Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23.01.2004

LSG Bwb: medizinische indikation, ärztliche behandlung, plastische chirurgie, zustand, rückenbeschwerden, behandlungsbedürftigkeit, orthopädie, eingriff, klinik, verfügung

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 23.01.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Heilbronn S 9 KR 3059/00
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1609/02
Die Berufung der Klägerin wird zu-rückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beru-fungsverfahrens sind nicht zu erstat-ten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten einer Brustver-kleinerungsoperation
(Mammareduktionsplastik [MRP]) zu übernehmen.
Die am 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Jahre 1999 beantragte sie die Übernahme
der Kosten für eine operative MRP. Sie legte der Beklagten den Arztbrief des Prof. Dr. G., Ärztlicher Direktor der
Klinik für Plastische Chirurgie im M.-hospital S., vom 11. März 1999 vor, in dem die folgenden Diagnosen aufgeführt
sind: Mammacarzinom rechts, Zustand nach brusterhaltender Therapie 6/97, Zustand nach Chemotherapie nach dem
CMS-Schema, Zustand nach Radiotherapie, Makromastie. Weiter ist ausgeführt, die Klägerin habe sich am 09. März
1999 wegen einer Brustverkleinerungsoperation vorgestellt und angege-ben, unter der regelmäßigen Einnahme von
Tamoxifen 15 kg zugenommen zu haben, wobei die schon vorher große Brust noch deutlich größer geworden sei. Bei
einer Größe von 174 cm wiege sie 88 kg und trage einen BH der Größe 90 E. Sie habe erhebliche Rückenschmerzen,
weshalb sie ständig NSAR einnehme. Vor zwölf Jahren sei eine Bandscheibenoperation in Höhe L5/S1 durchgeführt
worden. Die Untersuchung habe einen Jugulum-Mammillenabstand von rechts 28,5 und links 31 cm ergeben, das zu
erwartende Resektionsgewicht betrage rechts 600 und links mindestens ca. 900 g. Prof. Dr. G. führt weiter aus, er
habe die Klägerin auf das erheblich erhöh-te Risiko von Wundheilungsstörungen auf der bestrahlten rechten Seite
hingewiesen, jedoch sei in Anbetracht der ausgeprägten Beschwerdesymptomatik eine MRP indiziert. Die Beklagte
ver-anlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), wo-bei
Obermedizinalrat W. nach persönlicher Untersuchung der Klägerin ausweislich seines Gut-achtens vom 07. Juni 1999
die beantragte Maßnahme nicht befürwortete. Er stellte eine Makro-mastie beidseits bei einem allgemeinen
Übergewicht von 16 kg fest und führte aus, dass sich bei einer Gewichtsnormalisierung das derzeitige Brustgewicht
von ca. 1.085 g pro Seite um ca. 320 g je Brust reduzieren lasse. Es sei von einer mittelstarken Hypertrophie
auszugehen, bei der kein Zusammenhang mit Rückenbeschwerden gesehen werden könne. Eine Rückenschulung
habe vor Jahren stattgefunden; ansonsten werde keine orthopädische Therapie für den oberen Rückenbereich
durchgeführt. Durch einen stabileren BH mit breiteren Trägern und ausgearbeite-tem Rückenteil könne die Brustlast im
Übrigen noch besser verteilt werden. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin
mit Bescheid vom 16. Juni 1999 ab. Dagegen erhob die Klägerin am 11. Januar 2000 Widerspruch und legte das an
sie gerichtete Schreiben des Prof. Dr. G. vom 21. November 1999 vor. Danach bestehe eine medizinische In-dikation
für eine Brustverkleinerung. Seitens des MDK sei das Brustgewicht falsch eingeschätzt worden. Die entscheidende
Größe sei das vorhersehbare Reduktionsvolumen, das deutlich über 700 g liegen werde. Auch nach einer eventuellen
Gewichtsreduktion um 16 kg lägen die Brüste noch immer in einem Größenbereich für eine medizinische
Reduktionsindikation. Wegen Unver-zichtbarkeit der Tamoxifen-Behandlung in naher Zukunft könne eine
Gewichtsreduktion im Üb-rigen kaum erwartet werden. Die funktionelle Entlastung der Wirbelsäule könne deshalb nur
auf dem Weg einer MRP erreicht werden. Ein regelwidriger Körperzustand liege vor. Die Beklagte holte die weitere
Stellungnahme des Dr. W. vom MDK in Heidelberg vom 28. Dezember 1999 ein, der die beantragte Brustverkleinerung
nicht befürwortete. Es sei nicht erkennbar, welcher krankhafte Befund der Mamma im konkreten Fall durch eine
operative Maßnahme behandelt werden solle. Valide Studien, die den Zusammenhang zwischen Brustgewicht und
schädigendem Einfluss auf den Halte- und Stützapparat wissenschaftlich belegten, existierten bisher selbst für
Brustlasten über 1.200 g nicht. Die angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden seien mit Mitteln
orthopädisch/physiotherapeutischer Therapiekonzepte behandelbar; eine Ausschöpfung dieser Möglichkeiten sei nicht
erkennbar. Ein krankhafter, durch eine MRP behandelbarer Befund liege nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid der bei
der Beklagten gebildeten Widerspruchsstelle vom 28. Februar 2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 23. Mai 2000 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 16. Juni 1999 gemäß § 44 des Zehnten
Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Sie machte geltend, das Recht sei seinerzeit fehlerhaft angewandt worden.
Prof. Dr. G. habe die medizinische Indikation für die MRP bestätigt und auch mit der Größe der Brust und der
Vorerkrankung begründet. Hinzu komme die psychische Belastung durch das Mammacarzinom, wobei auch ihre
Mutter an den Folgen dieser Erkrankung verstorben sei. Auch die damit einhergehenden psychischen Probleme
indizierten die MRP. Sie legte das in dem Feststellungsverfahren nach dem früheren Schwerbe-hindertengesetz
(SchwbG) dem Versorgungsamt Heilbronn übersandte Schreiben ihrer Bevoll-mächtigten vom 17. Juli 2000 vor. Mit
Bescheid vom 03. August 2000 lehnte es die Beklagte ab, den Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2000
aufzuheben. Seinerzeit sei das Recht nicht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen
worden. Eine behandlungsbedürftige Erkrankung der Brust liege bei der Klägerin derzeit nicht vor. Zur Behandlung der
Wirbelsäulenbeschwerden stünden physiotherapeutische Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die unmittelbar an der
Krankheit, nämlich den Beschwerden im Wirbelsäulenbereich, ansetzten. Entsprechendes gelte auch für die
Behandlung der psychischen Beschwerden. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte zur Begründung das
Schreiben des Prof. Dr. G. vom 25. Juli 2000 an ihre Bevollmächtigten so-wie ein Schreiben des Dr. M. vom MDK in
F. an Prof. Dr. G. vom 23. April 1996 vor. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. G. bestehe eine doppelte Indikation
für die beantragte MRP, einer-seits die Mamma-Asymmetrie nach brusterhaltender Operation und andererseits die
Mamma-Hypertrophie. Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein, wobei Dr. W. ausweislich seiner Stel-lungnahme
vom 23. Oktober 2000 die Kostenübernahme weiterhin nicht befürwortete. Prof. Dr. G. lasse die erhebliche Adipositas
als mögliche Ursache für die Rückenschmerzen völlig unberücksichtigt. Im Übrigen nenne auch er keine
wissenschaftlich valide Studien, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Brustgewicht und
Wirbelsäulenbeschwerden belegen könnten. Soweit Prof. Dr. G. eine Operationsindikation im Hinblick auf die Mamma-
Asymmetrie sehe, sei darauf hinzuweisen, dass dieser keine wesentliche Störung einer Körper-funktion beizumessen
sei. Eine relevante Abweichung vom im Wesentlichen symmetrischen Normalbefund sei erst bei einer
Volumendifferenz von mindestens 50 vom Hundert (v.H.) anzu-nehmen. Der Widerspruch wurde mit
Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsstelle vom 20. November 2000 zurückgewiesen.
Dagegen erhob die Klägerin am 20. Dezember 2000 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage und machte geltend,
Hintergrund der beabsichtigten Maßnahme sei ein Mammacarzinom rechts. Nachdem ihre Mutter an einem
Mammacarzinom verstorben sei, hätten die behandelnden Ärzte insoweit Vorsorge treffen wollen. Die Operation sei
daher auch aus psychischer Sicht indiziert. Deren Notwendigkeit sei nicht nur ein orthopädisches Problem. Wegen
psychischer Beschwer-den stehe sie zwischenzeitlich auch in psychotherapeutischer Behandlung. Gegenüber
Oberme-dizinalrat W. vom MDK verfüge Prof. Dr. G., der Weltruf genieße, über eine überlegene Sach-kenntnis,
weshalb dessen Einschätzung zu folgen sei. Sie legte nochmals die bereits im Verwal-tungsverfahren vorgelegten
Schreiben sowie ferner das von ihren Bevollmächtigten an den Arzt für Orthopädie Dr. Mo. gerichtete Schreiben vom
08. Juni 2001 und dessen Antwortschreiben vom 17. Juni 2001 vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer
Verwaltungsakten und unter Wiederholung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Das SG hörte Dr. Mo. unter dem
22. April 2001 schriftlich als sachverständigen Zeugen und wies die Klage mit Urteil vom 21. Februar 2002 im
Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin leide im Bereich der Brüste an keinem krankhaften, von der Norm
abweichendem Be-fund, aus dem eine Behandlungsbedürftigkeit resultiere. Die geltend gemachten Rückenbe-
schwerden begründeten keine Notwendigkeit für einen operativen Eingriff im Bereich der Brüs-te. Wegen der
Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 03. April 2002 gegen
Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 02. Mai 2002 schriftlich durch Fernkopie beim SG Berufung eingelegt. Sie verweist
wiederum auf die überlegene Sachkenntnis des Prof. Dr. G., der eine medizinische Indikation für die begehrte
Brustverkleinerung sehe. Bei der Indikationsstellung habe dieser auch die konservativen Behandlungsmöglichkeiten
der Rückenbeschwerden bedacht. Unzutreffend sei die Einschätzung des Dr. W. in seinem Gutachten vom 28.
Dezember 1999, eine orthopädische Behandlung der Rückenschmerzen sei nicht erfolgt. Sie habe sich einer
Rückenschulung unterzogen; zudem sei sie ständig in Behandlung ihres Hausarztes Dr. T. ge-wesen, der auch die
Rückenschmerzen behandelt habe. Letztlich werde der geltend gemachte Anspruch auch durch das im
Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Wa., Chefarzt der Orthopädie II in der Orthopädischen Klinik
M. gGmbH, vom 17. März 2003 ge-stützt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheids vom 03. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2000 zu verur-teilen,
den Bescheid vom 16. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 28. Februar 2000 zurückzunehmen
und die Kosten einer Brustverkleinerungsoperation zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Nachdem im Hinblick auf die Rückenbe-schwerden weder eine
fachorthopädische Behandlung noch die Verordnung von Maßnahmen der konventionellen Physiotherapie erfolgt
seien, seien unmittelbar an der eigentlichen Erkrankung ansetzende Therapiemaßnahmen bisher nicht hinreichend
eingesetzt worden. Zu berücksichtigen sei im Übrigen, dass wissenschaftlich fundierte Studien, die den ursächlichen
Zusammenhang zwischen einer erhöhten Brustlast und Wirbelsäulenerkrankungen nachweisen könnten, nicht
vorlägen. Angesichts dessen sei auch die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Wa., wo-nach davon
auszugehen sei, dass eine MRP zu einer deutlichen Schmerzlinderung führe, rein spekulativ. Nach dem Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Februar 1993 (1 RK 15/02) habe die Krankenbehandlung unmittelbar an der
eigentlichen Krankheit anzuset-zen; daher sei das bei der Klägerin bestehende Krankheitsbild mit den von Prof. Dr.
Wa. aufge-zeigten physikalischen Maßnahmen zu behandeln. In diesem Sinne habe auch das LSG Baden-
Württemberg in seinem Urteil vom 24. März 2003 (L 4 KR 2101/01) entschieden.
Der Vorsitzende des Senats hat das Gutachten des Prof. Dr. Wa. vom 17. März 2003 eingeholt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genom-men.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der
Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Beklagte hat es mit Bescheid vom 03. August 2000 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2000 zu Recht abgelehnt, ihren Bescheid vom 16. Juni 1999
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2000 zurückzunehmen und die Kosten der beantragten
MRP zu übernehmen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die begehrte operative Behandlung als
Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicher-te Anspruch auf
Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Bei Vorlie-gen dieser Voraussetzungen umfasst die
Krankenbehandlung nach Satz 2 Nr. 5 der Vorschrift auch die Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V.
Auf dieser Grundlage ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Klägerin, was den Zustand der Brust
anbelangt, keine Krankheit vorliegt, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Als Krankheit ist ein regelwidriger Körper-
oder Geisteszustand anzusehen, wobei für die Feststel-lung der Regelwidrigkeit vom Leitbild des gesunden Menschen
auszugehen ist. Die bei der Klägerin vorhandene Makromastie stellt in diesem Sinne keine Krankheit dar. Dabei kann
dahinstehen, ob bei der Klägerin von einem Brustgewicht von jeweils ca. 1.085 g auszuge-hen ist, wie dies von
Obermedizinalrat W. ausweislich seines Gutachtens vom 07. Juni 1999 ge-schätzt wurde. Prof. Dr. G. hat die von
diesem herangezogenen Werte zwar als Fehleinschätzung bezeichnet, doch im Rahmen seiner Ausführungen vom 21.
November 1999 selbst auch nur eine Einschätzung dahingehend getroffen, dass das voraussichtliche
Reduktionsvolumen von deutlich über 700 g eine Operationsindikation begründe. Insoweit ist darauf hinzuweisen,
dass sich ein Normgewicht der Brust nicht bestimmen lässt. Es besteht vielmehr ein großer Schwankungsbe-reich,
der in Bezug auf Brustgröße und Brustgewicht unabhängig ist von Körperlänge und Kör-pergewicht. Daher verbietet es
sich, von einer Krankheit dann zu sprechen, wenn die Brust ein gewisses Gewicht aufweist bzw. eine
Gewichtsreduktion in einer bestimmten Größenordnung vorgenommen werden kann. Kein Krankheitswert ist auch der
festzustellenden Asymmetrie, die für sich genommen keiner Behandlung bedarf, beizumessen. Kosmetische Defizite
stellen keine Krankheit dar; die Verbesserung des Aussehens kann kein Behandlungsziel sein. Soweit Prof. Dr. G. im
Rahmen seiner Ausführungen gegenüber den Bevollmächtigten der Klägerin in seinem Schreiben vom 25. Juli 2000
aus der Größe der Brüste und der bestehenden Asymmetrie eine Operationsindikation ableitet, verkennt der Senat
nicht, dass die dargelegten Gesichtspunkte ei-nen entsprechenden operativen Eingriff rechtfertigen können. Doch
bedeutet eine derartige Ope-rationsindikation nicht gleichzeitig auch, dass ein entsprechendes Vorgehen sich im
Sinne der genannten Regelungen als notwendig darstellt. Denn nach dem Recht der gesetzlichen Kranken-
versicherung sind operative Eingriffe kosmetischer Natur grundsätzlich nicht erforderlich. Zu Unrecht beruft sich die
Klägerin auch darauf, die gewünschte Operation sei im Hinblick auf die Carzinomerkrankung quasi als
Vorsorgemaßnahme notwendig. Eine Operationsindikation unter diesem Gesichtspunkt lässt sich den Ausführungen
des Prof. Dr. G. nicht entnehmen. Dieser hat die MRP - wie seine Ausführungen in seiner Bescheinigung vom 11.
März 1999 und seinem Schreiben vom 21. November 1999 zeigen - vielmehr im Hinblick auf die Brustgröße und die
von der Klägerin geltend gemachten Rückenbeschwerden für indiziert erachtet beziehungsweise wegen der
bestehenden Mamma-Asymmetrie (vgl. Schreiben an die Bevollmächtigten der Klä-gerin vom 25. Juli 2000), nicht
jedoch wegen der Grunderkrankung, nämlich des rechtsseitig aufgetretenen Mammacarzinoms. Im Übrigen haben
auch die Untersuchungen der Tumornach-sorge im Bereich der Brüste keine krankhaften, die operative Behandlung
indizierende Befunde ergeben.
Zutreffend hat das SG auch dargelegt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Rückenbe-schwerden nicht die
Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste begründen. Denn eine Krankenbehandlung durch
ärztliche Behandlung muss an der Krankheit unmittelbar ansetzen. Liegt eine Krankheit vor, wird
Behandlungsbedürftigkeit und -fähigkeit verlangt, die anhand der genannten Behandlungsziele zu beurteilen ist.
Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn die Behandlungsziele ohne die beabsichtigte ärztliche Behandlung
wahrscheinlich nicht und auch nicht mit Aussicht auf Erfolg zu erreichen sind. Die Prüfung der Wahrscheinlichkeit ist
als Prognose unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, wobei auch ein wissenschaft-lich begründeter
Nachweis der Wirksamkeit der begehrten Behandlung hinsichtlich des Behand-lungsziels verlangt wird. Demnach ist
den von der Klägerin geltend gemachten Rückenbe-schwerden mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und
physiotherapeutischen Thera-piekonzepte zu begegnen. Wissenschaftliche Studien, die einen Zusammenhang
zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden belegen würden, liegen
demgegenüber nicht vor. Dies lässt sich sowohl den Stellungnahmen der von der Beklagten hin-zugezogenen
Gutachter des MDK entnehmen als auch dem Gutachten, das Prof. Dr. Wa. im Be-rufungsverfahren auf Veranlassung
des Senats erstattet hat. Dieser führt insoweit aus, er habe bei seiner Literaturrecherche Studien oder Statistiken, ab
welchem Brustgewicht Auswirkungen auf die Wirbelsäule zu befürchten seien, nicht finden können. Soweit Prof. Dr.
Wa. im Rahmen sei-ner Ausführungen demgegenüber gleichwohl bestätigt, man müsse davon ausgehen, dass es bei
der Klägerin nach einer MRP zu einer deutlichen Schmerzlinderung kommen werde, beruht die-se Einschätzung
demnach nicht auf wissenschaftlichen Studien, sondern auf der subjektiven Ein-schätzung des Sachverständigen.
Dies machen auch seine weiteren Ausführungen in diesem Zu-sammenhang deutlich, wonach Patientinnen, die nach
einer MRP zur Kontrolle gekommen seien, über eine deutliche Schmerzlinderung im Rückenbereich berichtet hätten.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die durchgeführte Rückenschulung und die Behandlungen bei dem Hausarzt Dr.
T. sinngemäß geltend macht, konservative Behandlungsmaßnahmen hin-reichend versucht zu haben, ist darauf
hinzuweisen, dass die entsprechenden Behandlungsmög-lichkeiten gerade nicht ausgeschöpft wurden. Denn die
Ausführungen des behandelnden Arztes für Orthopädie Dr. Mo. gegenüber dem SG zeigen, dass im Hinblick auf die
angegebenen Rü-ckenbeschwerden fachorthopädische Behandlungsmöglichkeiten gerade nicht eingesetzt bezie-
hungsweise veranlasst wurden. Die von Dr. Mo. bei der Klägerin im September/Oktober 2000 eingesetzten
Behandlungsmaßnahmen bezogen sich nämlich ausschließlich auf Thoraxschmer-zen; über darüber hinaus gehende
Behandlungen hat Dr. Mo. weder berichtet, noch wurde der Einsatz entsprechender Therapien von fachorthopädischer
Seite seitens der Klägerin behauptet.
Da das SG die Klage nach alledem zu Recht abgewiesen hat, konnte auch die Berufung der Klä-gerin keinen Erfolg
haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.