Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11.12.2009

LSG Bwb: arbeitsmarkt, eugh, verbot der diskriminierung, zugang, sozialhilfe, aufenthalt, eltern, unionsbürger, mitgliedstaat, gemeinschaftsrecht

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 11.12.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Stuttgart S 3 AS 6394/09 ER
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 12 AS 5297/09 ER-B
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Stuttgart vom 22.10.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragssteller begehrt mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von der Antragsgegnerin Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1982 geborene Antragssteller besitzt die italienische Staatsangehörigkeit. Er ist mit seinen Eltern 1997 nach
Deutschland gezogen, wo er die Hauptschule besucht und abgeschlossen hat. In den Jahren 2000 und 2001 hat er in
Deutschland gearbeitet, anschließend war er arbeitslos. Von 2004 bis 2008 lebte er in Italien, war teilweise arbeitslos
und hat vom 01.01.2008 bis zum 20.12.2008 dort gearbeitet. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses ist der
Antragssteller Ende 2008 wieder zu seinen Eltern nach R. gezogen. Dort hat er zunächst einen Antrag auf
Arbeitslosengeld I gestellt, welcher aber mit Bescheid vom 18.06.2009 mit der Begründung abgelehnt wurde, dass er
in den letzten beiden Jahren nicht wenigstens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden habe.
Am 08.06.2009 hat der Antragssteller erstmalig beim Antragsgegner vorgesprochen und Leistungen zur
Grundsicherung beantragt. Dabei wurde ihm jedoch vom Antragsgegner mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Einreise
zur Arbeitsuche wohl keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II habe.
Am 23.09.2009 stellte der Antragssteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einen Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag des Antragstellers mit Bescheid vom 12.10.2009 mit der Begründung ab, dass
die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ) für einen Anspruch nicht vorlägen, weil der
Antragssteller lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland habe.
Gegen den Bescheid legte der Antragssteller Widerspruch ein.
Zur Begründung seines Antrags trug der Antragssteller vor, dass er nicht allein zur Arbeitsuche nach Deutschland
eingereist sei, sondern weil er bei seinen Eltern leben wollte und müsste. Zudem habe er einen Anspruch auf
Leistungen gemäß § 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA).
Mit Beschluss vom 22.10.2009 lehnte das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab. Nach
summarischer Prüfung habe der Antragssteller keinen Anspruch auf Leistung zur Grundsicherung nach dem SGB II.
Die Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen in der Person des
Antragsstellers zwar grundsätzlich vor. Allerdings seien von der Leistungsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
SGB II Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Dies sei
beim Antragssteller vorliegend der Fall. Sein Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem – vom Antragsteller u.a.
eingeräumten – Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative des Gesetzes über die allgemeine
Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), wonach Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt sind, die sich zur
Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Der Antrag¬steller sei nach eigenem Vortrag im
Dezember 2008 nach Deutschland gezogen und suche hier Arbeit. Sein Einwand, der Aufenthalt diene auch dem
Zweck, bei seinen Eltern zu leben, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn hieraus lasse sich kein Aufenthaltsrecht
ableiten. Mit der Ausreise spätestens im Jahr 2004 habe der Antragssteller ein zuvor begründetes Aufenthaltsrecht
als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU verloren. Denn mit der Ausreise nach Italien sei auch eine bei
der zuständigen Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit entfallen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU). Seit der
erneuten Einreise ins Bundesgebiet übe der Antragssteller keine Erwerbstätigkeit aus, die den Arbeit¬nehmer¬status
begründen könnte. Das Aufenthaltsrecht des Antragsstellers bestimme sich nach dem FreizügG/EU, wobei ihm vor
allem kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU zukomme. Dieses Daueraufent¬haltsrecht entstehe im
Grundsatz nach einem fünfjährigen, ununter¬brochenen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Der
Antragssteller habe sein ursprünglich bestehendes Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 7 FreizügG/EU jedenfalls
wieder verloren. Danach führe eine Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund von
mehr als zwei aufeinanderfolgenden Jahren zum Verlust des Daueraufenthalts¬rechts. Der Antragsteller sei von 2004
bis Ende 2008 und damit mehr als zwei Jahre zum Zwecke der Arbeitssuche nicht nur vorübergehend in Italien
gewesen, weshalb sein Daueraufent¬haltsrecht erloschen sei.
Auch aus dem Gemeinschaftsrecht folge kein über den Zweck der Arbeitsuche hinaus¬gehendes Aufenthaltsrecht.
Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) sehe ein voraussetzungs¬loses Aufenthaltsrecht von
Unionsbürgern nur für einen Zeitraum von drei Monaten vor. Dieser Zeitraum sei hier abgelaufen. Artikel 7 der
Unionsbürgerrichtlinie gewähre ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate nur, wenn der Unionsbürger
Arbeitnehmer oder Selbständiger sei (Abs. 1a), er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende
Existenzmittel verfüge, so dass sie während ihres Auf¬enthalts keine Sozialhilfe¬leistungen des
Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssten, und er und seine Familienangehörigen über einen
umfassenden Krankenver¬sicherungs¬schutz im Aufnahme¬mitgliedstaat verfügten (b), oder eine näher bezeichnete
Ausbildung absolviere (c). Keine dieser Voraus¬setzungen liegen hier vor. Auch aus Artikel 18 Abs. 1 des EG-
Vertrages folge kein weitergehendes Aufenthaltsrecht, wonach jeder Unions¬bürger grundsätzlich das Recht habe,
sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift stelle jedoch das
Aufenthaltsrecht ausdrücklich unter den Vorbehalt der im EG-Vertrag und in den Durchführungsvorschriften
vorgesehenen Beschrän¬kungen und Bedingungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil v. 07.09.2004, C-
456/02, Tz. 33) habe ausdrücklich festgestellt, dass zu den Beschränkungen und Bedingungen des Rechts des
Unionsbürgers aus Artikel 18 EG auch der Artikel 1 der (seinerzeit geltenden) Richtlinie 90/364/EWG gehöre. Danach
könnten die Mitgliedstaaten von Angehörigen eines Mitgliedstaats, die das Recht zum Aufenthalt in ihrem
Hoheitsgebiet wahrnehmen wollten, verlangen, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine
Krankenversicherung, die im Aufnahmestaat alle Risiken abdecke, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügten,
durch die sichergestellt sei, dass sie während ihres Aufenthaltes nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in
Anspruch nehmen müssten. Mangels ausreichender Existenzmittel bestehe daher ein Recht eines Unionsbürgers, der
sich in einer Situation wie der des Klägers befinde, aus Artikel 18 EG auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitze, nicht (EuGH, a.a.O., Tz. 36). Nach Auffassung des
Gerichts sei der Ausschlusstatbestand gemeinschafts¬rechts¬konform, sofern er, wie hier, solche Leistungen nach
dem SGB II betreffe, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollten.
Nach Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie sei der Mitgliedsstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als
Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen
während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenen¬falls während des längeren Zeitraums nach Art. 14
Abs. 4 b - Aufenthalt aufgrund des Nach¬weises der Arbeitsuche und der begründeten Aussicht einer Einstellung -
einen Anspruch auf "Sozialhilfe" zu gewähren. Sozialhilfeleistungen im Sinne der Vorschrift seien alle finanziellen
Mittel, die der Existenzsicherung dienten. Nicht dazu zählten finanzielle Leistungen, die den Zugang zum
Arbeitsmarkt erleichtern sollen (EuGH, Urteil v. 04.06.2009, Rs. C-22/08 und C-23/08, Tz. 45).
Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie sei mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Art. 39 Abs. 2
EG vereinbar (so im Ergebnis EuGH, Urteil v. 04.06.2009, a.a.O., Tz. 46). Nach Art. 39 Abs. 2 EG hätten
Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchten, Anspruch auf
die in der Bestimmung vorgesehene Gleichbehandlung. Hierunter falle auch die Gleichbehandlung in Bezug auf
finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Solche Leistungen erfasse aber Art. 24
Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie nicht, weil zur "Sozialhilfe" im Sinne der Richtlinie gerade nicht finanzielle Mittel
zählten, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Auch das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) stehe
einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Unionsbürgern aus Staaten, die dem
EFA beigetreten seien, könnten die Leistungen nicht aufgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 SGB II versagt
werden, da Artikel 1 des EFA jedem Bürger eines Mitgliedsstaates mit recht¬mäßigem Aufenthalt Leistungen der
Sozialhilfe in gleichem Umfang zugestehe wie eigenen Bürgern. Das EFA finde jedoch gemäß seinem Art. 2 nur auf
die im Anhang genannten Rechtsvorschriften Anwendung. Von der nach wie vor gültigen Fassung aus dem Jahr 2000
sei naturgemäß das SGB II gar nicht erfasst, sondern neben Vorschriften des SGB VIII und des Gesetzes zur
Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten nur das Bundessozialhilfegesetz (BGBl. 2001, Teil II, S. 1086, 1088). Eine
Anpassung an die aktuelle Gesetzeslage sei nicht erfolgt.
Der Antragsteller habe auch nicht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Die prozessuale
Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes bestehe vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes
darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich
vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht
abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht
mehr in der Lage wäre. Dem Antragsteller drohten aber keine schweren und unwiederbringlichen Nachteile, die er aus
eigener Kraft nicht imstande wäre, von sich abzuwenden. Insbesondere habe er nicht glaubhaft gemacht, dass sein
Existenzminimum ohne die begehrte Regelleistung nicht gesichert sei. Dafür, dass er seinen Lebensunterhalt
anderweitig sicherstellen könne, spreche zum einen der Umstand, dass er bei seinen Eltern wohne, welche ihn
unterhielten. Hiermit in Einklang stehe die Tatsache, dass er sich seit nunmehr zehn Monaten in der Bundesrepublik
Deutschland ohne Leistungsbezug aufhalte.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und im
Wesentlichen vorgetragen, bei den Leistungen nach dem SGB II handle es sich nicht um Sozialhilfeleistungen im
Sinne des Art. 24 der Unionsbürgerichtlinie, sondern um Leistungen, welche den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
sollen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung
zutreffend ausgeführt und die beantragte einstweiligen Anordnung zu Recht nicht erlassen. Der Senat weist die
Beschwerde aus den Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Antragsteller nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 7
SGB II gehört. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift erhalten Leistungen nach dem SGB II zwischen 15 und 65 Jahre
alte erwerbsfähige hilfebedürftige Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
haben. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind davon ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein
aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Antragsteller unterliegt dem genannten Ausschlusstatbestand. Sein
Aufenthaltsrecht ergibt sich allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative Freizügigkeitsgesetz/EU, wonach Unionsbürger
gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, die sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland
aufhalten wollen. Der Antragsteller hält sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik auf. Die übrigen in § 2 Abs. 2 Ziffer
1 (1. und 3. Alt.), 2 - 7 Freizügigkeitsgesetz/EU genannten Aufenthaltsgründe kommen für ihn nicht in Betracht.
Insbesondere zählt der Antragsteller nicht zum Personenkreis der Arbeitnehmer, da er nach den vorliegenden
Unterlagen seine Rechte aus der früheren Erwerbstätigkeit, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, erloschen sind.
Den bislang in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit des
Ausschlusstatbestands nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Gemeinschaftsrecht (vgl. etwa:
Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 17ff m. w. N) vermag der Senat angesichts des Urteils
des EuGH vom 04.06.2009 (Az. C-22/08, C-23/08) nicht zu folgen. Geltend gemacht werden insoweit Verstöße gegen
das in Art. 12 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) enthaltene Verbot der Diskriminierung
aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das aus Art. 39 EG entwickelte Gebot der sozialrechtlichen
Gleichbehandlung. In der genannten Entscheidung hat der EuGH allerdings die Gültigkeit des Artikel 24 Abs. 2 der
Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger
und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L
158/77; sog. Unionsbürgerrichtlinie - UBRL), nicht in Zweifel gezogen. Diese Bestimmung erlaubt es einem
Mitgliedsstaat in Abgrenzung zu der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 23.03.2004, Az. C-138-02 - Collins -)
ausdrücklich, andere Unionsbürger als Arbeitnehmer, Selbstständige oder Personen, denen dieser Status erhalten
bleibt, sowie deren Familienangehörige vom Anspruch auf "Sozialhilfe" auszunehmen. Von dieser Öffnungsklausel hat
der deutsche Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für arbeitsuchende
Ausländer Gebrauch gemacht (so auch ausdrücklich die Begründung zum Gesetzentwurf in der Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 15. Februar 2006, BT-Drucksache 16/688, S. 13). Sozialhilfeleistungen
im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL sind, wie sich auch aus dem Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie
ergibt, alle finanziellen Mittel, die der Existenzsicherung dienen. Nicht dazu zählen finanzielle Leistungen, die den
Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (EuGH, a. a. O., Rn. 45).
Nach Auffassung des Senats sind die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
grundsätzlich als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL anzusehen. Das zum 01.01.2005
eingeführte Arbeitslosengeld II ist in Anlehnung an die Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -
Sozialhilfe - (SGB XII) ausgestaltet. Es umfasst eine pauschalierte, dem Regelsatz der Sozialhilfe vergleichbare
Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft
und Heizung. Ähnlich wie in der Sozialhilfe sind für verschiedene Bedarfslagen Leistungen für Mehrbedarfe
vorgesehen, vgl. § 21 SGB II. Das Arbeitslosengeld II weist daher eine sozialhilferechtliche Konzeption auf (vgl.
Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen - 8. Senat - vom 14.01.2008, Az. L 8 SO 88/07 ER; vgl. auch Urteil des
Bundessozialgerichts - BSG - vom 31.10.2007, Az. B 14/11b AS 5/07 R, Rn. 35: "steuerfinanzierte
Fürsorgeleistung"). Gegen diese Auslegung kann nicht mit Erfolg eingewendet werden (vgl. Bayrisches LSG,
Beschluss vom 04.05.2009, Az. L 16 AS 130/09 B ER), dass es sich bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende
europarechtlich nicht um "Sozialhilfe" handele, sondern um eine "besondere beitragsunabhängige Leistung der
sozialen Sicherheit" i. S. d. Art. 4 Abs. 2a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149 vom 05.07.1971).
Unabhängig von der Frage, ob die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II insgesamt als
Sozialhilfeleistungen i. S. des Art. 24 Abs. 2 UBRL anzusehen sind, wird in der Rechtsprechung mit überzeugenden
Argumenten die Auffassung vertreten, dass jedenfalls die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II keine Leistungen sind, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009, Az.: L 34 AS 790/09 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom
15.11.2007, Az.: S 2 B 426/07). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass das SGB II zwischen Leistungen zur
Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 SGB
II) und solchen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB II) unterscheidet. Die Regelleistung zur
Sicherung des Lebensunterhalts umfasst nach § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege,
Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang die Beziehungen zur Umwelt
und eine Teilnahme am kulturellen Leben, enthält mithin keine Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Es
handelt sich damit wie die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII um existenzsichernde Leistungen, die nicht
den Zweck haben, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die diesbezüglichen Ansprüche der Hilfebedürftigen
sind vielmehr im Wesentlichen im ersten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB II geregelt.
Artikel 24 Abs. 2 UBRL ist - wie sich aus dem oben genannten Urteil des EuGH vom 04.06.2009 ergibt - mit
höherrangigem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Nach Art. 39 Abs. 2 EG haben Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats,
die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, einen Anspruch auf die in der Bestimmung
vorgesehene Gleichbehandlung. Zwar können sich nach der Entscheidung des EuGH die Staatsangehörigen der
Mitgliedsstaaten, die auf Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem
Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Artikel 39 Abs. 2 EG berufen, um eine finanzielle Leistung in
Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Bei den vorliegend vom Antragsteller
begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich nicht - wie bereits
dargelegt - um Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um Sozialhilfeleistungen im
Sinne des Artikel des 24 Abs. 2 UBRL. Soweit diese Bestimmung den Zugang zu steuerfinanzierten
Sozialleistungssystemen einschränkt, hat der EuGH keine Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Richtlinie geäußert
(a. a. O. Rn. 46). Im Übrigen hat der EuGH auch festgestellt, dass Artikel 12 EG einer nationalen Regelung nicht
entgegen steht, die Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten von Sozialhilfeleistungen ausschließt, die
Drittstaatenangehörigen gewährt werden. Ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch die
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erfasst, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Denn der
Antragsteller begehrt ausschließlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Selbst wenn aber entgegen den vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Fall eine finanzielle Leistung im Streit
stünde, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll, müsste der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben. Denn
nach der Rechtsprechung des EuGH (a. a. O., Rn. 38ff) können sich Unionsbürger, die auf Arbeitsuche in einem
anderen Mitgliedstaat sind und eine solche finanzielle Leistung beanspruchen, auf den Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art. 39 Abs. 2 EG nur dann berufen, wenn sie eine "tatsächliche Verbindung mit dem Arbeitsmarkt dieses
Staates" hergestellt haben, d. h. "während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem
betreffenden Mitgliedsstaat gesucht" haben. Eine solche tatsächliche Beschäftigungssuche hat der Antragsteller nicht
glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch ist somit nicht gegeben. Der Anordnungsgrund ist vom Antragsteller, der
bei seinen Eltern lebt, ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).