Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.09.2010

LSG Bwb: gleichbehandlung im unrecht, abgabepflicht, künstler, aufschiebende wirkung, unternehmen, werbung, versicherungspflicht, bekanntgabe, gewissheit, aufwand

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 10.09.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Mannheim S 9 KR 1540/08
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 3419/09
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Klageverfahren S 9 KR 1540/08 und das Berufungsverfahren L 4 KR 3419/09 wird endgültig auf
EUR 8.761,54 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Abgabebescheid der Beklagten. Sie erhebt grundsätzliche Einwände gegen die
Künstlersozialabgabe.
Die Klägerin ist eine Werbeagentur in der Rechtsform der GmbH und hat nach den Angaben im Handelsregister zum
Gegenstand: Die Erarbeitung von Werbekonzeptionen, die textliche, vertonte und visuelle Umsetzung von
Werbekonzeptionen, die Steuerung der Produktion von Werbemitteln, die Einschaltung von Werbung in Medien, das
gesamte übrige Werbespektrum. Mit Bescheid vom 11. Mai 2007 ("Bescheid über die Feststellung der
Künstlersozialabgabepflicht") teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie gehöre zum Kreis der grundsätzlich zur Abgabe
verpflichteten Unternehmen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Sie betreibe nach § 24 KSVG ein
abgabepflichtiges Unternehmen. Die grundsätzliche Abgabepflicht sei festzustellen gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7
KSVG, weil sie (die Klägerin) als Unternehmerin Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte betreibe. Es schließen
sich dem Bescheid ausführliche Hinweise zum Meldeverfahren an sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen
diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne. Gegen diesen
Bescheid legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 15. August 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, trotz entsprechender Aufforderung und
Aufklärung habe sie die an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte nicht oder nicht vollständig
gemeldet. Die Künstlersozialabgabe werde daher für die Zeit der Abgabepflicht aufgrund Schätzung der Entgelte für
die Jahre 2002 bis einschließlich 2006 auf insgesamt EUR 26.638,92 festgesetzt. Vorauszahlungen für Januar und
Februar 2007 seien in Höhe von monatlich EUR 561,24, für März 2007 bis Februar 2008 in Höhe von EUR 572,46
monatlich zu zahlen. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, einen Meldebogen nicht
erhalten zu haben. Am 31. Oktober 2007 legte sie schließlich einen Meldebogen mit der Angabe der gezahlten
Entgelte in den Jahren 2002 bis 2006 (EUR 63.257,00, EUR 22.545,00, EUR 14.422,00, EUR 48.185,00 und EUR
18.477,00) vor.
Mit Bescheid vom 02. November 2007 teilte die Beklagte daraufhin der Klägerin mit, aufgrund der eingereichten
Meldung die Schätzabrechnung vom 15.August 2007 zu korrigieren und dem Widerspruch gegen die Schätzung damit
abzuhelfen. Die Bemessungsgrundlagen und daraus resultierend die Künstlersozialabgaben würden für die folgenden
Jahre neu festgestellt:
Jahr Entgelte (in EUR) v.H.-Satz Künstlersozialabgabe (in EUR) 2002 63.257,00 3,80 2.403,77 2003 22.545,00 3,80
856,71 2004 14.422,00 4,30 620,15 2005 48.185,00 5,80 2.794,73 2006 18.477,00 5,50 1.016,24
Die Gesamtsumme der Künstlersozialabgabe für die abgerechneten Jahre betrage EUR 7.691,60. Auf die
Künstlersozialabgabe des laufenden Jahres seien monatlich jeweils bis zum 10. des Folgemonats Vorauszahlungen
zu leisten (§ 27 Abs. 2 KSVG). Vorauszahlungen für Januar/Februar 2007 betrügen monatlich EUR 220,85 (berechnet
aus den Entgelten 2005 in Höhe von EUR 48.185,00, einem Prozentsatz von 5,5 v.H. und zwölf abgabepflichtigen
Monaten im Jahr 2005); die Vorauszahlungen von März 2007 bis Februar 2008 betrügen monatlich EUR 78,53
(berechnet aus Entgelten 2006 in Höhe von EUR 18.477,00, einem Prozentsatz von 5,1 v.H. und zwölf
abgabepflichtigen Monaten im Jahr 2006). Der aktuelle Kontostand der Klägerin betrage somit EUR 8.761,54 Soll. Die
bisher erteilten Abrechnungsbescheide würden zurückgenommen, soweit sie diesem Bescheid widersprächen. Nach §
27 Abs. 1a KSVG werde ein Abgabebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe
Verpflichteten zurückgenommen, wenn die Meldung nach Abs. 1 unrichtige Angaben enthalte oder sich die Schätzung
nach Abs. 1 und 3 als unrichtig erweise. Auch dieser Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach
innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden könne.
Mit Schreiben vom 28. November 2007, eingegangen bei der Beklagten am 30. November 2007, legte die Klägerin
hierauf wiederum Widerspruch ein, ohne allerdings exakt anzugeben, gegen welchen Bescheid. Nach einem Vermerk
in der Verwaltungsakte hatte der Geschäftsführer der Klägerin bei telefonischer Rücksprache am 04. Dezember 2007
mitgeteilt, gegen die Abrechnung vom 02. November 2007 Widerspruch einzulegen. Zur Begründung erhob sie
grundsätzliche Einwendungen zur Heranziehung der Künstlersozialabgabe auch für Nichtversicherte, zum
rechtsstaatlichen Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit der Abgabepflicht, zum Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) wegen des Erhebungsdefizits.
Weiter machte sie geltend, auch sei es aufgrund der Unklarheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten nahezu
unmöglich, die komplexen Auftragsverhältnisse und Arbeitsleistungen, die von Dritten für sie erbracht würden,
sachgerecht in das System der Künstlersozialversicherung einzuordnen sowie mit hinreichender Klarheit und
Gewissheit die abgabepflichtigen Tatbestände daraus abzulesen. Der damit verbundene Arbeitsaufwand übersteige
die jeweils festgesetzten Künstlersozialabgaben bei weitem und stehe daher nicht mehr im Verhältnis zu einer
sachgerechten und zumutbaren Anwendung der gesetzlichen Verpflichtung. Der angefochtene Bescheid sei daher
mangels verfassungsmäßiger Rechtsgrundlage aufzuheben.
Den Antrag der Klägerin vom 02. Januar 2008, die Vollziehung des Abgabenbescheids vom 02. November 2007
auszusetzen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18. Januar 2008 ab. Am 03. März 2008 rief die Klägerin das
Sozialgericht Mannheim (SG) mit dem Begehren an, die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen
den Bescheid vom 02. November 2007 anzuordnen. Das SG lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 18. März 2008
(Az.: S 9 KR 694/08 ER) ab. Beschwerde hiergegen legte die Klägerin nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. April 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch
gegen den Bescheid vom 15. August 2007, geändert durch den Bescheid vom 02. November 2007, zurück. Das
Bundessozialgericht (BSG) habe in mehreren Entscheidungen (Urteil vom 28. August 1997 - 3 RK 13/96 - = SozR 3-
5425 § 25 Nr. 10) entschieden, dass zu Recht auch die Entgelte in die Bemessungsgrundlage nach § 25 Abs. 1
KSVG einzubeziehen seien, die der Verwerter an nicht versicherungspflichtige Künstler oder Publizisten zahle. Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe diese Inkongruenz der Abgabepflicht zur Versicherungspflicht als
verfassungsmäßig angesehen (Beschluss vom 08. April 1987 - u.a. 2 BvR 909/82 - = SozR 5425 § 1 Nr. 1). Der
Grundsatz der Bestimmtheit der Abgabepflicht sei nicht verletzt, ebenso wenig der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Das BSG habe durch die Konkretisierung des Kunstbegriffes nach § 2 KSVG ausreichende
Rechtssicherheit für die Betroffenen herbeigeführt. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG würde nach
der Rechtsprechung des BVerfG erfordern, dass ein so genanntes strukturelles Vollzugsdefizit vorläge. Dies sei nur
dann der Fall, wenn aufgrund der Gesetzeslage keine "flächendeckende" Erfassung der Unternehmen möglich wäre.
Dies sei bei dem KSVG nicht der Fall. Ein möglicherweise gegebenes faktisches Vollzugsdefizit sei nicht geeignet,
einen Gleichheitsverstoß nach Art. 3 GG zu begründen.
Am 07. Mai 2008 erhob die Klägerin Klage beim SG und begehrte, den Bescheid vom 15. August 2007, geändert
durch den Bescheid vom 02. November 2007, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2008
aufzuheben. In Ergänzung ihres Vortrags im Widerspruchsverfahren trug sie vor, es erscheine zweifelhaft, ob es
wirklich sachgerecht bzw. rechtmäßig sei, dass die Kunden der Künstler in die Abgabepflicht mit einbezogen würden,
denn die Voraussetzungen einer Sonderabgabe (Gruppennützigkeit, Verhältnismäßigkeit) erschienen insoweit
zweifelhaft. Seit der Entscheidung des BVerfG hätten sich die Verhältnisse gewandelt. Auch sei die Abgabepflicht
von einer mehr oder minder willkürlichen Unterscheidung zwischen künstlerischen und handwerklichen/technischen
Tätigkeiten und Berufen abhängig.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 18. Mai 2009 wies das SG die Klage ab. Der Bescheid vom 11. Mai 2007, mit dem die Beklagte
festgestellt habe, dass das Unternehmen der Klägerin im Bereich der Künstlersozialversicherung abgabenpflichtig sei,
sei bestandskräftig geworden. Daher stehe für die Beteiligten bindend fest, dass die Klägerin als Werbeagentur
abgabepflichtig sei. Im Übrigen könne es (das SG) sich angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des
Gesetzgebers bei der Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme nicht mit der notwendigen Gewissheit davon
überzeugen, dass die Einbeziehung von Entgelten für Leistungen nichtversicherungspflichtiger Künstler oder
Publizisten in die Erhebung des Künstlersozialabgabe verfassungswidrig wäre. Der Kunst sei es immanent, dass sie
sich einer klaren gesetzlichen Definition entziehe. Es sei daher gar nicht anders möglich, als mit offenen
unbestimmten Rechtsbegriffen zu operieren, die jedoch nach seiner (des SG) Auffassung in der Verwaltungspraxis der
Beklagten eine hinreichende klare und praktikable Konkretisierung fänden. Ebenso wie beispielsweise im Steuerrecht
müsse der für die Unternehmen entstehende verwaltungsmäßige Aufwand hingenommen werden. Ein strukturelles
Vollzugsdefizit bestehe im Bereich der Künstlersozialabgabe nicht. Im Übrigen gebe es keinen Anspruch auf
Gleichbehandlung im Unrecht.
Am 13. Juli 2009 hat die Klägerin Berufung gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16. Juni 2009 zugestellte
Urteil des SG zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Weiterhin beruft sie sich darauf, es
handle sich bei der Künstlersozialabgabe um eine unzulässige fremdnützige Sonderabgabe, es bestehe ein
strukturelles Vollzugsdefizit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei verletzt. So sei eine Sonderbehandlung
der Künstler nicht mehr gerechtfertigt, nachdem es in zahlreichen anderen Berufsgruppen mittlerweile eine Vielzahl
schlecht verdienender, in ihrer Existenz bedrohter Selbstständiger gebe. Zugleich bedinge die Weiterentwicklung der
Medienwelt, dass etwa durch die schier unüberschaubar gewordene Zahl von Internetauftritten und die hierbei
erbrachten künstlerischen Leistungen die Zahl der abgabenpflichtigen Eigenwerber gar nicht mehr praktikabel durch
die Beklagte zu erfassen sei. Die Unbestimmtheit des Begriffs Künstler führe zu einem gerade für kleinere
Unternehmen nicht mehr mit vertretbarem Aufwand handhabbaren Gesetzesvollzug. Dies werde dazu führen, dass
das eigentliche Anliegen des Gesetzes durch den Einsatz von Nichtkünstlern ausgehebelt werde. Die Verhältnisse
hätten sich seit Einführung der Künstlersozialabgabe grundlegend geändert. Zahlreiche Stimmen hätten sich für die
Abschaffung der Künstlersozialabgabe ausgesprochen. Da auch die angefochtenen Bescheide wegen der
Verfassungswidrigkeit des KSVG rechtswidrig seien, erfolge durch den Bescheid vom 11. Mai 2007 trotz der
Bestandskraft keine Ausschlusswirkung.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Mai 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 02. November 2007
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. April 2008 aufzuheben, hilfsweise den Rechtsstreit nach Art. 100
GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Frage der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des
Künstlersozialversicherungsgesetzes vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Rechtsprechung des BVerfG und darauf, nach
der nunmehr gegebenen Möglichkeit der Erhebung der Künstlersozialabgabe durch die Deutsche Rentenversicherung
könne die These des faktischen Vollzugsdefizits nicht mehr erfolgreich vertreten werden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten
vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die
der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 02. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.
April 2008 ist rechtmäßig.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 02. November 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 07. April 2008. Der Bescheid vom 02. November 2007 regelt ebenso wie der
vorangegangene Bescheid vom 15. August 2007 die für die Jahre 2002 bis 2006 zu zahlende Künstlersozialabgabe
zuzüglich der Vorauszahlungen für die Zeit von Januar 2007 bis einschließlich Februar 2008. Er ersetzt insoweit den
Bescheid vom 15. August 2007 und ist daher Gegenstand des bereits gegen diesen Bescheid anhängig gewesenen
Widerspruchsverfahrens geworden (§ 86 SGG). Die mit Bescheid vom 15. August 2007 festgesetzten Beiträge und
Vorauszahlungen sind dadurch gegenstandslos geworden. Zutreffend hat die Beklagte daher das
Widerspruchsverfahren mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 07. April 2008 abgeschlossen. Der gegen den Bescheid
vom 02. November 2007 eingelegte Widerspruch folgte der insoweit unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung dieses
Bescheids, war indessen nicht erforderlich, jedoch unschädlich.
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2007. Dieser Bescheid ist zu
keinem Zeitpunkt von der Klägerin angefochten worden. Er enthielt eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung, sodass
er mangels Widerspruchseinlegung binnen eines Monats nach Bekanntgabe bestandskräftig geworden ist (§§ 84 Abs.
1 Satz 1, 77 SGG). Der Bescheid vom 11. Mai 2007 ist damit für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Zwar
enthält die Verwaltungsakte der Beklagten keinen Zustellungsnachweis hinsichtlich des Bescheids vom 11. Mai 2007.
Die Klägerin hat jedoch auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil vom 18. Mai 2009 sowie im
vorangegangenen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz hin die Bekanntgabe dieses Bescheids vom 11. Mai 2007
nicht bestritten. Mit der Berufungsbegründung trägt sie vielmehr nur vor, die Bestandskraft des Bescheids der
Beklagten vom 11. Mai 2007 stehe ihrer Rechtsauffassung nicht entgegen. Bei dem Bescheid vom 11. Mai 2007
handelt es sich um einen so genannten Erfassungsbescheid, der die Feststellung der Pflicht der Klägerin zur
Abführung der Künstlersozialabgabe dem Grunde nach betrifft. Da der Bescheid vom 11. Mai 2007 bestandskräftig ist,
ist die Abgabepflicht der Klägerin nach § 24 KSVG dem Grunde nach bestandskräftig festgestellt.
2. Regelungsgegenstand des hier angefochtenen Bescheids vom 02. November 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 07. April 2008 ist hingegen die Höhe der Künstlersozialabgabe und der hierauf zu
leistenden Vorauszahlungen. Es handelt sich damit um einen so genannten Abgabebescheid nach § 27 Abs. 1a
KSVG.
Das Verfahren zur Feststellung und Erhebung der Künstlersozialabgabe ist im KSVG zweiphasig ausgestaltet. Das
Gesetz unterscheidet - ähnlich wie im Abgabenrecht - zwischen Künstlersozialabgabenpflicht und
Künstlersozialabgabenschuld in der Weise, dass es zunächst den Kreis der dem Grunde nach abgabepflichtigen
Unternehmer umschreibt und danach festlegt, von welchen Entgelten und in welcher Höhe die Abgabe konkret zu
entrichten ist. Durch die vorgeschaltete Entscheidung dem Grunde nach (Erfassungsbescheid) soll Klarheit
geschaffen werden, ob Unternehmen der Abgabepflicht unterliegen, deshalb Aufzeichnungen zu führen und Entgelte
der Beklagten zu melden sind. Erst in einem zweiten Schritt folgt sodann die konkrete Bemessung der
Künstlersozialabgabe, wenn es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang abgabepflichtige Entgelte an
selbstständige Künstler und Publizisten gezahlt worden sind (BSG, Urteil vom 04. März 2004 - B 3 KR 17/03 R - =
SozR 4-5425 § 24 Nr. 6). Auch die zum 01. Juli 2001 erfolgte Neufassung des § 27 Abs. 1a KSVG ändert hieran
nichts. Nach wie vor hat die Künstlersozialkasse das Recht, aber nicht die Pflicht, vorab über die Abgabenpflicht dem
Grunde nach (§ 24 KSVG) zu entscheiden und einen gesonderten Erfassungsbescheid zu erlassen. Zweck eines
Erfassungsbescheids ist es, vorab Klarheit über die Pflicht des Unternehmers zur Abführung der
Künstlersozialabgabe in der Zukunft zu schaffen (BSG, Urteil vom 18. September 2008 - B 3 KS 1/08 R - = SozR 4-
5425 § 24 Nr. 8).
Hiervon ausgehend war nur zu prüfen, ob die Höhe der festgesetzten Beiträge und Vorauszahlungen zur
Künstlersozialversicherung gemäß Bescheid vom 02. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.
April 2008 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Dies ist nicht der Fall.
Der Senat stellt fest, dass die Beklagte die von der Klägerin selbst im Meldebogen für zur Künstlersozialabgabe
Verpflichtete angegebenen Entgelte ihrer Berechnung zugrundegelegt hat. Die Bestimmung der monatlichen
Vorauszahlungen für den Zeitraum Januar 2007 bis einschließlich Februar 2008 entspricht § 27 Abs. 3 KSVG.
Einwendungen hat die Klägerin insoweit gegen die Berechnung der Abgabe auch nicht erhoben. Weiter ist auch nicht
vorgetragen oder ersichtlich, dass die Zuordnung der von der Klägerin gemeldeten Entgelte zum Bereich der Werbung
und der Öffentlichkeitsarbeit für Dritte im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG zweifelhaft wäre.
Einwände spezifisch gegen die Höhe der Abgabe als solche sind ebenfalls nicht erhoben worden.
3. Unabhängig von dem begrenzten Prüfungsumfang hinsichtlich des Bescheids vom 02. November 2007 ist der
Senat auch nicht davon überzeugt, dass das KSVG verfassungswidrig ist. Eine andere Beurteilung als im Beschluss
des BVerfG vom 08. April 1987 (u.a. 2 BvR 909/82 = SozR 5425 § 1 Nr. 1), in welchem die verfassungsrechtlichen
Fragen vom BVerfG geklärt worden sind (vgl. BVerfG 1. Senat 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 11.
September 1998 - 1 BvR 1670/97 -, veröffentlicht in juris), ist unter Berücksichtigung der von der Klägerin erhobenen
Einwände nicht veranlasst.
Die Belastung der Vermarkter mit der Künstlersozialabgabe zur Finanzierung eines Teils der Kosten der
Sozialversicherung selbständiger Künstler und Publizisten findet ihre Rechtfertigung in dem besonderen
kulturgeschichtlich gewachsenen Verhältnis zwischen selbständigen Künstlern und Publizisten auf der einen sowie
den Vermarktern auf der anderen Seite. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass sich an diesem besonderen
Verhältnis etwas geändert hat.
Soweit die Klägerin meint, jede Berufsgruppe, die selbstständig arbeite, habe für ihre soziale Sicherung selbst
aufzukommen, übersieht sie, dass der Gesetzgeber bei bestimmten Selbstständigen ein soziales
Absicherungsbedürfnis sieht und diese deshalb in die sozialen Sicherungssysteme mit einbezogen hat, wie
bestimmte Selbstständige in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 9
Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI; vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteile vom 04. November 2009 - B 12 R 3/08 R
und B 12 R 7/08 R -, veröffentlicht in juris) oder die Landwirte und auch deren Ehegatten nach dem Gesetz über die
Alterssicherung der Landwirte (ALG; vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 09. Dezember 2003 - 1 BvR 558/99 - SozR
4-5868 § 1 Nr. 2 und Nichtannahmebeschluss vom 01. März 2004 - 1 BvR 2099/03 - SozR 4-5868 § 1 Nr. 3).
Ein strukturelles Vollzugsdefizit vermag der Senat jedenfalls derzeit nicht zu erkennen. Durch das Dritte Gesetz zur
Änderung des KSVG und anderer Gesetze vom 12. Juni 2007 (BGBl. I, S. 1034) hat der Gesetzgeber Änderungen der
gesetzlichen Vorschriften vorgenommen, die der Herstellung von Beitrags- und Abgabegerechtigkeit, der
Stabilisierung der Finanzierung und damit der Stärkung der Künstlersozialversicherung dienen sollen und im Dialog mit
den Vertretern der Künstler und Publizisten sowie der abgabepflichtigen Verwerter entwickelt worden sind
(Bundestags-Drucksache 16/4374 S. 8). Insbesondere ist durch Art. 2 Nr. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des
KSVG und anderer Gesetze § 28p SGB IV um den Abs. 1a ergänzt worden, der den Trägern der Rentenversicherung
eine Prüfpflicht bei den Arbeitgebern als eigene Aufgabe überträgt, ob diese ihre Meldepflichten nach dem KSVG
ordnungsgemäß erfüllen und die Künstlersozialabgabe rechtzeitig und vollständig entrichten. Dieses Gesetz hat die
Klägerin bei ihren Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit nicht berücksichtigt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Klageverfahren S 9 KR 1540/08 und das Berufungsverfahren L 4
R 3419/09 beruht auf §§ 63 Abs. 3, 52, Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Streitwert
war endgültig auf EUR 8.761,54 festzusetzen, da sich die Klägerin gegen die Forderung der Beklagten in dieser Höhe
wendet. Die laufende Versicherungspflicht für die Zukunft nach Februar 2008 ist nicht Gegenstand der angefochtenen
Bescheide, ebenso nicht die Abgabepflicht zur Beklagten dem Grunde nach.