Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 06.04.2005
LSG Bwb: berufliche weiterbildung, hauptsache, logopäde, arbeitsmarkt, ermessen, erlass, qualifikation, abgabe, unterliegen, anteil
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 06.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Stuttgart S 17 AL 6825/04 ER
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 13 AL 220/05 AK-A
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Verpflichtung zur Zulassung für die Förderung der
Maßnahme Logopäde/Logopädin ist in der Hauptsache erledigt.
Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin haben die gerichtlichen Kosten des erledigten Verfahrens für
beide Instanzen je zur Hälfte zu tragen; unberührt bleibt das angenommene Anerkenntnis der Beschwerdegegnerin,
die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe:
1. Das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, gerichtet auf vorläufige Zulassung der von der Beschwerdeführerin
(Bf) abgehaltenen Maßnahme Logopäde/Logopädin zur Förderung durch die Beschwerdegegnerin (Bg), ist dadurch in
der Hauptsache erledigt worden, dass die Bg den geltend gemachten Anspruch anerkannt und die Bf dieses
Anerkenntnis angenommen hat; die Bg hat durch entsprechenden Bescheid die Maßnahme Logopäde/Logopädin nicht
nur vorläufig, sondern endgültig zur Förderung zugelassen. Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten
Anspruchs erledigt, was auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gilt, nach § 101 Abs. 2 SGG den
Rechtsstreit in der Hauptsache. Diese Erledigung war entsprechend § 102 Satz 3 SGG auf Antrag der Bf durch
Beschluss festzustellen (vgl. Bundessozialgericht [BSG] in Breithaupt 1981, 639, 641).
2. Zusätzlich zu der durch angenommenes Anerkenntnis von der Bg anerkannten Verpflichtung zur Erstattung der
außergerichtlichen Kosten der Bf haben die Bf und die Bg die Gerichtskosten für beide Instanzen je zur Hälfte zu
tragen.
Da im beendeten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Kosten nach den Vorschriften des
Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben werden (vgl. § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG), sind für die
Entscheidung, wer die Kosten des Verfahrens trägt, nach § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG die §§ 154 bis 162
der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend anzuwenden. § 161 Abs. 1 VwGO bestimmt, dass das Gericht
im Urteil oder wenn - wie hier - das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten
entscheidet. Für die Kostenentscheidung einschlägig ist insoweit nicht die die Kosten bei sofortigem Anerkenntnis
regelnde Vorschrift des § 156 VwGO - die Bg hat den Anspruch schon nicht sofort anerkannt -, sondern die
Bestimmung des § 161 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift entscheidet, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache
erledigt ist, das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss (1. Halbsatz); der
bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen (2. Halbsatz).
Die eine Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 161 Abs. 2 VwGO ermöglichenden Voraussetzungen sind
erfüllt. Der Rechtsstreit in der Hauptsache ist auf Grund des angenommenen Anerkenntnisses erledigt. Zwar betrifft §
161 Abs. 2 VwGO die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache aufgrund übereinstimmender
Erledigungserklärungen, also aufgrund des prozessualen Verhaltens der Beteiligten. Dem vergleichbar ist die Abgabe
eines Anerkenntnisses und dessen Annahme durch die Gegenseite; die prozessualen Folgen eines derart
angenommenen Anerkenntnisses sind in der VwGO anders als im SGG nicht geregelt. Es besteht auch kein Zweifel,
dass § 161 Abs. 2 VwGO in den auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Rechtsschutzverfahren
anwendbar ist (VGH Kassel, Beschluss vom 27. März 1990 - 7 DG 3310/88 - abgedruckt in juris; VGH Mannheim,
Beschluss vom 22. April 1992 - 6 S 435/92 - NVwZ - RR 1992 442; LSG Berlin, Beschluss vom 28. April 2000 - L 6 W
44/03 AL ER -, SGb 2005, 55, 56). Für die nach dem Grundsatz der Kosteneinheit (vgl. VGH Mannheim, Beschluss
vom 6. März 1980 - X 1396/79 - Justiz 1980, 364 ff; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. November 1985 - L
6 B 181/85 - nicht veröffentlicht; Bay. LSG, Beschluss vom 10. Oktober 1996 - L 5 B 198/95 - Breithaupt 1998, 455,
458) zu treffende Entscheidung über die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen ist der Sach- und Streitstand vor
dem erledigenden Ereignis, also der Abgabe des Anerkenntnisses am 14. Dezember 2004 maßgebend. Dabei ist in
der Regel der vermutliche Verfahrensausgang von Bedeutung, so dass es billigem Ermessen entspricht, die Kosten
dem Beteiligten aufzuerlegen, der voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwGE 81, 356, 363), ohne dass es aber
Aufgabe der Kostenentscheidung ist, den Streitfall hinsichtlich aller für dessen mutmaßlichen Ausgang bedeutsamen
Rechtsfragen zu überprüfen und die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen (vgl. BVerwGE 46,
215, 218; BVerwG, Beschluss vom 1. August 1991 - 7 C 27/90 -, NJW 1991, 2920 und in juris; so zu § 193 Abs. 1
SGG auch BSG in SozR Nr. 4 zu § 193 SGG). Neben dem mutmaßlichen Verfahrensausgang können aber auch
andere für eine gerechte Verteilung der Kosten bedeutsamen Umstände Berücksichtigung finden.
Der Ausgang des auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzielenden Verfahrens, mit dem die Bg verpflichtet
werden sollte, die am 21. Oktober 2004 beginnende dreijährige Maßnahme Logopäde/Logopädin zur Förderung
zuzulassen, muss als offen bezeichnet werden. Ein Anordnungsanspruch erscheint zweifelhaft, wobei wegen der
damit verbundenen Vorwegnahme der noch nicht anhängigen Hauptsache ein strenger Maßstab an die
Erfolgsaussicht zu legen war (BVerwGE 63, 110, 111 f). Die trägerbezogenen Zulassungsvoraussetzungen sind in §
85 SGB III in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) geregelt, während sich die maßnahmebezogenen
Zulassungsvoraussetzungen in § 84 SGB III in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) finden. Vorliegend hatte die Bg
mit ihrem Bescheid vom 7. Oktober 2004 ausdrücklich lediglich die maßnahmebezogene Zulassung abgelehnt. Indes
war für die begehrte vorläufige Zulassung auch die von einer fachkundigen Stelle unter den Voraussetzungen des § 84
SGB III zu erteilende trägerbezogene Zulassung erforderlich. Dazu, dass eine solche erteilt war oder deren
Voraussetzungen vorlagen, insbesondere, inwieweit die Bf in der Lage war, durch eigene Vermittlungsbemühungen die
Eingliederung von Teilnehmern zu unterstützen (Nr. 2) und der Träger ein System zur Sicherung der Qualität anwendet
(Nr. 4), ist von der Bf nichts vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht worden. Angesichts dessen, dass § 84
Nr. 3 SGB III eine Prognose darüber verlangt, dass Aus- und Fortbildung sowie Berufserfahrung des Leiters und der
Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Weiterbildung erwarten lassen, hätte nicht nur die Qualifikation der Lehrkräfte in
den Blick genommen, sondern auch die Frage aufgeworfen werden müssen, ob bei der Qualitätsprüfung auch ein
ausgewogenes Verhältnis von haupt- und nebenberuflichen Lehrkräften zu fordern ist (vgl. Gesetzentwurf der
Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eines Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt,
BT-Drs 15/25 S. 30). Unklar ist auch, inwieweit die Bg und ggf. für welche Übergangszeit für die trägerbezogene
Zulassung zuständig ist. Offen ist schließlich, ob sämtliche maßnahmebezogenen Zulassungsvoraussetzungen
überwiegend wahrscheinlich waren. Dazu gehört ebenfalls die vorrangige Frage, unter welchen Voraussetzungen die
Bg für die maßnahmebezogene Zulassung zuständig ist, nachdem das Gesetz zu dieser Feststellung eine
fachkundige Stelle verpflichtet. Nicht eindeutig zu beantworten war auch, ob die Maßnahme nach Gestaltung ihrer
Inhalte sowie der Methoden und Materialien ihrer Vermittlung eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten ließ und
nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig war (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). In den
Verwaltungsakten findet sich das von der Agentur für Arbeit L. gefertigte Protokoll einer am 29. September 2004 bei
der Bf durchgeführten Qualitätsprüfung, welche durch die Beschwerde von Teilnehmern eines anderen auf dasselbe
Bildungsziel hinführenden Lehrgangs der Bf ausgelöst wurde. Darin ist - freilich wenig substanziiert - festgehalten,
dass der Maßnahmeablauf, die Qualifikation und der Einsatz der Lehrkräfte, die räumlichen Bedingungen und die
Lernmittel nicht den Anforderungen entsprächen. Nicht alle dieser Beanstandungen finden sich in der Anhörung der Bf
am 5. Oktober 2004 zu dem 21. Oktober 2004 stattfindenden Lehrgang. Es war deshalb zu prüfen, welche träger- oder
maßnahmebezogenen Qualitätsanforderungen das Gesetz enthält und welche Mängel insoweit die am 21. Oktober
2004 beginnende Maßnahme aufwies. Im Zusammenhang mit dem Erfordernis der angemessenen
Teilnahmebedingungen (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) wäre auch der Zustand des Gebäudes und der Unterrichtsräume
(Fenstereinbau, Beheizbarkeit) von Bedeutung gewesen, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass im Zeitpunkt
der Beschwerdeeinlegung diesbezüglich keine Mängel mehr vorlagen, so dass es auf die Frage, inwieweit die Bg
neben der Schulaufsicht eine den baulichen und ausstattungsmäßigen Standard betreffende Prüfungskompetenz hat,
nicht ankommt. Ob im Zeitpunkt vor dem erklärten Anerkenntnis am 14. Dezember 2004 noch ein Anordnungsgrund
vorlag, nachdem bereits am 22. November 2004 die aus Sicht der Bg gegen eine Zulassung sprechenden Gründe bei
einem erneuten Schulbesuch ausgeräumt werden konnten, kann offen bleiben.
Billigem Ermessen entspricht es auch nicht, die Bg deshalb einen die Hälfte übersteigenden Anteil an den Kosten des
Verfahrens tragen zu lassen, weil sie den geltend gemachten Anspruch anerkannt hat. Die Bg hat sich mit dem
Anerkenntnis nämlich nicht unter dem Eindruck der eingelegten Beschwerde freiwillig in die Rolle des Unterlegenen
begeben oder um einem Unterliegen im Prozess zuvorzukommen (vgl. BVerwG Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 WB
65/91 - abgedruckt in juris sowie vom 1. August 1991 - 7 C 27/90 - NJW 1991, 2920 und in juris). Wie den
Verwaltungsakten, insbesondere der Gesprächsnotiz der Bediensteten N. vom 6. Oktober 2004 über ein
Telefongespräch mit Rechtsanwalt Dr. P. und dessen Schriftsatz vom gleichen Tag mit Fristsetzung zum Erlass
eines schriftlichen Verwaltungsaktes schon innerhalb eines Tages bis 7. Oktober 2004 entnommen werden kann, hat
die Bg auf die Fristsetzung den ablehnenden Bescheid vom 7. Oktober 2004 erlassen, obwohl die Sachaufklärung
auch aus ihrer Sicht noch nicht abgeschlossen war und deshalb in der Folgezeit fortgesetzt wurde. Damit hat die Bg
zwar das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses (vgl. BSGE 67, 104, 113; 72, 50, 55) verletzt. Indes kann
nicht unberücksichtigt bleiben, dass der die Grundlage für das am 13. Oktober 2004 eingeleitete Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes bildende ablehnende Bescheid vom 7. Oktober 2004 von der Bf provoziert wurde (vgl.
zum provozierten Verwaltungsakt BSG, Urteile vom 21. März 1991 - 4/1 RA 35/90 - in SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3 und
vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 108/95 - in SozR 3-2600 § 58 Nr. 9) und das Anerkenntnis offensichtlich auf der von der
Behörde weiter betriebenen Sachaufklärung beruhte. Obwohl zu den Kosten des Verfahrens nach § 162 Abs. 1 VwGO
nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die außergerichtlichen Kosten der Bf zählen und die Verpflichtung zur
Tragung beider Kosten als Kosten des Verfahrens nicht unterschiedlich beurteilt werden kann, war die Bg nicht
gehindert, die außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach ganz anzuerkennen; ebenso wenig war es der Bf verwehrt,
dieses Kostenanerkenntnis anzunehmen. Weil es für die außergerichtlichen Kosten einer gerichtlichen Entscheidung
über die Kostentragung an sich nicht bedarf und bereits auf Grund des angenommenen Kostenanerkenntnisses der
Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auf Antrag zur Kostensetzung verpflichtet ist, hat der Senat die
Kostengrundentscheidung auf die gerichtlichen Kosten beschränkt und zu den außergerichtlichen Kosten wie
geschehen tenoriert.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).