Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23.02.2009

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LSG Baden-Württemberg Beschluß vom 23.2.2009, L 13 AS 3835/08 PKH-B
Sozialgerichtliches Verfahren - Statthaftigkeit - Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Beschluss - keine entsprechende Anwendung der § 73a
Abs 1 S 1 SGG iVm § 127 Abs 2 S 2 ZPO
Leitsätze
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht ist nur dann ausgeschlossen, wenn das Sozialgericht
ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint. ( § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG).
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten ist nach § 172 Abs. 1 SGG auch dann statthaft,
wenn der Wert des Streitgegenstandes die Wertgrenze in Höhe von 750,- Euro gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht.
Eine entsprechende Anwendung von § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 511 ZPO auf Beschwerden gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels
Erfolgaussichten in der Hauptsache ist nicht zulässig. Eine planwidrige Regelungslücke liegt jedenfalls nach Inkrafttreten des § 172 Abs. 3 Nr. 2
SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung nicht vor.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
2 Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der
Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift hier nicht ein, da das Sozialgericht seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der
persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender
Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat. Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht darüber hinaus nicht entgegen, dass der
Gegenstandswert der Hauptsache den Wert von 750,00 EUR nicht erreicht - die Kläger begehren in diesem Verfahren die Erstattung
außergerichtlicher Kosten für ein Widerspruchsverfahren in Höhe von 566,44 EUR - und somit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG die
Hauptsacheentscheidung nur nach Zulassung der Berufung anfechtbar wäre. Der erkennende Senat hat dies bereits mit Beschluss vom 2. Januar
2007 (L 13 AS 4100/06 PKH-B, veröffentlicht in Juris) zur bis zum 31. März 2008 geltenden Rechtslage entschieden. An dieser Rechtsprechung
hält der Senat auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März
2008 (BGBl. I S. 444) fest. Mit der hier anwendbaren am 1. April 2008 in Kraft getretenen Neuregelung hat der Gesetzgeber in § 172 Abs. 3 SGG
die Tatbestände des Beschwerdeausschlusses für das sozialgerichtliche Verfahren abschließend normiert. Dabei hat er nur die Statthaftigkeit von
Beschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von der Anfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung abhängig gemacht (§ 172 Abs.
3 Nr. 1 SGG). Für Beschwerden gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat er in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ein hiervon abweichendes
Kriterium gewählt und die Beschwerde lediglich für die Fälle ausgeschlossen, in denen ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die PKH verneint worden sind. Angesichts dieser eindeutigen und abschließenden Regelung bleibt für die Annahme einer
planwidrigen Lücke kein Raum; eine analoge Anwendung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2
Zivilprozessordnung (ZPO) oder des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG kommt deshalb nicht in Betracht (ebenso Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-
Bremen, Beschluss vom 9. Juni 2008 - L 9 B 117/08 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 2. Juni 2008 - L 28 B 1059/08 AS PKH - und
vom 16. Juli 2008 - L 29 B 1004/08 AS PKH; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Juni 2006 - L 5 B 107/08 AS; Oberverwaltungsgericht der
Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 7. September 2008 - S 3 S 355/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 - L
7 B 269/08 AS - und vom 15. Januar 2009 - L 7 B 398/08 AS - alle veröffentlicht in Juris; HK-SGG/Lüdtke, SGG, § 172 Rdnr. 13; a.A. LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - L 8 AS
4968/08 PKH-B; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 29. Juli 2008 - L 7 SO 3120/08 PKH-B - und vom 17. November 2008 - L 7 AS 2588/07
PKH-B - alle veröffentlicht in Juris veröffentlicht in Juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - L 2 AS 5255/08 PKH-B -
nicht veröffentlicht).
3 Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Prozesskostenhilfe erhält gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO, wer nach seinen
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die
beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den
Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung
bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121
Abs. 2 ZPO).
4 Der angefochtene Beschluss ist weder formell, noch materiell zu beanstanden. Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung hat die Klage
keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hat der Rechtsträger, dessen
Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Der Widerspruch des
Klägers gegen den Bescheid vom 22. Januar 2008 ist nicht erfolgreich gewesen, er wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2008
zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unerheblich, dass die Beklagte, nachdem der Kläger seine Mitwirkungspflichten
nachgeholt hatte, gem. § 67 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Leistungen nachträglich ganz erbracht hat. Die nachträgliche Erbringung
der Leistung gem. § 67 SGB I stellt keine Abhilfe des Widerspruchs dar, sondern ist ein hiervon völlig unabhängiger Vorgang. Nachdem der
Bescheid vom 22. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2008 bestandskräftig geworden ist und somit auch die
Erfolglosigkeit des Widerspruchs feststeht, hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des erfolglosen Widerspruchsverfahrens. Für
eine weitergehende Überprüfung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
5 Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
6 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).