Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2017

kost und logis, arbeitsentgelt, akte, heim

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.2.2017, L 8 R 1262/16
Leitsätze
Eine rentenrechtliche Versicherungszeit für Jugendliche und Heranwachsende, die im Rahmen einer
vormundschaftsgerichtlich angeordneten Unterbringung von der Fürsorgeeinrichtung zur Erbringung von
Arbeitsleistungen herangezogen worden waren, ist nicht allein daraus zu folgern, dass Geld- und
Sachleistungen gewährt wurden. Die Schwierigkeit der Feststellung lange zurückliegender rentenrechtlicher
Zeiten ist dem typischen Beweislastrisiko der beweispflichtigen Partei zuzuordnen, denn durch die bestehenden
Vermutungs- und Glaubhaftmachungsregelungen sind bereits Beweiserleichterungen normiert.
Für ein anderes Ergebnis wäre der Gesetzgeber gefordert.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe 24.02.2016 wird
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, Zeiten
des Aufenthalts der Klägerin im Kinderasyl G. als Beitragszeiten im Versicherungsverlauf festzustellen.
2 Die 1954 geborene Klägerin beantragte am 14.02.2013 bei der Beklagten die Kontenklärung für den
Zeitraum 1964 bis 1971 (Blatt 6 der Beklagtenakte), in dem sie im Kinderasyl G. Zwangsarbeit habe leisten
müssen.
3 Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.02.2013 (Blatt 26 der Beklagtenakte) die rentenrechtliche
Feststellung der Zeiten vom 01.01.1964 bis 31.12.1971 ab. Diese Zeit könne nicht als Beitragszeit
vorgemerkt werden, weil nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungs- oder Beitragspflicht in der
Rentenversicherung nicht bestanden habe.
4 Mit ihrem Widerspruch vom 02.04.2013 (Blatt 28 der Beklagtenakte) machte die Klägerin u.a. geltend (Blatt
31/36 der Beklagtenakte), die von ihr geleistete Arbeit sei vor allem in der anstaltsinternen Hauswirtschaft
sowie in der anstaltsinternen Schneiderei und Wäscherei erfolgt. Gearbeitet worden sei jeweils sechs bis
acht Stunden im Rahmen einer Sechs-Tage-Woche. Die Arbeitsverrichtung sei im Auftrag der Heimerziehung
und mit Zustimmung des Amtsvormundes erfolgt, vermutlich als Hilfskraft oder Anzulernende. Es sei nach
der damaligen als auch der heutigen Rechtslage definitiv nicht von einer geringfügigen Beschäftigung
auszugehen. Der gewerbliche Charakter der verrichteten Tätigkeit ergebe sich für den
Heimeinrichtungsträger anstaltsintern aus der Ersparnis von branchenüblichen Personalkosten sowie den
Einnahmen für die Personalvermittlung an Fremdbetriebe. Als Gegenleistung seien ihr von Seiten des Heims
Kost, Logis, Bekleidung, geringe DM-Beträge und sonstige Gegenstände des täglichen Gebrauchs ausgekehrt
worden. Die Höhe der Geldbeträge und die Anzahl sowie die Wertigkeit der Kleidung habe sich nach dem
jeweilig geleisteten Arbeitsmaß gerichtet, weshalb von einem vollen Arbeitslohn auszugehen sei. Definitiv
auszuschließen sei eine Arbeitstätigkeit aufgrund gesetzlichen Zwangs. Nach Art und Umfang entspreche
das faktische Beschäftigungsverhältnis einer Vollzeitbeschäftigung, die grds. rentenbeitragspflichtig und
definitiv nicht als erzieherische Maßnahme gewertet werden könne. Der Amtsvormund habe um ihren
Einsatz gewusst und durch schlüssiges Verhalten seine ausdrückliche Einwilligung erteilt. Es habe sich nicht
lediglich um ein resignierendes Dulden in den Abschluss eines Arbeitsvertrages gehandelt. Im Übrigen
komme es auf die Freiwilligkeit gar nicht an. Das faktische Beschäftigungsverhältnis könne sich auf einen
Vertragsschluss zwischen dem Träger der Heimeinrichtung und dem die Fürsorgegewalt ausübenden
Jugendamt, welchem ihre rechtsgeschäftlichen Belange oblegen hätten, begründet werden. Die Frage, ob
innerhalb der Fürsorgeerziehungsmaßnahme die Berechtigung, Personalmangel durch den Einsatz von
Erziehungsmündeln zu kompensieren, bestanden hatte, könne zur Ermittlung der Rentenansprüche der
faktischen Arbeitnehmer dahinstehen. Entscheidend sei, ob faktisch eine sozialabgabenpflichtige
Beschäftigung tatsächlich ausgeübt worden sei. Ob vom Arbeitgeber tatsächlich keine Pflichtbeiträge gezahlt
worden seien, wenngleich die Pflicht dazu bestanden hätte und die Arbeitnehmerbeiträge direkt von ihrem
Arbeitsentgelt abgezogen worden seien, gelte es zu ermitteln. Zudem seien bei dem Lohn in Gestalt von
Sachleistungen als Nettolohn, die Sozialversicherungsbeiträge bereits in Abzug gebracht gewesen. Ebenso
sei § 286 Abs. 5 SGB VI zu prüfen. Weiterhin komme § 247 Abs. 2a SGB VI in Betracht.
5 Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2013 (Blatt 41 der Beklagtenakte) den Widerspruch
zurück. Dem Begehren, die Zeit vom 01.01.1964 bis 01.01.1971 als Beitragszeit zu berücksichtigen, könne
nicht entsprochen werden. Die Berücksichtigung von Beitragszeiten für solche Zeiten, in denen Heimkinder
ohne ein versicherungspflichtiges Lehr- oder Beschäftigungsverhältnis zwangsweise hätten arbeiten
müssen, sähen die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vor. Die Berücksichtigung einer
Pflichtbeitragszeit setze voraus, dass ein versicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis gegen
Arbeitsentgelt mit Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung vorgelegen habe oder eine Lehre
oder eine sonstige Berufsausbildung im Rahmen eines versicherungsrechtlich relevanten
Beschäftigungsverhältnisses vorgelegen habe, für das grds. Versicherungspflicht bestanden habe. Lägen
diese Voraussetzungen nicht vor, sei die unter Zwang geleistete Arbeit von Kindern und Jugendlichen keine
Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung.
6 Am 17.09.2013 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben. Sie hat ihr Vorbringen im
Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass selbst wenn der
Arbeitsvertrag nichtig gewesen sei, ein faktisches Arbeitsverhältnis angenommen werden müsse. Weiter
spreche für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, dass das Arbeitsentgelt im Verhältnis zu dem doch
erheblichen Arbeitsaufwand sehr gering ausgefallen sei, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass
Rentenversicherungsbeiträge vom Bruttogehalt einbehalten worden seien. Daneben komme auch § 247 Abs.
2 a SGB VI in Betracht, da in dem Heim die Erziehung der weiblichen Zöglinge darauf ausgelegt gewesen
sei, diese für Tätigkeiten im Bereich der Hauswirtschaft zu befähigen, was als eine Art Ausbildung
anzusehen sei.
7 Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften. Die Stiftung Kinderheim G. (Blatt 38 = 39 der
SG-Akte) hat dem SG mit Schreiben vom 17.02.2014 mitgeteilt, die Klägerin sei von 1964 bis 1971 im
Kinderasyl G. als zu betreuendes Kind bzw. Jugendliche untergebracht gewesen. Es befinde sich lediglich
noch die Kinderakte mit Entwicklungsberichten dort. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin im
Kinderasyl eine Anstellung gehabt habe oder eine Ausbildung absolviert habe.
8 Der Landkreis N. hat mit Schreiben vom 11.06.2014 (Blatt 58, vgl. auch 68 der SG-Akte) mitgeteilt, zu der
Frage, ob die Klägerin sich im Kinderasyl G. befunden und dort gearbeitet habe, seien im Archiv keine
Unterlagen vorhanden.
9 Die Handwerkskammer S. hat mitgeteilt (Schreiben vom 25.06.2014, Blatt 60 der SG-Akte), eine
Eintragung in die Lehrlingsrolle sowie eine Anerkennung von Ausbildungszeiten sei nicht feststellbar.
10 Das Staatsarchiv A. hat ausgeführt (Schreiben vom 25.06.2014, Blatt 61 der SG-Akte), dass sich zwar eine
Akte über die Kinderheime G. finde, es handele sich aber überwiegend um Personalkarten der
aufgenommenen Kinder, ein einziges Blatt enthalte eine Auflistung des Pflegepersonals. Der Name der
Klägerin erscheine dort nicht.
11 Die Regierung von O. hat mit Schreiben vom 01.07.2014 (Blatt 63 der SG-Akte) mitgeteilt, es lägen keine
Unterlagen der Klägerin aus der Zeit im Kinderasyl vor.
12 Das Bistum A. hat mit Schreiben vom 26.08.2014 (Blatt 69 der SG-Akte) mitgeteilt, dass zum Kinderasyl G.
aus der Zeit von 1961 bis 1972 keine Unterlagen vorhanden seien.
13 Das Kinderheim S. C. (Blatt 72 der SG-Akte) hat mitgeteilt (Schreiben vom 15.09.2014), dass zu der
Krankenkasse der Klägerin keine Unterlagen vorhanden seien. Es liege nur folgende Information vor:
„Zahlungspflichtige Person oder Stelle: B.FSV. N. -U.“.
14 Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.05.2014 (Blatt 46/49 der SG-Akte) u.a. angegeben, die
Unterbringung habe vom 08.03.1960 bis zum 31.08.1970 gedauert. Auch die Schulferien 1971 und 1972
habe sie im Heim verbringen müssen. Die Klägerin hat hierzu Erziehungs-/Entwicklungsberichte vom
03.08.1961 und 07.08.1961 vorgelegt, sowie eine Übersicht über Zeugnisnoten.
15 Die Klägerin wurde vom SG im nichtöffentlichen Termin am 20.03.2015 (zur Niederschrift vgl. Blatt 88/90
der SG-Akte) angehört. Sie hat im Anschluss mit Schreiben vom 07.05.2015 (Blatt 98/103 der SG-Akte) u.a.
ausgeführt, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG bzw. § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO habe Versicherungspflicht zur
gesetzlichen Rentenversicherung bestanden. Die Schulausbildung habe trotz der Beschäftigung
gewährleistet werden können. Die verrichtete Tätigkeit habe vornehmlich dazu gedient, Neigungen und
Fähigkeiten herauszufiltern, um diese zu gegebener Zeit entsprechend ausbilden zu können. Auch habe die
Beschäftigung der Berufsvorbereitung gedient und sei durch freie Kost und Logis sowie kleines Taschengeld
entlohnt worden. Sie sei sowohl hauswirtschaftlich als auch in der Kinderpflege und Kinderbetreuung
eingesetzt gewesen. Sie habe Putzen, Wäsche waschen, Mangeln, Zusammenlegen gelernt, sie sei in
Näharbeiten eingewiesen worden, z.B. Knöpfe annähen und Socken stopfen. Nach der Entlassung habe sie
ein Jahr einen Hauswirtschaftslehrgang in A. besucht, anschließend ein Jahr die Schule für Kinderpflege im
M. Heim. Dem habe ein Anerkennungsjahr als Kinderpflegerin gefolgt. Die folgenden zwei Jahre hätten als
praktische Zeit in einem Kindergarten in K. gedient, in der sie erlerntes Wissen umsetzen und vertiefen
habe können. In einem 1½jährigen Aufbaulehrgang sei sie schlussendlich zur voll anerkannten Erzieherin
ausgebildet worden. Ab 01.04.1977 habe sie dann eine Anstellung bei der Stadt K., zunächst in der
Kinderkrippe, dann im Kindergarten, erhalten. Die Zeit im Heim habe sie insofern für ihre berufliche Zukunft
vorbereitet und geprägt, als sie die dort erlernten Fertigkeiten in der Kinderbetreuung und Kinderpflege
künftig, auch nach entsprechender weiterer Ausbildung, zu ihrem Beruf gemacht habe. Für den Zeitraum
vom 08.03.1961 bis zum 30.06.1965 sei § 274 Abs. 2a SGB VI einschlägig. Auch § 286 Abs. 5 SGB VI greife
ein. Sie habe sich damals nicht veranlasst gesehen, Nachforschungen hinsichtlich etwaiger Beitragszeiten
anzustrengen. Gutgläubig habe sie der ordnungsgemäßen Verwaltung durch die Heimleitung vertraut.
Möglich seien die Einnahmen des Heims durch die Arbeit der Zöglinge geworden. Hätte das Heim mehr
Personal einstellen müssen, so wäre dies nur als versicherungspflichtige Beschäftigung möglich gewesen. Es
sei davon auszugehen, dass die von Zöglingen verrichteten Arbeiten vielfach die Existenz der Heime
gesichert hätten. Ob diese Annahme auch für das vorliegende Heim gelte, sei durch nichts bewiesen.
Erzieherische Absichten und wirtschaftliche Interessen seien so eng miteinander verflochten, dass
vorliegend die Arbeit den Schwerpunkt gebildet habe.
16 Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.07.2015 (Blatt 106/138 der SG-Akte) vorgetragen, dass Unterlagen,
die ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder eine Berufsausbildung belegten, nicht
existierten. Es habe auch damals das generelle Verbot der Kinderarbeit gegolten. Für die Zeit der
Zwangsarbeit seien keine Pflichtbeiträge gezahlt worden; eine solche Zahlung sei nicht nachgewiesen.
Arbeitsentgelt habe die Klägerin für Zwangsarbeit nicht erhalten. Es liege keine Versicherungskarte mit
entsprechenden Einträgen vor, auch andere Unterlagen bestünden nicht. Die Klägerin habe am 07.08.1972
ihre erste rentenversicherungspflichtige Beschäftigung (Berufsausbildung) aufgenommen. Dass die Tätigkeit
während der Heimerziehung kein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis
begründet habe, sei damals gängige Praxis gewesen, anderenfalls hätte es nicht der Schaffung des „Fonds
Heimerziehung“ bedurft, der gerade deshalb ins Leben gerufen worden sei, um ehemaligen Heimkindern
ausgleichende Leistungen u.a. auch als Ausgleich für vorenthaltenen Lohn oder entgangene
Rentenleistungen zu gewähren. Die Beklagte hat hierzu
17 - den Abschlussbericht Runder Tisch Heimerziehung,
- die Empfehlung des Petitionsausschusses vom 26.11.2008,
- den Auszug aus der Niederschrift vom 24.10.1960 über die 8. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der
Landesjugendämter und Fürsorgeerziehungsbehörden in Wiesbaden,
- ein Schreiben des Sozialministeriums Rheinland-Pfalz vom 04.11.1968,
- einen Vermerk des Amtes für Jugenderziehung vom 16.05.1969 sowie
- das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2005 – L 12 R 2441/04 und
- Auszüge aus der RVO
18 vorgelegt.
19 Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 03.09.2015 (Blatt 143/145 der SG-Akte) dazu geäußert und u.a.
ausgeführt, dass die wirtschaftliche Nutzung der Arbeitskraft der Jugendlichen im Vordergrund gestanden
habe, weshalb sich im Rahmen der Beweiserleichterung bei fehlender Versicherungskarte die Frage stelle,
wie eine Glaubhaftmachung durch sie dahingehend gelingen könne, dass für die Tätigkeit auch
Sozialabgaben geleistet worden seien. Den wirtschaftlichen Wert aus Kostenersparnis unter dem
Deckmantel der Erziehungsmaßnahmen völlig ohne Gegenwert an die Kinder und Jugendlichen
einzubehalten, grenze an Ausbeutung. Hätten die Heimkinder über die Mithilfe hinausgehende Arbeit
geleistet und dem Heim dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erwirtschaftet, so hätten die Heime diese
Arbeit entsprechend sozialversicherungsrechtlich zu behandeln gehabt. Vorliegend sei die Vergütung in
Höhe eines geringfügigen Betrages gezahlt worden, zu einem geringen Teil als Bar-, zum größten Teil als
Sachlohn. Während der Zeit der Mithilfe als Heimzögling habe sie kein Entgelt, ab der Zeit der Beschäftigung
als Gehilfin in der Säuglings- und Kinderstation nur geringes Entgelt erhalten, über dessen Höhe sie keine
Angaben mehr machen könne. Zwar habe sie im Gerichtstermin ausgesagt, dass sie kein Taschengeld
erhalten habe. Gemeint sei „jedoch eine regelmäßige monatliche Zahlung“ gewesen. Aufgrund finanzieller
Engpässe sei die Zahlung des Geldes unregelmäßig und auch mit schwankenden Beträgen erfolgt.
20 Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2016 die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 25.02.2013 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2013 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in
ihren Rechten. Der streitige Zeitraum sei weder als Pflichtbeitragszeit noch als fiktive Beitragszeit zu
qualifizieren. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei zur Überzeugung des Gerichts weder
nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum in einem
Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt bzw. in einem Berufsausbildungsverhältnis gestanden habe
und eine Beitragszahlung erfolgt sei. Von einem Beschäftigungs- bzw. Berufsausbildungsverhältnis könne
nur ausgegangen werden, wenn dasselbe freiwillig ausgeübt werde. Demgegenüber habe früher zum Wesen
einer Heimerziehung ein Zwangscharakter, mit der Folge gehört, dass der Heimträger dem Fürsorgezögling
daher regelmäßig nicht als Arbeitgeber sondern als Organ der Erziehungsbehörde, gegenüber getreten
seien. Gegen eine Arbeitnehmereigenschaft bzw. Ausbildungstätigkeit und für eine Unterbringung mittels
Zwang spreche, dass die Klägerin selbst ihre Tätigkeit im Antrag als Zwangsarbeit bezeichnet und im
Erörterungstermin mitgeteilt habe, im Falle der Arbeitsverweigerung Strafen erlitten zu haben.
21 Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 01.03.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am
01.04.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie sei in den
verschiedenen Berufsgruppen angelernt worden. So seien ihr Grundlagen in Hauswirtschaft, Schneiderei,
Großküche und Kindererziehung beigebracht, die Neigungen, Fähigkeiten und das Geschick in diesen
Bereichen geprüft worden. Insbesondere was die erzieherische Vorbereitung der Ausbildung anbelange,
müsse festgestellt werden, dass dieses Anlernverhältnis in dem die Berufung betreffenden strittigen
Zeitraum ihre hauptsächliche Beschäftigung gewesen sei. Es müsse festgestellt werden, dass insbesondere
der vorgebrachte Zwangscharakter der Beschäftigung unbegründet sei. Tatsache sei, dass nicht alle
anfallenden Arbeiten und Aufgaben bei ihr sonderlich beliebt gewesen seien. Fakt sei aber auch, dass
während einer herkömmlichen Ausbildung sowie in jedem Arbeitsverhältnis nicht immer alle anfallenden
Arbeiten auf Gefallen beim Arbeitnehmer träfen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass auch „unbeliebte“
Tätigkeiten beigebracht und damit erlernt werden müsse, da diese Arbeiten zur Ausbildung gehörten und
somit auch erledigt werden müssten. Nach ausführlicher Überprüfung und Testung in den verschiedenen im
Heim möglichen Berufsgruppen, sei die Heimleitung nach erfolgter Besprechung mit ihr zu der Überzeugung
gekommen, dass eine Arbeit mit Kindern ihr am meisten zusage und sie auch eine dahingehende Ausbildung
anstreben gewollt habe. Eine intensive Betätigung in diesem Heimbereich habe somit gerade in ihrem
Interesse gelegen, habe sie doch für die anschließende Ausbildung bestens vorbereitet sein wollen, um
bestmögliche Resultate während der Ausbildung zu erzielen und so größere Chancen bei der
Arbeitsplatzsuche zu erlangen. Gerade vor dem Hintergrund, dass sie vermutlich aufgrund ihres
Heimaufenthaltes später benachteiligt sein könnte, sei die Wissensvermittlung und das Beibringen von
Fähigkeiten und Fertigkeiten vorab einer „normalen“ Ausbildung umso wichtiger gewesen. Die letzten
beiden Jahre des Aufenthaltes im Kinderheim habe sie daher fast vollständig auf der Säuglings- und
Kinderstation verbracht, wo sie intensiv sowohl in der Kinderpflege, als auch in der Kinderbetreuung
angelernt worden sei. Sowohl die abgeschlossene Berufsausbildung als auch umfangreiche
Zusatzqualifikationen und Weiterbildungen belegten, dass die Entscheidung der Heimleitung und ihr, eine
gezielte Beschäftigung auf der Säuglings- und Kinderstation durchzuführen, genau richtig gewesen sei. Der
strittige Zeitraum sei daher als rentenrechtliche Beschäftigungszeit anzuerkennen, in den
Versicherungsverlauf aufzunehmen und die Rente entsprechend neu zu berechnen.
22 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
23 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Karlsruhe vom 24.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheids vom 25.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2013 zu
verpflichten, die von ihr in dem Zeitraum vom 12.02.1966 bis 31.08.1970 sowie in den Ferien von 1970 bis
1972 (30.10.1970 bis 03.10.1970 , 23.12.1970 bis 07.01.1971, 03.04.1971 bis
19.04.1971, 29.05.1971 bis 07.06.1971, 22.07.1971 bis 06.09.1971, 22.12.1971 bis 10.01.1972,
25.03.1972 bis 10.04.1972, 20.05.1972 bis 29.05.1972, 03.08.1972 bis 06.08.1972 und 21.12.1972 bis
31.12.1972) verrichtete Arbeit als rentenversicherungsrechtliche Zeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz und 2
SGB VI anzuerkennen, in den Versicherungsverlauf aufzunehmen und bei der Rentenberechnung zu
berücksichtigen.
24 Die Beklagte beantragt,
25 die Berufung zurückzuweisen.
26 Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
27 Die Klägerin hat mit Schreiben vom 06.06.2016 (Blatt 24/26 der Senatsakte) ihr bisheriges Vorbringen
wiederholt und zusätzlich ausgeführt, sie sei während ihrer Ausbildung am Ausbildungsort untergebracht
gewesen. In den Ferien habe sie, mangels anderer Unterkunft wieder im Kinderheim wohnen müssen, wo sie
als vollwertige Arbeitskraft im Schichtbetrieb in der Kinder- und Säuglingsstation des Kinderheims G.
beschäftigt gewesen sei. Die Tätigkeiten der Zöglinge sei offiziell in den Rechnungen des Kinderheimes als
Tätigkeiten von Hilfsarbeitskräften deklariert und in Rechnung gestellt worden. Aufgrund der geringen Zahl
des „offiziell eingestellten“ Personals und dem im Vergleich dazu unverhältnismäßig größeren Arbeits- und
Abrechnungsumfang habe diese Diskrepanz unweigerlich von jemandem, insbesondere dem zuständigen
Träger des Kinderheimes, bemerkt werden müssen. Auch verlange § 286 Abs. 5 SGB VI lediglich eine
Glaubhaftmachung, keinen Beweis. Eine Glaubhaftmachung verlange für die Feststellung der erheblichen
Tatsachen ein geringeres Maß an Wahrscheinlichkeit als der Nachweis. Fest stehe doch, dass sie Arbeiten
verrichtet habe, die auch auf dem freien Arbeitsmarkt als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu
werten seien. Es müsse daher im Einzelfall überprüft werden, welches Ausmaß der Anteil der Arbeit im
Tagesablauf der Zöglinge angenommen habe. Vorliegend habe die Arbeit in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung
sowohl für den aktuellen Zeitraum als auch für die Zukunft den Schwerpunkt gehabt.
28 Die Beklagte hat mit Schreiben vom 15.07.2016 (Blatt 27/29 der Senatsakte) ausgeführt, auch als Lehrling
oder sonst zur Berufsausbildung im Sinne von § 2 Abs. 1 AVG – bzw. § 1227 Abs. 1 RVO sei die Klägerin im
streitbefangenen Zeitraum nicht beschäftigt gewesen. Ein Lehrvertrag existiere nicht, im Übrigen sei eine
Fürsorge- oder Heimerziehung nicht „automatisch“ Berufsausbildung. Selbst wenn die Klägerin durch das
wiederholte Verrichten der von ihr geschilderten Arbeiten und Aufgaben gewisse Erfahrungen erworben
habe, die ihr in der ab 07.08.1972 begonnenen Berufsausbildung durchaus zugutegekommen sein könnten,
handele es sich dabei nicht um Berufsausbildung im Sinne der rentenrechtlichen Vorschriften. Das
Lebensalter der Klägerin während der streitbefangenen Zeit sowie der Umstand, dass die tatsächliche
Berufsausbildung der Klägerin erst am 07.08.1972 begonnen habe, ließen keine andere rechtliche
Würdigung der geschilderten Umstände zu. Soweit die Klägerin die Grundsätze des faktischen
Arbeitsverhältnisses für ihre Auffassung heranziehe, vermöge dies nicht zu überzeugen. Im vorliegenden Fall
sei überhaupt kein Rechtsgeschäft zwischen der Klägerin und dem Heimträger ersichtlich, es liege überhaupt
kein Vertrag vor, dem Rechtsmängel anhaften könnten, so dass auch keine quasi-vertraglichen Ansprüche
geltend gemacht werden könnten. Grundlage der Arbeitsleistungen der Klägerin seien vielmehr einseitige
auf die Erbringung von Arbeitsleistungen gerichtete Weisungen des Personals des Heimträgers im Sinne sog.
Erziehungsmaßregeln zur Wahrnehmung der subsidiären staatlichen Erziehungsaufgabe gewesen. Für die
Klägerin sei die erste (und einzige) Versicherungskarte ausgestellt worden am 23.08.1972 durch die
damalige BfA. Es handele sich um die Versicherungskarte Nummer 01 der Angestelltenversicherung (AV). Sie
sei am 23.05.1973 beim Versicherungsamt der Stadt V. aufgerechnet worden, worüber die Klägerin eine
Abschrift dieser Versicherungskarte, eine so genannte Aufrechnungsbescheinigung erhalten habe. In die
Versicherungskarte Nummer 01 der Angestelltenversicherung habe der damalige Arbeitgeber, das
Erholungsheim T. in V. , den Zeitraum vom 07.08.1972 bis zum 31.12.1972 mit einem beitragspflichtigen
Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 4.165,74 DM eingetragen. Für danach liegende Zeiten seien für
versicherungspflichtige Beschäftigte keine Versicherungskarten mehr zu verwenden gewesen. Stattdessen
seien Meldungen von Beitragszeiten auf elektronischem Wege erfolgt. Für Zeiten vor dem 07.08.1972
existiere keine Versicherungskarte. Wäre dies der Fall gewesen, hätte für die vorhandene
Versicherungskarte nicht die (Ordnungs-) Nummer 01 verwendet werden dürfen, da dann bereits eine
Versicherungskarte Nummer 01 existiert hätte. Dies hätten Anfragen bei der ehemaligen
Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben, heute DRV Schwaben, und beim Ordnungs- und Sozialamt G.
ergeben, wobei letzteres mitgeteilt habe, dass dort keine Umtauschlisten mehr vorlägen. In die
Umtauschlisten sei alles Wesentliche zu den Personalien der Beschäftigten und zur Aufrechnung einer
Versicherungskarte eingetragen worden, bevor die aufgerechnete Original-Versicherungskarte an den
zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet worden seien. Selbst wenn sich die Klägerin nach der
Entlassung aus dem Heim „während der Ferien“ nicht mehr in der Fürsorgeerziehung befunden habe, sei
davon auszugehen, dass auch in diesen Zeiträumen kein sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Die Tätigkeiten seien von vornherein kurzfristig ausgelegt
gewesen und - wie die Klägerin im Erörterungstermin geschildert habe - habe das Heim entschieden, dass sie
wegen der ihr dort zur Verfügung gestellten Schlafgelegenheit in den Ferien arbeiten musste. Auch dafür sei
keine entgeltliche Entlohnung erfolgt. Aus der Antwort der Stiftung Kinderheim G. an das SG ergebe sich,
dass die Klägerin im damaligen „Kinderasyl G. “ als zu betreuendes Kind bzw. Jugendliche untergebracht
gewesen sei und dass es keinen Hinweis gebe, dass sie im Kinderasyl eine Anstellung gehabt oder eine
Ausbildung absolviert habe.
29 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt
31, 32 der Senatsakte).
30 Wegen der weiteren Einzelheiten das Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte
des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
31 Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit
Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2
SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG im Wesentlichen zulässig aber insoweit unbegründet.
32 Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist die Anfechtung des Gerichtsbescheids des SG. Hierin
hat das SG über die Klage der Klägerin vom 17.09.2013 gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2013
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2013 entschieden. Gegenstand dieses Bescheids vom
25.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2013 war die Ablehnung der Feststellung der
Zeit vom 12.02.1966 bis 31.08.1970 sowie die Ferien von 1970 bis 1972, die die Klägerin später auf die
Zeiträume vom 30.10.1970 bis 03.10.1970 , 23.12.1970 bis 07.01.1971, 03.04.1971
bis 19.04.1971, 29.05.1971 bis 07.06.1971, 22.07.1971 bis 06.09.1971, 22.12.1971 bis 10.01.1972,
25.03.1972 bis 10.04.1972, 20.05.1972 bis 29.05.1972, 03.08.1972 bis 06.08.1972 und 21.12.1972 bis
31.12.1972 datiert hatte, als Beitragszeiten im Versicherungsverlauf der Klägerin. Für dieses
Vormerkungsbegehren hat die Klägerin eine statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
auf der Grundlage von §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 56 SGG (vgl. BSG 11.05.2011 - B 5 R 22/10 R – juris; Hessisches
LSG 14.07.2015 – L 2 R 236/14 – juris) erhoben, über die das SG entschieden hat.
33 Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren begehrt hat, die streitigen Versicherungszeiten in den
Versicherungsverlauf aufzunehmen, handelt es sich nicht um ein zusätzliches Begehren, sondern lediglich
um eine weitergehende Umschreibung des Gewollten. Denn mit der Feststellung der Versicherungszeiten
sind diese in den Versicherungsverlauf aufgenommen (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 5 SGB VI).
34 Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren erstmals beantragt hatte, die streitigen Zeiten bei der
Rentenberechnung zu berücksichtigen, musste der Senat feststellen, dass der Klägerin derzeit (noch) keine
Rente gewährt wird. Diese Antragstellung kann der Senat nach dem Wortlaut und dem objektivierten
Empfängerhorizont nicht dahin auslegen, dass nunmehr erstmals über die Gewährung einer Rente
entschieden werden soll. Die Gewährung einer Rente war nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids
und auch nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens, und auch ein Rentenbescheid ist bisher nicht ergangen.
Soweit der Antrag daher dahingehend auszulegen ist, dass die Klägerin jetzt die Gewährung einer Rente
begehrt, ist die Berufung insoweit unzulässig. Auch hat sich die Beklagte nicht rügelos i.S.d. § 99 Abs. 1
SGG auf diesen Antrag eingelassen, noch ist die Erweiterung sachdienlich, denn die Beklagte hat über die
Gewährung einer Rente bisher nicht entschieden. Aber selbst wenn angenommen würde, die Beklagte habe
sich rügelos auf die Erweiterung des Begehrens eingelassen, wäre mangels Rentenbescheid und
Rentengewährung auch eine ggf. erweiterte Klage bzw. Berufung unzulässig. Soweit die Klägerin aber mit
ihrem diesbezüglichen Antrag lediglich gemeint hatte, dass die gesetzliche Folge der Feststellung von
Versicherungszeiten, nämlich die Berücksichtigung der festgestellten Zeiten bei der zukünftigen
Rentenberechnung (vgl. §§ 66 ff. SGB VI), eintreten soll, handelt es sich um die bloße Mitteilung einer
gesetzlichen Rechtsfolge, über die bisher weder die Beklagte im angefochtenen Bescheid noch das SG im
angefochtenen Gerichtsbescheid entschieden hatten, weil Gegenstand des Verfahrens bisher lediglich die
Feststellung von Zeiten im Versicherungskonto der Klägerin war. Die sich hieraus ergebende gesetzliche
Rechtsfolge der Berücksichtigung von im Versicherungsverlauf festgestellten Zeiten war bisher zwischen den
Beteiligten nicht streitig. Hat das SG aber bisher zutreffend hierüber nicht entschieden, liegt auch keine mit
der Berufung anfechtbare Entscheidung vor. Auch hat sich die Beklagte nicht rügelos i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG
auf diesen Antrag eingelassen, noch ist die Erweiterung sachdienlich, denn die Beklagte hat über die
Gewährung einer Rente und somit über die Berücksichtigung der streitigen Zeiten bei der
Rentenberechnung bisher nicht entschieden. Aber selbst wenn auch insoweit angenommen würde, die
Beklagte habe sich rügelos auf die Erweiterung des Begehrens eingelassen, wäre mangels Rentenbescheid
und Rentengewährung auch eine ggf. erweiterte Klage bzw. Berufung unzulässig.
35 Damit hat der Senat in der Sache lediglich über die Vormerkung (§ 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI) der Zeit vom
12.02.1966 bis 31.08.1970 sowie der Ferien von 1970 bis 1972 (30.10.1970 bis 03.10.1970
03.11.1970>, 23.12.1970 bis 07.01.1971, 03.04.1971 bis 19.04.1971, 29.05.1971 bis 07.06.1971,
22.07.1971 bis 06.09.1971, 22.12.1971 bis 10.01.1972, , 25.03.1972 bis 10.04.1972, 20.05.1972 bis
29.05.1972, 03.08.1972 bis 06.08.1972 und 21.12.1972 bis 31.12.1972) als Beitragszeit i.S.d. § 55 Abs. 1
Satz und 2 SGB VI zu entscheiden.
36 Dieses Begehren der Klägerin ist jedoch unbegründet. Denn die Zeiten vom 12.02.1966 bis 31.08.1970
sowie vom 30.10.1970 bis 03.11.1970, 23.12.1970 bis 07.01.1971, 03.04.1971 bis 19.04.1971,
29.05.1971 bis 07.06.1971, 22.07.1971 bis 06.09.1971, 22.12.1971 bis 10.01.1972, , 25.03.1972 bis
10.04.1972, 20.05.1972 bis 29.05.1972, 03.08.1972 bis 06.08.1972 und 21.12.1972 bis 31.12.1972 sind
weder als weitere rentenversicherungsrechtlich relevante Zeiten zusätzlich im Versicherungsverlauf der
Klägerin noch als Beitragszeiten i.S.d. § 55 SGB VI festzustellen:
37 Zunächst musste der Senat anhand des Versicherungsverlaufs der Klägerin feststellen, dass die Zeit (vgl.
Blatt 10 RS der Beklagtenakte)
38 - vom 12.02.1970 bis 22.07.1970 als Zeit der Schulausbildung,
- vom 23.07.1970 bis 09.09.1970 als Zeit der Schulausbildung,
- vom 10.09.1970 bis zum 31.07.1971 als Zeit der Fachschulausbildung,
- vom 01.08.1971 bis 06.09.1971 als Zeit der Fachschulausbildung,
- vom 07.09.1971 bis 21.07.1972 als Zeit der Fachschulausbildung und die Zeit
- vom 07.08.1972 bis zum 31.12.1972 bereits als Pflichtbeitragszeit mit einem Entgelt von 4.165,74 DM
39 festgestellt ist.
40 Nachdem die Zeit vom 07.08.1972 bis zum 31.12.1972 bereits als Pflichtbeitragszeit festgestellt ist, kommt
eine weitere Feststellung dieser Zeit, wie von der Klägerin beantragt, nicht in Betracht. Dass die Klägerin
die Unrichtigkeit dieser Feststellung deswegen geltend macht, weil ein höheres Entgelt für diese Zeit
festzustellen wäre, konnte der Senat angesichts des Vorbringens der Klägerin nicht feststellen. Auch konnte
der Senat nicht feststellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 07.08.1972 bis zum 31.12.1972, die sich mit
den von der Klägerin festzustellen begehrten Zeiten vom 21.12.1972 bis zum 31.12.1972 überschneidet,
unzutreffend festgestellt wäre.
41 Nach § 54 Abs. 1 SGB VI sind rentenrechtliche Zeiten
42 1. Beitragszeiten,
43 a) als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen,
b) als beitragsgeminderte Zeiten,
44 2. beitragsfreie Zeiten und
45 3. Berücksichtigungszeiten.
46 Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge
(Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI stellt klar,
dass auch solche Zeiten Pflichtbeitragszeiten sind, für die zwar kein Beitrag gezahlt wurde, für die aber
Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (Kass Komm/Gürtner SGB VI § 55 RdNr. 9),
wozu vorliegend die besonderen Vorschriften des § 55 Abs. 1 Satz 3 SGB VI, § 247 Abs. 2a SGB VI und §
286 Abs. 2 SGB VI zählen.
47 Nach § 55 Abs. 1 Satz 3 SGB VI gelten als Beitragszeiten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben
worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines
pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen (§ 55 Abs. 1 Satz 3 SGB VI). Solche
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für
mehrere Kinder (§ 55 Abs. 1 Satz 3 SGB VI) liegen nicht vor. Das hat weder die Klägerin geltend gemacht,
noch konnte der Senat solches feststellen.
48 Die Zeit der Unterbringung im Kinderasyl G. /Kinderheim St. C. vom 12.02.1966 bis 31.08.1970 ist keine
Beitragszeit nach § 55 Abs. 1 Sätze 1 bzw. 2 SGB VI. Der Senat konnte zunächst feststellen, dass für diese
Zeit keine freiwilligen Beiträge gezahlt worden waren (§ 55 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGB VI); dies hat
auch die Klägerin nicht behauptet. Der Senat konnte darüber hinaus feststellen, dass für diese Zeit auch
keine Pflichtbeiträge nach Bundesrecht gezahlt worden waren (§ 55 Abs.1 Satz 1 1. Alternative SGB VI).
Pflichtbeiträge sind wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht
verjährt ist (§ 197 Abs. 1 SGB VI). Maßgeblich ist insoweit nach § 55 Abs. 1 Satz 1. Alternative SGB VI, dass
nach Bundesrecht Pflichtbeiträge tatsächlich gezahlt sind. Eine solche tatsächliche Zahlung konnte der
Senat aber nicht feststellen. Die Beklagte konnte weder bei sich noch bei der DRV Schwaben, der
Rechtsnachfolgerin der damals zuständigen LVA Schwaben, eine Beitragszahlung feststellen. Auch aus der
vom SG durchgeführten Beweisaufnahme ist eine Zahlung von Pflichtbeiträgen nicht ableitbar. Soweit die
Klägerin aber angibt, Beiträge müssten gezahlt worden sein, so handelt es sich insoweit um eine bloße
Vermutung, die sie auf das ihr angeblich gezahlte geringe Entgelt bzw. die angeblichen Sachbezüge stützt.
Insoweit konnte der Senat aber – unterstellt, die Klägerin hätte tatsächlich Entgelt für Arbeit in Form von
Geld- oder Sachleistungen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten – nicht feststellen,
dass aus diesen Bezügen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung abgeführt – gezahlt - worden waren. Denn
– die Behauptung der Klägerin unterstellt – aus der geringen Höhe des Entgelts kann nicht im Sinne eines
Vollbeweises darauf geschlossen werden, dass tatsächlich Beiträge zur Sozial-, vorliegend zur
Rentenversicherung, gezahlt worden sind (SG Hamburg 28.01.2013 - S 53 R 102/12 – juris; Böttiger in
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 286 SGB VI, RdNr. 36.1). Auch gibt es keinen Rechtssatz,
dass eine selbst nachgewiesene Beschäftigung die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (BSG
07.09.1989 – 5 RJ 79/88 – juris; BSG 17.12.1986 - 11a RA 59/85 - SozR 5745 § 1 VuVO Nr. 2 = juris). Hat
es sich bei den von der Klägerin bezogenen Geld- und Sachleistungen des Kinderasyls G. /Heims St. C. aber
schon gar nicht um Entgelte für eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt, so waren keine
Pflichtbeiträge zur Sozial-, insbesondere zur Rentenversicherung zu zahlen und es ist für den Senat
nachvollziehbar, weshalb keine Beiträge gezahlt worden waren. Insoweit konnte der Senat feststellen, dass
keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung tatsächlich gezahlt worden waren.
49 Konnte der Senat eine tatsächliche Beitragszahlung schon gar nicht feststellen, so konnte er auch nicht
feststellen, dass Beiträge an nicht zuständige Träger der Rentenversicherung i.S.d. § 201 Abs. 1 SGB VI
gezahlt worden wären.
50 Auch greift die Vermutung des § 199 SGB VI vorliegend nicht zugunsten der Klägerin. Nach § 199 Satz 1
SGB VI wird bei Beschäftigungszeiten, die den Trägern der Rentenversicherung ordnungsgemäß gemeldet
worden sind, vermutet, dass während dieser Zeiten ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
mit dem gemeldeten Arbeitsentgelt bestanden hat und der Beitrag dafür wirksam gezahlt worden ist. Die
Versicherten können von den Trägern der Rentenversicherung die Feststellung verlangen, dass während
einer ordnungsgemäß gemeldeten Beschäftigungszeit ein gültiges Versicherungsverhältnis bestanden hat (§
199 Satz 2 SGB VI). Die Sätze 1 und 2 sind für Zeiten einer nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege
entsprechend anzuwenden (§ 199 Satz 3 SGB VI).
51 § 199 SGB VI statuiert die gesetzliche Vermutung der Beitragszahlung und anderer rentenrechtlich
bedeutsamer Umstände (Mutschler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 199 SGB VI, RdNr.
19). Der Versicherungsschutz des zwangsversicherten Beschäftigten in der gesetzlichen Rentenversicherung
wird durch § 199 SGB VI von der allein vom Arbeitgeber geschuldeten Beitragszahlung abgekoppelt
(Mutschler a.a.O.). Für den Versicherungsschutz der Beschäftigten in der Rentenversicherung kommt es
insoweit nur auf die ordnungsgemäße Meldung der Beschäftigungszeiten und Arbeitsverdienste durch den
Arbeitgeber an (Mutschler a.a.O.). Allein schon auf dieser Grundlage wird zugunsten des gemeldeten
Beschäftigten vermutet, dass in den gemeldeten Zeiten eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit dem
gemeldeten Arbeitsentgelt bestanden hat und die Beiträge wirksam gezahlt worden sind (BSG 29.06.2000 -
B 4 RA 57/98 R - BSGE 86, 262 ff. = SozR 3-2600 § 210 Nr. 2 = juris; Mutschler a.a.O.).
52 Vorliegend hat die Klägerin keine Zeiten der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege i.S.d. § 199 Satz 3 SGB
VI geltend gemacht, auch der Senat konnte anhand der Angaben der Klägerin zur Betreuung und Erziehung
der Kinder im Kinderasyl G. Zeiten einer nichterwerbsmäßigen häuslichen Pflege eines im Sinne des
Pflegeversicherungsrechts Pflegebedürftigen nicht feststellen; die bloße Erziehung bzw. Betreuung und
Beaufsichtigung von nicht gesundheitlich bedingt pflegebedürftigen Kindern, wie sie von der Klägerin
beschrieben worden war, stellt keine solche häusliche Pflege dar.
53 Auch greift vorliegend die Vermutung der Beitragszahlung nach § 199 Satz 1 SGB VI nicht. Denn diese
Vermutung greift nur für solche Zeiten, die den Trägern der Rentenversicherung ordnungsgemäß gemeldet
worden sind. Insoweit beruht die Vermutung der ordnungsgemäßen Beitragszahlung auf der Grundlage
einer ordnungsgemäßen Meldung (Mutschler a.a.O. RdNr. 22). Eine ordnungsgemäße Meldung erfordert die
Erfüllung der formellen und materiellen Vorschriften der Meldung (Mutschler a.a.O. RdNr. 22). Die Vorschrift
gilt damit nur für Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und nur für Zeiten, die im
Meldeverfahren zu melden waren (KassKomm/Peters SGB VI § 199 RdNr. 3). Eine solche ordnungsgemäße
Meldung konnte der Senat aber für die vorliegend streitige Zeit der Unterbringung im Kinderheim St. C. vom
12.02.1966 bis 31.08.1970 gerade nicht feststellen, zumal eine Meldung im Meldeverfahren erst seit
01.01.1973, mithin nach Ende des geltend gemachten Zeitraumes, vorgesehen war (Mutschler a.a.O. RdNr.
22).
54 Im Übrigen handelt es sich auch nicht um Beschäftigungszeiten i.S.d. § 199 Satz 1 SGB VI. Zwar knüpft der
Begriff der Beschäftigungszeit begrifflich nicht allgemein an das Zurücklegen von „Beitragszeiten“ i.S.d. §§
54 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 1 SGB VI an, sondern enger an das Vorliegen von Zeiten mit einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung i.S.d. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Mutschler a.a.O. RdNr. 21). Insoweit
muss es sich um Zeiten einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt oder zur Berufsausbildung handeln
(Mutschler a.a.O.). Das konnte der Senat aber für die vorliegend streitige Zeit gerade nicht feststellen (dazu
s.u.).
55 Über diese Vermutung des § 199 SGB VI hinaus enthält das SGB VI noch weitere Beweiserleichterungen. So
besteht nach § 203 SGB VI die Möglichkeit der Glaubhaftmachung der Beitragszahlung: Machen Versicherte
glaubhaft, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben und für
diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, ist die Beschäftigungszeit als Beitragszeit
anzuerkennen (§ 203 Abs. 1 SGB VI). Machen Versicherte glaubhaft, dass der auf sie entfallende
Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden ist, so gilt der Beitrag als gezahlt (§ 203 Abs. 2 SGB
VI).
56 Die in § 203 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI enthaltenen Vermutungen sind Rechtsfolgen, die an die Erfüllung der
jeweiligen Tatbestandsmerkmale anknüpfen. So erfordert die Vermutung des Vorliegens einer Beitragszeit
i.S.d. Abs. 1, dass Versicherte glaubhaft machen, dass sie (1.) eine versicherungspflichtige Beschäftigung
gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben und (2.) für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt
worden sind. Die Vermutung der Zahlung des Beitrags nach Abs. 2 erfordert, dass Versicherte glaubhaft
machen, dass der auf sie entfallende Beitragsanteil (Arbeitnehmeranteil) vom Arbeitsentgelt abgezogen
worden ist.
57 Vorliegend konnte der Senat im Hinblick auf die Voraussetzungen des Abs. 1 schon nicht als glaubhaft
gemacht ansehen, dass für die von der Klägerin behauptete Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt
worden sind. Insoweit hilft der Klägerin auch nicht die Vermutung des Abs. 2. Denn der Senat konnte gerade
nicht als glaubhaft gemacht ansehen, dass der auf die Klägerin entfallende Beitragsanteil
(Arbeitnehmeranteil) vom Arbeitsentgelt abgezogen worden war.
58 Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen,
die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 23
Abs. 1 Satz 2 SGB X); dieselben Grundsätze gelten auch im Gerichtsverfahren. Insoweit ist vor allem der
Vortrag der Klägerin selbst zu berücksichtigen, denn aus den anderweitig vorliegenden Unterlagen und
Auskünften ergibt sich gerade kein Abzug von auf die Klägerin entfallenden Sozialversicherungsanteilen, ja
schon gar keine Zahlung von Arbeitsentgelt. Die Klägerin hat insoweit zunächst vorgetragen, sie habe kein
Geld erhalten. Im Erörterungstermin hat sie dann auch angegeben, nie Taschengeld bekommen zu haben.
Zur Messe habe sie aber 5,00 DM bekommen. Darüber hinaus hat sie angegeben, mit ihrer Arbeit die
Heimerziehung finanziert zu haben, also als Gegenleistung für die Arbeit in dem Heim, in dem sie auf
Veranlassung des Jugendhilfe- und Fürsorgeträgers untergebracht war, erzogen worden zu sein (Schreiben
vom 07.05.2015). Sie hat des Weiteren ausgeführt (Schreiben vom 03.09.2015), die Vergütung sei in Höhe
eines geringfügigen Betrages gezahlt worden, zu einem geringen Teil als Bar-, zum größten Teil als
Sachlohn. Während der Zeit der Mithilfe als Heimzögling habe sie kein Entgelt, ab der Zeit der Beschäftigung
als Gehilfin in der Säuglings- und Kinderstation nur geringes Entgelt erhalten, über dessen Höhe sie keine
Angaben mehr machen könne. Zwar habe sie im Gerichtstermin ausgesagt, dass sie kein Taschengeld
erhalten habe. Gemeint gewesen sei „jedoch eine regelmäßige monatliche Zahlung“. Aufgrund finanzieller
Engpässe der Einrichtung sei die Zahlung des Geldes unregelmäßig und auch mit schwankenden Beträgen
erfolgt. An anderer Stelle hat sie angegeben (vgl. die Widerspruchsbegründung), es habe sich um einen
Nettolohn gehandelt, bei dem bereits die Sozialversicherungsangaben abgezogen gewesen seien, um in der
Klagebegründung dann mitzuteilen, es habe sich um einen Bruttolohn gehandelt. Vor diesem Hintergrund
konnte der Senat es als nicht überwiegend wahrscheinlich ansehen, dass es sich bei den angeblich von der
Klägerin empfangenen Geldern und Sachleistungen um Entgelt für eine versicherungspflichtige
Beschäftigung oder Ausbildung bzw. Lehre gehandelt hatte und von diesem auch der auf sie entfallende
Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden war. Denn – selbst ein Entgelt für Arbeit unterstellt -
kann aus der Tatsache, dass nur ein extrem niedriges Entgelt bezogen wurde, nicht gefolgert werden, dass
der auf ihn entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden war (SG Hamburg 28.01.2013
- S 53 R 102/12 - juris Rn. 34; Böttiger a.a.O.). Auch gibt es keinen Rechtssatz, dass eine nachgewiesene
Beschäftigung die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (BSG 07.09.1989 – 5 RJ 79/88 – juris;
BSG 17.12.1986 - 11a RA 59/85 - SozR 5745 § 1 VuVO Nr. 2 = juris). Vielmehr konnte der Senat keine Geld-
und Sachleistungen des Kinderasyls G. oder anderer Personen und Einrichtungen an die Klägerin erkennen,
die über die mit der Unterbringung verbundene Gewährung von Unterkunft, Essen und Trinken (Kost und
Logis), der Ausstattung mit Kleidern und den Gegenständen des täglichen Lebens unter Einschluss von
Taschengeld, hinaus gingen. Auch dass von den der Klägerin ausgegebenen Sach- und Geldleistungen
Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden waren, erscheint angesichts des von der Beklagten
vorgelegten historischen Materials, aus dem deutlich hervor geht, dass damals die Arbeit in Kinderheimen
gerade nicht als sozialversicherungspflichtig angesehen worden war, nicht überwiegend wahrscheinlich.
Damit ist weder der Abzug von auf die Klägerin entfallenden Beitragsanteilen vom Arbeitsentgelt noch die
Zahlung von Beiträgen i.S.d. § 203 SGB VI glaubhaft gemacht. Auch konnte der Senat eine
versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin in dieser Zeit der Heimunterbringung gegen
Arbeitsentgelt nicht feststellen und auch nicht als überwiegend wahrscheinlich ansehen (dazu s.u.). Dabei
war für den Senat mit § 286 Abs. 6 SGB VI unerheblich, dass auf der für die Klägerin existierenden
Versicherungskarte vom 23.08.1972 auch für Zeiten vor dem 01.01.1973, also vor Einführung des
maschinellen Meldeverfahrens, bezogen auf den vorliegend streitigen Zeitraum eine Eintragung des Abzugs
des Arbeitnehmeranteils vom Gehalt in der Versicherungskarte nicht dokumentiert ist (dazu Böttiger a.a.O.
RdNr. 36 ff.).
59 Da in der Zeit vor dem 01.01.1973 die rentenversicherungsrechtlichen Daten auf den damals verwendeten
Versicherungskarten dokumentiert worden waren, der Klägerin aber erstmals am 23.08.1972 durch die
Rechtsvorgängerin der Beklagte eine Versicherungskarte (Nummer 01) ausgestellt und am 23.05.1973
aufgerechnet worden war – die Ausstellung einer Versicherungskarte bei einem anderen
Rentenversicherungsträger konnte der Senat ebenso wenig feststellen -, kommen vorliegend auch die
Regelungen der §§ 286 ff. SGB VI in Betracht. Nach § 286 Abs. 2 SGB VI wird vermutet, dass wenn auf einer
vor dem 01.01.1992 rechtzeitig umgetauschten Versicherungskarte (1.) Beschäftigungszeiten, die nicht
länger als ein Jahr vor dem Ausstellungstag der Karte liegen, ordnungsgemäß bescheinigt oder (2.)
Beitragsmarken von Pflichtversicherten oder freiwillig Versicherten ordnungsgemäß verwendet sind,
während der in Nummer 1 genannten Zeiten ein die Versicherungspflicht begründendes
Beschäftigungsverhältnis mit dem angegebenen Arbeitsentgelt bestanden hat und die dafür zu zahlenden
Beiträge rechtzeitig gezahlt worden sind und während der mit Beitragsmarken belegten Zeiten ein gültiges
Versicherungsverhältnis vorgelegen hat. Der Senat konnte aber insoweit auf Grundlage der zur
Überzeugung des Senats führenden Angaben der Beklagten feststellen, dass auf der der Klägerin
ausgegebenen, einzigen Versicherungskarte lediglich für den Zeitraum vom 07.08.1972 bis zum
31.12.21972 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 4.165,74 DM ausgewiesen war. Es sind damit
auf der Versicherungskarte keine Beschäftigungszeiten, die nicht länger als ein Jahr vor dem Ausstellungstag
der Karte (am 23.08.1972) liegen (also ab dem 24.08.1971) bescheinigt. Auch enthält die
Versicherungskarte keine Beitragsmarken von Pflichtversicherten oder freiwillig Versicherten. Damit kommt
vorliegend die Vermutung eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und der
Beitragszahlung nach § 286 Abs. 2 SGB VI vorliegend nicht in Betracht. Da die Versicherungskarte der
Klägerin auch nicht verloren, unbrauchbar oder zerstört ist, greift auch § 286 Abs. 4 SGB VI nicht.
60 Auch greift die Beweiserleichterung des § 286 Abs. 5 SGB VI nicht. Danach gilt folgendes: Machen
Versicherte für Zeiten vor dem 01.01.1973 glaubhaft, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung
gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder nicht
auf der Karte bescheinigt ist, und für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, ist
die Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen.
61 Wie zuvor bereits ausgeführt, konnte der Senat nicht feststellen, dass Beiträge für die von der Klägerin
behauptete Beschäftigung tatsächlich gezahlt wurden. Der Senat konnte aber ebenso wenig (vgl. oben) eine
entsprechende Beitragszahlung als glaubhaft gemacht ansehen. Die Glaubhaftmachung der Beitragszahlung
ist neben der Glaubhaftmachung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt
unerlässliche Voraussetzung der Anerkennung einer Beschäftigungszeit als Beitragszeit i.S.d. § 286 Abs. 5
SGB VI (Böttiger a.a.O. RdNr. 31). Der Versicherte hat beide Merkmale, das der Ausübung einer
versicherungspflichtigen Tätigkeit sowie das der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen hierauf,
jeweils glaubhaft zu machen (Bayerisches LSG 28.01.2009 – L 13 R 610/08 – Beck-Online;
KassKomm/Wehrhahn SGB VI § 286 RdNr. 20). Es handelt sich um zwei untereinander nicht verknüpfte,
voneinander unabhängige Tatbestandsmerkmale, die jeweils gesondert glaubhaft zu machen und von der
Behörde sowie den Gerichten auch getrennt zu prüfen sind (LSG Nordrhein-Westfalen 22.05.2013 - L 18 KN
52/10 - juris RdNr. 24). So muss die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zugleich
die Beitragsabführung aus dem daraus erzielten Entgelt bedeuten. Auch gibt es keinen Rechtssatz, wonach
eine nachgewiesene Beschäftigung die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (BSG 17.12.1986 -
11a RA 59/85 - SozR 5745 § 1 Nr. 2 = juris; BSG 07.09.1989 - 5 RJ 79/88 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen
22.05.2013 - L 18 KN 52/10 - juris RdNr. 24). Ein Verzicht auch auf die Glaubhaftmachung widerspricht der
Gesetzeslage und ist deshalb unzulässig (LSG Berlin-Brandenburg 27.01.2015 - L 8 R 510/14 – juris;
Böttiger a.a.O. RdNr. 31.3).
62 Ausgehend von diesen Maßstäben konnte der Senat weder feststellen noch als glaubhaft gemacht ansehen,
dass die Klägerin in der Zeit vom 12.02.1966 bis 31.08.1970 eine Beschäftigung, die zur
Versicherungspflicht geführt hat, oder eine versicherungspflichtige Lehre bzw. Ausbildung absolviert hätte.
Die Klägerin, die in der streitigen Zeit zwischen 12 und 16 Jahre alt war, war durch den Jugendhilfe- und
Fürsorgeträger des Landkreises N. auf Grundlage des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes von 1922 in der
Fassung der Novellierung aus dem Jahr 1961, das seitdem den Namen Jugendwohlfahrtsgesetz trug, in dem
Kinderasyl G. untergebracht. Diese amtliche und ohne den Willen der Klägerin erfolgende Unterbringung hat
dem Aufenthalt der Klägerin im Kinderasyl ihr Gepräge gegeben; so verlangt nach der Rechtsprechung des
BSG der Erziehungszweck, den Minderjährigen zu einem brauchbaren und ordentlichen Menschen zu
erziehen, in erster Linie, ihn zu gewissenhafter und regelmäßiger Arbeitsleistung anzuhalten (BSG
30.01.1975 – 2 RU 200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR 2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15 unter Hinweis auf
vgl. LVG Hamburg in Sammlung jugendrechtlicher Entscheidungen – SjE – E 16/619; zum Einsatz von
Heimkindern für Arbeiten vgl. auch LSG Baden-Württemberg 09.06.2005 – L 12 R 2441/04 – n.v.). Die
Unterbringung erfolgte, wie sich auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Erziehungsbericht ergibt, zu
deren Erziehung und Betreuung. Hierzu gehörte die Erziehung und Ertüchtigung für ein späteres
selbständiges Leben. Im Rahmen dieser Maßnahme wurden der Klägerin nicht nur Unterkunft, Essen und
Trinken („Kost und Logis“) gewährt, sondern weil die Klägerin im Kinderasyl – statt in ihrer Herkunftsfamilie
– vollumfänglich aufgenommen, erzogen und betreut wurde, erhielt sie über Unterkunft und Verpflegung
hinaus auch Kleidung und alles, was zum Leben nötig war. Dazu gehörte neben einem Taschengeld, das
zeitgemäß durchaus gering gewesen sein dürfte, auch die Versorgung mit Sachgegenständen, die die
Klägerin zum alltäglichen Leben benötigt hatte. Grundlage dieser Gewährung von Sach- und Geldleistungen
war daher nach Feststellung des Senats die Unterbringung der Klägerin durch den Jugendhilfe- und
Fürsorgeträger des Landkreises N.. Im Rahmen dieser Unterbringung nahm die Klägerin auch an der
Schulausbildung in der Volksschule G. teil, für die sie die Zensurübersicht vorgelegt hatte (Blatt 49 der SG-
Akte).
63 Die Klägerin wurde im Rahmen dieser Unterbringung im Kinderasyl G. – was der Senat durchaus
nachvollziehen kann – auch zu Arbeiten herangezogen. Sie selbst hat angegeben, nicht nur zu
Hausarbeiten, wie Putzen, Waschen und Kochen herangezogen worden zu sein, auch Nähen und Stopfen
von Socken habe sie ausführen müssen. Sie habe auch bei der Ernte, auf dem Feld und beim Schlachten
helfen müssen. Sie habe auch Lebensmittel an Personen überbringen müssen, die nicht zum Kinderasyl
gehört hätten. Auch habe sie andere Kinder und Säuglinge betreut und beaufsichtigt.
64 Der Senat konnte den konkreten Umfang der Arbeitstätigkeit nicht weiter aufklären. Die vom SG befragten
Stellen konnten insoweit keine Auskünfte geben. Die von der Klägerin in Aussicht gestellten Zeugen hat sie
nicht benannt. Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Unterlagen des
Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages und dem Abschlussbericht des Runden Tisches ergibt sich
zwar, dass in Heimen und Einrichtungen Kinder und Jugendliche zu einer Arbeit herangezogen worden
waren, die über die mit der Erziehung einhergehenden Arbeiten hinausgingen. Dass aber auch im konkreten
Fall der Klägerin das Kinderasyl G. derartige Arbeitsumfänge den dort untergebrachten Kindern und
Jugendlichen abgefordert hätte, konnte der Senat nicht feststellen. Zwar hat die Klägerin angegeben, dass
sie jeweils sechs bis acht Stunden (gemeint: täglich) im Rahmen einer Sechs-Tage-Woche gearbeitet hätte.
Zu diesem Vortrag einer solchen umfänglichen Arbeit passt aber nicht, dass die Klägerin zugleich auch bis
zum Ende der Volksschule im Juli 1970 (vgl. Blatt 49 der SG-Akte) die Schule besucht hatte, sodass
zumindest der halbe Tag mit dem Schulbesuch und darüber hinaus auch Tageszeiten mit der Erledigung der
Hausaufgaben belegt war. Ob die der Klägerin zugemutete Tätigkeit inhaltlich schwer oder unangemessen
war, ist bei dieser rentenrechtlichen Beurteilung ohne Bedeutung. Denn nicht die Schwere der Arbeit
sondern deren sozialversicherungsrechtliche Bewertung ist für die vorliegende rentenrechtliche Feststellung
von Bedeutung. Insoweit konnte der Senat aber weder feststellen noch als glaubhaft gemacht ansehen, dass
die Klägerin gegen Entgelt beschäftigt gewesen wäre.
65 Versicherungspflichtig in der Rentenversicherung der Arbeiter bzw. Angestelltem waren nach § 1227 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 RVO und § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AVG alle Personen, die als Arbeitnehmer bzw. als Angestellte
gegen Entgelt oder die als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; die erst 1975
eingefügten Regelungen der § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a RVO und § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AVG greift
vorliegend noch nicht. Diese unter der RVO und dem AVG geltenden Regelungen entsprechen dem heute
geltenden Recht des in § 7 Abs. 1 SGB IV definierten Begriffs der „unselbständigen Arbeit“. Hierzu hat das
BSG hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BSH 18.6.1997 - BSGE 80, 250, 252 = SozR 3-2200 § 1248
Nr. 15 = juris) ausgeführt, ein - nach der RVO bzw. dem AVG versicherungspflichtiges -
Beschäftigungsverhältnis komme durch Vereinbarung zwischen den Beteiligten zustande. Typisch sei, dass
auf beiden Seiten jeweils eigene Entschlüsse zur Beschäftigung vorliegen, die nach dem Modell der
Erklärungen bei einem Vertragsschluss geäußert werden. Dies gelte auch für die Abgrenzung zwischen
freien und unfreien Beschäftigungen (= Zwangsarbeitsverhältnissen). Frei sei ein Beschäftigungsverhältnis,
wenn es aus eigenem Antrieb zu einem Vertragsabschluss gekommen sei. Allerdings setzte ein
sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis nicht notwendig den Abschluss eines
Arbeitsvertrages nach zivilrechtlichen Grundsätzen voraus (vgl. § 7 SGB IV). Gemessen an diesen Kriterien
sei eine unter Zwang zustande gekommene und verrichtete Arbeit (z.B. als Strafgefangener oder KZ-
Häftling) grundsätzlich nicht als eine Beschäftigung einzustufen, die - nach den Bestimmungen der RVO bzw.
des AVG - der Versicherungspflicht unterlegen habe (BSG 21.04.1999, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; BSG
14.07.1999, SozR 3-5070 § 14 Nrn. 2 und 3; BSG 23.08.2001, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17). Auch der 4.
Senat des BSG ist (BSG 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R – juris RdNr. 98) davon ausgegangen, dass der
Rechtsbegriff der Beschäftigung in dem früheren § 1226 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der Nachfolgevorschrift des §
1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO und in dem heute geltenden § 7 Abs. 1 SGB IV im Wesentlichen dieselbe Bedeutung
habe. Mithin ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses von der Freiwilligkeit und der Entgeltlichkeit
geprägt. Die Beschäftigung muss aus „eigenem Willensentschluss“ aufgenommen worden sein. Dies
erfordert insbesondere eine Abgrenzung zur Zwangsarbeit. So hat das BSG die Abgrenzung zwischen
Zwangsarbeit und (rentenversicherungspflichtiger) Beschäftigung stets am Merkmal der „Freiwilligkeit“
vorgenommen und die Arbeitserbringung in einem KZ nicht als Beschäftigung im versicherungsrechtlichen
Sinn angesehen, weil sie nicht auf „freiwilliger Basis“ erfolgt sei (BSG 10.12.1974, BSGE 38, 245 = SozR
5070 § 14 Nr. 2 = juris). Ferner hat es Beschäftigungen in einem Ghetto zunächst pauschal als
Zwangsarbeit bewertet und sie einer Arbeit in einem KZ gleichgestellt (BSG 04.10.1979, SozR 5070 § 14
Nr. 9). Diese frühere Rechtsprechung hat das BSG in seiner Ghetto-Rechtsprechung korrigiert und
entschieden, dass auch in einem Ghetto ein auf freiwilliger Basis begründetes Beschäftigungsverhältnis
bestanden haben konnte (beginnend mit BSG 18.06.1997 BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15). So
wurde Zwangsarbeit angenommen, wenn der Betroffene auf Anordnung „von hoher Hand“ unter Ausschluss
jeder freien Willensbetätigung die Arbeit verrichten musste. Keine Zwangsarbeit lag danach vor, wenn die
„hohe Hand“ für die Beschäftigungsaufnahme noch irgendeinen Raum für eine freie Willensbetätigung
gelassen hatte (BSG, Vorlagebeschluss, 20.12.2007 – B 4 R 85/06 R – juris RdNr. 111). Insoweit reicht für
die „Freiwilligkeit“ danach aus, dass bei der Aufnahme der Beschäftigung von „hoher Hand“ nur nicht jede
freie Willensbetätigung ausgeschlossen war (BSG, Vorlagebeschluss, 20.12.2007 – B 4 R 85/06 R – juris
RdNr. 112). Hierbei bleiben die Beweggründe, die jemanden zur Aufnahme einer Beschäftigung veranlassten
(etwa Bedarfsdeckung, Gewinn- bzw. Einkommensmaximierung, Selbstverwirklichung), ebenso die
allgemeinen Lebensumstände, die nicht die Arbeit und das Arbeitsentgelt als solches betreffen, außer
Betracht (BSG 21.04.1999, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; BSG 14.07.1999, SozR 3-5070 § 14 Nrn. 2 und 3;
BSG 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R – juris).
66 Hinsichtlich der Freiwilligkeit im Zusammenhang mit in Erziehungsheimen untergebrachten Jugendlichen hat
das BSG (BSG 30.01.1963 – 3 RK 36/59 – BSGE 18, 246 = SozR Nr. 37 zu § 165 RVO = juris RdNr. 68)
darauf hingewiesen, dass der Beschluss des Vormundschaftsgerichts keinen Strafcharakter habe und auch
keine Maßnahme der Sicherungsverwahrung darstelle. Der Beschluss weise auch nicht den Jugendlichen in
eine Fürsorgeanstalt ein (BSG 30.01.1963 – 3 RK 36/59 – BSGE 18, 246 = SozR Nr. 37 zu § 165 RVO = juris
RdNr. 68 unter Hinweis auf Bayerisches Oberstes Landesgericht zu § 70 RJWG in Samml. von Entscheid. des
BayObLG in Zivilsachen Bd. 34 Seite 426). Der vormundschaftsgerichtliche Beschluss beschränke sich
vielmehr auf die Anordnung der Fürsorgeerziehung und habe zur Folge, dass das Recht und die Pflicht der
Eltern zum Unterhalt, zur Erziehung und zur Beaufsichtigung des Minderjährigen als Teil des den Eltern
zustehenden Gesamtpersonensorgerechts kraft öffentlichen Rechts auf die Organe der öffentlichen
Jugendhilfe übergehe (BSG 30.01.1963 – 3 RK 36/59 – BSGE 18, 246 = SozR Nr. 37 zu § 165 RVO = juris
RdNr. 68). Damit richte sich der mit der Anordnung der Fürsorgeerziehung verbundene staatliche Zwang in
erster Linie gegen die Eltern – nicht gegen den Jugendlichen. Die elterlichen Rechte würden nach Erlass des
vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses weitgehend von der Fürsorgeerziehungsbehörde wahrgenommen.
Entscheide sich diese Behörde dafür, die Fürsorgeerziehung in einer „Erziehungsanstalt“ (§ 62 JWG a.F. –
später „Heim“, § 69 Abs. 3 Satz 1 JWG n. F. –) durchführen zu lassen – es könne auch eine „geeignete
Familie“ (§ 62 JWG a. F., § 69 Abs. 3 Satz 1 JWG n. F.), sein –, so könne allerdings damit für den Jugendlichen
ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis begründet werden, sofern er nämlich in eine mit hoheitlichen
Befugnissen ausgestattete Anstalt eingewiesen werde. Er sei in diesem Falle der Anstaltsgewalt
unterworfen – im Grundsatz nicht anders als der Schüler gegenüber der Schule, der Student gegenüber der
Universität – und habe den zwingenden Ge- und Verboten der Anstaltsordnung, die auch bestimmte
Arbeiten betreffen können, nachzukommen (BSG 30.01.1963 – 3 RK 36/59 – BSGE 18, 246 = SozR Nr. 37
zu § 165 RVO = juris RdNr. 68). Hiervon sei aber ein Lehr- und somit auch ein Beschäftigungsverhältnis
streng zu trennen (BSG a.a.O. RdNr. 69). Ein solches Lehr- und Arbeitsverhältnis könne nur durch Vertrag
begründet werden.
67 Da es zum Wesen der Fürsorgeerziehung und zum Erziehungszweck gehört hatte (BSG 30.01.1975 – 2 RU
200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR 2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15), den Minderjährigen zu einem
brauchbaren und ordentlichen Menschen zu erziehen, war er erster Linie zu gewissenhafter und
regelmäßiger Arbeitsleistung anzuhalten (BSG 30.01.1975 – 2 RU 200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR
2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15 unter Hinweis auf LVG Hamburg in Sammlung jugendrechtlicher
Entscheidungen – SjE – E 16/619). Das mit der Durchführung dieser Erziehungsaufgabe betraute Heim
(Heimträger) trat dem Fürsorgezögling daher regelmäßig nicht als Arbeitgeber entgegen, sondern als Organ
der Erziehungsbehörde, auf das diese ihr öffentlich-rechtliches Erziehungsrecht übertragen hat (BSG
30.01.1975 – 2 RU 200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR 2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15). Das schließt
allerdings nicht grds. aus, dass auch während der Fürsorgeerziehung ein freies Beschäftigungsverhältnis
oder Ausbildungsverhältnis bestehen kann (BSG 30.01.1975 – 2 RU 200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR
2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15). Insoweit galt bei Ausführung der Fürsorgeerziehung die
Erziehungsbehörde nach § 69 Abs. 4 JWG als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen für Rechtsgeschäfte,
welche die Eingehung, Änderung oder Aufhebung eines Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnisses
betrafen. Sie konnte daher, sofern es der Erziehungszweck erforderte, für den Minderjährigen auch bei
Heimunterbringung ein freies Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis begründen (BSG 30.01.1975 – 2
RU 200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR 2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15).
68 Der Senat konnte auf Grundlage der Schilderungen der Klägerin, vor allem aber den Ausführungen des
Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages feststellen, dass Jugendliche und Heranwachsende, die im
Rahmen einer durch das Vormundschaftsgericht angeordneten Fürsorgeeinrichtung bei Beschränkung der
persönlichen Freiheit ohne Selbstbestimmung zu Erziehungszwecken zur Erbringung unentgeltlicher
Arbeitsleistungen angehalten worden waren, nicht in einem auf den freien Austausch von Arbeit und Lohn
gerichteten Verhältnis gestanden haben. Bei der so dem Kinderasyl G. zugewiesenen Klägerin konnte der
Senat weder eine freie Vereinbarung eines Arbeits- oder Ausbildungs- bzw. Lehrverhältnisses feststellen
noch einen freien Austausch von Arbeit und Lohn. Insoweit konnte der Senat schon nicht feststellen (siehe
oben), dass der Klägerin Lohn für Arbeit gezahlt worden wäre, denn die der Klägerin ausgekehrten Geld-
und Sachleistungen hielten sich im Rahmen des mit der Unterbringung im Kinderasyl G. zur Erziehung und
Wartung der Klägerin Erforderlichen und hatten ihre Grundlage in der Erziehung und Ausstattung der
Klägerin, nicht in ihrer Arbeit. Insoweit folgt der Senat dem Vortrag der Klägerin, dass sie kein Entgelt für
Arbeit erhalten hatte; vielmehr handelte es sich bei den der Klägerin gewährten Geld- und Sachleistungen
um die im Rahmen der Unterbringung und zur Erziehung und dem Leben der Klägerin erforderliche Kost und
Logis, Bekleidung und sonstigen Geld- oder Sachleistungen. Soweit die Klägerin im Verlauf des Verfahrens
vorgetragen hatte, die ihr monatlich zustehenden Entgelte seien wegen Zahlungsmittelknappheit im
Kinderasyl unregelmäßig und schleppend ausgezahlt worden, konnte der Senat eine solche bei dem unter
der Obhut des Bistums A. bzw. der D. Franziskanerinnen stehenden Kinderasyl G. nicht feststellen.
Anhaltspunkt für ihre Behauptung konnte auch die Klägerin nicht liefern. Damit muss der Senat diesen
Vortrag als bloße Behauptung ins Blaue hinein werten, die keine weiteren Ermittlungen erfordert. Hat die
Klägerin aber kein Entgelt für Arbeit erhalten, liegt keine sozialversicherungs- bzw.
rentenversicherungspflichtige Beschäftigung vor.
69 Auch konnte der Senat eine freie Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses nicht feststellen. Insoweit hat das
BSG in seiner Entscheidung von 1963 (a.a.O.) darauf abgestellt, ob das Verhältnis durch Vertrag begründet
worden war. Der Senat konnte vorliegend im Hinblick auf eine Beschäftigung eine schriftliche, mündliche
oder konkludente Vereinbarung weder durch die Klägerin selbst noch durch den Jugendhilfeträger bzw. die
Erziehungsbehörde mit dem Kinderasyl G. feststellen. Die Klägerin selbst war als Minderjährige insoweit
nicht in der Lage alleine eine entsprechende Erklärung wirksam abzugeben. Eine Erklärung der
Erziehungsbehörde oder des Amtsvormundes, sei sie ausdrücklich oder konkludent, konnte der Senat auch
nicht annehmen. Das bloße Schweigen zu der damals üblichen Heranziehung der Heimkinder zu
Arbeitsleistungen bedeutet nicht, dass die Erziehungsbehörde oder der Amtsvormund stillschweigend eine
entsprechende Vereinbarung akzeptiert oder bloß geduldet hätten. Denn ihnen oblag gerade die Fürsorge
für die Kinder im Hinblick auf eine geordnete Entwicklung, Erziehung und Schuldbildung bis hin zur
Ertüchtigung zu einem selbständigen Leben, was aber nicht möglich gewesen wäre, wenn den Kindern über
eine vereinbarte Beschäftigung allgemein die Zeit zum Lernen genommen worden wäre. Insoweit spricht
schon gegen das Vorliegen einer solchen Vereinbarung in der Zeit bis zum 12.02.1966 bis 31.08.1970, dass
die Klägerin damals zwischen 12 und 16 Jahre alt war, bereits damals Kinderarbeit (bei unter 14-jährigen
Kindern) verboten war und die Klägerin bis zum 22.07.1970 die Volksschule besucht hatte. Gerade der
Besuch der Volksschule weist darauf hin, dass kein paralleles Arbeitsverhältnis geschlossen werden sollte. So
konnte der Senat schon einen schriftlichen Vertrag nicht feststellen. Auch eine mündliche oder konkludente
Vereinbarung konnte der Senat nicht feststellen. Alleine, dass die Klägerin eine solche Vereinbarung durch
Duldung oder ein faktisches Arbeitsverhältnis annehmen will, genügt nicht. Damit fehlt es an einem
vereinbarten Arbeitsverhältnis als Grundlage einer tatsächlichen Beschäftigung ebenso wie am freien
Austausch von Arbeit gegen Lohn. Insoweit spricht auch das Fehlen eines individuellen Entgelts gegen den
Abschluss von Verträgen und für den Erziehungscharakter der Arbeitseinsätze (LSG Baden-Württemberg
09.06.2005 – L 12 R 2441/04 – n.v.). Es liegt damit kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
vor, ein solches konnte auch nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden.
70 Der Senat konnte auch feststellen, dass die von der Klägerin geleisteten Arbeiten im Rahmen der damals so
verstandenen und tatsächlich auch erfolgten Erziehung auszuführen waren. Insoweit stand die Erziehung
und Ertüchtigung der Klägerin auch bei den ausgeführten Arbeiten im Vordergrund (vgl. auch BSG
30.01.1975 – 2 RU 200/72 – BSGE 39, 104-108 = SozR 2200 § 540 Nr. 1 = juris RdNr. 15; dazu vgl auch
LSG Baden-Württemberg 09.06.2005 – L 12 R 2441/04 – n.v.). Der Senat konnte anhand der Angaben der
Klägerin aber auch den von der Beklagten dem SG vorgelegten Unterlagen (z.B. Abschlussbericht des
runden Tisches und der Unterlagen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages) feststellen, dass
die Heranziehung der Klägerin als Heimkind zu Arbeiten zwar üblich war. Der Senat konnte aber in dem
vorliegend zu entscheidenden Einzelfall nicht feststellen, dass die der Klägerin zugewiesenen Arbeiten
deutlich über das damals auch in „regulären“ Familien im Rahmen der Heranziehung von Kindern und
Familienmitgliedern Übliche hinausgegangen wäre (zu den in Heimen üblichen Mithilfen vgl. LSG Baden-
Württemberg 19.02.2008 – L 11 R 4977/06 – juris RdNr. 31).
71 Dass das Kinderasyl G. – was nicht bewiesen werden konnte – die Arbeiten der Klägerin für Dritte
gewerblich genutzt hatte oder durch die Arbeiten der Klägerin Personal einsparen konnte, führt für sich
alleine nicht zur Versicherungspflichtigkeit der von der Klägerin geleisteten Arbeiten. Denn insoweit ist nicht
maßgeblich, wie das Arbeitsergebnis vom Auftraggeber verwertet wird oder ob es zu einem Gewinn oder
Einsparungen führt, sondern in welchem Verhältnis die Klägerin zum Auftraggeber steht. Insoweit konnte
der Senat aber weder ein vereinbartes Arbeits- bzw. Ausbildungs-/Lehrverhältnis noch eine Arbeit gegen
Entgelt feststellen und auch nicht i.S. einer Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich ansehen.
72 Der Senat konnte auch kein vereinbartes versicherungspflichtiges Ausbildungs- bzw. Lehrverhältnis
feststellen. Weder konnte der Senat einen schriftlichen, mündlichen oder konkludenten Vertrag über eine
Ausbildung bzw. Lehre seitens der Klägerin noch seitens der Erziehungsbehörde bzw. dem Amtsvormund
noch eine tatsächliche Ausbildung bzw. Lehre feststellen oder als glaubhaft gemacht ansehen. Hinweise auf
eine Ausbildung bzw. Lehre sind nach der Rechtsprechung des BSG (BSG 30.01.1963 – 3 RK 36/59 – BSGE
18, 246 = SozR Nr. 37 zu § 165 RVO = juris), dass die Tätigkeit klar auf das Ziel der Berufsausbildung
ausgerichtet ist, die „Anleitung“ der Lehrlinge durch Lehrmeister erfolgt, die Lehrzeit festgelegt und so
bemessen ist, dass nach ihrem Ablauf die Ablegung der Gesellenprüfung möglich ist. Das konnte der Senat
nicht feststellen. Denn weder war die Tätigkeit auf eine Berufsausbildung gerichtet, was sich schon klar
daraus ergibt, dass die Klägerin ab Herbst 1972 tatsächlich eine Berufsausbildung aufgenommen hatte, noch
erfolgte die Anleitung durch Lehrmeister, was auch die Klägerin nicht behauptet hatte. Ebenso war die
Lehrzeit nicht festgelegt, die Tätigkeit war auch nicht auf Ablegung einer Gesellenprüfung gerichtet und
auch nicht darauf, von der Handwerkskammer als ordnungsmäßig anerkannt und in die Lehrlingsrolle
eingetragen zu werden (vgl. § 21 Abs. 4, § 84 Abs. 1 Nr. 4 HandwO). Gegen eine Ausbildung und Lehre
spricht auch, dass die damals zwischen 12- und 14-jährige Klägerin in dieser Zeit die Volksschule in vollem
Umfang besucht hatte. Ein daneben bestehendes Ausbildungs- und Lehrverhältnis konnte der Senat aber
nicht feststellen. Damit führt auch in der Zeit der Heimunterbringung der Klägerin vom 12.02.1966 bis zum
31.08.1970 eine Ausbildung bzw. Lehre nicht zur Versicherungspflicht. Dass die Klägerin durch die ihr
übertragenen Arbeiten für ihr späteres Berufsleben geprägt und vorbereitet wurde, bedeutet nicht, dass es
sich deshalb schon selbst um eine Ausbildung- oder Lehrzeit gehandelt hat. Eine versicherungspflichtige
Ausbildung bzw. Lehre konnte der Senat damit weder als festgestellt noch als hinreichend wahrscheinlich
und damit als glaubhaft gemacht ansehen. Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 286 Abs. 5 SGB VI vorliegen. Da vorliegend keine Zeit vor dem
01.01.1950 streitig ist, scheidet auch eine Anwendung des § 286a Abs.1 SGB VI aus.
73 Die Zeit vom 12.02.1966 bis 31.08.1970, in der die Klägerin im Kinderasyl/Heim St. C. durch den
Jugendhilfe- und Fürsorgeträger untergebracht war, kann auch nicht als Beitragszeit nach § 247 SGB VI
berücksichtigt werden. Von dessen Regelungen kommt lediglich diejenige des Abs. 2a in Betracht. Danach
sind Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung auch Zeiten, in denen in der Zeit vom
01.06.1945 bis 30.06.1965 Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren
und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeiten jedoch
nicht erfolgte (Zeiten einer beruflichen Ausbildung). Da die Klägerin jedoch im Berufungsverfahren nur noch
Zeiten ab 12.02.1966 geltend macht, mithin gerade keine Zeiten, die bis zum 30.06.1965 zurückgelegt
wurden, begründet auch die Vorschrift des § 247 Abs. 2a SGB VI vorliegend – unabhängig davon, ob die
Klägerin als Lehrling oder sonst zu einer Berufsausbildung beschäftigt gewesen sein sollte, was der Senat
aber nicht feststellen konnte - keine Pflichtbeitragszeit.
74 Damit liegt für die Zeit der Unterbringung im Kinderasyl/Heim St. C. vom 12.02.1966 bis 31.08.1970 eine
Pflichtbeitragszeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI nicht vor.
75 Für die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten des Aufenthalts im Kinderasyl/Heim St. C. vom
30.10.1970 bis 03.10.1970 , 23.12.1970 bis 07.01.1971, 03.04.1971 bis 19.04.1971,
29.05.1971 bis 07.06.1971, 22.07.1971 bis 06.09.1971, 22.12.1971 bis 10.01.1972, 25.03.1972 bis
10.04.1972, 20.05.1972 bis 29.05.1972, 03.08.1972 bis 06.08.1972 und 21.12.1972 bis 31.12.1972 gilt
nichts anderes. Auch für diese Zeiten konnte der Senat weder eine Beitragszahlung bzw. einen
Beitragsabzug feststellen noch als glaubhaft gemacht ansehen. Ebenso wenig konnte der Senat eine
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Ausbildung bzw. Lehre feststellen bzw. als glaubhaft gemacht
ansehen. So spricht gegen ein vereinbartes Ausbildungs- bzw. Lehrverhältnis in den Ferienzeiten, die die
Klägerin im Kinderasyl G. verbracht hat, dass die jeweiligen Zeiten nicht zusammenhängen, gerade die
Ferien während des außerhalb des Kinderasyls G. zurückgelegten Hauswirtschaftslehrganges in A. waren
und jeweils nur recht kurze Zeiträume von wenigen Tagen bis maximal ca. 1 ½ Monate (Sommerferien
1971) umfassten. In dieser Zeit war eine den oben dargestellten Anhaltspunkten für eine Ausbildung bzw.
Lehre genügende Unterrichtung der Klägerin nicht möglich. Gegen eine Ausbildung bzw. Lehre spricht auch,
dass die Klägerin eine solche tatsächlich erst im August 1972 aufgenommen hatte und insoweit von einer
Zweitausbildung nicht die Rede war. Daher konnte der Senat auch in diesen Zeiten eine Ausbildung bzw.
Lehre weder feststellen noch i.S. einer Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich gemacht
ansehen. Zwar kommt in diesen Zeiten grds. die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in
Betracht, doch konnte der Senat solches weder feststellen noch als glaubhaft gemacht ansehen. Denn die
Klägerin unterstand in dieser Zeit noch immer der dem Kinderasyl G. zugewiesenen Fürsorge und Erziehung,
sodass der Senat auch im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, die im Verhältnis zu der Zeit vom
12.02.1966 bis zum 31.08.1970 keine wesentlichen Unterschiede im Hinblick auf Inhalt, Art und Entlohnung
der ihr zugewiesenen Arbeiten mitteilen konnte, auch hier gerade weder feststellen noch als glaubhaft
gemacht ansehen konnte, dass der Klägerin für Arbeitstätigkeiten ein Arbeitsentgelt gezahlt worden wäre
und sie eine Beschäftigung frei vereinbart hätte. Fehlt es schon an einem Entgelt für Arbeit, liegt keine
versicherungspflichtige Beschäftigung vor, sodass eine solche auch nicht glaubhaft gemacht werden kann.
76 Damit konnte der Senat die Voraussetzungen der Beitragszeiten nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI
weder feststellen noch im Zusammenwirken mit den beweiserleichternden Vorschriften des SGB VI
annehmen, dass Beiträge für die streitigen Zeiten als gezahlt gelten.
77 Auch aus den Bestimmungen des AVG und der RVO, in den jeweils im streitigen Zeitraum geltenden
Fassungen, ergibt sich nichts anderes. Denn nach § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von
dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn
bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Damit kommt es vorliegend
nicht darauf an, ob sich aus den Bestimmungen des AVG und der RVO, in den jeweils im streitigen Zeitraum
geltenden Fassungen etwas anderes ergeben hat. Im Übrigen konnte der Senat auch unter Berücksichtigung
der in den streitigen Zeiträumen geltenden Regelungen des AVG bzw. der RVO keine der Klägerin günstigere
Bewertung ihres Aufenthaltes im Kinderasyl G. feststellen.
78 Der Senat konnte auch für die vorliegend streitigen Zeiten keine andere rentenrechtliche Belegung bzw.
Bewertung (z.B. als Anrechnungs-, Ersatzzeit o.ä.) feststellen.
79 Der Senat erkennt die Tätigkeit der Klägerin im Kinderheim an, kann aber angesichts der gesetzlich
bestehenden Regelungen diese über die bereits von der Beklagten vorgenommene Bewertung als Schul-
oder Fachschulausbildungszeiten (s.o.) hinaus nicht als Beitragszeit i.S.d. SGB VI bzw. des AVG//der RVO
feststellen. Insoweit hat auch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Empfehlung vom
26.11.2008 (Blatt/ 114121 der SG-Akte) ausgeführt, dass die Anerkennung einer Beitragszeit zur
gesetzlichen Rentenversicherung in den meisten Fällen der Heimunterbringung daran scheitere, dass keine
versicherte Beschäftigung vorgelegen habe (Seite 7 = Blatt 117 der SG-Akte) und überlegt (Seite 8 = Blatt
117 RS der SG-Akte), ob die Möglichkeit bestünde, eine § 205 SGB V vergleichbare Regelung mit der
Möglichkeit einer Beitragsnachentrichtung für die vorliegend streitige Problematik der Arbeit während der
Heimunterbringung einzuführen. Des Weiteren hat er überlegt, ob Lösungen außerhalb des Rentenrechts
i.S.e. Entschädigung möglich wären (Seite 8 = Blatt 117 RS der SG-Akte). Insgesamt hat der
Petitionsausschuss damit ein Tätigwerden des Gesetzgebers bzw. von Bund, Ländern, Kommunen und
sonstigen (Heim-)Trägern angeregt. Der dieser Ausschussempfehlung nachfolgende „Runde Tisch
Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ (zum Abschlussbericht vgl. Blatt 110 ff der SG-Akte, im
Internet: .rundertisch-heimerziehung.de/documents/RTH_Abschlussbericht.pdf) hat diese Anregung
aufgenommen und unter dem Stichwort „Finanzielle Maßnahmen zugunsten einzelner Betroffener“
ausgeführt (Seite 37 des Berichts):
80
„Finanzielle Maßnahmen sollen immer individuell, anknüpfend an heute noch vorhandenen Folgeschäden,
gewährt werden. Als Ausgangspunkte von Leistungen kommen in Betracht:
81
(1) Minderung von Rentenansprüchen aufgrund nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge
(„Rentenersatzfonds“). Daraus resultierende Leistungen sind nach den Regeln der Sozialversicherung zu
klären und ggf. – eventuell durch Einmalzahlungen – zu erbringen. Maßgebend dabei ist, ob die damalige
Arbeit nach heutigem Verständnis sozialversicherungspflichtig gewesen wäre.
82
…“
83 Der Runde Tisch hat zur Finanzierung dieser Maßnahmen vorgeschlagen, einen bundesweiten Fonds oder
eine bundesweite Stiftung für ehemalige Heimkinder zu gründen, in den bzw. in die Bund, Länder,
Kommunen, Kirchen und ggf. betroffene Wohlfahrtsverbände einzahlen und der entsprechende Anträge der
Betroffenen auf Leistungen bearbeitet und beschieden würde (Seite 39 des Berichts). Inwieweit die zum
01.01.2017 geschaffene Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ (im Internet: http://www.stiftung-anerkennung-
und-hilfe.de/DE/Startseite/start.html bzw. http://www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-Inklusion/Stiftung-
Anerkennung-und-Hilfe/stiftung-anerkennung-und-hilfe.html ) mit der Aufgabe, von Kindern und
Jugendlichen in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. der Psychiatrie erfahrenes Leid und
Unrecht anzuerkennen und die Betroffenen zu unterstützen, sowie der Fonds „Heimerziehung in der
Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ im Internet: https://www.fonds-
heimerziehung.de/), der aus einer Übereinkunft von Bund, westdeutschen Bundesländern und Kirchen
hervorgegangen und zum 01.01.2012 errichtet wurde und der sich an Personen richtet, die als Kinder oder
Jugendliche in den Jahren 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland in einer vollstationären
Einrichtung zum Zwecke der öffentlichen Erziehung untergebracht waren, und die eine Minderung von
Rentenansprüchen aufgrund nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge erlitten haben und/oder bei denen
ein Folgeschaden und besonderer Hilfebedarf aufgrund von Schädigungen durch die Heimerziehung vorliegt,
die vom Petitionsausschuss angeregten Maßnahmen vollständig umsetzen oder einen erlittenen Schaden
voll ausgleichen, musste der Senat vorliegend nicht entscheiden. Jedenfalls konnte der Senat bei der
gegebenen Gesetzeslage die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten nicht als weitere Beitragszeiten in
ihrem Versicherungsverlauf/Versicherungskonto feststellen. Eine weitergehende rentenrechtliche
Berücksichtigung dieser Zeiten ist nach der gegebenen Rechtslage nicht möglich und ist damit Sache des
Gesetzgebers.
84 Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der vorliegend streitigen Zeiten als Beitragszeit
und auch nicht als sonstige rentenrechtliche Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 1 SGB VI. Damit hätte – eine
Zulässigkeit der Berufung insoweit unterstellt – auch das Begehren nach Berücksichtigung bei der
Rentenberechnung keinen Erfolg.
85 Die Berufung war daher in vollem Umfang abzuweisen.
86 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
87 Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.