Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2017

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LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3033/15
Leitsätze
Die französische Invaliditätsrente der Kategorie 2 (Art. L341-4, R341-5 Code de la sécurité sociale) ist mit der
deutschen Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbar, weshalb der Bezug der Invaliditätsrente zum
Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 156 SGB III führt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2015 abgeändert. Der
Erstattungsbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.03.2014 wird insoweit
aufgehoben, als damit Arbeitslosengeld in Höhe von mehr als 2040,86 Euro zurückgefordert wird. Im Übrigen
wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 4/5 der außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges und 2/3 der
außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten steht die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld im Streit.
2
Die 1966 geborene Klägerin lebt im E.. Ab 1993 war sie als Grenzgängerin in Deutschland als
Produktionsmitarbeiterin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im August 2009 erkrankte sie
arbeitsunfähig und bezog nach Ende der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers bis zur Aussteuerung am
05.02.2013 Krankengeld (Bl. 12 der Verwaltungsakte).
3
Am 28.12.2012 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten mit Wirkung zum 06.02.2013 arbeitslos und
beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2013 in der
Gestalt des Änderungsbescheides vom 03.08.2013 für die Zeit vom 06.02.2013 bis 07.02.2014 mit einem
Leistungsbetrag in Höhe von 36,09 Euro bewilligte (Bl. 1, 22 der Verwaltungsakte).
4
Mit Bescheid vom 10.09.2013 gewährte der französische Sozialversicherungsträger der Klägerin
rückwirkend ab dem 22.04.2013 eine französische Invalidenrente der Kategorie 2 in Höhe von vorläufig
3359,81 Euro brutto jährlich (Bl. 25 der Verwaltungsakte). Ein beim deutschen Rentenversicherungsträger
gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb ohne Erfolg (Bl. 41 der
Verwaltungsakte).
5
Die Klägerin informierte die Beklagte am 25.09.2013 zunächst telefonisch über die Gewährung der
französischen Invalidenrente und reichte in der Folgezeit den entsprechenden Bewilligungsbescheid zu den
Akten, welcher am 29.11.2013 bei der Beklagten einging.
6
Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 05.12.2013 (Bl. 31, 34 der Verwaltungsakte) hob die
Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 22.04.2013
wegen des Anspruchs auf eine ausländische Sozialleistung gemäß § 156 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
III) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm. § 330 Abs. 3 SGB III auf (Bl. 44 ff.
der Verwaltungsakte). Mit weiterem Bescheid vom 27.01.2014 forderte sie zudem die Erstattung des in der
Zeit vom 22.04.2013 bis 30.11.2013 gewährten Arbeitslosengeldes in Höhe von 7903,71 Euro gemäß § 50
SGB X (Bl. 49 ff. der Verwaltungsakte). Mit weiterem Bescheid vom 27.01.2014 forderte die Beklagte
darüber hinaus die im genannten Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe
von 2552,97 Euro (davon Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 2254,76 Euro sowie
Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 298,21 Euro) zurück (Bl. 47 ff der Verwaltungsakte).
7
Mit Schreiben vom 05.02.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 53 der Verwaltungsakte) und
führte zur Begründung an, sie erhalte zwar eine französische Invalidenrente nach Kategorie 2, könne jedoch
weiterhin eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies ergebe sich aus der Ablehnung ihres Antrags auf Rente
wegen Erwerbsminderung durch den deutschen Rentenversicherungsträger. Da der Ruhenstatbestand des §
156 SGB III nur dann ausgelöst werde, wenn eine französische Invalidenrente der Kategorie 2 oder 3
bezogen würde und der Invalide keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben könne, komme eine Anwendung des
§ 156 SGB III in ihrem Fall nicht in Betracht. Es mangele gerade am notwendigen Merkmal der fehlenden
Erwerbsfähigkeit. Dieses Ergebnis müsse auch im Hinblick darauf gelten, dass die Zahlungen der
Invalidenrente in Frankreich nur knapp 280 Euro monatlich betrügen und damit nicht mit einer vollen Rente
wegen Erwerbsminderung vergleichbar seien.
8
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2014 (Bl. 62 der Verwaltungsakte) wies die Rechtsbehelfsstelle der
Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Invaliditätsversicherung in Frankreich sei eine mit
der Krankenversicherung verbundene Pflichtversicherung. Daraus erhielten die Versicherten bei Invalidität,
die durch Krankheit, körperlichen Verschleiß oder einem nicht berufsbedingten Unfall hervorgerufen würde,
eine Rente von ihrer Krankenversicherung. Diese Invalidenrente solle den Einkommensverlust ausgleichen
und sei daher mit einer inländischen Sozialleistung vergleichbar. Die Zuerkennung der Invalidenrente
bewirke, unabhängig von ihrer Höhe, das volle Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Die Bewilligung
habe auch rückwirkend aufgehoben werden können. Die Klägerin habe die Zuerkennung der französischen
Invalidenrente nicht unverzüglich – wie in § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vorgesehen – sondern
erst am 25.09.2013 mitgeteilt. Zudem habe sie anhand der Hinweise im Merkblatt 1, dessen Erhalt und
Kenntnisnahme sie mit ihrer Unterschrift bestätigt habe, erkennen können und müssen, dass ihr
Arbeitslosengeldanspruch aufgrund des Bezugs der Invalidenrente ruhe. Zudem habe die Klägerin nach der
Bewilligung von Arbeitslosengeld Einkommen erzielt, das – unabhängig von ihrem Verschulden – zum
Wegfall des Anspruchs führe.
9
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.04.2014 Klage beim Sozialgericht Nürnberg, welches den Rechtsstreit
mit Beschluss vom 19.05.2014 an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwies (Bl. 57 der SG-Akte). Zur
Begründung ihrer Klage wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen aus dem
Widerspruchsverfahren. Insbesondere habe sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Der
Bescheid des französischen Sozialversicherungsträgers sei ihr erst wesentlich später zugestellt worden, als
das Bescheiddatum vermuten lasse. Sie habe sich unverzüglich bei der Beklagten gemeldet, auch wenn sie
das genaue Zustellungsdatum nicht mehr benennen könne. Darüber hinaus hätte die Beklagte prüfen
müssen, ob sie wegen eines atypischen Falls im Wege des Ermessens von einer rückwirkenden Aufhebung
hätte absehen können. Ein solcher atypischer Fall liege vor, weil die Rückzahlung der Leistungen eine
unverhältnismäßige Härte darstelle. Da die Beklagte von ihrem hierdurch eingeräumten
Ermessensspielraum keinen Gebrauch gemacht habe, liege ein Ermessensfehler vor.
10 Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 25.03.2015 übergab die Klägerin ein Schreiben des
französischen Sozialversicherungsträgers, aus welchem sich eine Auszahlung der Invalidenrente für die Zeit
vom 01.10.2013 bis 31.10.2013 in Höhe von 1763,88 Euro sowie für die Zeit vom 01.11.2013 bis
30.11.2013 in Höhe von 279,98 Euro ergab (Bl. 90 der SG-Akte). Ausweislich des ebenfalls eingereichten
Kontoauszugs wurde am 02.10.2013 ein Betrag von 1760,88 Euro vom französischen
Sozialversicherungsträger überwiesen (Bl. 91 der SG-Akte).
11 Das SG hob den Aufhebungsbescheid vom 27.01.2014 mit Urteil vom 25.03.2015 insoweit auf, als damit
Arbeitslosengeld für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 aufgehoben und für die Zeit vom 01.10.2013
bis 30.11.2013 über den Betrag von 279,98 Euro monatlich hinaus aufgehoben wurde. Den
Erstattungsbescheid vom 27.01.2014 hob es insoweit teilweise auf, als damit die Erstattung von
Arbeitslosengeld in Höhe von mehr als 6298,27 Euro gefordert worden war. Den Erstattungsbescheid vom
27.01.2014 hinsichtlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hob es ganz auf. Im Übrigen wies
es die Klage zurück. Zur Begründung führte es aus, die der Klägerin zuerkannte Invalidenrente der
Kategorie 2 sei mit einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbar. Der Anspruch auf
Arbeitslosengeld ruhe daher gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III vom Beginn der laufenden Zahlung der
französischen Invalidenrente an, also ab dem 01.10.2013. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sei
daher für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 rechtswidrig. Ab dem 01.10.2013 sei die
Bewilligungsentscheidung zwar rückwirkend aufzuheben, dies jedoch nur teilweise. Weder könne der
Klägerin eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X noch Vorsatz oder
zumindest grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich des Wegfalls ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld ab dem
01.10.2013 vorgeworfen werden. Eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld könne
daher nur nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfolgen, soweit eine Doppelleistung eingetreten sei. Die
Beklagte könne jedoch für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 die vollständige Erstattung des
geleisteten Arbeitslosengeldes fordern. § 145 Abs. 3 Satz 2 SGB X, der über § 156 Abs. 2 Satz 2 SGB III
Anwendung finde, sehe vor, dass der Empfänger des Arbeitslosengeldes dieses zu erstatten habe, wenn der
Träger der ruhensbegründenden Sozialleistung seine Leistungen mit befreiender Wirkung an die berechtigte
Person gezahlt habe. So liege der Fall hier. Für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.11.2013 richte sich der
Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X. Für die Rückforderung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
fehle es an einer Rechtsgrundlage. Diese sei daher rechtswidrig.
12 Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigen am 22.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.07.2015
Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Zur Begründung führt sie an, dass
der Ruhenstatbestand des § 156 SGB III nur ausgelöst werden könne, wenn die französische Invalidenrente
mit der deutschen Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbar wäre. Zum Kern der deutschen Rente
gehöre, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe und daher auch keine
Leistungen nach dem SGB III erhalte. Im Gegensatz hierzu werde die französische Invalidenrente auch dann
gewährt, wenn der Arbeitnehmer vollschichtig tätig sei oder Arbeitslosengeld erhalte. Dies gehe zurück auf
eine Gesetzesänderung in Frankreich zum 06.05.2011. Die vom SG zitierten Urteile des LSG Baden-
Württemberg sowie des LSG des Saarlandes seien jedoch von der alten Gesetzeslage ausgegangen und
dürften daher nicht herangezogen werden. Eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Rentenleistungen
bestehe gerade nicht. Für den Fall, dass sie mit dieser Argumentation nicht durchdringe, müsse jedoch
zumindest der Erstattungsbetrag korrigiert werden. Der Anspruch ruhe nach § 156 SGB III ab Beginn der
laufenden Zahlung der Rente und damit erst ab November 2013. Im Oktober 2013 könne die rückwirkende
Aufhebung nur insoweit erfolgen, als eine Doppelleistung eingetreten sei, also in Höhe der gezahlten
Invalidenrente von 279,98 Euro. Auch für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 stehe der Beklagten nur
ein Erstattungsanspruch in Höhe der tatsächlich an die Klägerin geleisteten Invalidenrentenbeträge zu. Der
Rechtsgrund des zuvor erbrachten Arbeitslosengeldes werde durch das Ruhen des Anspruchs mit Beginn der
laufenden Rentenzahlung gerade nicht beseitigt. Die ursprüngliche Zahlung an die Klägerin sei daher
rechtmäßig erfolgt. Anders als vom SG angenommen, könne die Erstattung des gesamten Arbeitslosengeldes
auch nicht auf die Regelung des § 145 Abs. 3 Satz 2 SGB III gestützt werden. Diese Regelung begrenze den
Erstattungsanspruch auf die geleistete Rentenzahlung. Die Beklagte habe daher nur Anspruch auf den an
die Klägerin geleisteten Nachzahlungsbetrag, welcher im Oktober ausgezahlt worden sei. Auch nach § 48
SGB X könne eine darüber hinausgehende Rückerstattung von der Klägerin nicht verlangt werden. Da die
Klägerin weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt habe, komme nur eine Anwendung des § 48 Abs.
1 S. 2 Nr. 3 SGB X in Betracht. Diese Regelung beschränke die Aufhebung (und daraus folgend auch die
Erstattungsforderung) auf das tatsächlich zugeflossene Einkommen.
13 Die Klägerin beantragt,
14 das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.03.2015 abzuändern und auch den Aufhebungsbescheid und
den Erstattungsbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2014
bezüglich des Arbeitslosengeldes aufzuheben.
15 Die Beklagte beantragt,
16 die Berufung zurückzuweisen,
17 hilfsweise
18 die Revision zuzulassen.
19 Am Ruhen des Anspruchs bestünden keine Zweifel. Die französische Invalidenrente der Kategorie 2
entspreche in ihrem Kerngehalt den typischen Merkmalen der deutschen EU-Rente. Darauf, ob die
französische Invalidenrente auch von Arbeitnehmern oder Arbeitslosengeld-Beziehern in Frankreich
beansprucht werden könne, komme es nicht an.
20 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21 Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist
gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist
sie unbegründet.
22 Die Klägerin wendet sich mit ihrem Berufungsbegehren gegen die nur teilweise als rechtswidrig beurteilte
Aufhebungsentscheidung der Beklagte (unten 1.), die vom SG für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis
30.11.2013 als teilweise rechtmäßig und für den Alg-Bezugsraum ab 01.12.2013 bis 07.02.2014 als
vollständig rechtmäßig – ohne nähere Begründung – bestätigt worden ist. Insoweit hatte die Berufung der
Klägerin keinen Erfolg und war als unbegründet zurückzuweisen. Zum anderen wendet sich die Klägerin
gegen den Erstattungsbescheid der Beklagten, mit dem gezahltes Arbeitslosengeld zurückgefordert wurde,
und den das SG in Höhe einer Erstattungssumme von 6298,27 EUR als rechtmäßig beurteilt hatte. Insoweit
war die Berufung der Klägerin teilweise erfolgreich als nur eine Erstattungssumme von 2040,86 EUR
rechtmäßig ist (unten 2.).
23 1. Das SG hat den Aufhebungsbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom
06.03.2014 zutreffend insoweit aufgehoben, als die Beklagte mit diesem die Bewilligung von
Arbeitslosengeld für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 aufgehoben hat. Ab dem 01.10.2013 durfte die
Bewilligung von Arbeitslosengeld jedenfalls teilweise in Höhe von 279,98 Euro monatlich aufgehoben
werden. Ein Anspruch der Klägerin, auch für diesen Zeitraum den Aufhebungsbescheid ganz aufzuheben
besteht nicht. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend den Aufhebungsbescheid in dem genannten
Umfang als nur teilweise rechtswidrig, dagegen mit Wirkung der Aufhebung für den Zeitraum ab 01.12.2013
als voll rechtmäßig beurteilt.
24 Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom
Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch
Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der
Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass
des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung
des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die
erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt
ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen
Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses
Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
25 Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe fehlt es für den Zeitraum vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 – wie
das SG zutreffend dargestellt hat – mangels Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bereits an einer
wesentlichen Änderung in den tatsächlichen bzw. rechtlichen Verhältnissen. Eine solche wesentliche
Änderung ist vielmehr erst ab dem 01.10.2013 eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt ruhte der Anspruch der
Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen des Bezuges der französischen Invalidenrente der Kategorie 2.
26 Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die
ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung
zuerkannt ist. Das Ruhen tritt dabei mit dem Beginn der laufenden Zahlung der Rente ein (vgl. § 156 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 SGB III). Dies gilt nach § 156 Abs. 3 SGB III auch für einen vergleichbaren Anspruch auf eine
andere Sozialleistung, den ein ausländischer Träger zuerkannt hat.
27 Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG 18.12.2008 – B 11 AL 32/07 R mwN.,
juris) führt eine ausländische Sozialleistung nur dann zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn
im Wege rechtsvergleichender Qualifizierung festgestellt werden kann, dass es sich um eine Leistung
öffentlich-rechtlicher Art handelt und die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und
typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht. Dabei muss sich die Beurteilung
notwendigerweise auf bestimmte Eigenschaften der beiden Leistungsarten beschränken und es können
andere als für den Vergleich unwesentlich ausscheiden (vgl. BSGE 81, 134, 138 mwN.).
28 Gemessen hieran handelt es sich bei der französischen Invalidenrente Kategorie 2 um eine der deutschen
Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbare Leistung.
29 Dabei handelt es sich zunächst um Bezüge öffentlich-rechtlicher Art. Solche liegen dann vor, wenn die
Leistungen von einem öffentlichen Träger gewährt werden, wobei es nach Sinn und Zweck der
Ruhensvorschrift nicht darauf ankommt, ob die Bezüge auf öffentlichem oder privatem Recht beruhen.
Bedeutsam ist nur, ob sie aus Mitteln gezahlt werden, die für öffentliche Aufgaben vorgesehen sind (BSG
23.09.1980 - 7 Rar 66/79, juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
30 Die Invaliditätsversicherung (assurance invalidité) wird in Frankreich zusammen mit der
Krankenversicherung geführt. Daraus erhalten die Versicherten bei Invalidität, die durch Krankheit,
körperlichen Verschleiß oder einem nicht berufsbedingten Unfall hervorgerufen wurde, eine Rente von ihrer
Krankenversicherung. Neben der Pflichtversicherung besteht die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung.
Die Invaliditätsrente (pension d’invalidité) soll einen Einkommensverlust ausgleichen. Die Finanzierung
erfolgt über Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die diese an die Krankenversicherung abführen.
Ergänzend wird auch auf Steuermittel zurückgegriffen (LSG Rheinland-Pfalz 22.08.2013 - L 1 AL 55/12,
juris). Es handelt sich mithin um eine öffentlich-rechtliche Leistung.
31 Darüber hinaus entspricht die französische Invalidenrente der Kategorie 2 in ihrem Kerngehalt den
gemeinsamen und typischen Merkmalen der deutschen Rente wegen voller Erwerbsminderung.
32 Davon ist nach der Rechtsprechung des BSG zunächst dann auszugehen, wenn die ausländische Leistung
einen Lohnersatzcharakter hat (BSG 08.07.1993 - 7 Rar 64/92, juris). Ein solcher ergibt sich aus der der
Leistung innewohnenden allgemeinen Zielsetzung und der Art ihrer Berechnung. Die Höhe der
Invalidenrente wird auf der Grundlage des Durchschnittsbetrages der besten zehn beitragspflichtigen
Jahreseinkommen (Grundlohn) zwischen dem 31.12.1947 und dem Eintritt der Invalidität berechnet (Art.
R341-4 Code de la sécurité social). Sofern keine zehn beitragspflichtigen Jahreseinkommen vorliegen, ist das
durchschnittliche beitragspflichtige Jahreseinkommen seit Versicherungsbeginn maßgeblich (Artikel R341-4
Code de la sécurité). Die Rentenhöhe ist zudem davon abhängig, in welchem Umfang Erwerbsunfähigkeit
besteht. In der Kategorie 2 wird eine Rente in Höhe von 50 Prozent des Grundlohns gewährt (Art. R341-5
Code de la sécurité sociale). Die französische Invaliditätsrente greift damit auf die Arbeitsverdienste des
Versicherten zurück und setzt voraus, dass der Versicherte mindestens 12 Monate bei der
Invaliditätsversicherung Mitglied gewesen ist. Während des Erwerbslebens wird demnach Vorsorge für den
Eintritt einer Invalidität mit dem damit im allgemeinen verbundenen Verlust an Entgelt aus aktueller Arbeit
getroffen. In keinem Fall darf die Invaliditätsrente niedriger als ein bestimmter Mindestbetrag sein. Das
Bemessungssystem entspricht damit nicht im Detail der deutschen Regelung, dies ist jedoch auch nicht
erforderlich. Ziel ist – wie im deutschen Recht – einen am früheren Lebensstandard orientierten Ersatz für
das ausgefallene Arbeitsentgelt zu leisten.
33 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es dabei nicht notwendig, dass die ausländische Leistung nach
ihrer Konzeption so bemessen ist, dass im Allgemeinen allein durch diese der Lebensunterhalt sichergestellt
wird. Ausreichend ist vielmehr auch, wenn sie ein Teil einer entsprechenden, sich aus mehreren Leistungen
zusammensetzenden Gesamtkonzeption ist (BSG 1812.2008 - B 11 AL 32/07 R, juris). Dabei ist zunächst zu
berücksichtigen, dass sich die Höhe der Invaliditätsrente – wie auch die deutsche Rente wegen voller
Erwerbsminderung – an dem Verdienst des Versicherten orientiert, so dass ein niedriger Verdienst zu einer
niedrigen Invaliditätsrente führt. Eine Kumulation mit anderen Leistungen der sozialen Sicherheit ist
möglich, solange die Summe unter dem Arbeitsentgelt eines gesunden Arbeitnehmers der gleichen
Berufsgruppe bleibt. Durch die Gewährung der Invaliditätsrente besteht darüber hinaus Anspruch auf alle
Sachleistungen der Kranken- und Mutterschaftsversicherung, des weiteren auf eine Zusatzbeihilfe aus dem
Sonderinvaliditätsfonds, wenn das Einkommen unterhalb einer bestimmten Grenze liegt.
34 Die französische Invaliditätsrente und die deutsche Rente wegen voller Erwerbsminderung regeln im Kern
auch gleiche Versicherungsfälle. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sind
solche Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit
außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden
täglich erwerbstätig zu sein. Die französische Invaliditätsrente erhalten Versicherte, die noch nicht das
gesetzliche Ruhestandsalter erreicht haben, die bei Eintritt der Invalidität mindestens 12 Monate versichert
gewesen sind und während der letzten 12 Monate Beitragszahlungen für mindestens 2300 Stundenlöhne
des Mindestlohns entrichtet haben oder mindestens 800 Arbeitsstunden beschäftigt waren. Es werden drei
Stufen der Invalidität unterschieden. Maßgeblich ist dabei der Umfang der Erwerbsfähigkeit. Bei einer
Invalidität der Kategorie 1 ist dem Versicherten noch eine Erwerbstätigkeit möglich. Bei einer Invalidität der
Kategorie 2 kann der Versicherte keinerlei Erwerbstätigkeit mehr ausüben. Bei einer Invalidität der 3.
Kategorie ist der Versicherte zusätzlich auf die Hilfe Dritter (Pflegebedürftigkeit) angewiesen (Art. L341-4,
R341-5 Code de la sécurité sociale). Hieran hat sich auch durch die von der Klägerin angesprochene
Gesetzesänderung zum 06.05.2011 nichts geändert, selbst wenn nunmehr in bestimmten Fällen der
gleichzeitige Bezug von Arbeitslosengeld möglich ist. Damit besteht jedoch weiterhin eine Vergleichbarkeit
der deutschen Rente wegen voller Erwerbsminderung und der französischen Invaliditätsrente Kategorie 2,
welche der Klägerin ausweislich des Bescheides des französischen Sozialversicherungsträgers vom
10.09.2013 gewährt wurde.
35 Die der Regelung des § 156 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 SGB III innewohnende Typisierung, wonach derjenige,
der eine (ausländische) lebensstandardorientierte Rente wegen voller Invalidität erhält, dem deutschen
Arbeitsmarkt faktisch nicht zur Verfügung steht und deshalb die Gewährung von Arbeitslosengeld - auch
zwecks Vermeidung unerwünschter Doppelleistungen - nicht gerechtfertigt ist, kann nicht dadurch infrage
gestellt werden, dass der französische Gesetzgeber trotz der Erwerbsunfähigkeit (bei dem Bezug der
Invaliditätsrente der Kategorie 2) den Bezug von Arbeitslosengeld in Frankreich ermöglicht.
36 Einer Vergleichbarkeit steht auch nicht entgegen, dass die französische Invaliditätsrente nach dem Vortrag
der Klägerin in Frankreich in bestimmten Fällen mit einer Erwerbstätigkeit kombiniert werden kann. Neben
dem Bezug der deutschen Rente wegen voller Erwerbsminderung ist eine Erwerbstätigkeit – wenn auch in
engen Grenzen – ebenfalls möglich. Auch bei Bezug der französischen Invaliditätsrente sind entsprechende
Hinzuverdienstgrenzen zu beachten (vgl. Art. R341-17 Code de la sécurité sociale).
37 Nach alledem ist die französische Invaliditätsrente der Kategorie 2 mit der deutschen Rente wegen voller
Erwerbsminderung vergleichbar. Sie ist jedenfalls, wie dargestellt, auch Teil einer Gesamtkonzeption des
französischen Gesetzgebers für den Versicherungsfall Invalidität. Die unterschiedliche Beurteilung des
deutschen und des französischen Sozialversicherungsträgers hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit (eine Rente
wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung wurde mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung
Rheinland-Pfalz vom 16.01.2014 mangels Vorliegen einer Erwerbsminderung abgelehnt) ändert an dieser
Beurteilung nichts. Die Beklagte ist im Rahmen der Anwendung des § 156 SGB III nicht berechtigt, die
Verwaltungsentscheidung des anderen Versicherungsträgers über die Bewilligung der Leistung auf ihre
materielle Richtigkeit zu überprüfen; vielmehr kommt der Entscheidung des anderen Leistungsträgers
Tatbestandswirkung zu (BSG 03.05.2005 - B7a/7 AL 40/04 R, juris).
38 Gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Beginn der laufenden
Zahlung der französischen Invalidenrente an, vorliegend mithin ab dem 01.10.2013. Ausweislich des von der
Klägerin vorgelegten Kontoauszugs wurde ihrem Konto am 02.10.2013 ein Betrag des französischen
Sozialversicherungsträgers in Höhe von 1760,88 Euro gutgeschrieben. Dieser enthält neben einer
Nachzahlung für die Zeit vom 22.04.2013 in Höhe von 1480,90 Euro (5 x 279,98 Euro für den Zeitraum von
Mai bis September 2013 + 81 Euro für den Zeitraum vom 22.04.2014 bis 30.04.2013) zugleich die laufende
monatliche Zahlung in Höhe von 279,98 Euro. Ab diesem Zeitpunkt – also dem 01.10.2013 – ist mithin
wegen des Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnissen eingetreten.
39 Eine rückwirkende Aufhebung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ab dem
01.10.2013 war dabei jedenfalls gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Höhe der geleisteten
französischen Invaliditätsrente von 279,98 Euro monatlich möglich. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X
iVm. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder
Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde.
Für den Fall der nachträglichen Bewilligung einer niedrigeren weiteren Sozialleistung, die die bisher
gewährte, höhere, voll zum Wegfall (oder Ruhen) bringt, bedeutet dies, dass das Aufhebungsrecht auf die
Höhe der nachträglich bewilligten niedrigeren Sozialleistung beschränkt ist (KassKomm/Steinwedel SGB X §
48 Rn. 46-52). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat Einkommen in der Form der französischen
Invaliditätsrente in Höhe von 279,98 Euro monatlich bezogen. Das SG hat die Aufhebungsentscheidung der
Beklagten entsprechend teilweise aufgehoben. Eine Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr.2, 4 SGB X
kommt insoweit mangels Vorsatz bzw. grober Fahrlässigkeit der Klägerin nicht in Betracht. Auf die
zutreffenden Ausführungen des SG wird Bezug genommen.
40 Für die Zeit ab dem 01.12.2013, für die die Zahlung bereits eingestellt war, konnte die uneingeschränkte
Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld hingegen auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
SGB X erfolgen. Durch das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 05.12.2013 sowie die (zunächst
vorläufige) Zahlungseinstellung hatte die Klägerin Kenntnis, dass der Anspruch wegen des Bezugs der
französischen Invalidenrente kraft Gesetzes weggefallen war.
41 Soweit der angefochtene Aufhebungsbescheid noch Wirkung für die Zukunft entfaltete, der Bescheid vom
27.01.2014 war Ende Januar 2014 bekannt gegeben worden, Widerspruch war am 05.02.2014 eingelegt
worden, war bis zum Ende des Bezugszeitraums am 07.02.2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld
gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch für die Zukunft in vollem Umfang aufzuheben. Der Anspruch auf
Arbeitslosengeld ruhte nach § 156 Abs. 1 SGB III in voller Höhe.
42 2. Die Klägerin hat der Beklagten überzahltes Arbeitslosengeld für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.11.2013
in Höhe von 2040,86 Euro zu erstatten. Dieser Betrag setzt sich zum einen aus der Erstattung für die Zeit
vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 in Höhe von 1480,90 Euro (dazu unter 2a) sowie zum anderen der
Erstattung für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.11.2013 in Höhe von 559,96 Euro (dazu unter 2b)
zusammen.
43 Der Erstattungsbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.03.2014 ist
mithin teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Soweit das SG den
Erstattungsbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.03.2014 nur
insoweit aufgehoben hat, als damit Arbeitslosengeld von mehr als 6.298,27 Euro zurückgefordert wurde, ist
das Urteil entsprechend abzuändern.
44 2a) Für den Zeitraum vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 hat die Klägerin Leistungen in Höhe von 1480,90
Euro zu erstatten. Dies beruht nicht auf dem für diesen Zeitraum als rechtswidrig beurteilten
Aufhebungsbescheid vom 27.01.2014. Ein Erstattungsanspruch ergibt sich jedoch aus § 156 Abs. 2 Satz 2
SGB III iVm. § 145 Abs. 3 SGB III.
45 Nach Maßgabe von § 156 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III ruht der Anspruch auf
Arbeitslosengeld mit Beginn der laufenden Zahlung einer bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung
aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. – wie im vorliegenden Fall – einer vergleichbaren
Sozialleistung eines ausländischen Trägers im Sinne des § 156 Abs. 3 SGB III. Für den Zeitraum zwischen
dem bescheidmäßig festgesetzten Rentenbeginn und dem Beginn der laufenden Zahlung der Rente bleibt
der Bezug von Arbeitslosengeld rechtmäßig (vgl. LSG Rheinland-Pfalz 22.03.2012 - L 1 AL 39/11, juris). Zur
Vermeidung einer nicht gerechtfertigten Doppelleistung (erfolgter Arbeitslosengeldbezug und Auszahlung
der im Rentenbescheid ermittelten Rentennachzahlung) normiert § 156 Abs. 2 Satz 2 SGB III einen
Erstattungsanspruch entsprechend § 145 Abs. 3 SGB III. Dieser umfasst den Zeitraum zwischen dem im
Rentenbescheid geregelten Rentenbeginn und dem Eintritt des Ruhens mit Beginn der laufenden
Rentenzahlung – vorliegend also die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.09.2013 – und erstreckt sich damit gerade
auf eine im Rentenbescheid für diesen Zeitraum festgesetzte Rentennachzahlung (vgl. Aubel in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 145 SGB III Rz. 5; Jüttner in: NK-SGB III, 6. Aufl. 2016, §
156 Rz. 69).
46 Entsprechend § 103 SGB X, auf welchen § 145 Abs. 3 SGB III Bezug nimmt, richtet sich der Umfang des
Erstattungsanspruchs nämlich nicht nach den Vorschriften des zuerst leistenden Leistungsträgers, sondern
nach den Rechtsvorschriften, die für den „zuständigen“ – im Sinne von zuletzt zuständigen d.h. letztendlich
verpflichteten – Leistungsträger gelten (Prange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 103 SGB X, Rz. 52).
Dies sind vorliegend die für den französischen Leistungsträger geltenden Vorschriften zur französischen
Invaliditätsrente. Der Erstattungsanspruch ist dementsprechend auf den Nachzahlungsbetrag begrenzt (vgl.
hierzu BSG 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R, juris), welcher vorliegend 1480,90 Euro (5 x 279,98 Euro für den
Zeitraum 01.05.2013 bis 30.09.2013 + 81 Euro für die Zeit vom 22.04.2013 bis 30.04.2013) beträgt.
Dieser Betrag ist ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Kontoauszugs im Oktober 2013 (zuzüglich
der laufenden Leistung in Höhe von 279,98 Euro) an die Klägerin ausgezahlt worden.
47 Die Beklagte hat insoweit auch einen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin. Gemäß § 145 Abs. 3 Satz 2
SGB III besteht ein Erstattungsanspruch gegen die leistungsgeminderte Person nach § 145 Abs. 3 Satz 2
SGB III nur, wenn und soweit der Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger daran
scheitert, dass dieser in Unkenntnis des Arbeitslosengeldbezuges und deshalb mit befreiender Wirkung an
die leistungsgeminderte Person oder Dritte gezahlt hat. Hierdurch soll verhindert werden, dass der
Arbeitslose durch die eine Zahlung beider Leistungsträger zu Unrecht begünstigt wird (Brand in: Brand, SGB
III, § 145 Rz. 20). Entsprechend dieses Zwecks ist die Regelung auch dann anzuwenden, wenn ein
ausländischer Sozialleistungsträger mit befreiender Wirkung an den Versicherten geleistet hat. So liegt der
Fall hier.
48 2b) Für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis 30.11.2013 richtet sich der Erstattungsanspruch der Beklagten
nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit ein
Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom
01.10.2013 bis 30.11.2013 in Höhe von jeweils 279,98 Euro aufgehoben worden ist, beträgt die
Erstattungsforderung der Beklagten insoweit 559,96 Euro.
49 Insgesamt ergibt sich damit ein Erstattungsbetrag von 2040,86 Euro.
50 EU-Gemeinschaftsrechts steht nicht entgegen. Nach Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (VO-EG Nr. 883)
dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach
dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache zum Ruhen gebracht werden, dass der
Berechtigte in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger
seinen Sitz hat. Diese Regelungen gelten bei Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (Kap. 6 der VO-EG Nr. 883)
entsprechend in den in Art. 64 und 65 vorgesehenen Fällen und Grenzen (Art. 63 der VO-EG Nr. 883). Der
(echte) Grenzgänger, der sich im Beschäftigungsstaat als Arbeitssuchender arbeitslos meldet, hat Anspruch
auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Vorschriften des Mitgliedstaates und erhält die Leistungen unter
Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des Mitgliedstaates, hier des Beschäftigungsstaates, die nach den
dortigen Rechtsvorschriften gewährt werden (Art. 64 Abs. 1 lit b und d VO-EG Nr. 883). Danach ist
vorliegend auch nach supranationalem EU-Recht deutsches Recht unbeschränkt anzuwenden.
51 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat hierbei den Umfang des jeweiligen Obsiegens
und Unterliegen in den beiden Rechtszügen berücksichtigt.
52 Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Dem Hilfsantrag der Beklagten hat der Senat daher
nicht stattgegeben.