Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09.09.2003

LSG Bwb: versorgung, krankenversicherung, pflegeheim, radio, gerät, telefon, behinderung, pflegepersonal, fernseher, intimsphäre

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 09.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Karlsruhe S 5 KR 4062/01
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 1850/03
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. April 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Klägerin, die im Alten- und Pflegeheim W. vollstationär
gepflegt wird, mit einem Umfeldkontrollgerät sowie einem sprachgesteuerten Freisprechtelefon als Hilfsmittel zu
versorgen hat.
Die 1943 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie leidet an Multipler Sklerose, die u.a.
zu einer Tetraspastik mit Spitzfüßen beidseits und erheblicher Spastik in beiden Händen geführt hat. Die Ausführung
eines Knopfdrucks mit den Händen bzw. Fingern ist ihr unmöglich. Sie ist in die Pflegestufe III als Härtefall eingestuft.
Am 18.04.2001 beantragte der Pflegedienstleiter des Alten- und Pflegeheimes W. unter Beifügung einer ärztlichen
Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W. und eines Kostenvoranschlags für eine
Kommunikationseinrichtung und Umfeldsteuerung auf Basis SICARE light der Fa. H. GmbH, H., in Höhe von DM
8.248,18 für die Klägerin eine Kommunikationseinrichtung.
Mit Bescheid vom 26.04.2001 lehnte die Beklagte die Zurverfügungstellung einer Kommunikationseinrichtung mit der
Begründung ab, die Beschaffung dieser Einrichtung falle in den Zuständigkeitsbereich des Alten- und Pflegeheimes in
W.
Im Rahmen einer nochmaligen Überprüfung der Kostenübernahme teilte die Klägerin mit, sie benötige das Hilfsmittel,
um ihre schwere Behinderung auszugleichen. Sie könnte mit dem Gerät z.B. zum notwendigen Toilettengang,
Schleimauswurf, Nase putzen usw. selbst Hilfe rufen, das Gerät würde sie in die Lage versetzen, durch ihre Stimme
z.B. das Radio oder den Fernseher zu steuern und zu nutzen und außerdem würde es ihr auch private Telefonate
ermöglichen. Hauptsächlich gehe es ihr aber darum, dass sie immer sofortige Hilfe rufen könne.
Mit Bescheid vom 10.07.2001 lehnte die Beklagte erneut die Gewährung des beantragten Hilfsmittels ab. Sie führte
aus, in stationären Pflegeeinrichtungen könnten Hilfsmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
verordnet werden, wenn sie zur Erleichterung der Pflege dienen würden. Die angegebenen Nutzungsmöglichkeiten
seien im Rahmen der Pflege bei ständiger Betreuung durch die Pflegeperson sicherzustellen. Eine Versorgung zu
Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung scheide aus.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug vor, durch das Hilfsmittel werde ihre Pflege in keinster Weise
erleichtert. Es diene lediglich dem Ausgleich ihrer Behinderung, in dem sie mit diesem Gerät in der Lage wäre,
selbständig Radio und Fernseher zu bedienen sowie ohne Zeugen zu telefonieren. Es gehe also um die Möglichkeit,
am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie
noch einmal aus, die Versorgung mit diesem Hilfsmittel komme nur dann in Betracht, wenn sich der Pflegebedürftige
nicht in der vollstationären Pflege, sondern in seiner häuslichen Umgebung befinde. Ihre Verwendung in
Pflegeeinrichtungen gehöre ausnahmslos zu den nach Maßgabe des § 82 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zu
vergütenden Aufwendungen bzw. zu den Investitionskosten. Durch ein solches Gerät werde das Pflegepersonal von
der ihm obliegenden umfassenden Betreuung der Klägerin entlastet. Die Betreuung der Pflegebedürftigen werde durch
die Pflegeleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung jedoch umfassend abgegolten. Darüber hinausgehende
Zahlungen von Seiten der gesetzlichen Krankenversicherung, welche die Pflege erleichtern, könnten nicht
beansprucht werden. Bei Heimbewohnern könnten Hilfsmittel nur dann von der gesetzlichen Krankenversicherung
finanziert werden, wenn diese Hilfsmittel ausschließlich von dem betreffenden Versicherten genutzt würden und
deshalb generelle Heimausstattung ausscheide. Dies sei insbesondere der Fall bei individuellen Anpassungen, wie
z.B. Prothesen.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor,
das beantragte Kommunikations- und Umfeldsteuerungsgerät falle auch unter Berücksichtigung der Rollstuhl-Urteile
des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.02.2000 unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
Danach ende die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung von Pflegeheimbewohnern
dort, wo die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Bewohner mit Hilfsmitteln ansetze. Etwas anderes gelte für
Hilfsmittel, die nicht der "Sphäre" der vollstationären Pflege zuzurechnen seien. Dazu gehörten individuell angepasste
Hilfsmittel und solche, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses außerhalb des Pflegeheimes dienen
würden. Beide Ausnahmesituationen lägen hier vor. Bei dem Kommunikations- und Umfeldsteuerungsgerät handele es
sich um ein individuell anzupassendes Hilfsmittel. Dass es sich um eine individuelle Anpassung handele, ergebe sich
auch aus den "Gemeinsamen Verlautbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen/Pflegekassen zur
Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln" vom 26.05.1997. In dieser Liste der vom Heim vorzuhaltenden
Hilfsmittel sei das beantragte Kommunikations- und Umfeldsteuerungsgerät nicht enthalten. Das Gerät werde auch
ausschließlich von ihr benutzt. Außerdem diene es der Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse, die außerhalb der
Sphäre des Pflegeheimes liegen würden. Es ermögliche ihr selbstbestimmt und ohne Zeugen Telefonanrufe zu tätigen
und entgegenzunehmen. Dies stelle einen Kontakt zur Außenwelt dar und liege außerhalb der Sphäre des
Pflegeheimes. Des weiteren versetze das Hilfsmittel sie in die Lage, vorhandene Radio- und TV-Geräte eigenständig
zu bedienen. Auch diese Betätigung zähle zu den allgemeinen Grundbedürfnissen. Als weiterer Funktionsbereich
versetze das Kommunikations- und Umfeldsteuerungsgerät sie in die Lage, die Rufanlage der Einrichtung wie andere
Bewohner zu nutzen. Hierzu sei sie bisher aufgrund der vollständigen Bewegungsunfähigkeit der Hände nicht im
Stande. Die Einrichtung sei nicht zur Anschaffung des Kommunikations- und Umfeldsteuerungsgeräts als
Voraussetzung für die Nutzung der Notrufanlage durch sie verpflichtet. Sie müsse lediglich eine Notrufanlage
vorhalten. Die Verpflichtung zur Übernahme der Aufrüstung der Anlage für Bewohner, die aufgrund ihrer speziellen,
seltenen Krankheit nicht zur Bedienung dieser Anlage fähig seien, obliege den Pflegeeinrichtungen nicht. Dass bei
Versorgung mit einem Umfeldkontrollgerät die Notwendigkeit von Kontrollbesuchen durch das Pflegepersonal reduziert
werde, sei allenfalls ein Nebeneffekt. Im übrigen sei die Übertragbarkeit der Aussagen in den Urteilen des BSG vom
10.02.2000 auf ihren Fall fraglich.
Die Beklagte trug dagegen vor, zur Wahrung der Intimsphäre der Klägerin gehöre, was das unbeobachtete
Telefonieren betreffe, nicht die Ausstattung mit einem Umfeldkontrollgerät. Diese Nutzungsmöglichkeit könne in
gleicher Weise von einem Telefon mit Freisprechanlage erfüllt werden. Ein solches Telefon sei kein Hilfsmittel im
Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.
Das Pflegepersonal im Heim sei für Hilfeleistungen pflegerischer oder hauswirtschaftlicher Art zuständig. Dazu gehöre
auch das Einschalten technischer Geräte für die Hilfebedürftigen. Durch die Inanspruchnahme solcher Hilfeleistungen
erfahre der im Pflegeheim wohnende Versicherte keine Beeinträchtigung seiner Intimsphäre. Die Bereitstellung eines
infrarotgesteuerten Interfaces für die Rufanlage falle nicht in ihren, sondern in den Versorgungsbereich des Heimes.
Das Heim müsse, wenn sie Hilfsbedürftige wie die Klägerin aufnehme, besondere technische Vorrichtungen
bereitstellen, damit die lebensnotwendige Rufanlage selbst bedient werden könne.
Das SG zog den zwischen dem Alten- und Pflegeheim Wildberg und der AOK Baden-Württemberg geschlossenen
Versorgungsvertrag vom 26.04.1999 bei. Die Beklagte teilte auf Anfrage mit, eine Leistungs- und
Qualitätsvereinbarung gemäß § 80a SGB XI zwischen dem Alten- und Pflegeheim W. und der AOK Baden-
Württemberg sei bisher nicht getroffen worden.
F. O. von der Fa. H., H., stellte klar, dass die Sprachsteuerung SICARE light bereits vorprogrammiert sei. Die
Bedienung des SICARE-Freisprechtelefons sei in allen seinen Funktionen in der Programmierung enthalten.
Außerdem hörte das SG Dr. W. als sachverständigen Zeugen. Dieser berichtete, die Klägerin leide an einer rasch
progredienten disseminierten Entzündung des zentralen Nervensystems und sei inzwischen an Beinen und Armen
gelähmt. Sie sei geistig völlig klar und könne den Kopf noch bewegen und auch sprechen. Sie nehme regen Anteil an
allem Geschehen um sie herum. Über eine Notrufanlage mit Klingelknopf sei sie nicht in der Lage, fremde Hilfe zu
rufen und sie könne auch keinen Fernseher, Radio und insbesondere kein Telefon bedienen. Das Heim verfüge über
kein mobiles Telefon. Der telefonische Kontakt mit der Tochter bestehe im wesentlichen darin, dass der Klägerin ein
Gruß ausgerichtet werde.
Das SG verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 07.04.2003, der Beklagten per Empfangsbekenntnis zugestellt am
14.04.2003, die Klägerin mit einer Kommunikationseinrichtung und Umfeldsteuerung auf Basis des Modells SICARE
light und mit einem SICARE-Freisprechtelefon zu versorgen sowie die Kosten für Einrichtung und Training
entsprechend dem Kostenvoranschlag der H. GmbH vom 08.02.2001 zu übernehmen. Zur Begründung führte es aus,
das Umfeldkontrollgerät und das sprachgesteuerte Freisprechtelefon seien keine Gebrauchsgegenstände des
täglichen Lebens und seien deshalb als Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V einzustufen. Der Anspruch sei nicht
gemäß § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen und die Versorgung sei auch geeignet und erforderlich, um die
Behinderung der Klägerin auszugleichen. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre ein
persönlicher Freiraum. Hierzu zähle insbesondere die Möglichkeit, ohne Einschaltung einer Hilfsperson Gespräche
oder Telefonate führen zu können. Elementar sei auch das Informationsbedürfnis, das mit Fernseher und Radio
befriedigt werden könne und schließlich gehöre auch die Möglichkeit, im Notfall Hilfe von Außen herbei rufen zu
können, zu den allgemeinen Grundbedürfnissen. Durch den Einsatz von Pflegepersonal lasse sich der Ausgleich der
Behinderung nicht in gleicher Weise erreichen. Die Tatsache, dass die Klägerin in einem Pflegeheim lebe, stehe dem
Anspruch nicht entgegen. Die beantragte Umfeldsteuerung diene weder der Grundpflege noch der hauswirtschaftlichen
Versorgung. Dass sie möglicherweise dazu beitrage, die Überwachung der Klägerin durch das Pflegepersonal zu
erleichtern, schließe die Leistungspflicht der Beklagten nicht aus. Nach dem Versorgungsvertrag sei der Heimträger
auch nicht dazu verpflichtet, ein Umfeldkontrollgerät vorzuhalten.
Dagegen richtet sich die am 13.05.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie weiterhin vor,
die Versorgung mit dem Umfeldkontrollgerät und dem Freisprechtelefon falle in den Zuständigkeitsbereich des
Pflegeheims. Durch den Aufenthalt im Pflegeheim begebe sich der Hilfebedürftige in dessen Obhut und Pflege. Damit
verbunden sei die Entgegennahme pflegerischer und hauswirtschaftlicher Leistungen des dort tätigen Personals. Dazu
gehöre auch das Einschalten technischer Geräte. Durch die Aufnahme in den Heimbetrieb erfahre der Freiraum bzw.
die Privatsphäre der Bewohner generell gewisse Einschränkungen, die hingenommen werden müssten. Eine
Verletzung der Privatsphäre könne in der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen beim Einschalten von Fernseher und
Radio nicht gesehen werden, auch wenn ein Umschalten nur etwa im stündlichen Abstand möglich wäre. Das
unbeaufsichtigte selbständige Telefonieren könne mit einem herkömmlichen Telefon/Handy mit Sprachwahl
gewährleistet werden. Durch das Einschalten des Telefons ggf. unter Mithilfe des Heimpersonals, sei das Telefon in
der Lage auf Sprachwahl zu reagieren. Der Tastendruck beim Auflegen könne entfallen, wenn gewährleistet werde,
dass der andere Gesprächsteilnehmer auflege. Telefone/Handys mit Sprachwahl seien weit verbreitet und daher
allgemeine Gebrauchsgegenstände. Eine Kostentragung durch die gesetzliche Krankenversicherung scheide deshalb
aus. Wenn eine Betätigung der Rufanlage durch aufgenommene Pflegeheimbewohner nicht möglich sei, müsse das
Heim die Voraussetzungen dafür schaffen oder die Aufnahme solcher Personen unterlassen. Außerdem sei es in der
Regel dem Mitbewohner im Heimzimmer möglich bei unvorhergesehenen Notfallsituationen Hilfe für den anderen zu
holen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. April 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, die Frage, ob die Möglichkeit, im Notfall Hilfe herbeizurufen zu den allgemeinen
Grundbedürfnissen gehöre, müsse unabhängig davon beantwortet werden, ob der Versicherte in der häuslichen
Umgebung oder im Pflegeheim lebe. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Pflegeheim verpflichtet sei, im
pflegefachlich erforderlichen Rhythmus Pflegevisiten durchzuführen und so den vorhersehbaren Hilfebedarf
abzudecken. Die Abwendung bzw. die sofortige Wahrnehmung von unvorhersehbaren Notfällen könne damit auch bei
sorgfaltsgerechter Leistung des Pflegeheims nicht erreicht werden. Das selbe gelte auch für das Ein- und Ausschalten
bzw. den Senderwechsel beim Radio und Fernseher. Die Möglichkeit des eigeninitiativen Tätigwerdens stelle für sie
auch ein allgemeines Grundbedürfnis dar, welches durch den Einsatz des Pflegepersonals nicht gleichwertig zu
befriedigen sei. Telefone und Handys mit Sprachwahl seien für ihren Zweck, ohne fremde Hilfe Personen anzurufen
und Telefonate entgegenzunehmen, nicht geeignet. Das Heim sei für die Versorgung mit einem Umfeldkontrollgerät
nicht zuständig. Dies sehe der abgeschlossene Versorgungsvertrag nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und
zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte in der angefochtenen Entscheidung unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu
Recht verurteilt, die Klägerin mit der begehrten Kommunikationseinrichtung und Umfeldsteuerung auf Basis des
Modells SICARE light und mit einem SICARE-Freisprechtelefon zu versorgen, denn diese hat Anspruch auf dieses
Hilfsmittel.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit den Hilfsmitteln, die im Einzelfall
erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die
Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB
V ausgeschlossen sind.
Bei der begehrten Kommunikationseinrichtung, die weder ein gemäß § 34 Abs. 4 SGB V durch Rechtsverordnung von
der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossenes Hilfsmittel noch ein
Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, denn sie wird von Gesunden nicht benutzt, ist, handelt es sich um ein
Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V. Hilfsmittel sind alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der
Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören
insbesondere Körperersatzstücke und typische orthopädische Hilfsmittel, aber auch Geräte, die den Erfolg einer
Heilbehandlung bei Anwendung durch den Versicherten selbst sicherstellen sollen (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2001 -
B 3 KR 6/00 R -). Ein Hilfsmittel muss zum Ausgleich eines körperlichen Funktionsdefizits geeignet und notwendig
sein, wobei es genügt, wenn es die beeinträchtigten Körperfunktionen ermöglicht, ersetzt , erleichtert oder ergänzt.
Weiter muss es ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen. Nach stRspr (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom
26.03.2003 - B 3 KR 26/02 R -) gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen,
Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, die Ausscheidung, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen
sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Zu letzterem ist auch eine Intimsphäre,
in der sich ein Mensch betätigen kann, ohne dabei von anderen beobachtet zu werden, zu rechnen (vgl. BSG Urteil
vom 24.01.1990 - 3/8 RK 16/87). Die Intimsphäre betrifft das Selbstbestimmungsrecht und damit eine Rechtsposition
des Versicherten, deren Stellenwert bei der Rehabilitation von Behinderten der Gesetzgeber durch das
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in jüngster Zeit nochmals besonders verdeutlicht hat. § 1 SGB IX
bezeichnet die Förderung der Selbstbestimmung behinderter Menschen und ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft als wesentliches Ziel der Leistungen zur Rehabilitation. Diese Vorgabe ist auch bei der
Hilfsmittelversorgung behinderter Menschen zu beachten (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2003 - B 3 KR 30/02 R). Die
Klägerin ist an multipler Sklerose erkrankt, was zu einer Tetraparese und Spastik geführt hat. Sie leidet, auch unter
Berücksichtigung damit verbundener weiterer Funktionseinschränkungen, an einer extremen, kaum vorstellbaren
Behinderung und ist damit komplett von der Hilfe dritter Personen abhängig. Dementsprechend erfüllt sie auch die
Voraussetzungen der Pflegestufe III als Härtefall. Technische Geräte kann sie unstreitig nur noch mit Hilfe der
Sprache bedienen. Ein Knopfdruck ist ihr nicht möglich. Durch die begehrte Kommunikationseinrichtung wird die
Funktion der Arme und Hände teilweise ersetzt. Sie kann damit selbständig Fernseh- und Radioapparate bedienen und
mit der Außenwelt ohne Zuhilfenahme des Pflegepersonals telefonisch Kontakt aufnehmen. Dadurch kann sie ihre
Isolation etwas aufheben und ihr legitimes Bedürfnis nach Kommunikation und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
befriedigen. Außerdem wird sie auch in die Lage versetzt, Hilfe herbeizurufen (so auch BSG, Urteil vom 24.01.1990 -
3/8 RK 16/87 -; SG Stralsund Urteil vom 30.07.2002 - S 3 KR 7/02 -).
Die Anwendung des § 33 SGB V ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin zum Kreis pflegebedürftiger
Personen nach §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) gehört und die Kommunikationseinrichtung auch
der Erleichterung ihrer Pflege dient. Zwar haben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI Pflegebedürftige aus der
Pflegeversicherung Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur
Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen,
soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen
Leistungsträgern zu leisten sind. Die Pflegekassen sind für die Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln
aber nur im häuslichen Bereich zuständig, nicht im stationären Bereich. Mit der vollstationären Pflege befasst sich im
SGB XI nur die Vorschrift des § 43 SGB XI. Diese Norm enthält keine dem § 40 SGB XI vergleichbare Regelung und
verweist auch nicht darauf. Die Begrenzung auf die häusliche Pflege ist auch sachgerecht, weil individuelle
Pflegehilfsmittel im Pflegeheim wegen der dort vorhandenen Ausstattung regelmäßig nicht benötigt werden (vgl. BSG,
Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R -).
Dem Versorgungsanspruch der Klägerin nach § 33 SGB V steht auch nicht entgegen, dass sie sich in einem
Pflegeheim befindet und dort vollstationär gepflegt wird. Durch den pflegeversicherungsrechtlichen und
heimvertraglichen Anspruch auf Pflege (Grundpflege), soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege (§ 43
SGB XI) ist der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf Versorgung mit einer Kommunikations-einrichtung nicht
ausgeschlossen. Das BSG hat unter Fortführung der Ausführungen in den Urteilen vom 10.02.2000 (vgl. u.a. B 3 KR
26/99 R) in den Entscheidungen vom 06.06.2000 (vgl. u.a. B 3 Kr 67/01 R) und vom 24.09.2002 (vgl. B 3 KR 15/02 R)
präzisiert, dass alle Hilfsmittel, die der Behandlungspflege dienen, grundsätzlich zu den von der Leistungspflicht der
Krankenkasse umfassten Hilfsmitteln gehören. Entscheidend ist im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Kranken-
und Pflegeversicherung nach der "Wesentlichkeitsformel", ob die Maßnahme von ihrem Charakter her der Grundpflege
angehört und damit dem Aufgabenbereich des Heimträgers zuzuordnen ist oder ob sie der Krankenbehandlung bzw.
dem Behinderungsausgleich dient und damit Aufgabe der Krankenversicherung ist und bleibt (vgl. Vogel, Zur
Leistungspflicht der Krankenversicherung bei Hilfsmitteln in SGb 7/03; 390, 396; vgl. auch LSG Essen, Urteil vom
26.02.2003 -L 5 KR 33/02 -). Unter Beachtung dieses Gesichtspunktes dient die Möglichkeit sich einen
eingeschränkten Freiraum zu verschaffen und die Reste an Kommunikationsmöglichkeiten auszunutzen, in dem man
in die Lage versetzt wird, selbständig und unbeaufsichtigt zu jeder Tag- und Nachtzeit zu telefonieren und sich über
Medien in Form von Fernsehen und Radio Informationen und Unterhaltung zu verschaffen, zumal die
Informationsfreiheit grundrechtlich geschützt ist, wesentlich der Befriedigung von Grundbedürfnissen. Dieses
Bedürfnis kann mit Hilfe des Pflegepersonals, das stündlich nach der Klägerin schaut und das bei Telefongesprächen
stets wüsste mit wem die Klägerin Kontakt hat, zumal Gespräche nur in dem vom Pflegepersonal vorgegebenen
zeitlichen Rahmen stattfinden könnten, nicht befriedigt werden. Allein der Umstand, dass die Versorgung mit dem
Hilfsmittel außerdem unter Umständen die Pflege teilweise erleichtert, weil das Pflegepersonal nicht mehr so häufig
nach der Klägerin schauen muss, genügt nicht, eine Vorhalte- und Leistungspflicht des Heimträgers, zumal der mit
dem Heim bestehende Versorgungsvertrag nichts Ausdrückliches zur Heimausstattung vorschreibt und das Heim
deshalb lediglich die zur Durchführung der üblichen Maßnahmen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung
erforderliche Ausstattung vorzuhalten hat, anzunehmen. Dies ist ebenso wie die Möglichkeit, den Notruf zu bedienen,
nur ein Nebeneffekt. Im Vordergrund steht der Behinderungsausgleich, der in den Pflichtenbereich der Beklagten fällt.
Im übrigen ist die Kommunikationseinrichtung auch deshalb als von der Beklagten zur Verfügung zu stellendes
Hilfsmittel anzusehen, weil sie ein individuell angepasstes Hilfsmittel darstellt, das seiner Natur nach nur für die
einzelne Versicherte bestimmt und grundsätzlich nur für sie verwendbar ist, und damit nicht der "Sphäre" der
vollstationären Pflege zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 26/99 R -; Urteil vom 06.06.2002 - B 3
KR 67/01 R -). Es handelt sich insoweit um eine Anlage, die an die Bedürfnisse der Klägerin angepasst werden muss.
Notwendig ist ein Sprachtraining im Hinblick auf das Gerät sowie Schulung und Einweisung in die Bedienung.
Die Zurverfügungstellung der Kommunikationseinrichtung ist auch wirtschaftlich. Ein anderes Gerät, welches die
Klägerin in ihren Umfeldbeziehungen und insbesondere auch beim Telefonieren unterstützen könnte, kommt nicht in
Frage. Dies gilt insbesondere auch für das von der Beklagten erwähnte Telefon/Handy mit Freisprecheinrichtung. Bei
diesem Gerät ist stets erforderlich, dass zu Beginn und Ende des Gesprächs ein Knopf gedrückt wird. Hierzu ist die
Klägerin unstreitig nicht in der Lage. Es ist technisch insoweit noch nicht möglich, das Telefon/Handy durch ein
einmaliges Einschalten dauernd betriebsbereit zu halten. In einem gewissen zeitlichen Abstand nach dem Einschalten
schaltet sich das Gerät automatisch ab. Darüber hinaus vermag das Telefon/Handy auch weder das Fernsehgerät
noch das Radio zu bedienen. Auf die Hilfe durch andere Heimbewohner, die mit ihr das Zimmer teilen, kann die
Klägerin nicht verwiesen werden. Abgesehen davon, dass sie ein Einzelzimmer bewohnt, ist davon auszugehen, dass
diese Personen, die sich ja im Pflegeheim befinden, weil sie selbst Hilfe benötigen, wegen körperlicher oder geistiger
Gebrechen nicht im Stande sind, die Klägerin zu unterstützen.
Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.