Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16.05.2002
LSG Bwb: berechnung der beiträge, anspruch auf bildung, festsetzung der beiträge, rechtskräftiges urteil, zahl, unternehmen, umrechnung, unfallversicherung, veranlagung, belastung
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 16.05.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht Stuttgart S 6 U 159/97
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 7 U 3540/99
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Die
Klage gegen die Bescheide vom 26. April 2000 und 25. April 2001 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Veranlagung zur Gefahrklasse nach dem vom 01.01.1996 bis 31.12.2000 geltenden
Gefahrtarif (GT) 1996 der Beklagten. Die Klägerin wendet sich gegen ihre Zuordnung zur GT-Stelle 10 mit der
Einstufung in Gefahrklasse 4,2.
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die von den Vertragsärzten ihres Bereiches zur Erfüllung
der ihnen durch das Sozialgesetzbuch (SGB) V übertragenen vertragsärztlichen Versorgung gebildet wurde bzw. nach
den vor dessen Inkrafttreten am 01.01.1989 geltenden Vorschriften fortbesteht (§ 77 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs.
5 SGB V). Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Deren Vertreterversammlung beschloss am 21.06.1995 den ab
01.01.1996 geltenden neuen GT, der vom Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde gemäß § 732
Reichsversicherungsordnung (RVO) am 06.07.1995 genehmigt wurde. Darin werden zur Berechnung der Beiträge vom
01.01.1996 an insgesamt 17 GT-Stellen gebildet und diesen Gefahrklassen zugeordnet (die niedrigste für GT-Stelle 02
(zu der u.a. Arztpraxen und die Medizinischen Dienste der Sozialversicherungsträger gehören) mit 2,1, die höchste
mit 12,3 für GT-Stelle 05; Krankenhäuser sind der GT-Stelle 01 zugeordnet mit einer Gefahrklasse von 2,7).
Mit Veranlagungsbescheid vom 28.06.1996 stufte die Beklagte die Klägerin nach dem GT 1996 in GT-Stelle 10
(Geschäfts- und Verwaltungsstellen, Strukturschlüssel 0530) mit der Gefahrklasse 4,2 ein. Dagegen erhob die
Klägerin am 12.07.1996 Widerspruch, weil diese hohe Gefahrklasse ihrem langjährigen Schadensverlauf und der sehr
viel niedrigeren Einstufung der Krankenhäuser in Gefahrklasse 2,7 widerspreche. Aufgrund der Entscheidung ihrer
Widerspruchsstelle vom 04.12.1996 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.1996 den Widerspruch
der Klägerin zurück. In den Gründen führte die Beklagte zur GT-Bildung im GT 1996 aus, es seien verschiedene
Gewerbszweige (Strukturschlüssel) zusammengelegt worden, wobei die Art der Gewerbszweige und das
Technologieprinzip (technische und wirtschaftliche Unternehmensentwicklung) neben den Belastungsverhältnissen
berücksichtigt worden seien. Um ausreichend große und in den Belastungsverhältnissen stabile GT-Stellen zu
schaffen, seien Abweichungen der Belastung außer Betracht gelassen worden, wenn die auf den einzelnen
Strukturschlüssel entfallende Entschädigungslast DM 400.000,- nicht überschritten habe und im übrigen seien
Abweichungen von +/- 30 % von der Durchschnittsbelastung einer GT-Stelle als unwesentlich angesehen worden.
Vergleichbare Gewerbszweige seien nicht vorhanden. Zur Ermittlung der Gefahrklassen seien die
Entschädigungsleistungen jedes Strukturschlüssels, die ja den Grad seiner Unfallgefahr kennzeichneten, ins
Verhältnis zu den Entgelten gesetzt worden und zwar für den die Umlagejahre 1990 bis 1994 umfassenden sog.
Beobachtungszeitraum. Die GT-Stelle 10 sei identisch mit dem Strukturschlüssel 0530 (Kammern,
Verrechnungsstellen, Studenten-, Sozialwerke, Stiftungen, Vereine, Verbände usw.) mit 10.595 Betrieben im letzten
Beobachtungsjahr, im gesamten Beobachtungszeitraum mit rund 22,5 Mrd. Entgelten und rund 47 Mio.
Entschädigungsneulast. Daraus errechne sich eine Belastungsziffer von 2,07687, aus der sie nach Verdoppelung bei
den Belastungsziffern aller GT-Stellen und Rundung die Gefahrklasse 4,2 ermittelt habe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 09.01.1997 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung ihres
Begehrens auf Einstufung in eine niedrigere Gefahrklasse brachte sie vor, sie sei ein reiner Verwaltungsbetrieb, ohne
gewerbliche oder ärztliche Tätigkeiten. Es verstoße gegen das Gewerbezweigsprinzip, daß die Beklagte 10.595
Betriebe mit z.T. erheblich abweichenden Tätigkeiten aus dem gesamten Bereich der Gesundheits- und
Wohlfahrtspflege in GT-Stelle 10 zusammengefaßt habe. Sie sei dadurch benachteiligt, weil ihr Gehaltsniveau im
Verhältnis zu den anderen Unternehmen der GT-Stelle 10 relativ hoch sei. Bei ihr seien 61 % der gemeldeten Unfälle
Wegeunfälle, die sie im einzelnen auflistete. Es sei nicht nachzuvollziehen, daß Mitarbeiter von Krankenhäusern, die
zur Gefahrklasse 2,7 veranlagt seien, weniger oft auf dem Weg zur Arbeit verunglücken sollten. Die Arbeit in freien
Arztpraxen (Gefahrklasse 2,1) und Krankenhäusern (Gefahrklasse 2,7) sei wesentlich gefahrenträchtiger, weshalb ihre
(der Klägerin) Einstufung in Gefahrklasse 4,2 nicht nachvollziehbar sei. Beanstandet werde ferner die völlig
undifferenzierte Zusammenfassung von Geschäfts- und Verwaltungsstellen aus völlig unterschiedlichen Bereichen,
mit einem erheblichen Teil von der Klägerin völlig abweichenden Tätigkeiten. Auch habe die Verwaltungs-
Berufsgenossenschaft (VBG) die dort versicherten Sozialversicherungs(SV)-träger in GT-Stelle 03 mit der (bei der
VBG) niedrigsten Gefahrklasse 1,0 eingestuft. Nach Schulz, SGb 12/96, 572 seien nach SGB VII bei großen GT-
Stellen schon Belastungsunterschiede von +/- 15 % zu berücksichtigen; dies treffe im angefochtenen GT 1996 auch
auf die GT-Stelle 10 zu. Das von der Beklagten vorgelegte Zahlenmaterial sei für sie nicht nachprüfbar; die
Verdoppelung der Belastungsziffern zur Bildung der Gefahrklasse halte sie nicht für beitragsneutral, sondern für einen
Taschenspielertrick.
Die Beklagte entgegnete, allen der GT-Stelle 10 zugeordneten Unternehmen sei gemeinsam, daß sie fast
ausschließlich Verwaltungsarbeiten verrichteten, weshalb ihre Zusammenfassung zu einer GT-Stelle gerade dem
Gewerbszweigprinzip entspreche. Entscheidend sei weiter, dass die Unfallträchtigkeit der ausgeübten Tätigkeiten
grundsätzlich vergleichbar sei. Von geringerer Bedeutung für die Zusammenstellung der GT-Stelle sei das
Gehaltsniveau, weil seine Auswirkung auf die Belastungsziffer durch die wegen der höheren Entgelte auch höheren
Entschädigungsleistungen begrenzt werde. Die Wegeunfälle seien im Beobachtungszeitraum 1990 bis 1994
einbezogen worden; in GT-Stelle 10 habe im Umlagejahr 1996 ihr Anteil an der Entschädigungslast 28,04% betragen,
was ziemlich genau ihrem durchschnittlichen Anteil von 28,25% an allen Versicherungsfällen bei der Beklagten
entspreche (59,32% Arbeitsunfälle i.e. Sinne und 12,43% Berufskrankheiten). Die Einbeziehung des Wegeunfallrisikos
sei nicht sachfremd und werde auch durch § 731 Reichsversicherungsordnung (RVO) nahegelegt, weil Gewerbszweige
mit traditionell geringeren Anfahrtswegen zum Arbeitsplatz eine geringere Wegeunfalllast hätten, weshalb es sich nicht
um einen nur durchlaufenden Posten handele. So erkläre sie z.B. die höhere Entschädigungslast pro Unfall in GT-
Stelle 10 mit DM 825,75 gegenüber GT-Stelle 01 mit DM 600,99 (und deren niedrigerer Gefahrklasse) mit einer
deutlich geringeren Wegeunfallbelastung (neben dem - die Entschädigungslast senkenden - niedrigeren Entgeltniveau,
was in GT-Stelle 02 z.B. für das in ärztlichen Praxen vorwiegend versicherte nichtärztliche Personal gelte). Die für
jede GT-Stelle errechneten Belastungsziffern erreichten recht kleine Werte, weshalb sie zur optischen Herausstellung
der Belastungsunterschiede verdoppelt worden seien. Dies sei beitragsneutral, weil die hierdurch in allen GT-Stellen
bewirkte Verdoppelung der Beitragseinheiten bei der Berechnung des Beitragsfußes (Umlagesoll x 1000, geteilt durch
Gefahrklassen x Entgeltsummen) im Nenner stünden und deshalb eine Halbierung des Beitragsfußes bewirkten. Der
Beitrag des einzelnen Mitgliedsunternehmens sei deshalb identisch mit dem ohne verdoppelte Belastungsziffer, aber
mit dem vollen Beitragsfuß errechneten Beitrag. Das Verhältnis der Anteile der GT-Stellen im Umlagesoll bleibe durch
die Multiplikation der Belastungsziffer (horizontale Umrechnung) unverändert. Einer Umrechnung der Belastungsziffern
habe das BSG (Urteil vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - in SGb, 1995, 253 mit Anmerkung von Schulz) hinsichtlich einer
vertikalen Umrechnung nicht widersprochen. Die Unfallzahlen der Klägerin seien für die Ermittlung der Gefahrklasse
unerheblich, weil hierbei die Unfallgefahr des gesamten Gewerbszweigs maßgebend sei. Außerdem komme es für die
Gefahrklasse nicht auf die Zahl der Unfälle, sondern auf die Höhe der Entschädigungslast an. Ein Vergleich mit dem
GT der VBG sei schon deshalb unzulässig, weil diese eine andere Mitgliederstruktur und ein anderes System der
Umrechung von Belastungsziffern in Gefahrklassen habe. Die Gefahrklassen der VBG seien insgesamt niedriger,
dafür seien deren Beitragssätze höher (z.B. 1996: 3,45% bei der VBG, bei der Beklagten 1,82%). Die Beklagte legte
ein Anlagenkonvolut mit einer Aufstellung des der Berechnung der Belastungsziffern zugrunde liegenden
Zahlenmaterials vor.
Während des Klageverfahrens erließ die Beklagte die Beitragsbescheide vom 24.04.1997 für 1996 (BG-Beitrag DM
160.511,76), vom 17.04.1998 für 1997 (BG-Beitrag DM 160.051,16) und vom 21.04.1999 für 1998 (BG-Beitrag DM
156.442,38). Das SG führte den Erörterungstermin vom 05.10.1998 durch und wies mit Urteil vom 15.07.1999 die
Klage gegen alle zum GT 1996 ergangenen Bescheide (betr. die Veranlagung zu Gefahrklassen und Festsetzung der
Beiträge für die Jahre 1996 bis 1998) ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 10.08.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.08.1999 beim Landessozialgericht (LSG)
Berufung eingelegt. Zur Begründung bringt sie ergänzend vor, das SG habe seine Entscheidung nur pauschal
begründet, ohne auf ihre Einwendungen einzugehen. Die von ihr angegriffene Bildung der GT-Stelle 10 sei eine
undifferenzierte Zusammenfassung von Geschäfts- und Verwaltungsstellen und deshalb rechtswidrig. Auch seien
Kassenärztliche Vereinigungen bei GT-Stelle 10 nicht ausdrücklich aufgeführt. Die VBG stufe die bei ihr versicherten
Verwaltungsstellen wesentlich niedriger ein. Deshalb verlange sie eine weitere Unterteilung von Verwaltungsstellen
auch im GT der Beklagten. Ihre Einstufung durch die Beklagte verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art.
3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil Sozialversicherungsträger, mit denen sie zusammenarbeite, deren Lohngestaltung,
Tätigkeit und Unfallrisiko vergleichbar, jedenfalls nicht höher sei, z.B. Krankenkassen, im GT der Beklagten in GT-
Stelle 02 mit der Gefahrklasse 2,1 und bei der VBG Krankenkassen und Rentenversicherungsträger ebenfalls
günstiger eingestuft seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juli 1999 aufzuheben, den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom
28. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Dezember 1996 und die Beitragsbescheide vom
24. April 1997, 17. April 1998, 21. April 1999, 26. April 2000 und 25. April 2001 abzuändern und die Beklagte zu
verpflichten, ihre Beiträge für die Gefahrtarifperiode von 1996 bis 2000 unter Einstufung in eine niedrigere
Gefahrklasse zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Beitragsbescheide vom 26. April 2000 und vom 25. April 2001
abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Bei ihr seien nur die medizinischen Dienste von
Sozialversicherungsträgern Mitglied, deren Tätigkeit mit derjenigen der Klägerin offenkundig nicht vergleichbar sei. Der
Beitragsfuß der VBG sei in den letzten Jahren 3x höher gewesen als bei ihr, der Beklagten.
Die Beklagte hat während des Berufungsverfahrens die Beitragsbescheide vom 26.04.2000 für 1999 und vom
25.04.2001 für 2000 erlassen. Ferner hat sie ein rechtskräftiges Urteil des SG München vom 11.04.2000 zu einem
nach ihrer Auffassung gleichgelagerten Begehren der KV Bayerns vorgelegt. Das SG München hat darin die Klage
abgewiesen; nach Umstellung des bis 1995 ohne Abstufung nach Gefahrklassen aufgestellten GT der Beklagten von
Tätigkeits- auf Gewerbszweigprinzip und Berücksichtigung der Entgelte müssten zwar die Mitgliedsunternehmen mit
höherem Gehaltsniveau mehr zahlen als zuvor. Auch sei nach der Rechtsprechung des Bayer. LSG (Urteil vom
07.10.1992 - L 2 U 24/89 -) eine Abweichung der Belastung von 39,4% vom statistischen Mittelwert der Gruppe
innerhalb der GT-Stelle zulässig und Härten im Einzelfall sowie die individuellen Unternehmensverhältnisse
unbeachtlich.
Die Klägerin hält das Urteil des SG München auf ihren Fall für nicht anwendbar, weil die zitierte LSG-Entscheidung
eine derartige Abweichung nur für ein Jahr als unschädlich beurteilt habe; vorliegend gehe es aber um eine Einstufung
auf Dauer.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG und des erkennenden Senats
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe stehen nicht
entgegen (§ 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Veranlagungsbescheid vom 28.06.1996/Widerspruchsbescheid
vom 09.12.1996 und den bereits vom SG gemäß § 96 SGG berücksichtigten Beitragsbescheiden vom 24.04.1997,
17.04.1998 und 21.04.1999 auch die während des Berufungsverfahrens für den (restlichen) Geltungszeitraum des GT
1996 ergangenen weiteren Beitragsbescheide vom 26.04.2000 und 25.04.2001. Dagegen sind die Ver-anlagungs- und
Beitragsbescheide für die Folgejahre nach 2000 nicht mehr Gegenstand dieses Rechtsstreits geworden, weil sie einen
neuen GT-Zeitraum (GT 2001) betreffen.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG und die vorstehend genannten,
streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil sie die Klägerin nicht in ihren
Rechten verletzen.
Nach § 219 Abs. 1 SGB VII sind die Vorschriften über die Aufbringung der Mittel erstmals für das Haushaltsjahr 1997
anzuwenden. Für das Haushaltsjahr 1996 sind die Vorschriften der RVO über die Aufbringung und die Verwendung der
Mittel sowie Art. 3 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetztes in der am Tag vor dem Inkrafttreten des SGB VII
geltenden Fassung weiter anzuwenden. Mithin sind im vorliegenden Fall erst die Beitragsbescheide für die Jahre 1997
bis 2000 nach den Vorschriften des SGB VII zu beurteilen. Prüfungsmaßstab für die übrigen angefochtenen
Bescheide sind die Vorschriften der RVO (BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R). Allerdings ergeben sich im
vorliegenden Fall keine unterschiedlichen Rechtsfolgen. Denn die Beitragsbescheide hängen sämtlich von dem
streitbefangenen Veranlagungsbescheid vom 28.06.1996/Widerspruchsbescheid vom 09.12.1996 ab und der Eintritt
einer für die Veranlagung zu den Gefahrklassen wesentlichen tatsächlichen Änderung bei der Klägerin während der
Laufzeit des GT 1996 ist weder behauptet noch sonst ersichtlich (vgl. Ricke in KassKomm, Rz 5 zu § 157 SGB VII;
Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 219 SGB VII, Anm. 4). Deshalb werden im folgenden
grundsätzlich nur die Vorschriften der RVO zitiert.
Die Höhe der Beiträge richtet sich vorbehaltlich des § 723 Abs. 2 und des § 728 RVO nach dem Entgelt der
Versicherten und nach dem Grade der Unfallgefahr (§ 725 Abs. 1 RVO). Zur Abstufung nach dem Grad der
Unfallgefahr hat die Vertreterversammlung durch einen GT Gefahrklassen zu bilden (§ 730 RVO). Die hierbei (von der
Beklagten erstmals im hier streitigen GT 1996) überwiegend angewandte Berechnungsmethode nach
Entschädigungsleistungen und Entgelten ist für die Zeit ab 01.01.1997 in § 157 Abs. 3 SGB VII vorgeschrieben. Nach
§ 731 Abs. 1 RVO hatte der Vorstand den GT mindestens alle fünf Jahre (seit 01.01.1997 gemäß § 157 Abs. 5 SBG
VII: spätestens nach sechs Jahren) mit Rücksicht auf die eingetretenen Arbeitsunfälle nachzuprüfen. Die
Berufsgenossenschaft veranlagt die Unternehmen nach ihrer Satzung für die Dauer einer Tarifzeit (Tarifperiode) zu
den Gefahrklassen (§ 734 Abs. 1 RVO). Um die Beiträge nach der Unfallgefahr abzustufen, werden die
Unternehmensarten den Gefahrklassen zugeteilt. Hierdurch wird die Risikogemeinschaft "Berufsgenossenschaft" in
kleinere Risikogemeinschaften mit etwa gleicher Unfallgefahr (vgl. BSG SozR 2200 § 734 RVO Nr. 4 mwN), die sog.
GT-Stellen, gegliedert. Die Gefahrklassen zeigen den durchschnittlichen Grad der Unfallgefahr jeder Tarifstelle
(Gefahrengemeinschaft). Je höher das Risiko, desto höher die Gefahrklasse und damit der Beitrag. Bei der Bildung
der Tarifstellen nach Zahl und Inhalt hat die Vertreterversammlung der BG einen erheblichen inhaltlichen
Regelungsspielraum, der lediglich durch die Wertentscheidung des Gesetzgebers begrenzt ist und deshalb nicht in
Widerspruch zu den tragenden Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung stehen darf; die Gerichte dürfen
insoweit nur die Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen prüfen, Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen
sind ihnen verwehrt (vgl. BVerfG SozR 2200 § 543 RVO Nr. 6, § 734 RVO Nr. 2; BSG SozR 2200 § 731 Nr. 2; Ricke
in KassKomm, Rz 5,8 zu § 730 RVO).
Bei der Tarifstellenbildung hat die Beklagte unter Berücksichtigung von Zahl der Versicherten oder Höhe der gezahlten
Entgelte eine ausreichende Größe sicherzustellen, um zufallsbedingte Schwankungen in der Belastungsentwicklung
auszuschließen. Deshalb sind Zusammenfassungen mehrerer Gewerbszweige mit wenigstens annähernd gleichen
Gefährdungsrisiken (d.h. ohne auffällig bzw. statistisch signifikant abweichende Belastungsziffern, vgl. Schulz aaO,
S. 314) nach dem Belastungs- in Verbindung mit dem sog. Technologieprinzip wie im GT 1996 der Beklagten
zulässig. Die von der Beklagten hierbei bzw. auch bei der Abgrenzung eines Gewerbszweigs als unwesentlich
angesehenen Belastungsunterschiede von +/- 30% überschreiten nicht ihren Ermessensspielraum. Auch das BSG
(SozR 2200 § 731 RVO Nr. 2) hat in seinem zum Urteil des LSG NRW vom 29.04.1985 - L 5 U 152/84 - (zitiert bei
Ricke aaO Rz 12 zu § 73O RVO und Schulz, Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarifs, 1989, 1.2 S.
28 ff.) ergangenen Urteil einen Belastungsunterschied von +36,2/-36,6% bei noch nicht ausreichend erkennbarer
Entwicklungstendenz als nicht ausreichend angesehen, um schon einen Anspruch auf Aufspaltung der betreffenden
GT-Stelle zu begründen. Deshalb hält der Senat die von Schulz mehrfach (u.a. in Die Beitragsgestaltung in der
gesetzlichen Unfallversicherung in Die BG, 2001, 312/316) bei großen Tarifstellen als bereits statistisch signifikant
angesehene Abweichung von +/-15% von der durchschnittlichen Belastungsziffer einer geplanten Tarifstelle jedenfalls
auf den GT 1996 der Beklagten noch nicht für anwendbar. Denn im GT 1996 wurden die Beiträge erstmals und damit
aufgrund nur eines sog. Beobachtungszeitraums abgestuft nach Gefahrklassen berechnet. Dieser Zeitraum ist noch
nicht angemessen, um die endgültige Entwicklungstendenz zu erkennen, wobei der Senat offen lässt, ob diese
Zeitspanne drei oder vier Beobachtungszeiträume umfassen muß (vgl. Schulz, Grundfragen des
berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarifs, 1989, 1.2 S, 32)
Nach diesen Vorschriften und Grundsätzen ist die Zuordnung der Klägerin zur GT-Stelle 10 des GT 1996 nicht
rechtswidrig. Insbesondere hat sie keinen Anspruch auf Zuordnung zu den offenbar angestrebten GT-Stellen 01 oder
02 mit den günstigeren Gefahrklassen 2,1 bzw. 2,7, in die im GT 1996 der Beklagten die von der Klägerin als
vergleichbar bezeichneten Krankenhäuser, freien Arztpraxen und Medizinischen Dienste der
Sozialversicherungsträger eingestuft sind. Einer Zuordnung der Klägerin zu GT-Stelle 10 steht auch nicht entgegen,
daß Vereinigungen (wie die Klägerin) nunmehr in dem ab 01.01.2001 geltenden GT der Beklagten in der beispielhaften
Aufzählung der von GT-Stelle 10 umfaßten Geschäfts- und Verwaltungsstellen ausdrücklich aufgeführt sind; hierbei
handelt es sich lediglich um eine Klarstellung ihrer auch schon nach dem GT 1996 rechtmäßig getroffenen Zuordnung
zur GT-Stelle 10. Mit der Zusammensetzung der GT-Stelle 10 hat sich die Beklagte auch im Rahmen des ihr
zustehenden Ermessensspielraums gehalten. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine eigene GT-Stelle
ausschließlich für kassenärztliche Vereinigungen nicht die aus versicherungsmathematischen Gründen erforderliche
Größe erreichen würde. Nach dem Technologieprinzip erscheint ferner die Zusammenfassung der Geschäfts- und
Verwaltungsstellen, die durch vergleichbare organisatorische Abläufe gekennzeichnet sind, ungeachtet der
Heterogenität der einzelnen Arten von Geschäfts- und Verwaltungsstellen nachvollziehbar.
Für die hier zu prüfende GT-Periode 1996 bis 2000 hat die Klägerin deshalb weder Anspruch auf Bildung einer
zusätzlichen, für sie günstigeren GT-Stelle bzw. Aufspaltung der GT-Stelle 10 noch auf Zuordnung zu einer
(vorhandenen) anderen GT-Stelle mit niedrigerer Gefahrklasse. Dies gilt insbesondere für die angestrebte Zuordnung
zu derselben GT-Stelle wie die nach Meinung der Klägerin hinsichtlich des Grades der Unfallgefahr mit ihr
vergleichbaren Krankenhäuser (GT-Stelle 01, Gefahrklasse 2,1) oder freien Arztpraxen bzw. Medizinischen Dienste
der Sozialversicherungsträger (GT-Stelle 02, Gefahrklasse 2,7). Die Klägerin ist nach ihrem eigenen Vorbringen im
Klageverfahren ein reiner Verwaltungsbetrieb, ohne gewerbliche oder ärztliche Tätigkeiten, mit relativ hohem
Entgeltniveau. Damit unterscheidet sie sich hinsichtlich Tätigkeit und Entgeltniveau erheblich von den
Krankenhäusern und den in GT-Stelle 02 eingestuften freien Arztpraxen. Insbesondere in letzteren ist vorwiegend das
nichtärztliche Personal mit relativ niedrigen Entgelten versichert, da der selbständige ärztliche Praxisinhaber nicht
pflichtversichert ist, was sich auf die Höhe der Entschädigungslast und damit der hier streitigen Beiträge auswirkt.
Soweit die Klägerin Gleichbehandlung mit den bei der Beklagten versicherten "Sozialversicherungsträgern" begehrt,
übersieht sie offensichtlich, dass diese nicht als solche (auch nicht die von der Klägerin ausdrücklich angeführten
Krankenkassen und Rentenversicherungsträger) und insbesondere nicht mit ihrem Verwaltungsbetrieb Mitglied der
Beklagten sind. Für eine Gleichstellung mit den bei der Beklagten allein versicherten Medizinischen Diensten der
Sozialversicherungsträger hat die Klägerin selbst keine sachlichen Argumente vorgebracht, die für eine
Vergleichbarkeit hinsichtlich Tätigkeit bzw. Unfallgefährdung sprechen könnten; solche sind auch für den Senat nicht
ersichtlich.
Ein Anspruch auf Gleichbehandlung (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) mit den Mitgliedern anderer Berufsgenossenschaften ist
ausgeschlossen, weil schon die Gefahrklassen der einzelnen Unfallversicherungsträger nicht miteinander vergleichbar
sind (vgl. Ricke in KassKomm aaO, Rz 6 zu § 730 RVO und Rz 8 zu § 157 SGB VII), was auch für die
Mitgliederstruktur gelten dürfte. Außerdem sind weitere für die Beitragsberechnung maßgebende Faktoren wie der
Beitragsfuß bzw. der Beitragssatz aufgrund anderer Unfalllasten und Entgelte bei den einzelnen BGen unterschiedlich
hoch. Die von der Klägerin beanstandete Festsetzung der Gefahrklasse 4,2 für die GT-Stelle 10 ist nicht rechtswidrig.
Die Beklagte errechnet, wie fast alle gewerblichen BGen, die Gefahrklassen aus dem Verhältnis der in einem
Strukturschlüssel erzielten Entgelte zu der im Beobachtungszeitraum bestehenden Belastung (Neulast) als sog.
Belastungsziffer, unter Anwendung der Formel: Entschädigungslasten der Tarifstelle im Beobachtungszeitraum x
1000 (hierdurch wird die Entschädigungslast auf ein Arbeitsentgelt von DM 1000,- bezogen, um die Zahl der
Dezimalstellen nach dem Komma bei der Belastungsziffer zu verringern und sie so praktikabler zu machen, vgl.
Schulz, Belastungsziffernumrechnung vor Gefahrklassenfestsetzung, in Die BG 2001, 196), geteilt durch die Entgelte
der Tarifstelle im Beobachtungszeitraum (vgl. Ricke aaO, Rz 13, 14 zu § 730 RVO). Beobachtungszeitraum ist dabei
die Zeitspanne, deren Entwicklung für die Berechnung der Gefahrklassen - für den zukünftigen GT - herangezogen
wird. Die hierfür untersuchten Jahre müssen unmittelbar vor dem Inkrafttreten des neuen GT liegen, jedoch ohne ein
zur Auswertung bestimmtes "Arbeitsjahr" (vgl. Schulz aaO, S. 316); in der Wahl der Länge des
Beobachtungszeitraums ist die BG frei (vgl. Ricke aaO, Rz 6, 16 zu § 730 RVO). Dabei ist es zulässig, nur die sog.
Neulast, d.h. die im Beobachtungszeitraum eingetretenen Versicherungsfälle, zu berücksichtigen. Die so errechnete
Belastungsziffer eines Gewerbezweigs lässt zwar nur eine ungefähre Aussage über die tatsächlich vorhandene
Unfallgefahr zu, wurde aber von der Rechtsprechung schon zu § 730 RVO (vgl. BSG SozR 2200 § 731 RVO Nr. 2) als
verwertbarer Maßstab für die Beurteilung der Unfallgefahr in den verschiedenen Gewerbezweigen akzeptiert; § 157
Abs. 3 SBG VII schreibt die Berechnung der Gefahrklassen aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den
Arbeitsentgelten nunmehr ausdrücklich vor.
Für die GT-Stelle 10 hat die Beklagte danach aus der für 10.595 Betriebe des Strukturschlüssels 0530 (Kammern,
Verrechnungsstellen, Studenten- und Sozialwerke, Stiftungen, Vereine und Verbände usw.) im Beobachtungszeitraum
1990 bis 1994 angefallenen Entschädigungslast von DM 46.756.488,92 und den erzielten Entgelten von DM
22.512.995.406.- die Belastungsziffer mit 2,07687 errechnet. Die zur Festsetzung der Gefahrklasse von der Beklagten
dann vorgenommene Aufrundung und Umrechnung auf 4,2 ist im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden und
insbesondere kein "Taschenspielertrick" der Beklagten, weil sie im Ergebnis keine Auswirkung auf den vom einzelnen
Unternehmen zu tragenden Beitrag hat und somit hier beitragsneutral ist. Denn um das entsprechende Ausmaß
verschiebt sich der Beitragsfuß in der Gegenrichtung, so daß das für den Beitrag maßgebende Produkt aus
Gefahrklasse und Beitragsfuß erhalten bleibt. (vgl. Schulz, Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarifs,
1989, Belastungsziffernumrechnung, 1.5.1; Ricke aaO, Rz 15 zu § 730 RVO mwN); dies gilt auch für die
Beitragsberechnung nach dem SGB VII (vgl. Ricke aaO, Rz 15 zu § 157 SGB VII; Schulz aaO in Die BG 2001, 196).
Die Berücksichtigung der Wegeunfälle bei der Gefahrklassenberechnung ist sachlich gerechtfertigt. Denn ihre
Nichtberücksichtigung hierbei hätte zur Folge, dass alle GT-Stellen durchschnittlich mit den Wegeunfallkosten
belastet werden müssten. Dies würde die hoch mit Wegeunfällen belasteten Gewerbszweige begünstigen und die
Tarifstellen mit niedrigen Wegeunfallbelastungen benachteiligen (Ricke aaO, Rz 13 zu § 730 RVO; Schulz,
Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarifs, 1989, 1.4.4.2).
Nach allem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und wurde deshalb zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Der Senat vermag hinsichtlich der Zuordnung der Klägerin zur GT-Stelle 10 im
GT 1996 der Beklagten keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen und weicht von der
Rechtsprechung des BSG nicht ab.