Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.06.2005

LSG Bwb: haftpflicht, heizung, erlass, nebenkosten, arbeitsgemeinschaft, anstalt, öffentlich, vergleich, stadt, einkünfte

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 30.06.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Stuttgart S 16 AS 1302/05 ER
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 8 AS 2374/05 ER-B
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2005 wird
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im Wesentlichen noch die Übernahme der Kosten für eine Haftpflicht-
und Hausratversicherung.
Der 1956 geborene Antragsteller lebt alleine in einer 61 m2 großen Drei-Zimmer-Wohnung in S. Auf seinen Antrag vom
23.09.2004 bewilligte ihm der Antragsgegner mit Bescheid vom 24.11.2004 für den Zeitraum vom 01.01. bis
30.06.2005 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 740,46 EUR. In
diesem Betrag waren Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 395,46 EUR enthalten. Auf den Widerspruch des
Antragstellers lehnte es der Antragsgegner zunächst mit einem weiteren Bescheid vom 18.03.2005 ab, die Kosten für
eine Haftpflicht- und Hausratversicherung zu übernehmen, änderte aber mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2005
den Bescheid vom 24.11.2004 ab und bewilligte dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2005
Leistungen in Höhe von monatlich 760,71 EUR. Der Antragsgegner anerkannte Nebenkosten für die Mietwohnung in
Höhe von 67,72 EUR und Kosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 37,49 EUR, brachte allerdings einen
Kostenanteil für die Bereitung von Warmwasser in Höhe von monatlich 9,- EUR in Abzug, weil die Bereitung von
Warmwasser mit dem Regelsatz abgegolten werde. Da die vom Antragsteller zu zahlende Kaltmiete die
Mietobergrenze nach Ansicht des Antragsgegners um 139,44 EUR überschreite, akzeptierte er nur einen Mietbetrag in
Höhe von 319,50 EUR.
Am 09.03.2005 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) den Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sowie Leistungen für die Entrichtung der Beiträge der von ihm
abgeschlossenen Haftpflicht- und Hausratversicherung sowie die GEZ-Gebühren zu erbringen. Das SG gab dem
Antrag mit Beschluss vom 10.05.2005 teilweise statt. Es verpflichtete den Antragsgegner im Wege der einstweiligen
Anordnung, dem Antragsteller die Kosten für Unterkunft und Heizung vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen; im Übrigen lehnte es den Antrag ab.
Mit einem am 08.06.2005 beim SG eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller Beschwerde erhoben, der das SG
nicht abgeholfen hat. Er macht geltend, die Grundmiete und die Nebenkosten seien vom Antragsgegner falsch
berechnet worden. Außerdem stünden ihm Leistungen für die Haftpflicht- und Hausratversicherung zu. Die Beiträge zu
diesen Versicherungen seien vom Sozialamt übernommen worden. Hätte er rechtzeitig erfahren, dass die Beiträge
nicht mehr gezahlt werden, hätte er die Versicherungen kündigen können.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.05.2005 abzuändern und den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Mietkosten in Höhe von monatlich 472,84 EUR, die Nebenkosten in
Höhe von monatlich 98,74 EUR und die Beiträge für seine Haftpflicht- und Hausratversicherung zu zahlen.
Der Antragsgegner hat sich im Verfahren nicht geäußert.
II.
Richtiger Antragsgegner ist das JobCenter Stuttgart.
Nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II errichten die Träger der Leistungen nach dem SGB II durch privatrechtliche oder
öffentlich-rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften in den nach § 9 Abs. 1a SGB III eingerichteten Job-Centern. Die
Arbeitsgemeinschaften sind berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu
erlassen (§ 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II); sie werden außergerichtlich und gerichtlich durch den Geschäftsführer
vertreten (§ 44b Abs. 2 Satz 2 SGB II). Damit sind sie nach Auffassung des Senats Behörden iSd § 1 Abs. 2 SGB X
in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Dem steht nicht entgegen, dass sie auf
vertraglicher Grundlage errichtet werden (aA Quaas, Die Arbeitsgemeinschaft nach dem neuen SGB II: Ungelöste
Rechtsfragen zur Rechtsnatur der Einrichtung, SGb 2004, 723, 726). Denn die Rechtsfähigkeit der
Arbeitsgemeinschaft beruht nicht auf dem Vertrag, mit dem sie errichtet wird, sondern auf der gesetzlichen Regelung
in § 44b SGB II. Da die Gründungsvereinbarung nur als öffentlich-rechtliche Vereinbarung gewertet werden kann (vgl.
Quaas aaO S. 727), handelt es sich um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Ihre Fähigkeit, Beteiligte
eines sozialgerichtlichen Verfahrens zu sein, ergibt sich aus § 70 Nr. 1 SGG. Die Arbeitsgemeinschaft nimmt nach §
44b Abs. 3 SGB II die Aufgaben – also Rechte und Pflichten – der Bundesagentur und der Stadt Stuttgart wahr, ihre
Stellung im sozialgerichtlichen Verfahren entspricht deshalb der einer gesetzlichen Prozessstandschaft (Breitkreuz,
Die Leistungsträger nach dem SGB II im System des Sozialverwaltungsrechts, SGb 2005, 141, 142).
Die gemäß den §§ 172ff SGG statthafte Beschwerde des Antragstellers ist teils unzulässig, teils unbegründet. Die
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnende Entscheidung des SG ist nicht zu beanstanden.
Mit Beschluss vom 10.05.2005 hat das SG bereits entschieden, dass der Antragsgegner die Kosten für Unterkunft
und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erstatten hat. Es obliegt nun zunächst dem Antragsteller,
darzulegen und nachzuweisen, welche Kosten ihm entstanden sind und dass sich der Antragsgegner weigert, die
Entscheidung des SG auszuführen bzw. umzusetzen. Da dies bislang nicht geschehen ist, fehlt es für den Erlass
einer einstweiligen Anordnung an einem Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit ist die Beschwerde bereits unzulässig.
Soweit der Kläger die Übernahme der Beiträge für eine Haftpflicht- und Hausratversicherung verlangt, ist die
Beschwerde unbegründet. Insoweit fehlt es nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage an einem
Anordnungsanspruch. Solche Versicherungsbeiträge gehören nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des
§ 20 Abs. 1 SGB II (so zu § 12 BSHG VG Frankfurt Urteil vom 23.07.2002 - 8 E 2017/02 - NJW 2003, 842). Es trifft
auch nicht zu, dass diese Beiträge dem Antragsteller früher vom Sozialamt gezahlt worden sind. Diese Beiträge
wurden lediglich von dem damals noch vorhandenen und zu berücksichtigenden Einkommen nach § 76 Abs. 2 Nr. 3
BSHG abgesetzt, aber nicht als Sozialhilfeleistungen dem Antragsteller ausgezahlt. Es ist auch unter Geltung des
SGB II nicht dasselbe, ob ein einkommensloser Hilfeempfänger Anspruch auf eine Versicherung mit Mitteln der
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben soll, oder ob dem Bezieher eines Einkommens gestattet wird,
einen Teil seiner Einkünfte für Vorsorgemaßnahmen zu verwenden, ohne dadurch den Anspruch auf Hilfe zu verlieren
(so zutreffend VG Frankfurt aaO). Soweit die Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge bei der Berechnung des
einzusetzenden Einkommens Einkommensbezieher im Vergleich zu einkommenslosen Leistungsempfängern
begünstigt, liegt darin keine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung. Denn die unterschiedlichen
Rechtsfolgen sind durch unterschiedliche Voraussetzungen (vorhandenes bzw. fehlendes Einkommen) bedingt
(BVerwG Urteil vom 28.05.2003 -5 C 8/02 - NJW 2004, 87,88).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar.