Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 27.03.2003

LSG Bwb: berufliche tätigkeit, kausalität, merkblatt, arthrose, berufskrankheit, auskunft, anerkennung, wissenschaft, entschädigung, sektion

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 27.03.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Stuttgart S 9 U 5213/99
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 7 U 4004/00
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2000 aufgehoben und die
Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu er-statten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger an einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 2103 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) - Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder
gleichartig wirkenden Werkzeu-gen oder Maschinen - leidet.
Der 1934 geborene Kläger war als Lehrling, Arbeitnehmer und Gesellschafter von 1950 bis 31.12.1988 bei der Firma
E. und D. in S. als Metallgravierer beschäftigt. Anschlie-ßend war er bis 1995 als Selbstständiger tätig. Seitdem
bezieht er Berufsunfähigkeits-renten von der A. und von der LVA Württemberg (Bescheid vom 20.10.1995).
Am 31.05.1995 wies er die Beklagte auf seine Beschwerden an den Händen und der Halswirbelsäule hin. Die Beklagte
veranlasste daraufhin u. a. eine Begutachtung durch Prof. Dr. R., Chirurg in S ... Der Gutachter führte unter dem
07.06.1996 aus, der Kläger leide an einer Rhizarthrose beider Daumen, einer Arthrose der angrenzenden Metacar-po-
carpal-Gelenke mit funktioneller Einschränkung und Herabsetzung der groben Kraft sowie an rezidivierenden
Reizzuständen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Die berufliche Tätigkeit sei nach Anamnese und den
durchgeführten Erhebungen alleinige Ursache dieser Befunde. Bei früher ausgeführten ganztägigen Arbeiten an der
Gravier-maschine oder Kopierfräsmaschine sowie bei nachfolgender Handarbeit sei eine erheb-liche Kraftaufwendung
im Festhalten der Gegenstände erforderlich gewesen. Zu disku-tieren seien die BKn der Nrn. 2103 und 2104
(Vibrationsbedingte Durchblutungsstörun-gen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen
haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursäch-lich waren oder
sein können). Beides sei in der Beschreibung nicht eindeutig tätigkeits-bezogen. Für Pressluftschäden fehle eigentlich
der typische Vorgang, während für Vib-rationsschäden der Arbeitsvorgang zumindest teilweise zutreffe, sich aber die
Klinik hierzu nicht eindeutig darstelle. Somit sei die Betonung doch mehr auf die BK Nr. 2103 zu legen, da
Gelenkveränderungen (Arthrose) nachweisbar seien und entsprechende subjektive Beschwerden und funktionelle
Ausfälle auslösten. Nach den jetzt vorliegen-den Befunden sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20
vom Hundert (v. H.) anzunehmen. Hierzu forderte die Staatliche Gewerbeärztin Dr. G. in ihrem Gutachten vom
09.08.1996 eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) zur Frage, ob die haf-tungsbegründende
Kausalität für eine BK der Nr. 2103 gegeben sei. Nach Anhörung des Klägers führte TAB Dr. S. in seiner
Stellungnahme vom 23.10.1996 abschließend aus, aufgrund der hohen Anpresskraft der rechten Hand um den
Führungsbolzen des Pantographen über einen langen Zeitraum von täglich sechs und mehr Stunden sei es zu einer
Krampfhaltung gekommen, die wohl zwangsläufig eine Durchblutungsstörung in der rechten Hand zur Folge haben
müsse. Diese Tätigkeit sei über Jahrzehnte hin-weg ausgeführt worden. Als gesundheitlich ebenfalls kritisch sei die
gebückte Arbeits-haltung zu bewerten, die bei Arbeiten an den Maschinen eingenommen werden müsse. Daraufhin
schlug Dr. G. unter dem 19.11.1996 die Anerkennung einer BK der Nr. 2103 mit einer MdE um 20 v. H. vor. In ihrem
weiteren Schreiben vom 19.11.1996 hielt sie alternativ die Diskussion einer BK nach § 551 Abs. 2
Reichsversicherungsordnung (RVO) für erforderlich, nachdem sowohl der Gutachter als auch der TAB zu der Auffas-
sung gelangt seien, dass die Erkrankung berufsbedingt sei. Daraufhin holte die Beklagte die weitere Stellungnahme
ihres Technischen Aufsichts-dienstes (TAD) vom 31.07.1997 ein, in der es hieß, der Kläger habe Jahrzehnte an ei-ner
Kopierfräsmaschine und einer Graviermaschine gearbeitet. Nach den Messungen des BIA (=
Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit in St. Augustin) wirkten diese gleichartig wie
Pressluftwerkzeuge im Sinne der BK Nr. 2103. Die arbeits-technischen Voraussetzungen hätten aber selbst bei einer
Tätigkeit von acht Stunden täglich an der am stärksten vibrierenden Maschine, der Kopierfräsmaschine, nicht er-
bracht werden können. Die Vibrationsbelastung beziehe sich auf den Tag, nicht auf die Lebensarbeitszeit (Gegensatz
zu Belastungsdosis bei Wirbelsäulenerkrankungen). Der Beurteilungs-Schwingstärke-Grenzwert Kr = 16,2 gelte
sowohl für Hand-Arm-Vibrationen als auch für Ganzkörpervibrationen. Werde die Beurteilungs-Schwingstärke Kr =
16,2 nicht überschritten (hier: 6,1), sei im allgemeinen mit bleibenden Gesund-heitsschäden nicht zu rechnen. Dem
lag ein Bericht über die Arbeitsplatzanalyse vom 21.07.1997 zu Grunde, an der sich der Kläger, eine Versuchsperson,
TAB Dr. S. sowie Mitarbeiter des BIA K. (Messingenieur) und S. (Messtechniker) beteiligt hatten. Darauf-hin revidierte
Dr. G. in ihrem Schreiben vom 29.08.1997 ihre gewerbeärztliche Beurtei-lung vom 19.11.1996 und schlug mangels
haftungsbegründender Kausalität keine BK zur Anerkennung vor. Demgegenüber führte Prof. Dr. R. in seinem
Schreiben vom 14.10.1997 aus, die Vibra-tionsanalyse bei den verschiedenen Verfahren sei beim Gravieren eines
Messingschil-des gewonnen worden. Der Kläger habe aber bei Erhebung der Anamnese darauf hin-gewiesen, dass
zunehmend von Messing bis zu Stahl beim Gravieren eine zunehmen-de Kraftanwendung notwendig sei. Auf diesem
Gebiet seien umfassende Erkenntnisse derzeit noch nicht gegeben, wahrscheinlich auch begründet durch die relativ
geringe Anzahl der zur Begutachtung anstehenden Verläufe. Es wäre wohl so, dass ein Arbei-ter, der über zwei Jahre
über der angegebenen Richtzahl liege, durchaus die Anerken-nung einer BK der Nr. 2103 erhalten könne, während der
über einen großen Zeitraum Arbeitende damit praktisch leer ausgehe. Dies sei ihm aus medizinischen Gründen nicht
einleuchtend. Er würde deshalb doch bejahen, dass Entschädigungsansprüche nach § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs.
2 Sozialgesetzbuch (SGB VII) bestünden, da nach dem klinischen und röntgenologischen Bild auch weiterhin von
einer beruflichen Verursa-chung des Krankheitsbildes ausgegangen werden müsse. Hierzu teilte der Hauptverband der
gewerblichen Berufsgenossenschaften auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 17.12.1997 mit, dass hier zwar
eine ganze Reihe von Fingergelenksarthrosen, Rhizarthrosen, Daumensattelgelenksarthrosen u. ä. gemeldet seien,
die auf die unterschiedlichsten Einwirkungen und Tätigkeiten zurückgeführt wür-den. Anerkennungen im Rahmen des
§ 9 Abs. 2 SGB VII seien jedoch bisher nicht er-folgt. Nach Kenntnisstand des Verbandes habe sich der Ärztliche
Sachverständigenbei-rat, Sektion "Berufskrankheiten" bisher nicht mit der Frage befasst, ob bestimmte Per-
sonengruppen durch ihre berufliche Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung der Gefahr
ausgesetzt seien, an Rhizarthrosen u. ä. zu erkranken. Eine Prüfung dieser Fallgestaltung sei derzeitigem
Kenntnisstand nach vom Sachverständi-genbeirat auch nicht beabsichtigt.
Mit Bescheid vom 24.11.1998 verneinte die Beklagte das Vorliegen einer BK nach § 9 SGB VII, die Erkrankungen
könnten auch nicht nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK als Versicherungsfall anerkannt werden. Dabei wurden
hinsichtlich einer BK der Nr. 2103 das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen verneint, bezüglich von BKn
der Nrn. 2101 und 2104 wurden entsprechende Krankheitsbilder verneint. Eine Anerken-nung nach § 9 Abs. 2 SGB VII
wurde mangels gesicherter medizinisch-wissenschaft-licher Erkenntnisse abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers
blieb erfolglos (Wider-spruchsbescheid vom 31.08.1999). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 08.09.1999
Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG holte von Amts wegen von Prof. Dr. K., Leiter des Instituts für
Arbeits- und Sozialmedizin an der Universität M., das zusammen mit Prof. Dr. D. erstat-tete Gutachten vom
06.12.1999 ein. Darin wurde das Vorliegen von Berufskrankheiten der Nrn. 2101, 2103 und 2104 verneint. Der Kläger
leide nicht an Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansät-
ze. Die berufliche Tätigkeit sei auch nicht durch hohe Schwingungs-belastungen ge-kennzeichnet gewesen, auch
entsprächen die Erkrankungen des Klägers nicht den Symptomen und Merkmalen einer BK der Nr. 2103. Bezüglich
einer BK der Nr. 2104 fehlten sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen. Aufgrund
der Auskunft des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften lägen auch die Voraussetzungen für
eine Leistung nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht vor. Am 27.03.2000 wurde von Dr.-Ing. R. vom Ingenieurbüro für
Ergonomie in F. (ibe) eine Arbeitsplatzanalyse durchgeführt, an der Dr.-Biol. H., der Kläger sowie der zuständige
Sachbearbeiter der Beklagten und der TAB Dr. S. mitwirkten. In deren Auswertung führ-ten Prof. Dr. K./Prof. Dr. D.
unter dem 04.05.2000 aus, auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers erhöhe sich die vom IBA ermittelte
Beurteilungs-Schwingstärke nur geringfügig auf Kr = 7. Dieser Belastungskennwert liege weit unterhalb der Gefähr-
dungsbereiche für die BK-Nrn. 2103 und 2104. Als Folge der ungesunden Haltung komme es zu muskulären
Verspannungen und Ermüdungen vorwiegend der großen Muskelgruppen. Folgen solcher aus ergonomischer Sicht
ungünstiger Körperhaltung könnten sich jedoch nicht in den medizinischen Merkmalen der BK-Nrn. 2101, 2103 und
2104 äußern.
Unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilte das SG den Beklagten durch Urteil vom 25.07.2000, dem
Kläger unter Anerkennung einer Rhizarthrose beider Dau-men (rechts mehr als links), einer Arthrose der angrenzenden
Metacarpo-carpal-Gelenke mit funktioneller Einschränkung (links mehr als rechts) und einer Herabsetzung der groben
Kraft als Berufskrankheit nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKVO ab 01.05.1995 eine Erkrankungsrente unter
Zugrundelegung einer MdE in Höhe von 20 v. H. zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem
maßgeblichen Merkblatt zur BK Nr. 2103 kämen die dort zu entschädigenden Erkrankungen bei Arbeiten mit
bestimmten Werkzeugen oder Maschinen vor, die rhythmische Rückstoßerschütterun-gen oder schnelle Vibrationen
bei haltenden oder stützenden Körperteilen bewirkten. Daher sei davon auszugehen, dass die BK nach Nr. 2103 nicht
auf erschütterungsbe-dingte Erkrankungen beschränkt sei, sondern auch vibrationsbedingte Erkrankungen erfasse.
Dabei komme es nicht darauf an, welche Schlagzahlen von den einzelnen Ma-schinen ausgehen, sondern darauf, wie
sich die von den Maschinen ausgehenden Er-schütterungen bzw. Vibrationen an den einzelnen Körperteilen
auswirkten. So könne durchaus eine niedrigere Schlagzahl an einem größeren Körperteil (beispielsweise am
Ellenbogengelenk oder Schultergelenk) zu einer höheren Vibration führen als eine hö-here Schlagzahl an einem
kleinen Körperteil (z. B. am Daumengelenk). Dieses physika-lische Phänomen sei bei der Anwendung der einzelnen
BKn auf den jeweils zu ent-schädigenden Einzelfall zu berücksichtigen. Damit werde klar, dass im vorliegenden Fall
auch die relativ hohe Schlagzahl in Höhe von 100 bis 150 Hz in der Lage gewesen sei, die beim Kläger vorhandenen
Erkrankungen am Daumengelenk zu verursachen. Wie dem Gutachten von Prof. Dr. R. zu entnehmen sei, sei auch
die haftungsausfüllen-de Kausalität gegeben.
Gegen das am 12.09.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.10.2000 Berufung eingelegt mit der Begründung,
das vom SG eingeholte Sachverständigengutachten komme nach ausführlicher Begründung gerade zu der
Feststellung, dass die Tätigkeit des Klägers nicht geeignet gewesen sei, eine BK der Nr. 2103 zu verursachen. Das
Merkblatt zu BK Nr. 2103, auf das sich das SG stützte, habe keinen normativen Charak-ter und entspreche,
veröffentlicht 1963, nicht mehr dem heutigen Stand der medizini-schen Wissenschaft. Insoweit sei Prof. Dr. D. in der
Zeitschrift ASU (33/1998) zum Er-gebnis gelangt, dass es gerade nicht die hohen Frequenzen seien, die eine
Gefährdung im Sinne vorzeitiger degenerativer Veränderungen darstellten, sondern vielmehr vor-rangig die tiefen
Frequenzen (8 bis 50 Hz). Insoweit hätten die Untersuchungen des IBA ergeben, dass die tiefsten Frequenzen im
Falle des Klägers bei ca. 100 bis 150 Hz lä-gen. Auch lasse das SG den ermittelten Kr-Wert von 7 unberücksichtigt
(vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16.12.1998 - L 2 U 984/96). Bislang seien auch nur Er-krankungen der
Ellenbogengelenke und der Schulter-Arm-Gelenke bekannt geworden. Wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich
Fingergelenksarthrosen und Rhizarthrosen lägen nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.07.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist hierzu auf die angefochtene Entscheidung und beantragt gegebenenfalls die Einnahme eines
Augenscheins in seiner Werkstatt sowie eine Vernehmung des Gutachters Prof. Dr. R., der sich als einziger
Sachverständiger vor Ort über seine Tätig-keit vergewissert habe. Nicht verwertbar sei das Gutachten von Prof. Dr.
K., da sich dieser ohne verständlichen Grund geweigert habe, seine Arbeit in Augenschein zu nehmen.
Der Senat hat vom Bundesministerium für Arbeit- und Sozialordnung/Sektion "Berufs-krankheiten" die Auskunft vom
08.03.2001 eingeholt. Darin heißt es, das Merkblatt zur Erkrankung Nr. 2103 werde zur Zeit überarbeitet. Soweit
hierzu neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gegenüber dem Stand von 1963 vorliegen würden, würden
diese in das Merkblatt eingearbeitet. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlos-sen. Ein Abschlusstermin könne nicht
genannt werden. Laut der vom Berichterstatter am 18.03.2003 ergänzend eingeholten telefonischen Auskunft ist das
Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Dem Vorschlag der Beklagten, das Verfahren solange ruhen zu lassen, ist
der Kläger entgegengetreten. Er hat ergänzend vorgetragen, die Kraft der Hand am Gravierge-genstand und die
Andruckkraft seien bisher nicht gemessen worden. Das Gutachten von Prof. Dr. K. sei wegen schwerer Mängel
unbrauchbar. Gem. § 109 SGG werde be-antragt seine behandelnden Ärzte Dr. F.-O., S., Dr. B., F., und Prof. Dr. R.
zu hören.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungs-ausschließungsgründe gem. §
144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, denn die angefochtenen Bescheide, mit denen sie es abgelehnt hat,
beim Kläger im Bereich der Hände bestehende Gesund-heitsstörungen als Folge einer BK anzuerkennen und zu
entschädigen bzw. wie eine BK zu entschädigen sind rechtmäßig. Das angefochtene Urteil des SG war daher auf-
zuheben und die Klage abzuweisen.
Das SG hat in seinem angefochtenen Urteil die Rechtsgrundlagen für die Feststellung einer BK nach den Vorschriften
der RVO zutreffend dargelegt. Hierauf nimmt der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Danach setzt die Feststellung
einer BK grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzun-gen
gegeben sind, d. h., dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKVO
ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen ent-sprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen
(haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung
und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheits-bild vorliegen und dieses
muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesent-lich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende
berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität).
Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass nicht jede durch eine berufliche Tätigkeit verur-sachte Erkrankung als BK
anzuerkennen ist. Vielmehr muss es sich um (definierte) Tä-tigkeiten handeln, die eine Intensität erreichen, die
generell geeignet ist, ein entspre-chendes (definiertes) Krankheitsbild zu verursachen. Zudem muss - im Einzelfall -
die relevante berufliche Tätigkeit ein entsprechendes Krankheitsbild verursacht haben. Zu-mindest am letzterem fehlt
es im vorliegenden Fall.
Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. in des-sen Gutachten vom
06.12.1999. Eine BK der Nr. 2103 betrifft nämlich die vorzeitige Ab-nützung der Ellenbogen-, Schultereck- und
Unterarmdrehgelenke. Dies entspricht der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung, auf die immer
abzustellen ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin (S/M/V), Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, 1998, S.
1140; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Februar 2002, M 2103, S. 5). Erkenntnisse
darüber, dass entsprechende berufli-che Belastungen auch geeignet sind, Rhizarthrosen der Daumen und Arthrosen
der angrenzenden Metacarpo-carpal-Gelenke zu verursachen, gibt es nach dem derzeitigen Stand der herrschenden
medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht, wie Prof. Dr. K./Prof. Dr. D., anerkannte Sachverständige auf dem
Gebiet der BK Nr. 2103, dar-gelegt haben. Dies sieht offensichtlich Prof. Dr. R. auch so, denn er hat in seiner Gut-
achtensergänzung vom 14.10.1997 ausgeführt, dass auf diesem Gebiet umfassende Erkenntnisse derzeit noch nicht
gegeben seien, und deshalb eine Entschädigung - au-ßerhalb der BK-Liste - nach § 551 Abs. 2 RVO vorgeschlagen.
Insbesondere fehlt es im vorliegenden Fall jedoch an den arbeitstechnischen Voraus-setzungen. Die vom Kläger
verrichtete Tätigkeit war schon generell nicht geeignet, eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2103 zu verursachen.
Wie der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 31.07.1997 für den Senat nachvollziehbar und überzeugend
dargelegt hat, liegt der Richtwert für die tägliche Beurteilungs-Schwingstärke Kr, ab dem eine Gesundheitsgefährdung
anzunehmen ist, bei 16,2 (s. auch Urteil des 2. Se-nats des LSG vom 16.12.1998 - L 2 U 984/98). Nach der am
08.07.1997 im Beisein des Klägers von dem BIA durchgeführte Arbeitsplatz-Vibrationsanalyse liegt die Beurtei-lungs-
Schwingstärke Kr aber maximal bei 10, also weit unter 16,2. Gegen die zugrundeliegende Berechnung kann nicht
eingewandt werden, wie Prof. Dr. R. dies getan hat, dass bei der Vibrationsanalyse an der Graviermaschine beim
Gravie-ren eines Messingschildes gemessen worden ist und nicht beim Gravieren eines Stahls, wie dies der Kläger
angegeben habe. Die Vibrationsanalyse für die wesentlich stärker belastende Kopierfräsmaschine wurde nämlich mit
einer Pressform aus Werkzeugstahl durchgeführt. Die dabei bewertete Schwingstärke Keq ergab einen Höchstwert
von 7,9 +/- 2,0. Für die Graviermaschine hingegen wurde ein Höchstwert von 4,9 +/- 0,82 ermit-telt. Selbst wenn man
nun davon ausgeht, dass der Kläger acht Stunden täglich - und nicht nur wie angegeben vier Stunden - an der
Kopierfräsmaschine gearbeitet hat bei einer Schwingungsstärke von 7,9 +/- 2, ergibt dies nach den Berechnungen des
TAD der Beklagten im Bericht vom 31.07.1997 die Beurteilungs-Schwingstärke von Kr = 10. Anhaltspunkte dafür,
dass die Berechnung fehlerhaft ist, liegen nicht vor.
Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen Prof. Dr. K./Prof. Dr. D. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 04.05.2000,
die auf der Arbeitsplatzanalyse vom 27.03.2000 be-ruht. Darin weist der Sachverständige zunächst darauf hin, dass
es zutreffe, dass eine zunehmende Ankoppelung der Hand an einem vibrierenden Griff auch zu einer Zunah-me der
Übertragung der Schwingungsenergie auf das Hand-Arm-System führe (damit ist der Vorwurf des Klägers im
Schriftsatz vom 15.06.2001, der Sachverständige be-rücksichtige seine eigenen Ausführungen nicht, widerlegt).
Zutreffend ist zwar, dass der Sachverständige die Greifkraft der Hand am Graviergegenstand und die Andruckskraft
nicht gemessen, sondern sich hierbei auf Werte der DIN-Norm V 45679 gestützt hat mit Ankopplungskräften zwischen
80 bis 200 Newton (= 1 kg x m x s-2). Demgegenüber wurde vom ibe beim Schruppen an der Kopierfräsmaschine ein
Andruck von max. 50 N ermittelt. Ausgehend von seinen wesentlich höheren Werten hat Prof. Dr. Konietzko unter
Berücksichtigung des von TAD ermittelten Wertes der - durchschnittlichen - Beur-teilungs-Schwingstärke von 6,1
einen solchen von Kr = 7 ermittelt. Damit wird der erfor-derliche Grenzwert von Kr = 16,2 nicht überschritten bzw. bei
weitem nicht erreicht.
Im übrigen hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 06.12.1999 auch darauf
hingewiesen, dass die vom BIA erstellten Frequenzanalysen ergeben hätten, dass es sich bei der
Schwingungsbelastung um Frequenzen handle, deren tiefste Frequenzspitze bei etwa 100 bis 150 Hz liege. Solche
Frequenzen seien nicht geeignet, eine BK der Nr. 2103 zu verursachen. Dies entspricht der herrschenden
medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung (vergl. S/M/V aaO: Schwingungen bis 50 Hz).
Neue medizinische Erkenntnisse, die eine Entschädigung wie eine BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO ermöglichten, liegen
derzeit nicht vor.
Im Hinblick auf die Verneinung der arbeitstechnischen Voraussetzungen bedurfte es keiner weiteren Beweiserhebung
zum medizinischen Sachverhalt.
Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.