangigem Recht. Wie das
BSG in seinem Urteil vom 23.11.2006 (B 11b AS 1/06 R) näher ausgeführt hat, bestehen gegen die im SGB II
gesetzlich festgeschriebene Höhe der Leistungen zur Si-cherung des Lebensunterhalts keine durchgreifenden verfas-
sungsrechtlichen Bedenken. In weiteren Entscheidungen vom gleichen Tag (B 11 b AS 9/06 R und B 11 b AS 25/06
R) hat das BSG seine Auffassung bekräftigt. Der Senat folgt dieser Rechtsansicht; denn der Bestimmung der
Regelleistung liegen ausreichende Erfahrungswerte zu Grunde und der dem Gesetzgeber zuzubilligende
Einschätzungsspielraum wurde nicht in unvertretbarer Weise überschritten. So hat das BSG darauf hingewiesen, dass
die gegenwärtige Situation durch die Zunahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und durch Einkommenseinbußen in
breiten Bevölkerungskreisen geprägt ist, weshalb dem Gesichtspunkt des Lohnabstandsgebotes maßgebliche
Bedeutung zukommen müsse.
Da der Kläger sein Begehren allein auf einen Verstoß gegen hö-herrangiges Recht stützt und keine Gründen
ersichtlich sind, die zu einem höheren Anspruch auf Alg II führen könnten, erüb-rigt sich eine weitere Überprüfung der
angefochtenen Beschei-de.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Kläger mit seinen weiteren Rügen verkennt, dass das
Rechtsschutzsystem im Ver-waltungs- und Sozialrecht keine Popularklage kennt, vielmehr an die konkrete und
unmittelbare Betroffenheit des Rechtsschutzsuchenden anknüpfe. Dem Senat ist es verwehrt, die Regelungen über
den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, die Beschaffung von Arbeitsgelegenheiten und die
Leistungsabsenkung daraufhin zu überprüfen, ob diese mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Eine abstrakte
Normenkontrollklage gibt es im Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht. Eine derartige Prüfungskompetenz kommt nur dem
Bundesverfassungsgericht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.