Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 03.02.2004

LSG Bwb: geburt, krankenkasse, vaterschaftsanerkennung, urkunde, entstehung, unterhalt, behandlungskosten, datum, anfechtung, einführungsgesetz

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 03.02.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Mannheim S 8 KR 164/03
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 2534/03
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, welche Krankenkasse für ein scheineheliches Kind vor Anerkennung der
Vaterschaft zuständig ist und ob ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 111 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch
(SGB X) wegen Fristablaufs ausgeschlossen ist.
Der Beigeladene T.M. (T.M.) wurde am 18.01.2000 geboren. In der Geburtsbescheinigung, die bei der Klägerin am
08.02.2000 einging, waren als Eltern die seit 1984 verheirateten R. S. (R.S.) und E. I. S. (E.S.) angegeben. E.S. war
zum damaligen Zeitpunkt über ihren Ehemann bei der Klägerin familienversichert. T.M., der damals noch T. S. hieß,
wurde in die Familienversicherung aufgenommen. Die Klägerin übernahm für ihn in der Zeit vom 18.01. bis 13.09.2000
die Kosten von Krankenhausbehandlung und Arzneimittel sowie Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 8.587,41 EURO.
Am 07.11.2000 wurde die Ehe der Eheleute S. auf den am 10.05.2000 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil des
Amtsgerichts H. rechtskräftig geschieden.
Bereits am 27.06.2000 hatte ebenfalls das Amtsgericht H. nach Anfechtung der Vaterschaft des R.S. durch E.S., der
R.S. nicht entgegengetreten war, festgestellt, dass R.S. nicht der Vater von T. Schmidt ist. Durch Urkunde vom
07.11.2000 anerkannte Eduard Moser (E.M.) die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter. Seit 30.11.2001 sind Evi
Ingrid Moser (E.I.M. (geschiedene Schmidt)) und E.M. miteinander verheiratet.
Am 19.03.2002 teilte E.I.M. der Klägerin telefonisch mit, ihre Ehe mit R.S. sei "irgendwann" in 2000 geschieden
worden. Nachfolgend legte sie das Scheidungsurteil vor.
Mit Bescheid vom 03.04.2002 stornierte die Klägerin die ab 18.01.2000 eingerichtete Familienversicherung des
beigeladenen T.M ...
Unter dem 19.04.2002 machte die Klägerin ihren Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten, bei der E.M.
krankenversichert ist, geltend.
Die Beklagte erteilte T.M. unter dem 14.06.2002 zunächst eine Mitgliedschaftsbescheinigung dahingehend, dass er ab
20.01.2000 bei ihr versichert sei. Mit Bescheinigung vom 21.06.2002 berichtigte sie dies dahingehend, dass die
Versicherung erst ab 07.11.2000 eingetreten sei.
Unter gleichem Datum teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Familienversicherung für den Beigeladenen bei E.M. sei
erst ab dem Tag der Erstellung der Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft möglich. Die Rechtswirkung der
Anerkennung der Vaterschaft könne erst von diesem Zeitpunkt an, also dem 07.11.2000, geltend gemacht werden.
Die Klägerin trug dagegen vor, die Vaterschaft von E.M. sei nie angezweifelt worden. Im Übrigen sei der Zeitpunkt der
Feststellung der Vaterschaft für die Entstehung des Anspruchs auf Leistungen der Familienhilfe nicht entscheidend.
Die Familienversicherung beginne mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen. Dies sei der Tag der Geburt
des Kindes, da E.M. zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten versichert gewesen sei und sich aus seiner Versicherung
die Familienversicherung ableite. Die Ausschlussfrist für den Erstattungsanspruch beginne frühestens mit dem
Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger Kenntnis erlangt habe.
Unter dem 17.07.2002 bezifferte die Klägerin ihren Erstattungsanspruch der Höhe nach mit 8.332,88 EURO.
Die Beklagte trat dem Begehren erneut entgegen. Sie führte aus, T.M. sei als nichteheliches Kind nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch anzusehen. Ein Rechtsverhältnis zwischen dem nichtehelichen Kind und dem Vater werde
erst durch die Anerkennung bzw. durch die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung begründet. Vorher könne sich
niemand auf die Vaterschaft berufen. Eine Familienversicherung sei deshalb erst ab 07.11.2000 möglich. Der
Erstattungsanspruch werde nicht anerkannt.
Die Klägerin vertrat demgegenüber weiter die Ansicht, die Feststellung der Vaterschaft sei für die Entstehung des
Anspruchs auf Leistungen der Familienhilfe nicht entscheidend. Dieser Zeitpunkt bestimme auch nicht das Entstehen
eines Ersatzanspruchs und scheide als Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn gemäß § 111 SGB X aus.
Mit Schreiben vom 19.11.2002 anerkannte die Beklagte einen Erstattungsanspruch für den Beigeladenen in Höhe von
254,53 EURO hinsichtlich der ab dem 07.11.2000 entstandenen Arzneimittelkosten.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie ihren Erstattungsanspruch
weiterverfolgte. Sie wies noch einmal darauf hin, die rechtskräftige Feststellung der Vaterschaft sei keine
Voraussetzung für die Familienversicherung. Diese werde daher auch gegebenenfalls rückwirkend ab dem Zeitpunkt
begründet, an dem die Voraussetzungen des § 10 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erfüllt seien. Durch die
Anerkennung der Vaterschaft von E.M. seien die Voraussetzungen für die Durchführung der Familienversicherung
seines Kindes T. von Geburt an erfüllt. § 1600a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sehe kein Rückwirkungsverbot vor.
Auch die Unterhaltsverpflichtungen würden rückwirkend begründet.
Die Beklagte wandte dagegen noch einmal ein, der Beginn der Familienversicherung nach § 10 SGB V komme erst ab
Anerkennung der Vaterschaft in Betracht. Dies bestätige auch § 1594 Abs. 1 BGB, der bestimme, dass die
Rechtswirkungen der Anerkennung erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden könnten, zu dem die
Anerkennung wirksam werde. Die Tatsache, dass nach einer Anerkennung der Vaterschaft auch für die Vergangenheit
Unterhaltsverpflichtungen begründet würden, sei für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Während die
frühere Bestimmung des § 205 Reichsversicherungsordnung (RVO) den Anspruch auf Familienkrankenhilfe von
Kindern von deren Unterhaltsberechtigung abhängig gemacht habe, sehe dies § 10 SGB V nicht mehr vor.
Mit Urteil vom 23.05.2003, der Beklagten zugestellt am 03.06.2003, verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin die
in der Zeit vom 18.01. bis 06.11.2000 für den Beigeladenen angefallenen Behandlungskosten in Höhe von insgesamt
8.332,88 EURO zu erstatten. In den Entscheidungsgründen führte es aus, unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen
Grundsätze sei der Beigeladene für den streitgegenständlichen Zeitraum als nichteheliches Kind des bei der
Beklagten Versicherten E.M. über die Beklagte familienversichert. Die Rechtswirkungen der Anerkennung der
Vaterschaft könnten gemäß § 1594 Abs. 1 BGB erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die
Anerkennung wirksam werde, soweit sich nicht aus dem BGB etwas anderes ergebe. Die Regelung des § 1594 Abs. 1
BGB sei jedoch nur eine Rechtsausübungssperre und keine Rechtswirksamkeitssperre. Der Beginn der
Familienversicherung sei von diesem Zeitpunkt nicht abhängig. Diese werde rückwirkend ab dem Zeitpunkt begründet,
an dem die Voraussetzungen des § 10 SGB V erfüllt seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der
Beigeladene aufgrund der Vermutung des § 1592 Nr. 1 BGB zunächst bis zum Vaterschaftsanerkenntnis per Fiktion
als eheliches Kind des bei der Klägerin versicherten R.S. gegolten habe. Insoweit sei die Vermutung der Ehelichkeit
nachrangig zu der nachträglich anerkannten Nichtehelichkeit. Mit der Vaterschaftsanerkennung stehe es dem bisher
aufgrund bestehender Ehe mit der Kindsmutter "fingierten" Scheinvater frei, erbrachte Unterhaltsleistungen von dem
nunmehr anerkannten biologischen Vater erstattet zu verlangen. Sachgerecht sei es daher im Ergebnis, wenn auch
die Krankenkasse - hier die Klägerin - die zunächst auf der Grundlage der gesetzlichen Vaterschaftsfiktion geleistet
habe, ihre Kosten von der Krankenkasse des nunmehr anerkannten Vaters - hier der Beklagten - erstattet verlangen
könne.
Hiergegen richtet sich die am 30.06.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie vor, die
Ausführungen des SG hielten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auch nach dem Zivilrecht bestehe ein
Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit gemäß § 1613 BGB nur in eingeschränktem Umfang, nämlich ab dem
Zeitpunkt, ab dem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden
sei, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete mit
dem Unterhaltsanspruch in Verzug gekommen sei oder ab dem Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch
rechtshängig geworden sei. Im Übrigen kämen Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit nur unter den
Ausnahmetatbeständen des § 1613 Abs. 2 BGB in Betracht. Daraus ergebe sich der Grundsatz, dass kein Unterhalt
für die Vergangenheit und zwar auch dann nicht, wenn der Unterhaltsgläubiger deshalb Schulden machen müsse,
bestehe. Scheide somit ein Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit aus, so sei es auch nicht möglich, eine
Familienmitversicherung rückwirkend in Kraft zu setzen. Diese werde zutreffenderweise erst ab 07.11.2000
durchgeführt. Auf jeden Fall sei jedoch auch der Erstattungsanspruch nach § 111 SGB X verspätet angemeldet
worden. Streitig seien Leistungen für die Zeit vom 20.01.2000 bis 06.11.2000. Der Erstattungsanspruch hätte danach
spätestens bis 06.11.2001 angemeldet werden müssen. Die Bestimmung des § 111 Satz 2 SGB X sei nicht
anwendbar. Danach beginne die Frist zur Anmeldung des Erstattungsanspruchs zwar frühestens mit dem Zeitpunkt,
zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers
über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe. Dies setze aber eben eine Entscheidung des erstattungspflichtigen
Leistungsträgers über seine Leistungspflicht voraus. Eine solche Entscheidung liege nicht vor. Unter einer
Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht sei auch nicht die Ablehnung
eines Erstattungsanspruchs zu verstehen. Die als wirksam anzusehende Anmeldung sei erst mit Schreiben vom
17.07.2002 erfolgt. Diese Anmeldung sei verfristet. Auch wenn man auf den Zeitpunkt der Feststellung bzw. die
Anerkennung der Vaterschaft am 07.11.2000 abstelle, sei das Schreiben der Klägerin vom 17.07.2002 als verfristet
anzusehen. Dass die Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen erst aufgrund der telefonischen Mitteilung
der Versicherten E.I.M. am 19.03.2002 Kenntnis erlangt habe, könne von der Klägerin auch nicht mit Erfolg
vorgebracht werden. Dabei handele es sich nur um tatsächliche, nicht jedoch um rechtliche Hinderungsgründe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Mai 2003 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Familienversicherung nach § 10 SGB V sei nicht abhängig von Unterhaltsansprüchen. Mit Anerkennung der
Vaterschaft könnten die Rechte des Kindes - gegebenenfalls auch rückwirkend - geltend gemacht werden. Dies könne
auch nicht an § 1613 BGB scheitern. E.M. habe offensichtlich von Geburt an den Kindesunterhalt sichergestellt. Erst
durch das Schreiben der Beklagten vom 14.06.2002 habe sie von der Zuständigkeit und der Leistungspflicht der
Beklagten Kenntnis nehmen können. Daher beginne die Frist für die Anmeldung des Erstattungsanspruchs nach § 111
Satz 2 SGB X erst mit diesem Zeitpunkt.
Mit Beschluss vom 22.09.2003 hat der Senat T.M. zum Verfahren beigeladen.
Die Mutter des Kindes E.I.M. hat auf Nachfrage mitgeteilt, sie selbst habe die Vaterschaft von R.S. angefochten. Sie
hat das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts H. vom 20.06.2000 sowie das Urteil dieses Gerichts
vom 27.06.2000, den Scheidungsantrag vom 10.04.2000 und ein Schreiben des Amtsgerichts H. vom 24.05.2000 den
Versorgungsausgleich betreffend vorgelegt.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und
zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil
ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht
dazu verurteilt, der Klägerin die für den beigeladenen T.M. in der Zeit vom 18.01.2000 bis 06.11.2000 angefallenen
Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 8.332,88 EUR zu erstatten.
Dass § 103 SGB X die richtige Anspruchsnorm ist, wird von den Beteiligten nicht bestritten. Danach kann ein
Leistungsträger von dem für die entsprechende Leistung zuständigen Leistungsträger Erstattung verlangen, wenn der
gegen ihn gerichtete Anspruch nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Weitere Voraussetzung ist, dass der
erstattungspflichtige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen
Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Eine solche Fallkonstellation liegt hier vor. Die klagende Krankenkasse hat
nach § 10 SGB V dem beigeladenen T.M. Leistungen erbracht, weil dieser aufgrund seiner Scheinehelichkeit über den
Scheinvater R.S. bei ihr krankenversichert war. Mit Urteil vom 27.06.2000 stellte das Amtsgericht H. fest, dass R.S.
nicht der Vater von T.M. ist. Durch Urkunde vom 07.11.2000 anerkannte E.M. die Vaterschaft des T.M ... Aufgrund
dieser Konstellation ist die Beklagte die für den beigeladenen T.M. zuständige Krankenversicherung, da sein Vater
E.M. bei ihr versichert ist. Der ursprünglich gegen die Klägerin gerichtete Familienhilfeanspruch ist nachträglich
entfallen. Die Beklagte hat für den Beigeladenen auch noch keine Leistungen erbracht. Ein Erstattungsverhältnis
gemäß § 103 SGB X liegt somit dem Grunde nach zwischen der Klägerin und der Beklagten vor.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, hat die Vaterschaftsanerkennung des E.M. vom 07.11.2000 zur Folge, dass
die Familienversicherung des beigeladenen T.M. nicht erst mit dem Zeitpunkt der Vaterschaftsfeststellung, sondern
rückwirkend ab Geburt bei der Beklagten beginnt. Der Senat schließt sich hinsichtlich dieses Punktes den
begründeten und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil in vollem Umfang an und sieht insoweit
von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen,
dass nicht allein die Vaterschaftsanerkennung dazu geführt hat, dass E.M. nunmehr als Vater des beigeladenen T.M.
anzusehen ist, vielmehr wurde aufgrund der Anfechtung der Vaterschaft durch die Mutter des beigeladenen T.M. auch
rechtskräftig festgestellt, dass ihr ursprünglicher Ehemann R.S. nicht der Vater des Kindes ist. Durch das
entsprechende Urteil des Amtsgerichts H. wurde das bisherige Vater-Kind-Verhältnis zwischen R.S. und T.M. mit
Rückwirkung auf den Tag der Geburt des Kindes aufgehoben. Die Vermutung der Ehelichkeit galt nicht mehr. Das
Kind galt damit abstammungsrechtlich als vaterlos. Aufgrund der Vaterschaftsanerkennung des E.M. bekam es dann
einen "neuen" Vater (vgl. Diederichsen in Palandt, BGB-Kommentar, 62. Aufl., § 1599 RdZiff. 7). Gemäß § 1594 BGB
können die Rechtswirkungen der Anerkennung der Vaterschaft durch E.M. erst von dem Zeitpunkt an geltend
gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird. Dies hat - worauf das SG zu Recht hingewiesen hat - jedoch
nur zur Folge, dass die Rechtswirkungen der Vaterschaft und damit auch die Ansprüche aus der Familienversicherung
- erst von diesem Zeitpunkt an geltend gemacht werden können. Vorher kann sich grundsätzlich niemand auf die
Vaterschaft des Mannes berufen (vgl. Diederichsen a.a.O., § 1594 RdZiff. 5). Dies heißt jedoch nicht, dass die
Ansprüche deshalb auch erst ab diesem Zeitpunkt entstehen. Die Entstehung der Ansprüche tritt mit der Anerkennung
rückwirkend ab der Geburt ein. Die Ansprüche können nur erst ab diesem Zeitpunkt geltend gemacht. § 1594 Abs. 1
BGB wird als Rechtsausübungssperre, jedoch nicht als Rechtswirksamkeitssperre angesehen. Dementsprechend
können auch die aus dem nichtehelichen Verwandtschaftsverhältnis (§ 1589 Satz 1 BGB) resultierenden Ansprüche
nach erfolgter Vaterschaftsfeststellung rückwirkend ab Geburt des Kindes geltend gemacht werden. Daraus ist zu
folgern, dass auch sonstige Ansprüche und hierzu gehört auch der Anspruch auf Familienkrankenhilfe rückwirkend ab
Geburt geltend gemacht werden können. Darauf, ob § 10 SGB V im Gegensatz zu § 205 RVO den Anspruch auf
Familienkrankenhilfe von Kindern nicht mehr von deren Unterhaltsberechtigung abhängig macht, kommt es nicht an.
Entscheidend ist, dass sämtliche Ansprüche und nicht nur die Ansprüche auf Unterhalt rückwirkend begründet
werden. Das nichteheliche Kind kann gemäß § 1612 Abs. 2 Nr. 2a BGB auch für die Vergangenheit Unterhalt
verlangen. Die Feststellung der Vaterschaft wirkt für und gegen alle auf den Zeitpunkt der Geburt zurück. Ebenso
verhält es sich auch im Bereich des Kindergeldrechts. Kindergeld wird nach der Anerkennung auch für Zeiträume vor
der Vaterschaftsfeststellung zugesprochen (BSG, Urteil vom 22.09.1993 - 10 RKg 6/93 -, SozR 3-5870 § 9 BKGG Nr.
2).
Entgegen der Meinung der Beklagten scheitert der Erstattungsanspruch auch nicht an der Ausschlusswirkung des §
111 SGB X. Zwar ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberichtigte ihn nicht
spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Insoweit
hat die Klägerin für den beigeladenen T.M. erstmals am 18.01.2000 Leistungen erbracht und ist letztmals am
08.11.2001 in Anspruch genommen worden. Ihren Erstattungsanspruch angemeldet hat sie am 19.04.2002. Die
detaillierte Aufstellung erfolgte unter dem 18.07.2002. Damit wären entsprechend der Ausschlussfrist des § 111 Satz
1 SGB X zumindest die Leistungen, die bis 18.04.2001 erbracht wurden, ausgeschlossen. Mit einem Teil ihrer
Ansprüche wäre die Klägerin auch dann ausgeschlossen, wenn man entsprechend der vom Bundessozialgericht
(BSG) in seinem Urteil vom 08.03.1990 - 3 RK 12/89 - vertretenen Auffassung, der sich der Senat grundsätzlich
anschließt, die Frist erst am 07.11.2000, dem Tag, an dem die Vaterschaft anerkannt wurde, beginnen lässt, da die
ersatzberechtigte Krankenkasse ihren Ersatzanspruch vorher aus allgemeinen Rechtsgründen gar nicht durchsetzen
konnte. Daraus würde folgen, dass der Erstattungsanspruch spätestens am 06.11.2001 hätte geltend gemacht werden
müssen. Die Klägerin wäre damit aufgrund der Geltendmachung erst im April bzw. Juli 2002 auch insoweit teilweise
mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen. Ergänzend bestimmt § 111 Satz 2 SGB X jedoch, dass der Lauf der Frist
frühestens mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der erstattungsberichtigte Leistungsträger von der Entscheidung des
erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Aufgrund dieser Neufassung
des Satzes 2 des § 111 SGB X mit Wirkung vom 01.01.2001 durch das 4. Euro-Einführungsgesetz hat der
erstattungsberechtigte Träger nunmehr die Chance, auch oft mehrere Jahre zurückliegende von ihm erbrachte
Leistungen erstattet zu bekommen. Die vorangegangene Regelung, die lediglich auf die erbrachten Leistungen
abgestellt hatte, konnte nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen. Der erstattungsberechtigte Träger hatte in Fällen,
in denen eine Bewilligung des anderen Versicherungsträgers noch gar nicht vorlag, oftmals keine Möglichkeit
innerhalb der Frist zu reagieren (vgl. Steinbach in Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB X/3 K § 111 RdZiff. 8). Die
Beklagte hat hier erstmals mit Bescheid vom 14.06.2002 entschieden, dass der beigeladene T.M. bei ihr versichert
ist. Eine Berichtigung erfolgte am 21.06.2002. Die Klägerin hat von der ersten Mitgliedschaftsbescheinigung per Fax
am 14.06.2002, von der zweiten mit Schreiben vom 21.06.2002 Kenntnis erhalten. Diese beiden
Mitgliedschaftsbescheinigungen stellen Entscheidungen der Beklagten über ihre Leistungspflicht dar. Es kann nun
dahingestellt bleiben, ob bereits in der ersten Mitgliedschaftsbescheinigung die maßgebende Entscheidung des
erstattungspflichtigen Leistungsträgers zu sehen ist, oder ob auf die berichtigte Mitgliedschaftsbescheinigung
abzustellen ist, denn auf jeden Fall hat die Klägerin, einerlei auf welches Datum man abstellt, sowohl mit der
vorsorglichen Anmeldung ihres Erstattungsanspruchs am 19.04.2002 als auch mit dem detaillierten
Erstattungsanspruch vom 17.07.2002 die Ausschlussfrist von einem Jahr eingehalten. Die Frist greift für den hier im
Streit stehenden Erstattungsanspruch nicht ein. Der von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt der Höhe nach bestrittene
Anspruch auf Erstattung ist begründet.
Die Berufung der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Senat hält
es für angemessen, die Kosten des Beigeladenen der Beklagten aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.