Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.12.2010

LSG Bwb: besondere härte, wirtschaftliche einheit, eigentumswohnung, kostenersatz, tod, erbe, immobilie, sozialhilfe, häusliche gemeinschaft, verwertung

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 22.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Reutlingen S 5 SO 2012/07
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 2 SO 5548/08
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Oktober 2008
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin Ziff. 1 wendet sich gemeinsam mit ihren minderjährigen Söhnen, den Klägern Ziff. 2 und Ziff. 3 gegen die
Inanspruchnahme als Erben des verstorbenen hilfebedürftigen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 bzw. Vaters der Kläger
Ziff. 2 und 3 durch den Sozialhilfeträger.
Der beklagte Sozialhilfeträger, der Landkreis Tübingen, erbrachte für den verstorbenen Ehemann der Klägerin Ziff. 1
und Vater der Kläger Ziff. 2 und 3 Leistungen in Form der Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung, nachdem dieser nach
einem Schlaganfall im Pflegeheim R. in Reutlingen untergebracht war. Dem Beklagten entstand in der Zeit vom 8.
März 2004 bis zum 3. September 2005 (Todestag des Ehemannes der Klägerin Ziff. 1) einen Sozialhilfeaufwand in
Höhe von insgesamt 49.269,08 EUR.
Nachdem der Ehemann der Klägerin Ziff. 1 bzw. Vater der Kläger Ziff. 2 und 3 am 3. September 2005 verstorben war,
wurden die Klägerin Ziff. 1 zur Hälfte und die Kläger Ziff. 2 und 3 je zu einem Viertel gesetzliche Erben. Im Nachlass
befindet sich die Miteigentumshälfte an der Eigentumswohnung M. 2 bis 6, Wohnung Nr. 4 in G. (111 qm). Die
Restdarlehenssumme betrug zum damaligen Zeitpunkt 44.777,37 EUR (derzeit noch 42.232,99 EUR). Die Wohnung
war ursprünglich (1996) von der Klägerin Ziff. 1 und ihrem verstorbenen Ehemann für 345.000,00 DM gekauft worden.
Mit Bescheiden vom 27. Juli 2006 wurde die Klägerin Ziff.1 in Höhe von 23.599,54 EUR und die Kläger Ziff. 2 und 3 in
Höhe von jeweils 11.799,77 EUR zur Erstattung von an den verstorbenen Ehegatten bzw. Vater gezahlten
Sozialleistungen aufgrund der erlangten Erbenstellung aufgefordert. Dem lag folgende Berechnung zugrunde:
ausgegangen wurde vom Kaufpreis von 345.000,00 DM, umgerechnet 176.395,70 EUR. Unter Berücksichtigung der
Restschuld zum 30. September 2005 in Höhe von 44.777,37 EUR sei von einem Nachlasswert von 65.809,17 EUR
auszugehen (176.395,70 EUR - 44.777,37 EUR = 131.618,33 EUR: 2 = 65.809,17 EUR). Mit dem Tod des Ehegatten
habe die Klägerin Ziff. 1 von seinem Eigentumsanteil die Hälfte und die beiden Kinder zusammen die andere Hälfte
geerbt. Gemäß § 102 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) seien die Erben zum Ersatz der
Kosten, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden seien und das Dreifache
des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen würden, verpflichtet. Die Ersatzpflicht der Erben gehöre zu
den Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Erbe hafte mit dem Wert
des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Der Grundbetrag liege derzeit bei 690,00 EUR. Der dreifache
Grundbetrag belaufe sich auf 2.070,00 EUR. Insgesamt seien in der Zeit, in der sich der Ehemann der Klägerin Ziff. 1
im Pflegeheim befunden habe, 49.269,08 EUR vom Sozialhilfeträger übernommen worden. Der Betrag, der als
Kostenersatz durch die Erben zurückgefordert werde, liege somit bei 47.199,08 EUR. Entsprechend der Erbanteile der
Klägerin Ziff. 1 und der Kläger Ziff. 2 und 3 seien anteilig Kosten in Höhe von 23.599,54 EUR durch die Klägerin Ziff. 1
und jeweils 11.799,77 EUR durch die Kläger Ziff. 2 und 3 zu erstatten.
Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Inanspruchnahme der Kläger als Erben würde eine
besondere Härte bedeuten. Es würde sich um einen schlimmen Schicksalsschlag handeln, nachdem der Ehemann
und Vater im Alter von erst 46 Jahren seiner Familie nach einem Schlaganfall und anschließender
Vollpflegebedürftigkeit im Koma entrissen worden sei. Die Klägerin sei nicht einmal 35 Jahre alt, die beiden Söhne elf
und zwei Jahre. Die Klägerin Ziff. 1 arbeite halbtags, um ihre Familie über Wasser zu halten und habe ein Gehalt von
netto 600,00 EUR erzielt. Ausreichende Mittel, den Sozialhilfeaufwand zurückzuzahlen, würden damit nicht vorliegen.
Eine Verwertung der Wohnung sei indessen praktisch nur durch den Auszug der Familie möglich, was unzumutbar
sei. Darüber hinaus sei zu erwarten, dass bei Verwertung der Wohnung die Klägerin selbst Sozialleistungen für sich
und ihre Kinder in Anspruch nehmen müsse. Im Übrigen sei der Wohnungsanteil des verstorbenen Ehegatten dessen
Schonvermögen gewesen und es auch nunmehr für die Erben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Im Ergebnis
hielt er an seiner Auffassung fest und führte ergänzend noch aus, dass nicht verkannt werde, dass die Situation der
Kläger nach dem Tod des Ehemannes und Vaters in finanzieller Hinsicht gerade sehr schwierig sei.
Außergewöhnliche persönliche oder wirtschaftliche Umstände, die zur Anerkennung einer besonderen Härte nach §
102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII führen könnten, seien in Bezug auf die Entscheidung zum Kostenersatz jedoch nicht
erkennbar. Dem Einwand, wonach eine mögliche Sozialhilfebedürftigkeit der Kläger, die durch den Kostenersatz
entstehen könne, abgewendet werden müsse, werde über die Vereinbarungen zu den Rückzahlungsmodalitäten
Rechnung getragen. Ein von den Klägern angeführtes Urteil des VGH München vom 26. Juli 1993 sei auf den hier
vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig, da es sich beim dort entschiedenen Fall erstens um Eheleute gehandelt
habe, die im Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt hätten, und es sich zweitens beim geschützten Vermögen um
einen landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt habe, der vom Gericht als eine unzertrennbare wirtschaftliche Einheit
angesehen worden sei, wovon man bei einer Eigentumswohnung nicht ausgehen könne. Es entspreche vielmehr Sinn
und Zweck des § 102 SGB XII, dass der Erbe den Kostenersatz gerade aus dem ihm hinterlassenen Vermögen leiste,
das zu Lebzeiten des Hilfeempfängers Schonvermögen gewesen sei. Soweit er nicht selbst hilfebedürftig sei, könne
er sich nicht darauf berufen, dass sich die Regelung über Schonvermögen auch zu seinen Gunsten auswirke. Der
vererbte Anteil an der Eigentumswohnung stelle somit kein Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dar. Es
werde insoweit auf die entsprechende Rechtsprechung (Urteil VGH Mannheim vom 7. Oktober 1992, Urteil des VGH
NRW vom 20. Februar 2001 oder Urteil VG Münster vom 2. November 2004) verwiesen. Aufgrund der finanziellen
Situation der Kläger werde im Übrigen auf die Möglichkeit hingewiesen, Ratenzahlungen zu vereinbaren oder Stundung
zu beantragen.
Hiergegen haben die Kläger am 22. Mai 2007 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung
haben die Kläger vorgetragen, § 102 SGB XII sei nach seinem Sinn und Zweck auf den vorliegenden Fall nicht
anwendbar. Die Klägerin Ziff. 1 sei lange vor dem Erbfall bereits hälftige Miteigentümerin der Wohnung gewesen.
Nachdem kein weiteres Grundvermögen vorliegen würde, handele es sich um die Existenzgrundlage der Kläger. Die
selbst genutzte Eigentumswohnung sei indessen grundsätzlich Schonvermögen im Sinne des Sozialrechts, soweit sie
vom potentiellen Sozialhilfeempfänger bewohnt werde und kein anderer Wohnraum zur Verfügung stehe. Die Wohnung
sei damit zu Lebzeiten des Ehegatten der Klägerin Ziff. 1) für diesen eindeutiges Schonvermögen gewesen, weshalb
es auch unangetastet geblieben sei. Nun sei aber auch die Wohnung für die Kläger Schonvermögen, soweit diese
selbst Sozialleistungen beantragen müssten. Es gehe zwar lediglich um die Wohneigentumshälfte der Kläger, faktisch
müsse indessen die gesamte Wohnung verwertet werden, soweit die Forderung zu bedienen sei. Eine separate
Verwertung sei gerade nicht möglich. Vielmehr würde die Wohnung eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die Gründe, die
vor dem Tod des Ehemannes für die Verschonung des Vermögens tragend gewesen seien, seien es auch unverändert
nach dessen Tod. Unter Berücksichtigung der persönlichen Situation der Kläger und auch der
Einkommensverhältnisse würde darüber hinaus auch eine besondere Härte vorliegen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass an die Kläger unstreitig die Hälfte der
Eigentumswohnung im Wert von 65.809,17 EUR vererbt worden sei. Die Klassifizierung der Wohnung als
Schonvermögen habe mit dem Tod des Erblassers geendet. Inwieweit diese Wohnung wiederum zu Schonvermögen
werde, dadurch, dass die Kläger selbst hilfebedürftig würden, sei rein hypothetisch. Darüber hinaus sei die Vorschrift
des § 102 SGB XII anwendbar, da es Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei, vom Erben Kostenersatz aus dem ihm
vom Hilfeempfänger hinterlassenen Vermögen zu fordern, um so sachlich ungerechtfertigte Vorteile des Erben zu
vermeiden und den Wert des Erbes klar zu beziffern. Es sei zwar praktisch schwierig, die ererbte Hälfte der Wohnung
zu verwerten. Diese Schwierigkeiten würden jedoch nicht so stark wiegen, dass von einer Nichtverwertbarkeit
auszugehen wäre. Die Voraussetzungen für die Begründung einer besonderen Härte würden nicht vorliegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Oktober 2008 hat das SG die Bescheide des Beklagten vom 27. Juli 2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2007 aufgehoben. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten,
dass die Voraussetzungen für einen Kostenersatz durch die Erben nach § 102 SGB XII bei den Klägern nicht
vorliegen würden. Die Regelung des § 102 SGB XII sei insoweit einschränkend nach Sinn und Zweck dahingehend
auszulegen, dass eine Kostenerstattungspflicht nur dann eintrete, wenn hierdurch sachlich ungerechtfertigte Vorteile
der Erben vermieden würden. § 102 SGB XII begründe eine selbstständige Erbenhaftung für dem Erblasser
rechtmäßig erbrachte Leistungen der Sozialhilfe. Die Vorschrift solle eine Heranziehung der Erben zum Kostenersatz
unabhängig von zum früheren Zeitpunkt zugunsten des Leistungsberechtigten bestehenden Schutzvorschriften
ermöglichen. Vor Schaffung der Vorgängerregelung des § 102 SGB XII, dem § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
sei ein Rückgriff nur im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge in Betracht gekommen. Nachdem dabei jedoch die Erben
in die Rechtsstellung des Leistungsberechtigten eingetreten seien, seien sie dadurch in der Lage gewesen, sich auf
die dem Erblasser zustehenden Schutzvorschriften zu berufen. Nachdem nicht gerechtfertigt erschienen sei, dass
den Erben der Hilfeempfänger, besonders denjenigen, die dem Hilfeempfänger nicht nahegestanden hätten, nur
deshalb zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen zuwachse, weil dem Hilfeempfänger und seinen nächsten
Angehörigen selbst die Verwertung dieser Vermögen nicht zugemutet worden sei, habe sich der Gesetzgeber zur
Einführung des § 92c BSHG entschlossen. Insoweit diene die vorliegende Regelung dazu, dem Erben nicht daraus
Vorteile entstehen zu lassen, dass der Hilfebedürftige Vermögen nicht einzusetzen habe, während ein anderer
Hilfebedürftiger, welcher lediglich auf sein Einkommen angewiesen sei, aufgrund des Einkommenseinsatzes zur
teilweisen Deckung des Sozialhilfebedarfes nicht mehr in der Lage sei, Vermögen anzusparen, welches in die
Erbmasse fallen würde. Zu beachten sei weiter, dass die Vermögensschutzvorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII
das Familienheim der Bedarfs- oder Einstandsgemeinschaft schütze. Nachdem der Gesetzgeber darauf abstelle, dass
ein Vermögenszuwachs für den Fall, dass dem Hilfebedürftigen und den nächsten Angehörigen die
Vermögensverwertung nicht zugemutet werden sollte, die Erbenhaftung greifen solle, sei daran zu denken, dass der
Gesetzgeber in diesem Fall nur für außenstehende Dritte, welche nicht der durch die ursprüngliche Schutzvorschrift
geschützten Mitglieder der Bedarfs-/Einstandsgemeinschaft entsprechen würden, gelten solle. Darüber hinaus solle
die Schutzvorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII sicherstellen, dass auch bei Unterbringung des Hilfebedürftigen in
einer Pflegeeinrichtung, das bedeute, bei Nichtbewohnen der im Schonvermögen stehenden Wohnung eine
Verwertung nicht zugemutet werde. Der hieraus resultierende Schutz der nicht im Leistungsbezug stehenden
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bedeute in der Konsequenz, dass der Gesetzgeber deren Interesse an einem
Fortbestand der Wohnung für schützenswert erachte und trotz Vorhandenseins dieses Vermögenswertes
Sozialleistungen erbringe. Dies manifestiere sich für den Fall des Versterbens des Leistungsberechtigten in § 90 Abs.
2 Nr. 8 Satz 1 SGB XII dahingehend, dass das Hausgrundstück auch für den Fall geschützt sei, dass es nach dem
Tode des Leistungsberechtigten von dessen Angehörigen bewohnt werden solle. Insoweit gehe der Gesetzgeber
selbst davon aus, dass das angemessene Hausgrundstück den nahen Angehörigen des Erblassers weiter zur
Verfügung stehe. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze entspreche es nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen
Regelung des § 102 SGB XII, dass die nahen Angehörigen des Hilfebedürftigen aus dem Nachlass, welcher letztlich
in der nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützten Eigentumswohnung bestehe, Kostenersatz zu leisten habe. Diese
Regelung ziele vielmehr darauf ab, ungerechtfertigte Vorteile des Erben zu vermeiden. Im vorliegenden Fall sei der
Vorteil aber zum einen dadurch bereits gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bereits
davon ausgehe, dass die geschützte Wohnung nach dem Tod des Erblassers von den nahen Angehörigen weiter
genutzt werden könne. Darüber hinaus stelle der Miteigentumsanteil keinen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs bei
den Erben des Leistungsberechtigten dar. Für den Fall, dass die Kläger selbst hilfebedürftig werden sollten, wäre der
ererbte Miteigentumsanteil als Schonvermögen zu betrachten. Dies bedeute im Ergebnis, dass der Gesetzgeber sie
von einem Vermögenseinsatz freistellen würde und stattdessen selbst eintreten würde.
Der Beklagte hat gegen den ihm mit Empfangsbekenntnis am 6. November 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am
29. November 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Beklagte geltend, der Rechtsauffassung des SG
könne man nicht folgen. Der vorgenommene Bezug auf § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bei der Auslegung des § 102 SGB
XII erscheine für die getroffene Entscheidung nicht relevant. Es werde darauf hingewiesen, dass beide Vorschriften
unterschiedliche Regelungsinhalte hätten. § 102 SGB XII definiere eigenständig die Haftung des Erben, wobei ihm
eindeutig nicht mehr die Privilegierung des verstorbenen Leistungsbeziehers zugute kommen solle. Die
Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGBXII - nämlich u.a. die tatsächliche Nutzung der nachfragenden Person
oder einer zur Einsatzgemeinschaft gehörende Person und weiterhin die Nutzung der Immobilie durch Angehörige
nach Versterben der nachfragenden Person - seien vor der Gewährung von Sozialleistungen zu klären. Jede danach
geschützte Immobilie habe den Zweck der Sicherung einer Familienwohnung. Die künftige Verwendung der Immobilie
sei aber nur in diesem Zusammenhang von Interesse, denn auch eine geschützte Immobilie, die also nach dem Tod
des Leistungsbeziehers von Angehörigen bewohnt werden solle, falle nach dem Tod des Leistungsbeziehers in den
Nachlass mit der Folge, dass der Erbe unter den Voraussetzungen des § 102 SGB XII zum Kostenersatz verpflichtet
sei. Ob der Erbe dann im Falle einer Kostenersatzpflicht die Immobilie tatsächlich weiter nutze, hänge letztlich von
seinen finanziellen Verhältnissen ab, nämlich, ob er in der Lage sei, die Immobilie zu halten und gleichzeitig die
Ersatzpflicht zu erfüllen. Für eine Außerachtlassung von § 90 SGB XII bei Anwendung des § 102 SGB XII spreche
auch, dass die Immobilie auch dann geschützt sei, wenn sie später von weitläufigeren Angehörigen bewohnt werden
solle, die nicht unbedingt die Erben sein müssten. Eine generelle Verneinung der Kostenersatzpflicht der Erben mit
der Begründung, dass sicherzustellen sei, dass Angehörige die vormals zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges
geschützte Immobilie tatsächlich bewohnten, könne aus § 90 Abs. 2 Nr.8 SGB XII keinesfalls hergeleitet werden. Die
Überlegung, dass die Immobilie bei eigenem Sozialhilfebezug der Erben ebenfalls als geschützt anzusehen und damit
nicht einzusetzen wäre, sei im vorliegenden Fall hypothetisch, aber im Endeffekt eindeutig zu bejahen. Trotzdem sei
diese hypothetische Überlegung für die vorliegend zu entscheidende Frage des Kostenersatzes irrelevant. Es bleibe
festzustellen, dass sich der durch die Erbschaft entstandene Vermögenszuwachs für die Erben im alltäglichen Leben
nicht bemerkbar machen dürfte, faktisch aber tatsächlich entstanden sei und keinen gerechtfertigten Vorteil darstelle.
Daher sei ein Anspruch aus § 102 SGB XII zu bejahen.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger halten die Entscheidung des SG für zutreffend.
Nach der Auskunft des Beklagten vom 14. Dezember 2010 hätte 2005 der Sozialhilfebedarf einschließlich der
angemessenen Kosten der Unterkunft bei den Klägern 1378 EUR betragen. Die Kläger verfügten über Einnahmen in
Höhe von ca. 2000 EUR (Arbeitseinkommen der Klägerin Ziff. 1, Witwenrente, Halbwaisenrente der Kinder,
Kindergeld, Wohngeld).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte
des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein
Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von
750,00 EUR ist überschritten.
II.
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des SG hat der Beklagte gegen die Kläger
einen Erstattungsanspruch aus dem Erbe des verstorbenen Ehemannes der Klägerin Ziff. 1 bzw. des Vaters der
Kläger Ziff. 2 und 3 für diesem erbrachte Leistungen der Hilfe zur Pflege.
1. Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 102 SGB XII. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist der Erbe der
leistungsberechtigten Person oder ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners, falls diese vor der leistungsberechtigten
Person sterben, vorbehaltlich des Abs. 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht
nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet
worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 übersteigen (Satz 2). Die Ersatzpflicht des
Erben des Ehegatten oder Lebenspartners besteht nicht für die Kosten der Sozialhilfe, die während des
Getrenntlebens der Ehegatten oder Lebenspartner geleistet worden sind (Satz 3).
Die Ersatzpflicht des Erben gehört gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe
haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (Satz 2).
Der Anspruch auf Kostenersatz ist gemäß § 102 Abs. 3 SGB XII nicht geltend zu machen, 1. soweit der Wert des
Nachlasses unter dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 liegt, 2. soweit der Wert des Nachlasses unter
dem Betrag von 15.340,00 EUR liegt, wenn der Erbe der Ehegatte oder Lebenspartner der leistungsberechtigten
Person oder mit dieser verwandt ist und nicht nur vorübergehend bis zum Tod der leistungsberechtigten Person mit
dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie gepflegt hat, 3. soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der
Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
Gemäß § 102 Abs. 5 SGB XII gilt der Ersatz der Kosten durch die Erben nicht für Leistungen nach dem Vierten
Kapitel und für die vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe.
Dem verstorbenen Hilfebedürftigen waren Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Fünften Kapitel gewährt worden.
Gemäß § 102 Abs. 5 ist damit ein Ersatz dieser Kosten anders als bei den Kosten für Leistungen nach dem Vierten
Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) nicht ausgeschlossen.
2. Entgegen der Auffassung des SG begründet nach Überzeugung des Senates § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII kein
"postmortales Verwertungshindernis bzw. Schonvermögen" für den an die Kläger vererbten Miteigentumsanteil des
verstorbenen hilfebedürftigen Ehemannes bzw. Vaters der Kläger an der hier betroffenen Eigentumswohnung.
Zutreffend hat insoweit auch das SG bereits darauf hingewiesen, dass § 102 SGB XII eine selbstständige
Erbenhaftung für dem Erblasser rechtmäßig erbrachte Leistungen der Sozialhilfe begründet. Mit dieser Regelung soll
eine Heranziehung der Erben zum Kostenersatz unabhängig von zum früheren Zeitpunkt zugunsten des
Leistungsberechtigten bestehenden Schutzvorschriften ermöglicht werden. Nachdem es nicht gerechtfertigt erschien,
dass den Erben der Hilfeempfänger, besonders denjenigen, die dem Hilfeempfänger nicht nahegestanden haben, nur
deshalb zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen zuwächst, weil dem Hilfeempfänger und seinen nächsten Angehörigen
selbst die Verwertung dieses Vermögens nicht zugemutet worden ist, sah sich - wie bereits vom SG ausgeführt - der
Gesetzgeber zur Einführung des § 92c BSHG gezwungen (BT-Drucks. V/3495 S. 16).
Im Gegensatz dazu trifft aber § 90 SGB XII im Zusammenhang mit dem Bezug von Hilfeleistungen eine Regelung
lediglich dahingehend, inwieweit bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für Hilfeleistungen Bedürftigkeit
vorliegt bzw. vorhandenes zu verwertendes Vermögen. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII trifft in dem Zusammenhang eine
Regelung konkret dahingehend, dass ein angemessenes Hausgrundstück (bzw. eine angemessene
Eigentumswohnung) nicht zu verwerten ist, sofern dieses Hausgrundstück bzw. die Eigentumswohnung - wie hier -
selbst vom Hilfeempfänger und seinen Angehörigen genutzt wird und nach dem Tode des Leistungs- bzw.
Hilfeempfängers weiter von den Angehörigen bewohnt werden soll. Hieraus ergibt sich aber keineswegs, dass die
Eigentumswohnung deswegen grundsätzlich nach dem Tode des Hilfeempfängers nicht verwertet werden könnte.
Insoweit handelt es sich nur um ein Abgrenzungskriterium. Denn nur dann, wenn diese Eigentumswohnung
grundsätzlich auf Dauer, und damit auch gegebenenfalls über den Tod des Leistungsempfängers hinaus, von den
Angehörigen weiter bewohnt werden soll, ist sie auch bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen schützenswert. Das
heißt mit anderen Worten, stünde vielmehr bei Antragstellung schon fest, dass die Eigentumswohnung verkauft
werden soll oder später (während des Leistungsbezuges) verkauft wird oder etwa nur (noch) gehalten wird, um die
sozialhilferechtliche Verwertung zu verhindern, wäre sie auch schon zu Lebzeiten des Hilfebedürftigen nicht mehr
schützenswert (siehe etwa Brühl/Geiger in LPK-SGB XII 8. Aufl. § 90 Rdnrn. 43, 44), sondern dann vielmehr der auf
den Leistungsempfänger entfallende Vermögensanteil insoweit grundsätzlich zu verwerten (soweit nicht unter
Umständen andere Schutztatbestände eingreifen). Diese Bedingung, wonach die eigengenutzte Wohnung von den
Angehörigen auch über den Tod des Hilfebedürftigen hinaus genutzt werden soll, stellt also nur ein
Abgrenzungskriterium für die zum Zeitpunkt der Antragstellung zu treffende Prognoseentscheidung und die Frage
eines Verwertungshindernisses während des Leistungsbezuges dar. Da der Beklagte nach den Umständen davon
ausgehen konnte, dass die hier betroffene eigengenutzte Eigentumswohnung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auf
unbestimmte Zeit und auch gegebenenfalls - wie bislang auch geschehen - über den Tod des Leistungsempfängers
hinaus von den Angehörigen genutzt werden sollte, war sie gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII von der Verwertung
während des Leistungsbezuges ausgeschlossen. § 90 Abs. 2 SGB XII trifft aber nur - wie schon ausgeführt - eine
Regelung darüber, inwieweit während des Leistungsbezuges Vermögen (mit-)zuverwerten bzw. nicht zu verwerten ist.
Denn diese Regelung findet sich im Elften Kapitel des SGB XII "Einsatz des Einkommens und Vermögens" 3.
Abschnitt "Vermögen". Eine Regelung aber darüber, was mit möglichem Schonvermögen nach dem Tode des
Leistungsempfängers geschehen solle, trifft § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII gerade nicht. Für diesen Fall trifft vielmehr §
102 SGB XII im 13. Kapitel "Kosten" 1. Abschnitt "Kostenersatz" eine (abschließende) Regelung einschließlich
entsprechender "Freibeträge" für die Erben. Wie auch der bereits vom SG zitierten Gesetzesbegründung zu
entnehmen ist, sollte mit § 92c BSHG bzw. jetzt § 102 SGB XII gerade verhindert werden, dass die Erben weiterhin
die zugunsten des Hilfebedürftigen bestandenen Schutztatbestände auch für sich in Anspruch nehmen können.
Folglich verbietet sich nach Auffassung des Senates die vom SG unter Heranziehung der Regelung in § 90 Abs. 2 Nr.
8 SGB XII vorgenommene eingeschränkte Auslegung für Familienangehörige. Insbesondere ergibt sich nicht etwa -
wie im Ergebnis letztlich vom SG vertreten - aus § 90 Abs.2 Nr.8 SGB XII ein über den Tod des bedürftigen
Leistungsempfängers hinaus bestehender Schutztatbestand. Hätte der Gesetzgeber einen solchen Schutztatbestand
begründen wollen, hätte er diesen konsequenterweise in die Regelungen über die Haftung der Erben nach § 102 SGB
XII dort ausdrücklich in die "Freibetrags"- bzw. Härteregelungen aufnehmen können und müssen.
3. Damit ausgehend von § 102 SGB XII hat der Beklagte bei der Berechnung der Erstattungsforderung auch
zutreffend den dreifachen Grundbetrag nach § 85 Abs. 1 SGB XII gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII berücksichtigt
und von der geltend gemachten Erstattungsforderung abgezogen.
Die Voraussetzungen für den erhöhten "Freibetrag" in Höhe von 15.340,00 EUR gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 2 liegen
hingegen nicht vor, da der Verstorbene von den Klägern bzw. insbesondere der Klägerin Ziff. 1 nicht gepflegt wurde.
Er befand sich vielmehr in einer stationären Pflegeeinrichtung.
Im Weiteren ist sodann im Hinblick auf den Einwand der Kläger, dass bei Geltendmachung des Erstattungsanspruchs
die Eigentumswohnung der Klägerin Ziff. 1 und der Kläger Ziff. 2 und 3 gegebenenfalls verkauft werden müsste, die
Härtefallregelung nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII zu prüfen.
Danach ist der Anspruch auf Kostenersatz nicht geltend zu machen, soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der
Besonderheit des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche Härte ist bei einer auffallenden Atypik
des zu beurteilenden Sachverhalts anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als
unbillig erscheinen lässt, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen (siehe noch zur
wortgleichen Regelung in § 92 c BSHG BSG im Urteil vom 23. März 2010, B 8 SO 2/09R, Rdnr. 27 ff in juris). Die
Härte muss besonders gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen (Adolph in Linhart/Adolph,
Sozialgesetzbuch II/Sozialgesetzbuch XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 102 SGB XII RdNr 111, Stand März 2008).
Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein der Nr. 2 des § 92c Abs. 3 BSHG (bzw. jetzt § 102 Abs.3 SGB XII)
vergleichbarer Fall vorliegt, weil der Hilfebedürftige von dem mit ihm verwandten Erben bis zum Tode des
Hilfeempfängers gepflegt wurde, ohne dass eine häusliche Gemeinschaft bestand, aber der Hilfebedürftige und der
Verwandte in naher Nachbarschaft lebten und die Pflege auf Grund dieser Nähe gesichert war (W. Schellhorn/H.
Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 92c BSHG RdNr 2; Schellhorn SGB XII 18.Aufl. 2010 § 102 Rdnr.27; s.a.
Begründung zum Gesetzentwurf in BT-Drucks. V/3495 S.16 zu § 92c). Allerdings setzt die Pflege eines
Schwerstbehinderten dann einen erheblichen zeitlichen Umfang voraus, weil die in häuslicher Gemeinschaft erbrachte
Pflege eines Verwandten ebenfalls "rund um die Uhr erfolgt". Eine solche Situation ist hier nicht gegeben. Der
Erblasser befand sich während der hier streitigen Zeit durchgehend in einer stationären Pflegeeinrichtung.
Ebensowenig lässt sich die Annahme einer besonderen Härte bereits darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem
Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war. Der Ersatzanspruch gegen den Erben zielt - wie oben bereits
ausgeführt - gerade darauf ab, zu verhindern, dass sich der Schutz des Schonvermögens des Leistungsberechtigten
auch zugunsten des Erben auswirkt, ohne dass in dessen Person eine diesbezügliche Schutzbedürftigkeit gegeben
ist. Allerdings kann eine die Ersatzpflicht ausschließende Härte dann vorliegen, wenn der Vermögensgegenstand vor
dem Erbfall im Miteigentum des Leistungsberechtigten und des Erben stand und daher auch für beide gleichermaßen
als Schonvermögen geschützt war (z.B. bei einem selbst bewohnten Hausgrundstück; zu einem beiden Eheleuten
gemeinsam gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb vgl. VGH München, FEVS 44, 461; Bieback in Grube/Warendorf
SGB XII Sozialhilfe 3. Aufl. § 102 Rdnr. 26).
Keine besondere Härte begründet für sich der Umstand, dass z.B. der Erbe der Ehegatte des verstorbenen
Hilfeempfängers ist (BVerwG, FEVS 32, 17). Auch z.B. Pflegeleistungen des Ehegatten, eines Verwandten oder einer
dritten Person, die angesichts ihrer Intensität oder ihres Umfangs unterhalb des in § 61 Abs. 1 vorausgesetzten
Maßstabs liegen, begründen keine besondere Härte. Eine besondere Härte kann sich auch nicht aus den
Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Erben (z.B. Arbeitslosigkeit) ergeben (vgl. LSG Schleswig-Holstein,
ErbR 2006, 59). Denn die Haftung des Erben ist auf den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen
Nachlasses begrenzt. Ist der Erbe gezwungen, das ererbte Haus, das zu Lebzeiten der leistungsberechtigten Person
Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 bildete, zu veräußern, so führt dies ebenfalls zu keiner besonderen Härte
(VGH Mannheim, FEVS 44, 104). In dem Zusammenhang ist weiter noch zu berücksichtigen, dass der Freibetrag
nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 - wie auch geschehen - stets zu gewähren ist, wohingegen die Freibeträge nach § 102 Abs. 3
Nr. 2 und Nr. 3 auf besondere persönliche Umstände abstellen und daher nur dem Erben zugute kommen, der in
seiner Person die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt (BVerwG, FEVS 27, 100). Zwar könnte ein Härtefall unter
Umständen dann vorliegen, wenn das Vermögen ebenfalls für die Kläger Schonvermögen wäre. Dies ist aber nicht der
Fall. Die Kläger sind nicht sozialhilfebedürftig bzw. im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin Ziff. 1
hilfebedürftig nach dem SGB II (Alg II). Sie verfügten insgesamt über (Netto-)Einnahmen (aus Erwerbstätigkeit -665
EUR-, Witwenrente - 598 EUR -, Halbwaisenrente - 2 x 172 EUR -, Wohngeld - 44 EUR - und Kindergeld - 308 EUR -
Stand 2007/2010) in Höhe von ca. 1960 EUR bis 2000 EUR. Der Bedarf der Kläger einschließlich der Kosten der
Unterkunft für eine angemessene Wohnung wäre hingegen lediglich bei 1378 EUR anzusetzen. Schließlich ist die in §
102 Abs. 3 enthaltene Aufzählung von Freibetrags- bzw. Härteregelungen abschließend. Dem Träger der Sozialhilfe ist
es deshalb verwehrt, in "einfachen" Härtefällen auch nach pflichtgemäßem Ermessen von der Geltendmachung des
Kostenersatzanspruchs abzusehen. Auch verwaltungsökonomische Gründe eröffnen keine Ermessensentscheidung,
Kostenersatz nicht geltend zu machen.
Desweiteren führt die Annahme einer besonderen Härte im Übrigen nicht dazu, dass der Erbe überhaupt nicht zum
Kostenersatz herangezogen werden dürfte. Vielmehr zeigt die Verwendung des Wortes "soweit", dass das Gesetz in
der Regel von einer nur teilweisen Nichtgeltendmachung des Ersatzanspruches ausgeht. Es ist deshalb weiter sodann
in jedem Einzelfall zu prüfen, in welcher Höhe der Träger der Sozialhilfe den Kostenersatzanspruch nicht geltend
machen darf.
4. Der Beklagte hat auch unter Beachtung dieser Grundsätze zutreffend im Rahmen seiner Entscheidung die Frage
eines Härtefalles nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII geprüft und verneint. Der Beklagte ist hierbei - letztlich in
Übereinstimmung mit der oben bereits dargestellten Rechtsprechung - davon ausgegangen, dass der Begriff der
"besonderen Härte" sich vornehmlich mit Blick auf den vom Gesetzgeber in § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGBXII ausdrücklich
geregelten Härtefall erschließt. Danach mussten nach Überzeugung des Beklagten im Einzelnen Umstände
persönlicher oder wirtschaftlicher Art vorliegen, die dem in Nr. 2 geregelten Lebenssachverhalt hinsichtlich ihrer
Bedeutung und Schwere vergleichbar sind. Der Beklagte hat in dem Zusammenhang weiter darauf verwiesen, dass
nicht verkannt werde, dass die Situation der Kläger nach dem Tod des Ehemannes bzw. Vaters gerade in finanzieller
Hinsicht sehr schwierig sei. Außergewöhnliche persönliche oder wirtschaftliche Umstände, die zur Anerkennung einer
besonderen Härte nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII führen könnten, sind jedoch nach Überzeugung des Beklagten
nicht erkennbar gewesen. Diese Beurteilung teilt der Senat. Auch der Senat verkennt einerseits nicht, dass die Kläger
unter Umständen nicht (mehr) in der Lage sind, die hier im Raum stehende Erstattungsforderung z.B. durch ein
weiteres Hypothekendarlehen auf die Eigentumswohnung zu finanzieren, wie wohl den Klägern insgesamt unter
Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin Ziff. 1 und ihrer Witwenrente sowie der Halbwaisenrente der Kläger
Ziff. 2 und 3 und des Kindergeldes nach Abzug von Steuern, Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung ca.
2.000,00 EUR monatlich zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite aber würde eine Veräußerung der Wohnung in
diesem Falle keineswegs zur Hilfebedürftigkeit der Kläger führen. Denn ausgehend von einem Verkehrswert in einer
Größenordnung von ca. 175.000,00 EUR und abzüglich der zum damaligen Zeitpunkt noch bestehenden Schulden aus
Hypothekendarlehen in Höhe von ca. 45.000,00 EUR verblieben 130.000,00 EUR, abzüglich der hier im Streit
stehenden Erstattungsforderung des Beklagten verbliebe den Klägern noch ein Betrag in Höhe von mindestens
80.000,00 EUR. Anders als in dem von der Klägerseite angesprochenen Fall, über den der Bayerische VGH zu
entscheiden hatte (12 B 90.3525, Urteil vom 26. Juli 1993) steht hier durch einen möglichen Verkauf der Immobilie
nicht gleichzeitig die wirtschaftliche Existenzgrundlage auf dem Spiel. Im vom Bayerischen VGH entschiedenen Fall
wäre der Ehegatte der verstorbenen Hilfebedürftigen nämlich gezwungen gewesen, den (im Gemeinschaftseigentum
stehenden) landwirtschaftlichen Betrieb zu veräußern, der gleichzeitig die (berufliche) Existenzgrundlage darstellte.
Insgesamt liegen damit für den Senat die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles unter Beachtung der
oben aufgezeigten Grundsätze im Falle der Kläger nicht vor.
Aus diesen Gründen ist auf die Berufung des Beklagten der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.
Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.