Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.06.2004

LSG Bwb: befreiung von der versicherungspflicht, ärztliche anordnung, tagesmutter, medizinische betreuung, verordnung, begriff, sozialversicherungsrecht, eltern, alter, einkünfte

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 22.06.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Mannheim S 4 RA 2424/03
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 13 RA 213/04
Bundessozialgericht B 12 RA 12/04 R
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheimvom 12. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungs-verfahren zu erstatten.Die Revision
wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2003 als Tagesmutter in der
gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.
Die 1962 geborene Klägerin, selbst Mutter von vier Kindern, ist seit 1. Januar 1998 als selbständige Tagesmutter
tätig. Sie betreut bis zu drei weitere Kinder zu unterschiedlichen Tageszeiten, in der Regel aufgrund eines privaten
Auftrages, in seltenen Ausnahmefällen auch auf Vermittlung des Jugendamtes. Am 27. September 2001 bat die
Klägerin die Beklagte um Prüfung, ob ihre Tätigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung unterfalle. Gleichzeitig
stellte sie sinngemäß einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Auf Anforderung der Beklagten legte
die Klägerin ihre Steuerbescheide für die Jahre 1998, 1999 und 2000 sowie eine Bescheinigung der
Lebensversicherungs-AG vom 30. November 2001 über das Bestehen einer privaten Rentenversicherung ohne
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit Versicherungsbeginn am 1. Dezember 2000 vor. Die
Versicherungsleistungen würden bei Erleben des 60. Lebensjahres fällig und ausgezahlt, der aktuelle Monatsbetrag
belaufe sich auf 100,00 DM.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. Dezember 2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der
Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige ab. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung
für eine Befreiung sei unter anderem, dass eine anderweitige Vorsorge für den Fall der Invalidität und das Erleben des
60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene vor dem 10. Dezember 1998 getroffen
worden sei. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, eine solche Vorsorge vor dem genannten Zeitpunkt betrieben zu
haben. Mit Bescheid vom 3. Juni 2002 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab 1. Januar 1998 als selbständig
Erwerbstätige gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der gesetzlichen
Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Mit weiterem Bescheid vom gleichem Tag verfügte die Beklagte, dass
in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2000 wegen Geringfügigkeit der selbständigen Tätigkeit
Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI bestanden habe und ab 1. Januar 2001 wieder Versicherungspflicht
vorliege. In einer zum Bestandteil des ersten Bescheids erklärten Beitragsrechnung setzte die Beklagte den
Monatsbeitrag auf 120,33 DM seit 1. Januar 2001 und auf 62,08 EUR seit 1. Januar 2002 fest; für die Zeit vom 1.
Januar 2001 bis 31. Dezember 200 werde dementsprechend ein Betrag in Höhe von 1.443,96 DM (738,24 EUR) und
für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2002 in Höhe von 327,48 EUR, insgesamt also 1.110,72 EUR geschuldet.
Am 24. Juni 2002 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie halte das Vorgehen der Beklagten für verfassungswidrig. Die
Beklagte wende die früher in Vergessenheit geratene Vorschrift des § 2 SGB VI nunmehr an, um aktuelle
Haushaltslöcher zu stopfen. Dies sei weder mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Geboten der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, noch mit ihren verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechten
vereinbar. Mit dem der Klägerin am 4. Oktober 2002 bekannt gegebenen Widerspruchsbescheid vom 19. September
2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ihr Vorgehen entspreche der geltenden Gesetzeslage, an die sie als
Organ der Exekutive gebunden sei.
Mit der am 30. Oktober 2002 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren
weiterverfolgt. Angesichts ihrer geringen Einnahmen aus der Tätigkeit als Tagesmutter sei die Erhebung von
Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gerechtfertigt. Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum
lediglich zwei fremde Kinder betreut und hierfür ca. 900,00 DM brutto monatlich erhalten. Hiervon sei eine
Betriebskostenpauschale in Höhe von 480,00 DM abzuziehen, so dass nur ein sehr geringes Einkommen verbleibe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie werte die Klageschrift jedoch als Überprüfungsantrag hinsichtlich
des mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 bestandskräftig abgelehnten Antrages auf Befreiung von der
Versicherungspflicht. Mit Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2003 ist die Klägerin ab 1. April 2003 im Hinblick auf
die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenzen nach § 229 Abs. 6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit worden. Mit
weiterem Bescheid selben Datums hat die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 19. Dezember
2001 abgelehnt. Bei Erlass dieses Bescheides sei weder das Recht unrichtig angewandt worden, noch sei man von
einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Die Klägerin habe zum Stichtag 10. Dezember 1998 keine anderweitige
Altersvorsorge getroffen. Die Voraussetzungen für eine Befreiung hätten deshalb nicht vorgelegen. Im Termin zur
mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2003 hat das SG die Klägerin persönlich angehört. Diese hat erklärt, die
von ihr betreuten Kinder seien regelmäßig jünger als drei Jahre. Sie betreue diese nur bis zum Kindergartenalter. Sie
bereite das Essen für die Kinder, lese ihnen vor, singe mit ihnen und unternehme gelegentlich auch Ausflüge. Eine
medizinische Betreuung finde nicht statt, hierzu sei eine ausdrückliche Genehmigung der Eltern erforderlich. Mit Urteil
vom 12. Dezember 2003 hat das SG die Bescheide vom 3. Juni 2002 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat
es dargelegt, die Klägerin gehöre nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis des § 2 SGB VI. Tagesmütter
unterfielen bereits nach dem Wortlaut nicht ohne weiteres dem Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI. Der
Gesetzgeber gehe davon aus, dass die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung bei
Tagesmüttern eher die Ausnahme darstelle. Letztlich müsse im konkreten Einzelfall der versicherungsrechtliche
Status geklärt werden. Im Fall der Klägerin führe diese Prüfung nicht zum Vorliegen von Versicherungspflicht. Eine
erzieherische Tätigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI übe die Klägerin nicht aus, da sie nicht pädagogisch
tätig werde. Eine pflegerische Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI liege ebenfalls nicht vor, da die Klägerin nicht
aufgrund ärztlicher Verordnung handele. Im übrigen könne angesichts der Anzahl der betreuten Kinder und des
erzielten Entgelts nicht von einer erwerbsmäßigen Tätigkeit ausgegangen werden.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 22. Dezember 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. Januar
2004 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Klägerin übe ihre selbständige
Tätigkeit erwerbsmäßig aus. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn die Leistungen für die Betreuung
ausschließlich vom Jugendamt bezahlt würden. Die gezahlten Erziehungsgelder seien dann steuerfrei, so dass
Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt nicht erzielt werde. Die Klägerin arbeite hingegen vorrangig für Privatpersonen
und werde auch von diesen entlohnt. Ihr Einkommen unterliege deshalb der Besteuerung. Aus dieser
steuerrechtlichen Betrachtung folge, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Tagesmutter erwerbsmäßig ausübe. Die Höhe
des Gewinns im Sinne des Einkommensteuerrechts spiele hierfür keine Rolle. Zu prüfen seien die Tatbestände des §
2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI. Bei unter dreijährigen Kindern sei von einer Säuglings- und Kinderpflege im Sinne des §
2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI auszugehen, bei diesen stehe eher die Pflege als die Erziehung im Vordergrund. Die
Abhängigkeit von einem Heilkundigen sei insoweit nicht Voraussetzung für den Eintritt der Versicherungspflicht.
Dieses Erfordernis gelte nur bei der Kranken-, nicht aber bei der Säuglings- und Kinderpflege. Ihre Auffassung werde
auch durch eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage (BT-Drucksache 14/7725) gestützt.
In der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2004 haben die Beteiligten erklärt, in diesem Verfahren solle nur über die
Versicherungspflicht der Klägerin als selbständig Erwerbstätige in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2003
entschieden werden. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, bei rechtskräftigem Unterliegen der Klägerin über eine
Befreiung von der Versicherungspflicht und die Beitragshöhe im streitbefangenen Zeitraum erneut rechtsbehelfsfähig
zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie legt eine Auflistung über die von ihr in den Jahren 2001, 2002 und 2003 betreuten Kinder, den jeweiligen zeitlichen
Umfang der Betreuung, die erzielten Einnahmen und die entstandenen Ausgaben vor. Danach betreute die Klägerin ab
Januar 2001 zwei und ab Oktober 2001 drei Kinder. Ab Oktober 2002 reduzierte sich die Zahl der Kinder wieder auf
zwei. Im Jahr 2001 erhielt die Klägerin Betreuungsgelder in Höhe von insgesamt 13.560,00 DM, denen von ihr
steuerlich geltend gemachte Betriebsausgaben von 14.356,40 DM gegenüberstanden. Im darauffolgenden Jahr
beliefen sich die Betreuungsgelder auf 5.997,51 EUR, die geltend gemachten Betriebsausgaben erreichten eine Höhe
von 7.332,60 EUR. In den ersten drei Monate des Jahres 2003 erhielt die Klägerin Betreuungsgelder in Höhe von
1.800 EUR, die Betriebskosten beliefen sich auf 1.472,52 EUR.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die
Klageakten des SG (S 4 RA 2559/02 und S 4 RA 2424/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 RA 213/04)
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung
der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Gegenstand der Anfechtungsklage sind, nachdem die Beteiligten den
Streitgegenstand durch den in der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2004 geschlossenen Teilvergleich
zulässigerweise hierauf beschränkt haben (BSGE 48, 100, 101; vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, § 96 Rdnr. 11a), nur
noch die eine Versicherungspflicht dem Grunde nach ab 1. Januar 2001 feststellenden Bescheide vom 3. Juni 2002 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002. Mit diesem Verfügungssatz erweisen sich die
Bescheide als rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht entschieden,
dass die von der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2003 verrichtete selbständige Tätigkeit als
Tagesmutter der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für selbständig Tätige gemäß § 2 SGB
VI unterfällt.
In Übereinstimmung mit der Beklagten hat auch der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin ihre
Tätigkeit nicht im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI),
sondern selbständig ausgeübt hat. Das dem von § 2 SGB VI umfassten Personenkreis gemeinsame Merkmal der
selbständigen Tätigkeit ist gesetzlich nicht definiert. Das Bundessozialgericht zählt zu den selbständig Erwerbstätigen
alle Personen, die mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft oder in einem
Gewerbebetrieb oder eine sonstige, insbesondere freiberufliche Arbeit in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene
Rechnung und Gefahr ausüben (BSG SozR 3-2200 § 1227 Nr. 8). Dabei muss die Gewinnerzielungsabsicht darauf
gerichtet sein, Einkünfte im Sinne der §§ 13 bis 18 Einkommensteuergesetz (EStG) zu erzielen (vgl. BSG a.a.O.;
Klattenhof in Hauck/Nofz, SGB VI, § 2 Rdnr. 20; Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 2 SGB
VI, Rdnr. 13). Nicht entscheidend ist hingegen, ob ein solcher Gewinn auch tatsächlich erwirtschaftet wird.
Demgegenüber ist das wesentliche Merkmal der abhängigen Beschäftigung die persönliche Abhängigkeit und
Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers
umfasst dabei regelmäßig Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der geschuldeten Arbeitsleistung (BSG SozR 3-
2400 § 7 Nr. 19). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale
überwiegen; maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13). Die von der
Klägerin verrichtete Tätigkeit weist alle wesentlichen für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit typischen
Merkmale auf. Sie übte ihre Tätigkeit zu Hause und damit in einer eigenen Betriebsstätte aus. Sie unterlag keinen
Weisungen und konnte über die konkrete Ausgestaltung der Betreuung frei entscheiden. Ihr oblag jeweils die
Entscheidung, wie viele Kinder sie für welche Zeiträume zur Betreuung übernahm. Sie trug das volle
Unternehmerrisiko und betrieb ihre Tätigkeit in der Absicht, Einkünfte im oben genannten Sinn zu erwirtschaften,
wobei unschädlich ist, dass in den Jahren 2001 und 2002 wegen der in Abzug zu bringenden Betriebskostenpauschale
kein zu versteuernder Gewinn verblieb.
Die Klägerin gehört jedoch nicht zu dem von § 2 SGB VI erfassten Personenkreis. Die hier allein in Betracht
kommenden Tatbestandsvarianten des § 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 9 SGB VI liegen nicht vor. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
findet keine Anwendung, da die Klägerin nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig war (§ 2
Satz 1 Nr. 9 Buchstabe b) SGB VI). Das sieht offenbar auch die Beklagte so. Die Klägerin hat während des ganz
überwiegenden streitgegenständlichen Zeitraums immer Kinder mehrerer Auftraggeber betreut, wobei diese ständig
wechselten. Die jeweiligen Auftragsverhältnisse dauerten zwischen drei und zwanzig Monaten. Lediglich in der Zeit
von Januar bis März 2003 hat die Klägerin nur ein Geschwisterpaar betreut. Auch dies führt jedoch nicht zur
Versicherungspflicht, denn entscheidend für die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ist, ob, was
hier zu bejahen ist, der Auftragnehmer nach seinem durch die Eigenart der ausgeübten Tätigkeit geprägten
Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebt und dies nach den tatsächlichen und
rechtlichen Gegebenheiten Erfolg verspricht. Eine die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
ausschließende dauerhafte Tätigkeit für mehrere Auftraggeber liegt dabei auch dann vor, wenn der Auftragnehmer -
wie die Klägerin - innerhalb eines bestimmten Zeitraums nacheinander für verschiedene Auftraggeber tätig wird
(Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 2 SGB VI, Rdnr. 39).
Eine Versicherungspflicht wegen einer selbständigen Tätigkeit als Lehrerin oder Erzieherin (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI)
ist ebenfalls zu verneinen. Der Begriff des "Lehrers" wird in der Rechtsprechung zwar weit ausgelegt (vgl. BSG SozR
3-2600 § 2 Nr. 5), er ist nicht auf Personen zu beschränken, die eine pädagogische Ausbildung durchlaufen haben,
sondern umfasst alle Personen, die durch Erteilung theoretischen oder praktischen Unterrichts Allgemeinbildung oder
spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 5). Unter Erziehung im Sinne
des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wiederum ist eine auf die Entwicklung der Persönlichkeit, des Charakters und der
Sozialisation gerichtete Tätigkeit zu verstehen (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 2 SGB
VI, Rdnr. 8). Die Klägerin hat ausschließlich Kinder bis zum Kindergartenalter, also bis zum Alter von circa drei
Jahren betreut. Einen theoretischen oder praktischen Unterricht hat sei nicht erteilt, ihre Tätigkeit war auch nicht
primär auf die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten gerichtet. Als Lehrerin war die Klägerin
deshalb nicht tätig. Eben so wenig ging sie als Tagesmutter einer Tätigkeit als "Erzieherin" nach. Zwar beinhaltet die
Betreuung von Kindern auch im Kleinkindalter notwendigerweise gewisse erzieherische Elemente. Dies allein
rechtfertigt aber noch nicht die Annahme einer die Versicherungspflicht gemäß § 2 SGB VI begründenden
selbständigen Tätigkeit als "Erzieherin". Maßgeblich ist vielmehr der Schwerpunkt der Betätigung, der sich nicht nur
nach dem Alter der zu betreuenden Kinder, sondern auch nach der konkrete Zweckbestimmung, mit der die Kinder der
sie betreuenden Person übergeben werden, bestimmt. Bei einer Tagesmutter, die - wie die Klägerin - ausschließlich
Kinder im Kleinkindalter betreut, steht nicht die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, die Bildung des Charakters
und die Sozialisation der Kinder im Vordergrund. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt vielmehr in der reinen
Beaufsichtigung während der Abwesenheit der Eltern und der Befriedigung von Primärbedürfnissen (Essen, Schlafen,
Spielen, etc.). Vor allem zu diesem Zweck werden die Kinder einer Tagesmutter übergeben, um so bis zum Erreichen
des Kindergartenalters die notwendige Versorgung der Kinder während der Zeit der Berufstätigkeit der Eltern sicher zu
stellen.
Letztlich erfüllt die Tätigkeit der Klägerin auch nicht den Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Nach dieser
Vorschrift erstreckt sich die Versicherungspflicht auch auf selbständig tätige Pflegepersonen, die in der Kranken-,
Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum zwar keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und - entgegen der Auffassung des SG - ihre Tätigkeit als
Tagesmutter auch erwerbsmäßig ausgeübt. In Anlehnung an die einkommensteuerrechtliche Behandlung ist auch bei
in der Säuglings- und Kinderpflege tätigen Personen die Erwerbsmäßigkeit zu bejahen, wenn sie auf die Erzielung von
Einnahmen im Sinne der §§ 13 bis 18 EstG gerichtet ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, §
2 SGB VI, Rdnr. 13). Dies ist im Falle der Klägerin angesichts der Anzahl der von ihr betreuten Kinder, der zeitlichen
Inanspruchnahme durch diese Tätigkeit und der erzielten Einnahmen zu bejahen. Insoweit kann der Senat offen
lassen, ob eine abweichende Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn die Betreuung durch eine Tagesmutter vorrangig
auf Vermittlung des Jugendamtes zustande kommt und die entstehenden Kosten aus öffentlichen Mitteln finanziert
werden (vgl. hierzu Klattenhof in Hauck/Nofz, SGB VI, § 2 Rdnr. 28), denn die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Januar
2001 bis 31. März 2003 ausschließlich Kinder im Auftrag von Privatpersonen betreut.
Die Klägerin war im Rahmen ihrer Tätigkeit als Tagesmutter keine "Pflegeperson" im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB
VI. Hierzu gehören Personen, die in einem Heilhilfsberuf tätig sind (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 3; vgl. schon BSGE
21,171,174) und die grundsätzlich nur auf ärztliche Anordnung bzw. Verordnung tätig werden (vgl. BSG SozR 3-2600 §
2 Nr. 1 und 2; Klattenhof a.a.O.). Ob weitergehend auch zu fordern ist, dass diese den Heilhilfsberuf aufgrund einer
entsprechenden Berufsausbildung ausüben (vgl.Boecken in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch –
Gesetzliche Rentenversicherung, § 2 Rdnr.49), kann offen bleiben, denn der Beruf einer Tagesmutter und eine
diesbezügliche Ausbildung sind gesetzlich nicht geregelt und auch die Klägerin verfügt über keine einschlägige
Ausbildung. Der Beruf der Tagesmutter gehört weder zu den Heilhilfsberufen noch wird die Klägerin als Tagesmutter
auf Grund ärztlicher Anordnung oder Verordnung tätig. Diese Erfordernisse beziehen sich - entgegen der von der
Beklagen vertretenen Rechtsansicht - nicht lediglich auf die Tatbestandsvariante der in der Krankenpflege tätigen
Pflegepersonen, sondern auch auf die übrigen in § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI genannten Berufsbilder. Das
Bundessozialgericht hat bereits 1964 zu § 166 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO; vgl. für den
Bereich der Angestelltenversicherung § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG)) entschieden,
dass selbständige Masseure, wenn sie aufgrund der einschlägigen Vorschriften zur selbständigen Ausübung ihres
Berufes berechtigt waren, jedenfalls dann versicherungspflichtig waren, wenn sie tatsächlich und nicht nur nebenher
Massagen aufgrund ärztlicher Verordnung verabfolgten (BSGE 21, 171, 175). Die Abgrenzung der versicherungsfreien
von den versicherungspflichtigen Heilberufen hat die Rechtsprechung also zwischen denjenigen getroffen, die selbst
Heilkunde ausüben und denjenigen, die auf Verordnung eines Heilkundigen tätig werden. Dementsprechend hat das
Bundessozialgericht die eine Versicherungspflicht begründenden selbständigen Tätigkeiten immer als Heilhilfsberufe
verstanden (BSGE 21, 171, 172f.; BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 3 m.w.N.).
An dieser Rechtslage hat sich mit Inkrafttreten des SGB VI nichts geändert. § 2 Nr. 2 SGB VI enthält gegenüber § 2
Abs. 1 Nr. 6 AVG nur insofern Änderungen, als der versicherungspflichtige Personenkreis nunmehr als
"Pflegepersonen" bezeichnet wird und ferner die Versicherungspflicht schon bei Beschäftigung eines Arbeitnehmers
und nicht nur bei Beschäftigung eines Angestellten entfällt. Es ist nicht erkennbar, dass mit der Einfügung des
Begriffs "Pflegepersonen" eine Änderung der von der Vorschrift erfassten Berufsgruppen beabsichtigt gewesen ist
(BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 1 und Nr. 2). Der Gesetzgeber wollte durch diesen Begriff den Kreis der
versicherungspflichtig in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege Tätigen vielmehr im Sinne der
bisherigen zwischen der versicherungsfreien Ausübung der Heilkunde und den auf Verordnung der Heilkundigen tätig
werdenden versicherungspflichtigen Pflegepersonen unterscheidenden Rechtsprechung abgrenzen (BSG SozR 3-2600
§ 2 Nr. 3). In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu, dass der Begriff der Pflegepersonen in Nr. 2
entsprechend der bisherigen Rechtsprechung davon ausgeht, "dass es sich um grundsätzlich weisungsabhängige
(und insoweit arbeitnehmerähnliche) Tätigkeiten in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege handeln
muss" (vgl. BT-Drucksache 11/4124 S. 149 zu § 2). Da die nach § 2 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtig selbständig
Tätigen gerade nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann sich die in der Begründung genannte
Weisungsabhängigkeit nur darauf beziehen, dass die Pflegepersonen grundsätzlich auf ärztliche Anordnung bzw.
Verordnung tätig werden (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 1 und Nr. 2). Dies gilt, da sich der Begriff der "Pflegeperson" nach
der Gesetzesformulierung nicht nur auf die in der Krankenpflege tätigen Personen, sondern auch auf die anderen in §
2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI aufgeführten Berufsgruppen bezieht und die Gesetzesbegründung zudem keinen Hinweis auf
eine entgegen dem Gesetzeswortlaut vorzunehmende Differenzierung enthält, für alle die Versicherungspflicht
begründenden pflegerischen Berufe in gleicher Weise. Die Weisungsabhängigkeit bei der Verrichtung der jeweiligen
Tätigkeiten im einzelnen ist dabei nicht grundlegend unterschiedlich. So verrichtet beispielsweise auch eine Kranken-,
Säuglings- oder Kinderschwester, die in der Hauspflege tätig ist, ihre Arbeit grundsätzlich aufgrund ärztlicher
Anordnung, mag sie auch bei der Durchführung von ärztlichen Weisungen je nach Lage des Gepflegten oder Betreuten
unter Umständen weitgehend frei sein (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr.1 und Nr.2).
Der Begriff der "Pflegeperson" hat auch durch das am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch - Soziale
Pflegeversicherung (SGB XI) keinen neuen Inhalt erhalten. Die Begriffsbestimmung in § 19 Satz 1 SGB XI, wonach
Pflegepersonen diejenigen sind, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI in seiner
häuslichen Umgebung pflegen, gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für die soziale Pflegeversicherung und ist auf
den Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht übertragbar (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.