Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.07.2010

LSG Baden-Württemberg: ärztliche behandlung, krankenkasse, versorgung, vergütung, psychisch kranker, leistungsanspruch, ermächtigung, bestandteil, feststellungsklage, konkretes rechtsverhältnis

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 20.7.2010, L 11 KR 1960/09
Krankenversicherung - häusliche Krankenpflege - Vergütungsanspruch des Leistungserbringers - eigenständiger vom Leistungsanspruch
des Versicherten unabhängiger Anspruch - Anspruch auf häusliche Krankenpflege umfasst auch Medikamentengabe sowie Kontrolle von
Wirkungen und Nebenwirkungen - Verordnungsberechtigung von Ärzten einer Psychiatrischen Institutsambulanz - vorherige Beantragung der
Leistungen durch Versicherten und vorherige Bewilligung durch Krankenkasse - Leistungsverweigerung durch Krankenkasse gegenüber
Leistungserbringer - keine Leistungsablehnung - Zulässigkeit der Feststellungsklage
Leitsätze
1. Der Vergütungsanspruch der Erbringer von Leistungen der häuslichen Krankenpflege ist ein vom Leistungsanspruch des Versicherten
unabhängiger eigenständiger Anspruch. Er korrespondiert idR mit dem Leistungsanspruch der Versicherten, kann aber unter besonderen
Umständen auch ohne einen solchen Leistungsanspruch bestehen oder trotz Bestehens eines Leistungsanspruchs nicht gegeben sein.
2. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege kann auch die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von
Medikamenten umfassen.
3. Auch die Ärzte einer Psychiatrischen Institutsambulanz sind berechtigt, im Einzelfall häusliche Krankenpflege zu verordnen.
4. Leistungen der häuslichen Krankenpflege bedürfen grundsätzlich der vorherigen Beantragung durch den Versicherten und der vorherigen
Bewilligung gegenüber dem Versicherten durch die zuständige Krankenkasse.
5. Verweigert die Krankenkasse die Bezahlung der (verordneten und erbrachten) Leistungen gegenüber dem Erbringer von Leistungen der
häuslichen Krankenpflege, weil sie der Ansicht ist, dass diese Leistungen im Leistungsspektrum der Institutsambulanz bereits enthalten sind, liegt
darin keine Leistungsablehnung, die der
Leistungserbringer gegen sich gelten lassen müsste.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 90.619,66 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung von ärztlich verordneten Leistungen häuslicher Krankenpflege (hier:
Medikamentengabe) streitig, die ihr Psychiatrischer Pflegedienst („Ambulante Psychiatrische Pflege“; APP) Patienten ihrer psychiatrischen
Institutsambulanz (PIA), die bei der Beklagten krankenversichert sind, erbracht hat und erbringt.
2
Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt neben einem in den Krankenhausplan des Landes B.-W. aufgenommenen
psychiatrischen Fachkrankenhaus eine PIA sowie den - ohne eigene Rechtspersönlichkeit - bei den Krankenkassen zugelassenen APP. Die
Ermächtigung zur Erbringung ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung von Versicherten basiert auf den Beschlüssen
des Zulassungsausschusses vom 18. Dezember 2001 und des Berufungsausschusses bei der Kassenärztlichen Vereinigung S. vom 24.
November 2004. Gemäß Ziff I des Beschlusses des Zulassungsausschusses umfasst die Ermächtigung neben der Durchführung psychiatrischer
und psychotherapeutischer Leistungen bei Patienten, die sich nicht in der Behandlung bei einem niedergelassenen oder zur vertragsärztlichen
Tätigkeit zugelassenen Psychiater oder Nervenarzt befinden ua auch Hausbesuche im Sinne der aufsuchenden Hilfe. In der Entscheidung des
Berufungsausschusses wurde der Ermächtigungsumfang in Anlehnung an die auf Bundesebene unter dem Datum vom 14. Februar 2001
geschlossene Vereinbarung nach § 118 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dahingehend konkretisiert, dass Ziel der Behandlung
sein müsse, Krankenhausaufnahmen zu vermeiden oder stationäre Behandlungszeiten zu verkürzen. Die Vereinbarung nach § 118 Abs 2 SGB
V vom 14. Februar 2001 wurde ua vom Bundesverband der Beklagten und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung beschlossen. Hierin wird in § 1 (Ziele) geregelt, dass die PIA’s einen spezifischen Versorgungsauftrag erfüllen, nämlich
speziell für Kranke, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung eines solchen besonderen, krankenhausnahen Versorgungsangebotes
bedürfen. Es sei nicht Ziel der Ermächtigung von PIA’s, neben ambulanter außerklinischer Versorgung zusätzliche Angebote im Sinne von
Doppelstrukturen aufzubauen. § 3 (Patientengruppen) regelt, dass der Behandlung in einer PIA Personen bedürfen, bei denen einerseits in der
Regel langfristige, kontinuierliche Behandlung medizinisch notwendig ist und andererseits mangelndes Krankheitsgefühl und/oder mangelnde
Krankheitseinsicht und/oder mangelnde Impulskontrolle der Wahrnehmung dieser kontinuierlichen Behandlung entgegenstehen. Nach § 5
(Leistungsinhalte) umfasst das Leistungsangebot der PIA eine Komplexleistung mit dem gesamten Spektrum psychiatrisch-
psychotherapeutischer Diagnostik und Therapie. Dazu gehören insbesondere die psychopathologische Befunderhebung, psychologische
Diagnostik (Psychometrie), Psychopharmakotherapie, das Instrumentarium der sozialtherapeutischen einschließlich der nachgehenden
Behandlung sowie die Psychoedukation in indikativen Gruppen unter Einbezug der Angehörigen der Kranken- und der Psychotherapie
entsprechend der Psychotherapie-Richtlinien.
3
Die Vergütung von Leistungen der PIA wurde mit Beschluss der Schiedsstelle zur Festsetzung der Krankenhauspflegesätze für B.-W. bei der B.-
W. Krankenhausgesellschaft eV vom 14. März 2002 festgesetzt. Die Höhe der Entgelte sollte demnach für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31.
Dezember 2002 im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie je Fall und Quartal 270,-- EUR und im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie 405,--
EUR betragen. Die Vergütung für die erstmalige und einmalige Untersuchung im Quartal wurde auf einen Betrag in Höhe von 70,-- EUR
festgesetzt. Die Schiedsstelle hob in ihrem Beschluss hervor, dass sie keinen Anlass sehe, besondere Beträge für Hausbesuche,
Nachtbereitschaft und Großgeräteleistungen festzusetzen. Diese Leistungen seien in den festgesetzten Pauschalen berücksichtigt. Im Hinblick
auf die Vergütung von PIA’s an Krankenhäusern hat die Beklagte mit der B.-W.Krankenhausgesellschaft eV, die auch die Klägerin vertritt, gemäß
§ 120 Abs 2 SGB V am 15. August 2002 auf Landesebene einen Rahmenvertrag geschlossen. In § 3 Ziff 3 wird hinsichtlich der Leistungsinhalte
der PIA auf § 5 der Bundesvereinbarung vom 14. Februar 2001 Bezug genommen und in § 4 (Verhältnis zu anderen Leistungsbereichen)
geregelt, dass Leistungen der Soziotherapie gemäß § 37a SGB V nicht zum Leistungsumfang der PIA gehören. Unter dem 25. November 2003
hat die Beklagte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden einheitlich als Klägerin bezeichnet) eine Vereinbarung gemäß § 120 Abs
2 SGB V geschlossen, wonach mit den Vergütungen sämtliche Aufwendungen abgegolten seien, die sich aus der beratenden, therapeutischen
und pflegerischen Tätigkeit einschließlich notwendiger Großgeräteleistungen, Hausbesuche, therapeutischer Hilfeleistung bei Maßnahmen zur
Wiedereingliederung sowie des Sprechstundenbedarfes ergeben (Ziff 2 der Vereinbarung). Die PIA erhalte für ihre Leistungen gemäß § 5 des
Bundesvertrages vom 14. Februar 2001 für Leistungen der PIA 270,-- EUR im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie, 405,-- EUR im Bereich der
Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie 70,-- EUR für die erstmalige und einmalige Untersuchung (Ziff 6 der Vereinbarung).
4
Neben stationären psychiatrischen Leistungen und Leistungen der PIA erbringt die Klägerin auch Leistungen im Bereich der häuslichen
Krankenpflege durch ihren APP. Hierzu hat sie mit der Beklagten unter dem Datum vom 29. Januar 1996 einen Vertrag nach § 132 SGB V (alter
Fassung [aF]) über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, Haushaltshilfe und häuslicher Pflegehilfe geschlossen. Gemäß Ziff 2 der
Vereinbarung (Inhalt der Dienstleistung) gehören zur Behandlungspflege ua auch die Medikamentenüberwachung und -verabreichung. Nach §
4 der Vereinbarung (Umfang und Dauer) werden die Dienstleistungen nach diesem Vertrag grundsätzlich vor der Erbringung bei der
Krankenkasse beantragt. Eine ärztliche Verordnung ist beizufügen. Die Vergütung richtet sich nach der geltenden Preisvereinbarung (Anl 1 zur
Vereinbarung vom 29. Januar 1996).
5
Unter dem 14. Juni 2004 wurde zwischen der B.-W. Krankenhausgesellschaft - auch im Namen und in Vollmacht der Klägerin - und der
Beklagten hierzu eine Ergänzungsvereinbarung für ambulante psychiatrische Pflegedienste geschlossen. Gemäß Ziff 1 der Vereinbarung zählt
zur Behandlungspflege nach § 37 Abs 1 und 2 SGB V auch die Medikamentenüberwachung/-verabreichung. Des Weiteren wurden die Preise für
die Behandlungs- und Grundpflege sowie für die hauswirtschaftliche Versorgung festgesetzt.
6
Unter dem 11. Oktober 2005 wurde zwischen der B.-W. Krankenhausgesellschaft - wiederum im Namen und in Vollmacht der Klägerin - und der
Beklagten eine weitere Vereinbarung nach § 132a SGB V über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege geschlossen. Nach Ziff 4 der
Vereinbarung setzt die Abgabe der Leistung grundsätzlich das Ausstellen des ärztlichen Verordnungsscheins durch den Vertragsarzt des
Fachgebietes und eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse voraus. Die zuständige Krankenkasse übernimmt danach bis zur
Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Leistungserbringer erbrachten Leistungen
entsprechend der vereinbarten Vergütung, wenn die Verordnung spätestens am dritten der Ausstellung folgenden Werktag bei der
Krankenkasse vorliegt.
7
Unter dem 18. Januar 2006 hat die Klägerin mit der Beklagten einen Ergänzungsvertrag über die Versorgung mit häuslicher psychiatrischer
Krankenpflege zum Rahmenvertrag nach § 132a SGB V über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege geschlossen. In § 5 dieser
Vereinbarung (Leistungsgrundlagen) wird geregelt, dass die vertragsärztliche Verordnung für Leistungen der häuslichen psychiatrischen
Krankenpflege vor dem Tätigwerden des Pflegedienstes der Krankenkasse zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen ist. Die Krankenkasse
übernehme vom ärztlich festgelegten Leistungsbeginn an bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt
verordneten verordnungsfähigen und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen, wenn die ordnungsgemäß ausgefüllte Verordnung spätestens
am dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorliege (vorläufige Kostenzusage). Dieser Vertrag trat rückwirkend zum 1.
Dezember 2005 in Kraft (§ 42 der Vereinbarung). In der Anlage zu diesem Ergänzungsvertrag wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten
eine Preisvereinbarung unter dem 18. Januar 2006 geschlossen, wonach folgende Preise vereinbart sind: Preis pro Patientenkontakt im
Rahmen der Erstversorgung, wenn eine ausreichende Behandlungsfähigkeit gegeben ist: 19,50 EUR; Preis pro Patientenkontakt im Rahmen der
Erstverordnung, wenn unklar ist, ob eine ausreichende Behandlungsfähigkeit gegeben ist: 28,50 EUR; Preis pro Patientenkontakt im Rahmen
der Folgeverordnung: 19,50 EUR.
8
Im Auftrag der Beklagten erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK), Dr. L.-M., das Gutachten vom 18. Oktober
2005 im Hinblick auf die Frage, ob die Behandlung mittels häuslicher Krankenpflege neben einer Behandlung in einer PIA möglich sei. Der
Gutachter vertrat im Hinblick auf die dortige Versicherte, die an einer paranoiden Schizophrenie litt, die Auffassung, Aufgabe der PIA sei die
Komplexbehandlung psychisch Kranker. Behandlungsziel sei es, Krankenhausbehandlung zu vermeiden oder zu verkürzen. Die beantragte
häusliche Krankenpflege sei in dem Leistungsspektrum der Institutsambulanz enthalten. Häusliche Krankenpflege sei mithin Bestandteil einer
psychiatrischen Komplexbehandlung, die von einer Institutsambulanz erbracht werden müsse. Es bestehe daher im konkreten Fall keine weitere
Notwendigkeit einer häuslichen Krankenpflege neben der Behandlung in einer PIA.
9
Mit Schreiben vom 21. November 2005 teilte die Beklagte daraufhin der Klägerin mit, bei Erbringung und Vergütung von Leistungen der
häuslichen Krankenpflege neben den Leistungen der PIA läge eine Doppelversorgung im Sinne einer Leistungskonkurrenz vor, da es sich beim
Angebot der PIA um eine Komplexleistung handle. Deshalb müssten alle derzeit vorliegenden Verordnungen über häusliche Krankenpflege
abgelehnt werden, da es sich um keine Leistungen nach § 37 SGB V handle. Sofern die PIA die Medikamentenversorgungen nicht
eigenorganisiert erbringen könne, bestehe die Möglichkeit, dies in einer internen Kooperation mit dem Pflegedienst oder Dritten sicherzustellen.
Die dafür entstehenden Kosten seien aus der PIA-Vergütung zu finanzieren. Alle bisher eingereichten und bezahlten
Verordnungen/Rechnungen über häusliche Krankenpflege, die für Patienten mit gleichzeitiger PIA-Versorgung ausgestellt worden seien, würden
rückwirkend abgelehnt. Die dafür zu Unrecht bezahlten Abrechnungen würden zurückgefordert bzw verrechnet werden. Zukünftige
Verordnungen über häusliche Krankenpflege müssten unbedingt eine Begleitinformation enthalten, ob der betreffende Patient eine zeitgleich
laufende PIA-Versorgung erhalte oder nicht. Fehle diese Information, sei der Antrag auf die häusliche Krankenpflege nicht vollständig und
bewirke somit keine Kostengarantie bei einer Leistungserbringung ohne Genehmigung. Mit Schreiben vom 27. Januar 2006 bekräftigte die
Beklagte ihren Standpunkt, wonach eine PIA-Behandlung die zeitgleiche Versorgung über häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V
grundsätzlich ausschließe. Eine Genehmigung bzw Bezahlung der bislang abgelehnten Verordnungen scheide deshalb bis zu einer endgültigen
Klärung weiter aus. Die Rückforderung der in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen in der häuslichen Krankenpflege werde grundsätzlich
offengelassen. Weitere Verordnungen in den Parallelbehandlungen mit PIA, die derzeit bereits abgelehnt worden seien bzw neu hinzu kämen,
betrachte man bis zu einer endgültigen Klärung ebenfalls als abgelehnt, ohne dass es einer weiteren Ablehnung im Einzelfall bedürfe. Mit
Schreiben vom 9. März 2006 führte die Beklagte weiter aus, eine zusätzliche Vergütung der Medikamentengabe im Rahmen der häuslichen
Krankenpflege bedeute eine Doppelzahlung, da aufsuchende Leistungen bei PIA-Patienten bereits mit der Quartalspauschale abgegolten seien.
Vor dem Hintergrund der vertraglichen Situation (Vergütungsvereinbarung gemäß § 120 Abs 2 SGB V iVm der Vereinbarung gemäß § 118 Abs 2
SGB V sowie dem Beschluss der Schiedsstelle vom 14. März 2002) bestehe deshalb kein Anspruch auf die geforderte Vergütung. Der
Vorsitzende des Vorstands der Beklagten hat mit Schreiben vom 28. März 2006 den Standpunkt der Beklagten noch einmal verdeutlicht und
ausgeführt, fraglich sei, ob die Medikamentenabgabe als häusliche Krankenpflege abrechenbar oder bereits mit der PIA-Pauschale abgegolten
sei.
10 Am 26. Juni 2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung von 90.619,66 EUR
sowie die Feststellung begehrt, dass ihr auch für Patienten ihrer PIA, welche bei der Beklagten versichert seien, ein Vergütungsanspruch gegen
die Beklagte für vertragsärztlich verordnete und von ihr tatsächlich erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf der Grundlage der
bestehenden Verträge zustehe. Bereits aus der Systematik des SGB V ergebe sich, dass es sich bei der Leistungserbringung nach § 118 Abs 1
SGB V um die Erbringung ambulanter Krankenhausleistungen handle, welche im Wesentlichen durch ärztliches Tätigwerden geprägt seien,
wohingegen die Leistungen der häuslichen Krankenpflege von nichtärztlichen Leistungserbringern erbracht werde. Gegen die Zugehörigkeit der
Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu den Leistungen der PIA spreche auch der Ort der Leistungserbringung. Während
Krankenhausleistungen grundsätzlich am Ort der Einrichtung erbracht würden, würden Leistungen nach § 37 SGB V ausschließlich im Haushalt
oder der Familie des Versicherten erbracht werden. Auch der Rahmenvertrag vom 15. August 2002 schließe lediglich eine parallele
Leistungserbringung durch die PIA einerseits und psychiatrische und psychotherapeutische vertragsärztliche Versorgung andererseits aus. Sie
habe deshalb einen vertraglichen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten für die bereits erbrachten Leistungen der häuslichen
Krankenpflege. Denn bei ihrem Pflegedienst handle es sich um einen zugelassenen Leistungserbringer und auch die vertragsärztliche
Verordnung liege vor. Das vom Bundessozialgericht (BSG) im Bereich der häuslichen Krankenpflege angenommene Regelprinzip im Hinblick
auf die Notwendigkeit der vorherigen Bewilligung der Leistung stehe dem Vergütungsanspruch nicht entgegen. Zwar sehe auch der
Rahmenvertrag der Beteiligten vom 29. Januar 1996 in § 4 Abs 1 vor, dass Dienstleistungen nach diesem Vertrag grundsätzlich vor der
Erbringung bei der Krankenkasse zu beantragen seien. Doch könne diese Regelung dem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht
entgegengehalten werden, weil diese Vorschrift die Krankenkasse allein davor schützen solle, eventuelle Einwände im Versicherungsverhältnis
durchzusetzen. Durch das vorherige Erfordernis der Bewilligung der Leistung solle die Krankenkasse insbesondere in die Lage versetzt werden
zu verhindern, dass unnötige Leistungen zugunsten des Versicherten erbracht würden. Weiter diene die Regelung dazu, den Leistungsanspruch
des Versicherten gegenüber der Krankenkasse insgesamt einer Prüfung zu unterziehen. Da aber die Beklagte vorliegend keine Einwände aus
dem Versicherungsverhältnis, sondern aus dem Leistungserbringerverhältnis geltend mache, demnach die Leistungsgewährung zugunsten des
Versicherten nicht in Frage stehe, könne auch das Bewilligungserfordernis dem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegengehalten werden.
Nachdem die Auftragserteilung über die Leistungserbringung nicht im Streit stehe, gehe es allein um die Frage der Vergütung der
Leistungserbringung. Die Klägerin hat ihren Vergütungsanspruch auf zuletzt noch 90.619,66 EUR beziffert und diesbezüglich eine Aufstellung
über offene Posten für die Jahre 2005 und 2006 vorgelegt (Bl 215 bis 224 der SG-Akte). Im Hinblick auf ihr Feststellungsbegehren hat die
Klägerin darauf hingewiesen, dass sich die Beklagte des Rechts berühme, die Vergütung der vertragsärztlich verordneten und von ihr tatsächlich
erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf der Grundlage der zwischen den Beteiligten geschlossenen Verträge mit der
Begründung ablehnen zu dürfen, diese Leistungen seien bereits mit den Entgelten der PIA vergütet. Es bestehe daher ein konkretes
Rechtsverhältnis, bezüglich dessen die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des ihr zustehenden Anspruchs auf Vergütung
ihrer Leistungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege habe. Dem stehe nicht entgegen, dass sie Rechtsschutz allein schon durch die
Leistungsklage erlangen könne. Denn auch für zukünftige Fälle müsse die Klägerin Rechtssicherheit in der Abrechnungsbeziehung bei der
Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege haben. Sollte das Gericht der Auffassung der Beklagten folgen, dass ihrem
Zahlungsbegehren die fehlende Bewilligung bzw der nachträgliche Widerruf der Bewilligung der Leistungen entgegenstehe, könne effektiver
Rechtsschutz ausschließlich mit dem Feststellungsantrag erlangt werden.
11 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat den zuletzt geltend gemachten Vergütungsanspruch nicht (mehr) der Höhe nach bestritten.
12 Mit Urteil vom 18. Dezember 2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 90.619,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Juni 2006 zu zahlen. Es hat darüber hinaus festgestellt, dass der Klägerin auch für Patienten
ihrer PIA, welche bei der Beklagten versichert seien, ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für vertragsärztlich verordnete und von ihr
tatsächlich erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf der Grundlage der bestehenden Verträge zustehe. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, der Vergütungsanspruch der Klägerin hänge grundsätzlich von einem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit
häuslicher Krankenpflege sowie davon ab, ob die für einen Vergütungsanspruch maßgeblichen Vereinbarungen eingehalten worden seien bzw
in Zukunft eingehalten würden. Zwischen den Beteiligten sei nicht streitig, dass in den noch streitbefangenen Fällen Versicherte der Beklagten
Leistungen benötigten, die zu den typischen Leistungen häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 SGB V zählten und dass diese Leistungen durch
den APP der Klägerin erbracht worden seien. Es könne dahingestellt bleiben, ob häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe „an
sich“ zum Versorgungsauftrag der PIA gehöre. Da feststehe, dass die erforderlichen Leistungen durch die PIA nicht erbracht worden seien, seien
sie notwendig im Sinne von § 12 Abs 1 SGB V gewesen. Dass eine Person im Sinne des § 37 Abs 3 SGB V zur Verfügung gestanden habe, sei
nicht ersichtlich und werde von der Beklagten auch nicht behauptet. Um eine „Doppelleistung“ könne es sich in den strittigen Fällen (ab Ende
2005) demnach nicht handeln. Die Beklagte dürfe die vertragliche Vergütung aber auch nicht mit der Begründung verweigern, es fehle an der
erforderlichen vorherigen Genehmigung durch sie. Da die Beklagte die Bewilligung häuslicher Krankenpflege hier ausschließlich mit der
Begründung abgelehnt habe, die verordnete Leistung sei bereits vom Versorgungsauftrag einer PIA umfasst und dies nicht zutreffe, sei die
Versagung der Genehmigung rechtsmissbräuchlich und könne dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht mit Erfolg entgegengehalten
werden. Sofern die Komplexleistung der PIA eines psychiatrischen Krankenhauses neben der ambulanten ärztlichen Behandlung (einschließlich
Psychotherapie) auch häusliche Krankenpflege umfasse, hätte dies gesetzlich geregelt werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Krankenkassen und psychiatrische Krankenhäuser seien nicht befugt, den gesetzlichen Versorgungsauftrag einer PIA durch Vertrag
auszuweiten. Da die Beklagte sich des Rechts berühme, sie dürfe die Vergütung der vertragsärztlich verordneten und von der Klägerin
erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit der unzutreffenden Begründung ablehnen, diese Leistungen seien bereits mit den
Entgelten der PIA vergütet, sei nicht nur die Leistungsklage, sondern auch der Feststellungsklage stattzugeben gewesen. Darüber hinaus habe
die Beklagte der Klägerin gemäß § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Prozesszinsen zu zahlen.
13 Gegen das der Beklagten am 31. März 2009 zugestellte Urteil hat diese am 28. April 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu, da eine gesonderte Abrechnung der erbrachten Leistungen als
häusliche Krankenpflege neben den PIA-Leistungen nicht möglich sei. Ausweislich des vertraglichen Regelwerkes umfassten die PIA-
Leistungen auch die Medikamentengabe und könnten daher nicht entsprechend vergütet werden und auch nicht zu einer gesonderten
Abrechenbarkeit dieser Leistungen als häusliche Krankenpflege führen. Nach § 5 Abs 2 der Vereinbarung gemäß § 118 Abs 2 SGB V umfasse
das Leistungsangebot der PIA auch die nachgehende Behandlung. Weiter sei in § 4 Abs 1 des Rahmenvertrags geregelt, dass parallele
Leistungen durch die PIA während einer psychiatrischen und psychotherapeutischen vertraglichen Versorgung für einen Patienten
ausgeschlossen seien. In § 4 Abs 3 des Rahmenvertrags würden zudem Leistungen der Soziotherapie gemäß § 37a SGB V ausdrücklich vom
Leistungsumfang der PIA ausgenommen, sodass im Umkehrschluss die Medikamentengabe Bestandteil der PIA-Leistung sei. Schließlich
umfasse der Leistungsauftrag der PIA auch die Psychopharmakatherapie. Bei den Leistungen handele es sich um sogenannte indignierte
Leistungen, die zum genuinen Auftrag einer PIA gehörten, sodass zusätzliche Leistungen außerhalb der Komplexleistung und somit der
Pauschalvergütung nicht erforderlich seien. Auch die Schiedsstelle komme in ihrem Beschluss vom 14. März 2002 zu dem Ergebnis, dass eine
gesonderte Vergütung der Medikamentengabe als Leistung der häuslichen Krankenpflege nicht in Betracht komme. Denn am Ende des
Beschlusses sei ausdrücklich vermerkt worden, dass kein Anlass bestanden habe, besondere Beträge für Hausbesuche festzusetzen. Die
Klägerin schulde daher nach den für die PIA-Leistungen geltenden Verträgen die Medikamentengabe, da sie hierfür bereits eine
Pauschalvergütung erhalten habe. Das Argument des SG, wonach es für die Einbeziehung der Medikamentengabe in die Komplexleistung der
PIA einer gesetzlichen Regelung bedurft habe, greife nicht durch. Denn nach den genannten Verträgen solle die Medikamentengabe gerade
nicht im Rahmen der häuslichen Krankenpflege, sondern durch die Komplexleistung der PIA erfolgen. Zu berücksichtigen sei, dass die PIA auch
aufsuchend tätig werden müsse, wenn der Patient krankheitsbedingt das komplexe Angebot der PIA nicht selbstständig in Anspruch nehmen
könne. Es sei daher unerheblich, dass die häusliche Krankenpflege als solche nach der gesetzlichen Regelung nicht zur Komplexleistung der
PIA gehöre. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass das Erfordernis der vorherigen Genehmigung die Erbringung unwirtschaftlicher
Leistungen verhindern solle. Aus diesem Grund sei die Versagung der Genehmigung zur Vermeidung von Leistungen, die doppelt vergütet
werden müssten, nicht rechtsmissbräuchlich. Schließlich sei auch das Feststellungsbegehren der Klägerin unbegründet, da ihr ein gesonderter
Vergütungsanspruch für die Medikamentengabe als häusliche Krankenpflegeleistung nicht zustehe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass nur die
Klägerin die Medikamentengabe aus der PIA in ihren abgeschlossenen häuslichen Krankenpflegedienst verlagere. Wenn jedoch die übrigen
Krankenhäuser mit angeschlossener PIA keinen Dienst zur Erbringung häuslicher Krankenpflege unterhielten, zeige dies, dass die
Medikamentengabe von diesen Krankenhäusern zu ihren PIA-Leistungen gerechnet werde. In keiner anderen PIA werde häusliche
Krankenpflege abgerechnet.
14 Die Beklagte beantragt,
15
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 Die Klägerin beantragt,
17
die Berufung zurückzuweisen.
18 Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Zu berücksichtigen sei, dass der Rahmenvertrag nach § 118 Abs 2 SGB V, dessen Regelungen
trotz der Kündigung zum 31. Dezember 2008 Gültigkeit beanspruchten, zur Auslegung des § 118 Abs 1 SGB V allenfalls entsprechend
herangezogen werden könne. Generell sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Leistungen nach § 118 Abs 1 SGB V um ärztliche
Leistungen handle, wohingegen die Leistungen der häuslichen Krankenpflege von nichtärztlichen Leistungserbringern erbracht werde. Lediglich
ein geringer Anteil der PIA-Patienten benötige eine regelmäßige Hilfeleistung im eigenen Haushalt im Rahmen der Verabreichung der
Arzneimittel. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben und unter Berücksichtigung der systematischen Stellung des § 118 SGB V im
Gesamtgefüge der Regelung des SGB V bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass von dem Versorgungsauftrag der PIA auch die häusliche
Krankenpflege mit umfasst sei. Auch den Beschlüssen des Zulassungsausschusses sowie des Berufungsausschusses könne nicht entnommen
werden, dass die Leistung der häuslichen Krankenpflege den Leistungen der PIA zuzuordnen sei. Generell sei zu berücksichtigen, dass die
Leistungserbringung der PIA dadurch gekennzeichnet sei, dass es sich um ein besonderes krankenhausnahes Versorgungsangebot für
bestimmte Patientengruppen handle. Dies ergebe sich auch aus § 3 der Bundesvereinbarung, wonach die Behandlung „in“ einer PIA
stattzufinden habe. Damit seien jedoch die Räumlichkeiten der Institutsambulanz am Krankenhaus angesprochen. Auch aus § 5 der
Bundesvereinbarung folge nichts anderes. Denn im Vordergrund würden dort die ärztlichen Leistungen im Bereich der Diagnostik und Therapie
geregelt. Im Hinblick auf die Medikamente sei lediglich die ärztliche Psychopharmakotherapie, nicht aber die Sicherstellung der Gabe der
Arzneimittel der häuslichen Krankenpflege geregelt. Auch der Rahmenvertrag vom 15. August 2002 gehe erkennbar von einer
Leistungserbringung der Einrichtung in den Räumlichkeiten der PIA aus. Zwar würden in besonderen Einzelfällen die Ärzte der PIA auch
aufsuchend, also im Rahmen eines Hausbesuchs tätig werden. Dieses Erfordernis könne sich im Einzelfall daraus ergeben, dass Patienten eine
notwendige kontinuierliche Behandlung in der PIA nicht aus eigenem Antrieb in Anspruch nehmen. Denn einzelne Patienten der PIA seien
krankheitsbedingt nicht in der Lage oder nicht willens, die Einrichtung zur Durchführung der medizinisch notwendigen Therapie aufzusuchen.
Der Hausbesuch von Ärzten oder im Einzelfall von sonstigen Therapeuten oder Pflegekräften nach ärztlicher Delegation sei daher zwingend
notwendig, um die Compliance (Therapietreue) der Patienten zu steigern. Würde die Annahme der Beklagten zutreffen, so müssten auch die
neben der Klägerin zugelassenen PIA‘s verpflichtet sein, Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu erbringen. Hiervon gehe aber
offensichtlich auch die Beklagte nicht aus. Andere psychiatrische Krankenhäuser mit angeschlossener PIA unterhielten ganz überwiegend
keinen Dienst zur Erbringung häuslicher Krankenpflege. Nur auf Seiten der Klägerin bestehe die Besonderheit, dass sie neben einem
Krankenhaus, einer PIA auch einen ambulanten Pflegedienst - völlig unabhängig von der PIA - vorhalte. Da aber alle PIA‘s in B.-W. über einen
praktisch identischen Versorgungsauftrag verfügten und auch die Höhe der Vergütung identisch sei, könne es nicht überzeugen, wenn die
Beklagte nur gegenüber ihr den unzutreffenden Einwand erhebe, Leistungen der häuslichen Krankenpflege seien dem Versorgungsauftrag der
PIA zugehörig.
19 Mit Gesetz zur Errichtung der S. Zentren für Psychiatrie und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie (EZPsychG)
vom 3. Dezember 2008 (Gesetzblatt vom 12. Dezember 2008, S 429) wurde die (frühere) Klägerin mit dem Zentrum für Psychiatrie B. S. und dem
Zentrum für Psychiatrie Z. verschmolzen. Sie wurde im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes durch die jetzige Klägerin ersetzt.
20 Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung der Auskunft des Prof. Dr. v. E., Leiter der PIA der Universität F. (Abteilung für Psychiatrie und
Psychotherapie) vom 30. März 2010. Dieser teilte mit, dass sie im Einzelfall auch häusliche Krankenpflege verordneten. Es komme auf den
Einzelfall, nämlich auf die Frequenz an. Bei täglicher Medikamenteneinnahmepflicht verordneten sie häusliche Krankenpflege. Dies sei seiner
Ansicht nach nicht mehr durch die PIA leistbar und damit auch nicht mehr von der Pauschalvergütung abgedeckt. In Betracht käme dies
insbesondere bei älteren Patienten, bei Dementen oder Schizophrenen. Früher seien diese in Pflegeheimen betreut worden. Bei wöchentlicher
oder zweiwöchentlicher Medikamenteneinnahmepflicht, wie zB bei Depotmedikamenten, werde dies durch die Pflegekräfte der PIA
bewerkstelligt. Dies sei seiner Ansicht nach dann von den PIA-Leistungen umfasst.
21 Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten den Rechtsstreit am 30. März 2010 erörtert. Es wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Bl 90 bis
92 der LSG-Akte). Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (einschließlich der vorgelegten ärztlichen Verordnungen) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23 Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt Berufung der Beklagten, über die der Senat im
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im
Ergebnis zu Recht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 90.619,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 26. Juni 2006 zu zahlen und darüber hinaus festgestellt, dass der Klägerin auch für Patienten ihrer PIA, welche bei der Beklagten
versichert sind, ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für vertragsärztlich verordnete und von ihr tatsächlich erbrachte Leistungen der
häuslichen Krankenpflege auf der Grundlage der bestehenden Verträge zusteht. Denn die Beklagte hat zu Unrecht einen Vergütungsanspruch
der Klägerin verneint. Die hier streitige Medikamentengabe durch den APP der Klägerin ist nicht Teil des Leistungsumfangs der PIA, sondern ein
zu vergütender Bestandteil der häuslichen Krankenpflege, der durch den APP erbracht wurde bzw wird. Vor diesem Hintergrund ist sowohl die
Leistungsklage als auch die Feststellungsklage der Klägerin begründet.
24 Nach Abschluss des Klageverfahrens und vor Einlegung der Berufung ist mit Wirkung zum 1. Januar 2009 (vgl Art 3 EZPsychG) ein
Beteiligtenwechsel auf der Klägerseite eingetreten. Denn nach Art 1 § 1 Abs 1 und 2 EZPsychG vom 3. Dezember 2008 (Gesetzblatt vom 12.
Dezember 2008, S 429) wurde die (frühere) Klägerin mit dem Zentrum für Psychiatrie B. S. und dem Zentrum für Psychiatrie Z. verschmolzen und
im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes durch die jetzige Klägerin ersetzt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Klageänderung im
Sinne des § 99 Abs 1 SGG, sondern um einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes iS einer Funktionsnachfolge (vgl hierzu Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 99 Rdnr 6a mwN).
25 Die Leistungsklage ist nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Es war weder ein Widerspruchsverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten
(vgl hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 24. September 2002 - B 3 KR 2/02 R = SozR 3-2500 § 132a Nr 3).
26 Die Leistungsklage ist auch begründet. Denn der Klägerin steht ein - der Höhe nach von der Beklagten nicht mehr bestrittener -
Vergütungsanspruch in Höhe von 90.619,66 EUR wegen des Erbringens von vertragsärztlich verordneten Leistungen der häuslichen
Krankenpflege durch ihren APP zu.
27 Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 132 a Abs 2 Satz 1 SGB V iVm § 6 Abs 1 des Rahmenvertrages vom 29.
Januar 1996 iVm der Ergänzungsvereinbarung (Preisvereinbarung) vom 14. Juni 2004 und dem Vertrag über die Versorgung mit häuslicher
Krankenpflege vom 11. Oktober 2005 sowie (für die Zeit ab dem 1. Dezember 2005) iVm §§ 32, 33 und 36 des Ergänzungsvertrags vom 18.
Januar 2006 (einschließlich der Anlage „Preisvereinbarung“ vom 18. Januar 2006). Der Vergütungsanspruch der Erbringer von Leistungen der
häuslichen Krankenpflege ist ein vom Leistungsanspruch des Versicherten unabhängiger eigenständiger Anspruch. Er korrespondiert idR mit
dem Leistungsanspruch der Versicherten, kann aber - unter besonderen Umständen die hier nicht vorliegen - auch ohne einen solchen
Leistungsanspruch bestehen oder trotz Bestehens eines Leistungsanspruchs nicht gegeben sein (vgl zum Vergütungsanspruch der
Krankenkasse Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 109 SGB V Rdnr 28 ff; Heberlein GesR 2008, 113, 117).
Voraussetzung des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist danach, dass der APP der Klägerin in den vorliegend streitigen Fällen Leistungen der
häuslichen Krankenpflege (hier: Medikamentengabe) erbracht hat und ein Leistungsanspruch nach § 37 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V in der
bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung (BGBl I 2003, 2190) bestand.
28 Nach § 37 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege
Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztliche Behandlung erforderlich ist (sog Behandlungssicherungspflege). Der
krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch
auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung. Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen,
die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu
beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese
Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden
(krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, vgl BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSGE 90, 143 =
SozR 3-2500 § 37 Nr 5; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 3 und 11). Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art wie zB Injektionen,
Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention, Feststellung und Beobachtung
des jeweiligen Krankenstandes und der Krankheitsentwicklung, die Sicherung notwendiger Arztbesuche, die Medikamentengabe sowie die
Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten (vgl zur Medikamentengabe Nr 26 der Anlage zu den Richtlinien des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen [ab 1. April 2007: Gemeinsamer Bundesausschuss] über die Verordnung von häuslicher
Krankenpflege nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 SGB V [HKP-RL] vom 16. Februar 2000 sowie § 2 Buchst a des Rahmenvertrages vom 29.
Januar 1996). Die Medikamentengabe ist insbesondere verordnungsfähig bei Patienten mit einer starken Einschränkung der geistigen
Leistungsfähigkeit oder Realitätsverlust, sodass die Compliance bei der medikamentösen Therapie nicht sichergestellt ist, wobei sich Dauer und
Menge der Dosierung streng nach Maßgabe der Verordnung des Präparates zu richten haben.
29 Die genannten Voraussetzungen des § 37 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V sind nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten in den
hier streitigen Fällen erfüllt. Die Medikamentengabe diente hier „zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung“. Sie ergänzte zusammen mit
den konkreten Einzelmaßnahmen der PIA die jeweilige ambulante ärztliche Behandlung. Für sämtliche hier streitigen Leistungsfälle lagen auch
ärztliche Verordnungen (vgl hierzu § 73 Abs 2 Nr 8 SGB V; Teil I Nr 1, II und III der HKP-RL; § 4 Abs 2 Satz 1 des Rahmenvertrages vom 29
Januar 1996; Ziff 4 des Vertrages über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege vom 11. Oktober 2005 und § 5 Abs 1 und 2 des
Ergänzungsvertrags vom 18. Januar 2006) von häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentengabe vor (vgl hierzu den von der Beklagten
im Berufungsverfahren vorgelegten Ordner mit sämtlichen hier streitigen Verordnungen, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt). Da die
Klägerin gemäß § 118 Abs 1 SGB V ermächtigt ist, eine PIA zu betreiben (hierzu sogleich), mit der Folge, dass sie an der vertragsärztlichen
Versorgung teilzunehmen hat (§ 96 Abs 3 und 4 SGB V), waren und sind ihre Ärzte auch befugt, häusliche Krankenpflege zu verordnen. Zudem
handelt es sich bei dem APP der Klägerin um einen zugelassenen Leistungserbringer.
30 In diesem Zusammenhang ist von den Beteiligten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in
den hier streitigen Fällen nicht bestand, weil eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang hätte pflegen oder
versorgen können (§ 37 Abs 3 SGB V).
31 Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten zählt aber die hier streitige Medikamentengabe zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege
und ist nicht bereits Bestandteil der PIA-Leistungen. Dies ergibt sich zum einen unmittelbar aus dem Gesetz und zum anderen aus der näheren
Ausgestaltung des Versorgungsauftrags der PIA durch die Zulassungsgremien einschließlich der zwischen den Beteiligten geschlossenen
vertraglichen Regelungen.
32 Rechtsgrundlage für die Ermächtigung der von der Klägerin betriebenen PIA ist § 118 SGB V. Die Vorschrift regelt die Teilnahme psychiatrischer
Institutsambulanzen an der ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung, wobei hinsichtlich der
Teilnahmevoraussetzungen zwischen psychiatrischen Krankenhäusern (Abs 1) und Allgemeinkrankenhäuser mit fachärztlich geleiteten
psychiatrischen Abteilungen (Abs 2) unterschieden wird (vgl zur Abgrenzung BSG, Urteil vom 15. April 1986 - 6 RKa 30/83 = SozR 2200 § 368n
Nr 41). Psychiatrische Krankenhäuser erhalten gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGB V auf Antrag eine Ermächtigung. Diese setzt nicht das Vorliegen
eines Versorgungsbedarfs voraus; die in Satz 2 der genannten Vorschrift enthaltene Ausrichtung auf solche Patienten, die wegen Art, Schwere
oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf die Behandlung durch ein Krankenhaus angewiesen
sind, stellt kein Erfordernis eines Versorgungsbedarfs, sondern lediglich eine inhaltliche Beschränkung der Ermächtigung dar (vgl zum Ganzen
BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 61/07 R = BSGE 102, 219). Diese Einschränkung erfordert mithin eine Abgrenzung des zu
versorgenden Personenkreises. Den Zulassungsinstanzen obliegt es, im jeweiligen Einzelfall Gegenstand und Umfang der Ermächtigung
entsprechend den gesetzlichen Vorgaben näher zu konkretisieren und im Ermächtigungsbescheid festzulegen (BSG, aaO).
33 Der Gesetzgeber ging bei der Ergänzung der Vorläuferregelung in § 368n SGB V aufgrund der Ergebnisse der Psychiatrie-Enquete 1975 davon
aus, dass bestimmte Gruppen psychisch Kranker und Behinderter, insbesondere solche mit schweren Krankheitsbildern, wie schizophrenen
Psychosen, Suchterkrankungen und psychischen Alterskrankheiten, oftmals nur unzureichend oder gar nicht ambulant medizinisch versorgt
werden, weil sie nicht bereit sind, einen niedergelassenen Nervenarzt aufzusuchen (BSG, Urteil vom 2. Oktober 1996 - 6 RKa 73/95 = BSGE 79,
159). Sinn und Zweck der Ermächtigung ist es daher, den betroffenen Patienten mit schweren Krankheitsbildern eine krankenhausnahe
Versorgung zur Verfügung zu stellen, weshalb der Gesetzgeber psychiatrische Krankenhäuser zur ambulanten psychiatrischen und
psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten - nach Ermächtigung - zugelassen hat.
34 Im Gegensatz dazu flankiert die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V als Nebenleistung zur Krankenbehandlung die ärztliche Behandlung
(Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 37 Rdnr 2, Stand Februar 2009; Padé in jurisPK-SGB V, § 37 Rdnr 14, Stand
Juni 2010). Die Behandlungspflege (§ 37 Abs 2 SGB V) dient der Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung in der häuslichen Umgebung
des Versicherten oder an anderen geeigneten Orten.
35 Bereits von Gesetzes wegen liegen mithin zwei unterschiedliche Zielrichtungen vor, sodass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
Medikamentengabe, die unstreitig Teil der häuslichen Krankenpflege ist (vgl hierzu bereits BSG, Urteil vom 26. März 1980 - 3 RK 47/79 = BSGE
50, 73, 77), Bestandteil der Leistungen der PIA sein soll. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 118 Abs 1 Satz 2 SGB V, dass die
PIA-Leistungen nur für einen bestimmten Patientenkreis mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen gedacht sind bzw für solche
Patienten, die wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf die Behandlung durch ein Krankenhaus angewiesen sind. Insbesondere
der zuletzt genannte Umstand (zu große Entfernung zu geeigneten Ärzten) spricht dafür, dass die Medikamentengabe in der häuslichen
Umgebung des Versicherten oder an anderen geeigneten Orten nicht bereits von den PIA-Leistungen umfasst wird. Denn bei großen
Entfernungen sind tägliche Hausbesuche (siehe dazu auch weiter unten), die allein dem Zweck der Sicherstellung der Medikamentengabe
dienen, nicht zu bewerkstelligen, zumal die PIA-Leistungen lediglich durch die Zahlung einer Pauschale abgedeckt werden (vgl Ziff 6 der
Preisvereinbarung vom 25. November 2003; näher zum Leistungsumfang einer PIA gemäß der Vereinbarung nach § 118 Abs 2 SGB V vom 14.
Februar 2002 weiter unten).
36 Das SG hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend darauf hingewiesen, dass ambulante ärztliche Behandlung einschließlich der
Psychotherapie - auch wenn sie in einem bzw durch ein Krankenhaus erbracht wird - und häusliche Krankenpflege eigenständige Formen der
Krankenbehandlung sind (vgl § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 4 SGB V). Auch der Senat geht davon aus, dass es einer gesetzlichen Regelung
bedurft hätte, wenn die Komplexleistung der PIA neben der ambulanten ärztlichen Behandlung (einschließlich Psychotherapie) in einer PIA auch
die Medikamentengabe in der häuslichen Umgebung des Versicherten oder an anderen geeigneten Orten hätte umfassen sollen. Dies ist jedoch
nicht geschehen.
37 Zwar ist die Ermächtigung nach § 118 Abs 1 SGB V durch die Zulassungsgremien näher auszugestalten (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.
Januar 2009 - B 6 KA 61/07 R = BSGE 102, 219). Im vorliegenden Fall haben jedoch weder der Zulassungs- noch der Berufungsausschuss
geregelt, dass die Medikamentengabe in der häuslichen Umgebung des Versicherten oder an anderen geeigneten Orten Bestandteil der PIA-
Leistung sein soll. Zwar erfasst die Ermächtigung gemäß dem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 18. Dezember 2001 (Ziff 1 des
Beschlusses) auch „Hausbesuche im Sinne der aufsuchenden Hilfe“. Derartige Hausbesuche im Sinne der aufsuchenden Hilfe sind jedoch nicht
mit der häuslichen Krankenpflege (hier: Behandlungspflege) gleichzusetzen. Ein Hausbesuch ist ein Besuch eines Arztes, Physio-,
Ergotherapeuten oder Logopäden bei dem Versicherten zu Hause. Es handelt sich mithin in der Regel um eine ärztliche oder therapeutische
„(Haupt-)“Behandlung in den Räumen des Versicherten. Hierin unterscheidet sich jedoch die häusliche Krankenpflege, die - wie bereits
dargelegt - die ärztliche Behandlung lediglich als „Nebenleistung“ flankieren soll. Zwar kann uU auch im Rahmen eines Hausbesuches die
Medikamentengabe erfolgen. Dies dürfte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn das Medikament nur einmal wöchentlich oder gar nur
alle zwei Wochen (etwa Depotmedikamente) eingenommen werden müssen. Dies hat Prof. Dr. v. E. in seiner Auskunft vom 30. März 2009
bestätigt. Er hat aber auch nachvollziehbar dargelegt, dass bei täglicher Medikamenteneinnahmepflicht häusliche Krankenpflege verordnet wird.
Maßgeblich ist danach die Frequenz der Medikamenteneinnahme. Der Senat hält dies auch für schlüssig und nachvollziehbar, da bei täglicher
Medikamenteneinnahmepflicht - gegebenenfalls mehrmals am Tag - Hausbesuche zur Sicherstellung der Medikamentengabe offensichtlich nicht
durchführbar sind.
38 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des Berufungsausschusses vom 24. November 2004. Hierin wurde lediglich nochmals
hervorgehoben, dass Ziel der Ermächtigung insbesondere ist, stationäre Unterbringungen zu vermeiden oder möglichst auf eine kurze Zeit
einzuschränken. Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss der Schiedsstelle vom 14. März 2002 berufen. Denn
der Umstand, dass die Schiedsstelle keinen Anlass sah, besondere Beträge für „Hausbesuche, Nachtbereitschaft und Großgeräteleistungen“
festzusetzen, stützt die Auffassung der Beklagten nicht. Wie bereits dargelegt ist die Medikamentengabe in erster Linie Bestandteil der
häuslichen Krankenpflege und - bei mehrmals täglicher oder mehrmals in der Woche bestehender Einnahmepflicht - nicht Bestandteil der
ärztlichen Hausbesuche.
39 Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die vertraglichen Regelungen berufen. Die Vereinbarung nach § 118 Abs 2 SGB V vom 14.
Februar 2001, auf deren Inhalt der Rahmenvertrag nach § 120 Abs 2 vom 15. August 2002 Bezug nimmt (vgl § 3 Nr 3 des Rahmenvertrags),
regelt die Medikamentengabe im Haushalt des Versicherten, seiner Familie oder an einem sonst geeigneten Ort nicht. Vielmehr geht § 3 Abs 1
der Vereinbarung davon aus, dass die Behandlung „in“ einer PIA stattfindet. Zwar zählt gemäß § 5 Abs 2 der Vereinbarung zum
Leistungsangebot der PIA auch die „Psychopharmakotherapie“. Die Psychopharmakotherapie findet jedoch nach dem Gesamtzusammenhang
der Regelungen „in“ einer PIA statt und ist nicht mit einer Medikamentengabe im Rahmen der Behandlungspflege in der häuslichen Umgebung
des Versicherten oder an anderen geeigneten Orten zu vergleichen. Auch aus dem Umstand, dass gemäß § 5 Abs 2 der Vereinbarung die
„nachgehende Behandlung“ zum Leistungsangebot der PIA zählt, ändert hieran nichts. Denn auch eine nachgehende Behandlung ist nicht
deckungsgleich mit einer häuslichen Krankenpflege im Sinne der Behandlungspflege. Des Weiteren kann - im Gegensatz zur Ansicht der
Beklagten - aus dem Umstand, dass § 4 Nr 3 des Rahmenvertrags vom 15. August 2002 die Leistungen der Soziotherapie gemäß § 37a SGB V
aus dem Leistungsumfang der PIA ausschließt, nicht gefolgert werden, dass die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V Bestandteil der PIA
sein soll. Zum einen hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft, an der es vorliegend fehlt. Zum anderen handelt es sich bei § 37a SGB V
um eine Leistung, die vor allem eine Koordination der verschiedenen Leistungserbringer mit dem Ziel der Verselbständigung des Patienten zum
Inhalt hat. Schon durch das Gesetz ist diese Leistung auf den eng umschriebenen Personenkreis der schwer psychisch Kranken begrenzt, die
Krankenkassenleistungen aufgrund ihrer Erkrankung nicht in Anspruch nehmen. § 37a SGB V ist damit lex specialis zu § 37 SGB V (Krauskopf,
Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 37a Rdnr 2, Stand Dezember 2006). Vor diesem Hintergrund bietet der Ausschluss der (im
Vergleich zu § 37 SGB V spezielleren) Soziotherapie vom Leistungsumfang der PIA keinen überzeugenden Grund für den von der Beklagten
angenommenen Umkehrschluss, dass die Medikamentengabe Bestandteil der PIA-Leistungen sein soll.
40 Dem Vergütungsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 21. November 2005 und 27. Januar 2006
Prüfung der die Genehmigungsfähigkeit der Verordnungen von häuslicher Krankenpflege pauschal (auch für die Vergangenheit) abgelehnt hat.
Zwar bedürfen Leistungen der häuslichen Krankenpflege grundsätzlich der vorherigen Beantragung durch den Versicherten und der vorherigen
Bewilligung gegenüber dem Versicherten durch die zuständige Krankenkasse (vgl § 27 Abs 3 Satz 1 BMV-Ä; § 4 des Rahmenvertrags vom 29.
Januar 1996; Ziff 4 des Vertrags über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege vom 11. Oktober 2005; § 5 Abs 1 und 2 des
Ergänzungsvertrags vom 18. Januar 2006; vgl zum Ganzen auch BSG, Urteil vom 24. September 2002 - B 3 KR 2/02 R = SozR 3-2500 § 132a Nr.
3). Für die häusliche Krankenpflege gilt mithin das Regelprinzip, dh sie ist im Normalfall vor ihrem Beginn durch den Versicherten zu beantragen
und durch die Krankenkasse zu bewilligen (BSG, aaO). Die Krankenkasse soll dadurch in die Lage versetzt werden, im Einzelfall zu prüfen, ob
die Krankenpflege erforderlich ist, um die verordnete konkrete Pflegemaßnahme durchzuführen, und ob ein im Haushalt lebender Dritter die
Maßnahme übernehmen kann (§ 37 Abs 3 SGB V sowie Nr 22 und 23 der HKP-RL; vgl hierzu auch BSG, Urteil vom 25. August 2009 - B 3 KR
25/08 R = Sozialrecht aktuell 2010, 21). Eine derartige Einzelfallprüfung hat die Beklagte jedoch in den hier streitigen Fällen nicht vorgenommen.
Dies ergibt sich bereits aus ihrem Schreiben vom 27. Januar 2006, in dem die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie keine
Prüfung im Einzelfall vornimmt bzw vornehmen wird. Damit hat die Beklagte aber nicht die Genehmigung im Einzelfall verweigert (sie hat
hierüber überhaupt nicht entschieden), sondern den Leistungsanspruch nach § 37 SGB V (und in der Folge davon auch den
Vergütungsanspruch der Klägerin) bereits allein deshalb abgelehnt, weil sie davon ausgeht, dass die Leistung (hier: Medikamentengabe) bereits
durch die PIA-Leistung umfasst ist. Hierin unterscheidet sich auch der vorliegende Fall von der Entscheidung des BSG vom 24. September 2002
(B 3 KR 2/02 R = SozR 3-2500 § 132a Nr 3), in dem die Einzelfallablehnung der Beklagten im Hinblick auf eine verordnete Pulsmessung im
Rahmen der häuslichen Krankenpflege Streitgegenstand war. In diesem Zusammenhang hat das BSG entschieden, dass der Leistungsträger
auch bei einer rechtswidrigen Ablehnung nicht in eigenen Rechten verletzt wird und die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung allein das
Versicherungsverhältnis betrifft, aus dem der Leistungserbringer keine Rechte herleiten kann. So liegt der Fall hier nicht. Vorliegend hat die
Beklagte die Leistungen nicht im Einzelfall abgelehnt; sie hat vielmehr eine Genehmigungsfähigkeit pauschal verneint. Darin liegt ein
entscheidender Unterschied. Die Verweigerung einer Genehmigung hat zur Folge, dass ein Leistungsanspruch des Versicherten nicht (mehr)
besteht. Dies müsste die Klägerin auch nach Ansicht des Senats hinnehmen, weil sie dadurch nicht in eigenen Rechten verletzt wäre. Die
Beklagte bestreitet jedoch mit ihrem gesamten Vorbringen das Bestehen eines Leistungsanspruches keineswegs. Sie geht im Gegenteil sogar
davon aus, dass die Klägerin zu Recht diejenigen Leistungen, um deren Vergütung hier gestritten wird, erbracht hat. Die Beklagte ist lediglich der
Ansicht, dass diese Leistungen im Leistungsspektrum der PIA bereits enthalten seien. Deshalb bestreitet die Beklagte die (gesonderte)
Abrechenbarkeit der vom APP erbrachten Leistung durch die Klägerin. Da die Abrechenbarkeit der Leistung aber gar nicht Gegenstand der vom
Genehmigungserfordernis umfassten Prüfung ist, hat die Beklagte weder rechtlich noch tatsächlich einen Leistungsanspruch der Versicherten
verneint und damit die Genehmigung nicht verweigert, sondern sie ist in ein Genehmigungsverfahren gar nicht eingetreten. Dies geht jedoch zu
ihren Lasten. Der Senat stützt sich hierbei auf den Rechtsgedanken in Teil V Nr 26 HKP-RL, wonach die Krankenkasse bis zur Entscheidung
über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der
vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V übernimmt, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden
Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird (vgl auch die inhaltsgleichen Regelungen in Ziff 4 des Vertrags über die Versorgung mit häuslicher
Krankenpflege vom 11. Oktober 2005 und § 5 Abs 2 des Ergänzungsvertrags vom 18. Januar 2006). Denn aus dieser Regelung kann
geschlossen werden, wie zu verfahren ist, wenn die Krankenkasse aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht über die Genehmigung von
Verordnungen entscheidet. Wird eine Prüfung der Genehmigungsfähigkeit mithin überhaupt nicht durchgeführt, so steht die fehlende
Genehmigung einem Vergütungsanspruch des Leistungserbringers nicht entgegen.
41 Soweit die Beklagte darüber hinaus alle bereits eingereichten und bezahlten Verordnungen bzw Rechnungen über häusliche Krankenpflege
rückwirkend ablehnt, sieht der Senat darin keinen Widerruf einer (dem Versicherten) erteilten Genehmigung. Der Sache nach macht die Beklagte
vielmehr einen Erstattungsanspruch analog §§ 812 ff BGB geltend, weil eine Voraussetzung des Vergütungsanspruches - die Abrechenbarkeit
der Leistung - aus ihrer Sicht nicht gegeben war. Für die vom Senat als zutreffend erachtete rechtliche Wertung des Vorbringens der Beklagten
spricht im Übrigen der Umstand, dass der Streit ausschließlich zwischen der Klägerin und der Beklagten ausgetragen wird und die Versicherten
weder von der Verweigerung noch dem Widerruf einer „Genehmigung“ informiert wurden. Da der Senat die Abrechenbarkeit der
streitgegenständlichen Leistung (Medikamentengabe durch häusliche Krankenpflege) für gegeben erachtet, besteht der geltend gemacht
Erstattungsanspruch nicht.
42 Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin unzutreffend ist, liegen nicht vor. Die Klägerin hat
im Klageverfahren eine detaillierte Auflistung der offenen Posten für die Jahre 2005 und 2006 vorgelegt (Bl 215 bis 224 der SG-Akte). Hierauf
nimmt der Senat ausdrücklich Bezug. Die Beklagte hat diese Aufstellung weder im Klage- noch im Berufungsverfahren angegriffen. Vor diesem
Hintergrund sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Höhe des Vergütungsanspruchs unzutreffend ist.
43 Die Beklagte hat der Klägerin auch im vom SG tenorierten Umfang Verzugszinsen gemäß § 69 Satz 3 SGB V iVm §§ 288 Abs 1, 286 BGB analog
zu zahlen (vgl zum Anspruch auf Verzugszinsen im Leistungserbringerverhältnis BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 1 KR 7/08 R = NZS 2010, 154;
Urteil vom 03. August 2006 - B 3 KR 7/06 R = BSGE 97, 23; allgemein hierzu Müller in SGb 2010, 336).
44 Auch die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig und begründet.
45 Nach § 55 Abs 1 Nr 1 kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt
werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Frage, ob die Medikamentengabe bereits Teil der PIA-
Leistungen der Klägerin ist und daher einem Leistungsanspruch nach § 37 Abs 2 SGB V entgegensteht, betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne
dieser Vorschrift. Die Klägerin hat auch ein Feststellungsinteresse, wie das SG zutreffend festgestellt hat. Denn die Beklagte berühmt sich des
Rechts, sie dürfe die Vergütung der vertragsärztlich verordneten und von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit
der - unzutreffenden - Begründung ablehnen, diese Leistungen seien bereits durch die PIA-Leistungen umfasst. Die Klägerin kann nicht auf die
Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verwiesen werden. Denn der Subsidiaritätsgrundsatz gilt nicht in den Fällen, in denen die
Feststellungsklage einen weitergehenden Rechtsschutz ermöglicht, etwa weil die abschließende Streitbeilegung ohne die Feststellungsklage
nicht möglich ist (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rdnr 19b mwN). Dies ist
vorliegend der Fall. Ohne die Feststellungsklage bestünde für die Klägerin die Gefahr, dass sie auf eigenes Risiko hin (weil die Beklagte die
Genehmigungsfähigkeit von ärztlichen Verordnungen zur häuslichen Krankenpflege überhaupt nicht überprüft) in Vorleistung treten müsste,
indem sie nämlich die häusliche Krankenpflege erbringt, um dann im Wege der Leistungsklage den Vergütungsanspruch einzuklagen. In diesem
Fall bietet die Feststellungsklage für zukünftige Zeiträume einen weitergehenden Rechtsschutz.
46 Wie bereits ausführlich dargelegt zählt die ärztlich verordnete Medikamentengabe zum Leistungsumfang der häuslichen Krankenpflege und ist
nicht Bestandteil der PIA-Leistung. Dem Feststellungsbegehren der Klägerin war daher stattzugeben.
47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a
Abs 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.
48 Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zugelassen.