Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.09.2001

LSG Bwb: zahlungsunfähigkeit, arbeitsentgelt, beendigung, arbeitsgericht, gesellschafterversammlung, geschäftsführer, verfügung, konkursverfahren, kündigungsfrist, insolvenz

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 18.09.2001 (rechtskräftig)
Sozialgericht Freiburg S 8 AL 2382/99
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 13 AL 4587/00
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Oktober 2000 abgeändert. Die
Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird geführt über die Höhe des dem Kläger zustehenden Konkursausfallgeldes (Kaug); umstritten ist
der hierfür maßgebliche Zeitraum. Der Kläger war seit April 1979 als Bauarbeiter (Rohrleger) bei den seinerzeit in A.
ansässigen Bauunternehmungen R./Sch. & Co. GmbH beschäftigt. Erstmals für Dezember 1997 wurde der Lohn
(netto DM 3.066,56) nicht mehr ausbezahlt. Ebenso blieb es in den folgenden Monaten. Durch Beschluss der
Gesellschafterversammlung vom 24. Oktober 1997 hatte die GmbH ihren Sitz nach D.-H. in B. verlegt; sie wurde dort
am 16. Februar 1998 ins Handelsregister des Amtsgerichts F. eingetragen. Eine weitere Gesellschafterversammlung
in B.-W. vom 18. Februar 1998 beschloß, den Betrieb der GmbH einzustellen und diese zu liquidieren. Am 20. Februar
1998 ging beim Amtsgericht O. der von der AOK O. gestellte Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gegen die
GmbH ein. Mit Schreiben vom 29. Januar 1998, noch unter der Anschrift in A., kündigte die GmbH das
Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen (Arbeitsmangel) zum 28. Februar 1998. Hiergegen erhob
der Kläger am 13. Februar 1998 beim Arbeitsgericht (ArbG) Kündigungsschutzklage, mit welcher er die soziale
Rechtfertigung der Kündigung bestritt. Im übrigen sei die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Nachdem die GmbH im
Termin vom 06. April 1998 nicht vertreten war, erging Versäumnisurteil (6 Ca 90/98), es werde festgestellt, daß das
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei. Das Urteil wurde am 15. April 1998 an den früheren
Prokuristen J.F. K. zugestellt. Mit einer weiteren beim ArbG erhobenen Klage (6 Ca 242/98, Eingang 20. April 1998)
machte der Kläger den Lohn für die Monate Dezember 1997 bis März 1998 geltend. Er verwies darauf, inzwischen sei
er mit der Kündigungsschutzklage erfolgreich gewesen. Im Termin vom 08. Juni 1998 erging ebenfalls
Versäumnisurteil zugunsten des Klägers. Schließlich klagte dieser beim ArbG (6 Ca 425/98, Eingang 10. Juli 1998)
den Lohn für April und Mai 1998 ein. Diesbezüglich erging das Versäumnisurteil vom 05. Oktober 1998. Durch
rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts F. vom 04. November 1998 wurde der Antrag auf Eröffnung der
Gesamtvollstreckung über das Vermögen der nunmehr in D.-H., zuletzt B.-W. ansässigen GmbH mangels einer den
Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen, nachdem die Ermittlungen (Bericht des Rechtsanwalts
R., Berlin, vom 25. August 1998) ergeben hatten, daß die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet sei. Der
Kläger hatte sich nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsamt O. (ArbA) arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld
beantragt. Das ArbA bewilligte diese Leistung durch Bescheid vom 21. April 1998 ab 01. März 1998; der
Leistungssatz belief sich auf wöchentlich DM 405,58 (täglich DM 57,94). Am 24. August 1998 nahm er eine
Beschäftigung als Baufachwerker bei J. Sch. GmbH in O. auf. Am 11. November 1998 beantragte der Kläger beim
ArbA Kaug. Er nannte die Kündigung zum 28. Februar 1998 und den Ausfall des Arbeitsentgelts für Dezember 1997
bis Februar 1998. Das ArbA ermittelte, daß aufgrund des Versäumnisurteils vom 06. April 1998 im
Kündigungsschutzverfahren das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet sei. Die Verdienstbescheinigung der R./Sch. &
Co. GmbH wies für die Zeit vom 04. August bis 03. November 1998 ein Nettoentgelt von insgesamt DM 9.724,29 aus.
Hiervon wurde das im Zeitraum vom 24. August bis 03. November 1998 bei der Sch. GmbH erzielte Nettoentgelt von
DM 6.398,83 sowie das vom 04. bis 23. August 1999 bezogene Arbeitslosengeld von DM 1.158,80 abgezogen, so
daß durch Bescheid vom 19. März 1999 Kaug in Höhe von DM 2.166,66 bewilligt wurde. Mit seinem Widerspruch
machte der Kläger geltend, die GmbH habe ihre Tätigkeit spätestens mit Ende Februar 1998 eingestellt. Auch könne
er nicht schlechter gestellt werden als diejenigen Arbeitnehmer, die gegen ihre Kündigung ebenfalls zum 28. Februar
1998 keine Klage erhoben hätten. Die Einstellung der Betriebstätigkeit sei das vorrangige Insolvenzereignis, nicht der
Beschluss des Amtsgerichts F. vom 04. November 1998. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom
07. Juli 1999. Das Arbeitsverhältnis habe wegen des erstrittenen Versäumnisurteils nicht aufgrund der Kündigung
geendet. Deshalb sei maßgeblicher Insolvenztag erst der 04. November 1998. Immerhin habe der Kläger erst nach
diesem Datum Kaug beantragt. Im Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg ist der Kläger dabei verblieben, die
GmbH habe ihre Betriebstätigkeit bereits um die Zeit der Stellung des Konkursantrags im Februar 1998 beendet. Auch
habe sie nach dem 28. Februar 1998 ihr Direktionsrecht nicht mehr ausgeübt. Deshalb habe er dem Arbeitsmarkt zur
habe sie nach dem 28. Februar 1998 ihr Direktionsrecht nicht mehr ausgeübt. Deshalb habe er dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung gestanden und auch Arbeitslosengeld bezogen. Das Versäumnisurteil vom 06. April 1998 habe nicht über
die materiell-rechtliche Berechtigung der Kündigung entschieden. Freilich sei letztere aufgrund Arbeitsmangels
durchaus sozial gerechtfertigt gewesen. Das Versäumnisurteil habe keine Bindungswirkung für das sozialgerichtliche
Verfahren. Hätte die GmbH die Betriebsstillegung im Kündigungsschutzprozeß vorgetragen, wäre die Klage erfolglos
gewesen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Aufgrund des Versäumnisurteils vom 06. April 1998 und auch
der weiteren die Lohnansprüche titulierenden Versäumnisurteile sei das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet
gewesen. Im Termin vom 28. Juni 2000 hat das Sozialgericht den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Durch
Urteil vom 10. Oktober 2000 hat es unter Abänderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, dem
Kläger Kaug unter Zugrundelegung des Arbeitsentgelts für März bis Mai 1998 zu gewähren. Im übrigen hat es die
Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei der Konkursantrag noch
vor Einstellung der Betriebstätigkeit gestellt worden. Damit sei maßgeblicher Insolvenztag der 04. November 1998.
Jedoch sei als maßgeblicher Zeitraum März bis Mai 1998 anzunehmen, weil der Kläger anschließend seine
Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung gestellt habe, nachdem er über den Mai 1998 hinaus kein Arbeitsentgelt mehr
eingeklagt habe. Das Urteil ist den Bevollmächtigten des Klägers am 24. Oktober 2000, dem ArbA am 31. Oktober
2000 zugestellt worden. Mit seiner am 24. November 2000 eingelegten Berufung macht der Kläger weiterhin geltend,
die Einstellung der Betriebstätigkeit im Laufe des Februar 1998 müsse entscheidendes Insolvenzereignis sein. Schon
vor Ablauf der Kündigungsfrist habe die GmbH auf ihr Direktionsrecht verzichtet. Das Versäumnisurteil vom 06. April
1998 -das im übrigen nach Entzug der Prokura des Herrn K. nicht wirksam zugestellt worden sei- dürfe keine
Tatbestandswirkung haben. Es habe nämlich Tatsachen mangels entsprechenden Vortrags nicht berücksichtigt. Die
Kündigung wäre sozial gerechtfertigt gewesen. Hätte die GmbH dies vorgetragen, dann wäre er - der Kläger - im
arbeitsgerichtlichen Verfahren unterlegen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.
Oktober 2000 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19. März 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 07. Juli 1999 zu verurteilen, ihm Konkursausfallgeld unter Zugrundelegung des von
Dezember 1997 bis Februar 1998 zustehenden Arbeitsentgelts zu gewähren, sowie die Berufung der Beklagten
zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Oktober 2000 abzuändern
und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält nach Einlegung ihrer Berufung am 29. November 2000 entgegen, die Grundsätze zur mangelnden
Maßgeblichkeit eines Versäumnisurteils beträfen materiell nicht zustehende Entgeltansprüche, nicht jedoch ein
Kündigungsschutzverfahren. Es beruhe auf eigenständiger Entscheidung des Klägers, wenn dieser den Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses erstreite und sich wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld und zuletzt Arbeitsentgelt
Beträge anrechnen lassen müsse. Der Kläger könne nicht so gestellt werden, als hätte er keine
Kündigungsschutzklage eingereicht. Der Annahmeverzug habe fortbestanden. Eine Kündigung sei von keiner Seite
mehr ausgesprochen worden. Auf den Zeitraum, für welchen Arbeitsentgelt eingeklagt worden sei, könne es nicht
ankommen. Der Senat hat die Leistungsakten des ArbA sowie die Akten der zitierten Verfahren des ArbG beigezogen.
Auf deren Inhalt wird ebenso wie auf denjenigen der Berufungsakten, der Klageakten, des Kaug-Vorgangs mit
Betriebsakte und der vom Sozialgericht gefertigten Auszüge aus den Konkursakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 10. Oktober 2000
abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Demgegenüber kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg
haben. Das dem Kläger zustehende Kaug ist im Bescheid vom 19. März 1999 (Widerspruchsbescheid vom 07. Juli
1999) auf der Grundlage des zutreffend herangezogenen Zeitraums richtig berechnet. Demgemäß kann dahingestellt
bleiben, ob das Sozialgericht überhaupt einen anderen als den vom Kläger beantragten Kaug-Zeitraum einem jenem
günstigen Urteil zugrundelegen durfte, ferner ob das regelmäßig erst nach weiteren Ermittlungen der Höhe nach zu
berechnende Kaug einem Grundurteil (§ 130 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) zugänglich ist. Maßgeblich
sind hier noch die erst mit 01. Januar 1999 außer Kraft gesetzten einschlägigen Vorschriften des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), vgl. Art. 82 Abs. 2 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997,
BGBl. I S. 594. Anspruch auf Kaug hat ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das
Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des
Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat (§ 141b Abs. 1 Satz 1 AFG). Nach Abs. 3 der Vorschrift
stehen der Eröffnung des Konkursverfahrens gleich (1.) die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des
Konkursverfahrens mangels Masse, (2.) die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses
Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren
offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Soweit der Kläger geltend macht, als Insolvenztatbestand sei
nicht der Beschluss des Amtsgerichts F. vom 04. November 1998 maßgeblich, sondern im Sinne von § 141b Abs. 3
Nr. 2 AFG die "vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit", kann dahingestellt bleiben, wann genau letzterer
Tatbestand eingetreten ist. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, daß dieser Tatbestand bei Eintritt vor dem Eingang
des Konkursantrags der AOK O. beim Amtsgericht O. am 20. Februar 1998 maßgeblich wäre. Die in § 141b AFG
genannten Insolvenztatbestände stehen nicht in einem qualitativen Rangverhältnis; maßgebend für die
Leistungspflicht ist dasjenige Ereignis, durch das erstmals - in zeitlicher Reihenfolge - die Zahlungsunfähigkeit des
Arbeitgebers hervorgetreten ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG - BSGE 41, 121 = SozR 4100 § 141b Nr. 1; BSGE
52, 40, 41 = SozR aaO Nr. 19; BSGE 70, 9, 10 = SozR 3-4100 § 141 b Nr. 3). Insoweit hat der Kläger einen genauen
Zeitpunkt -bis zu welchem er dann folgerichtig den Anspruch nur geltend machen könnte- nicht nennen können,
sondern nur vorgetragen, das Angebot seiner Arbeitsleistung sei nach seiner Erinnerung bereits im Lauf des
Januar/Februar 1998 nicht mehr angenommen worden und die R./Sch. & Co. GmbH habe wegen Arbeitsmangels auf
ihr Direktionsrecht verzichtet. Aus dem Ermittlungsbericht des Rechtsanwalts R., Berlin vom 25. August 1998 geht
sogar hervor (S. 5), nach Mitteilung des Geschäftsführers A. B. habe das Unternehmen die Geschäftstätigkeit bereits
im Dezember 1997 eingestellt. Demgemäß wurde in der Gesellschafterversammlung in B.-W. am 18. Februar 1998
beschlossen, den Betrieb der Gesellschaft förmlich einzustellen und diese zu liquidieren. Ein Konkursverfahren kam
jedoch im Februar 1998 und auch vor diesem Monat noch nicht "offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht". §
141b Abs. 3 Nr. 2 AFG bildet einen Auffangtatbestand für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten
und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat (vgl. hierzu und zum
folgenden BSGE 53, 1, 3 = SozR 4100 § 141b Nr. 21). "Offensichtlich" bedeutet in diesem Verständnis nicht nur eine
Erleichterung für die Verwaltung, sondern auch für die Arbeitnehmer; die Beklagte soll einen Antrag auf Kaug nicht
schon deshalb ablehnen dürfen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluß auf
Masseunzulänglichkeit nahelegen, sie muß vielmehr Kaug schon gewähren, wenn alle äußeren Tatsachen und
insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen. Von den Arbeitnehmern soll nicht verlangt werden,
einen mit Kosten und sonstigen Schwierigkeiten verbundenen Konkurseröffnungsantrag zu stellen, nur um die
Voraussetzungen des Anspruchs auf Kaug zu erfüllen (BSGE aaO S. 4). Die Berechtigten sollen schnell und
unbürokratisch zu ihrer Lohnersatzleistung gebracht werden (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 7); die
Feststellungslast für die Offensichtlichkeit verbleibt jedoch bei den Antragstellern. Die Zahlungsunfähigkeit des
Arbeitgebers war nicht in diesem Sinne offensichtlich (anders zu einem innerhalb weniger als drei Wochen geklärten
Fall BSG, Urteil vom 8. Februar 2001-B 11 AL 27/00 R- nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Kläger selbst hat
es vorgezogen, seine Entgeltansprüche noch bis Mai 1998 mit anwaltlicher Hilfe beim Arbeitsgericht einzuklagen,
anstelle - jedenfalls vorsorglich - einen Antrag auf Kaug zu stellen. Letzteres ist offenkundig auch von anderen
Arbeitnehmern der GmbH so nicht versucht worden, wie sich schon aus dem Hinweis des Klägers darauf ergibt, jene
hätten - da sie ihre Kündigungen nicht angegriffen hätten - Kaug für den Zeitraum bis 28. Februar 1998 erhalten (vgl.
hierzu auch Betriebsakte). Nach der Einreichung des Konkursantrags im Februar 1998 und dessen Verweisung an das
Amtsgericht F. waren umfangreiche Ermittlungen zur Frage einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse
erforderlich, die mit dem bereits zitierten Ermittlungsbericht des Rechtsanwalts R. vom 25. August 1998 geendet
haben. Auf dieser Grundlage ist der Beschluss des Amtsgerichts vom 04. November 1998 ergangen. Mit Schreiben
vom selben Tag - Eingang 09. November 1998 - hat Geschäftsführer A. B. selbst Antrag auf Gesamtvollstreckung
gestellt und dargelegt, die Gesellschaft sei im Februar 1998 zu Verkehrswerten nicht überschuldet gewesen und eine
Liquidation hätte sämtliche Gläubiger befriedigen können. Erst im weiteren Verlauf hätten Zivilprozesse angestrengt
werden müssen; es sei zu befürchten, daß bei Obsiegen gegen den Hauptschuldner mit dessen Insolvenz zu rechnen
sei, was bei einem weiteren Kunden inzwischen eingetreten sei. Auch Unregelmäßigkeiten des Betriebsleiters in B.-
W. im Sinne der Geschäftsleitung nicht bekannter Verpflichtungen seien erst jetzt aufgedeckt worden. Mithin hätten
sich die zunächst nur kurzfristigen anzunehmenden Zahlungsengpässe in Zahlungsunfähigkeit und auch in
Überschuldung verwandelt. Der Geschäftsführer schließt mit dem Hinweis, er sei zwischenzeitlich von Banken für
Bürgschaften in Anspruch genommen worden, was für ihn persönlich einen vollständigen Vermögensverfall bedeute.
Diesen schlüssigen Darlegungen ist zu entnehmen, daß die Zahlungsunfähigkeit im Februar 1998 keineswegs bereits
durch das ArbA aufgrund der bekannten Tatsachen - ohne weitere Ermittlungen - bewertet und beurteilt werden
konnte, ohne daß eine - sich dann im vorliegenden Fall über mehrere Monate hinziehende - Prüfung durch das
Konkursgericht stattzufinden hatte (vgl. nochmals BSGE 53, 1, 2 f.; SozR 3-4100 § 141b Nr. 7 S. 30 f. mit dem
Hinweis, das Insolvenzereignis des § 141b Abs. 3 Nr. 2 AFG solle die Beanspruchung des Konkursgerichts für den
Fall offensichtlicher vollständiger Überschuldung überflüssig machen). Das Konkursantragsverfahren war, wie sich
nach Umfang und Dauer erwiesen hat, von vornherein nicht überflüssig. Insolvenzereignis war somit der Beschluss
des Amtsgerichts F. vom 04. November 1998; mithin zählt der Drei-Monats-Zeitraum vom 04. August bis 03.
November 1998, da der Tag des Beschlusses nicht mitzuzählen ist (vgl. jetzt BSG SozR 3-4100 § 141k Nr. 2). Nur für
diesen Zeitraum kann der Kläger Kaug beanspruchen. In diesem Zeitraum hat sein Arbeitsverhältnis noch bestanden.
Für das Ende des Arbeitsverhältnisses ist nicht das faktische, sondern das rechtliche Ende maßgebend (allgemeine
Auffassung unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 141k Nr. 4). Unerheblich ist deshalb die etwaige Beendigung allein
des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch Nichtausübung des arbeitgeberischen
Direktionsrechts, wie dies bei Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses zum Anspruch auf Arbeitslosengeld
("Gleichwohlgewährung") führen kann (vgl. hierzu insbesondere BSG SozR 3-4100 § 101 Nrn. 4 und 5). Der Kläger hat
im Verfahren beim Arbeitsgericht 6 Ca 90/98 das rechtskräftige Versäumnisurteil vom 06. April 1998 erstritten,
wonach das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht zum 28. Februar 1998 aufgelöst sei; dass das Urteil nur dem
nicht mehr empfangsberechtigten früheren Prokuristen K. zugestellt worden ist, hindert nicht die Wirksamkeit nach
Verkündung (vgl. den allgemeinen Grundsatz des § 318 der Zivilprozessordnung -ZPO-), sondern wäre allenfalls ein
Hindernis für eine Zwangsvollstreckung (vgl. § 62 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes i. V. m. § 750 ZPO), so dass
sich der Kläger auf eine vom Urteil abweichende materiellrechtliche Lage insoweit nicht zu berufen vermag. Er selbst
hat das ihm wirksam zugestellte Versäumnisurteil -schon mangels Beschwer- nicht angefochten. Mithin hat das
Arbeitsverhältnis unter Annahmeverzug des Arbeitgebers unbefristet weiterbestanden. Ein rechtlicher
Beendigungstatbestand wie Aufhebungsvertrag oder Kündigung ist nicht mehr gesetzt worden. Daß der Kläger
Entgeltansprüche nur bis Mai 1998 eingeklagt hat, stellt keinen arbeitsrechtlichen Beendigungstatbestand dar.
Insoweit sind, wie bereits mit Hinweis vom 25. Juli 2001 dargelegt, die Urteilsgründe des Sozialgerichts (S. 6) als in
sich widersprüchlich zu erachten. Der Kläger vermag dem als maßgeblich zu erachtenden Insolvenzzeitraum auch
nicht entgegenzuhalten, daß er die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses lediglich durch Versäumnisurteil
zugesprochen erhalten hat. Richtig ist, daß nach gefestigter Rechtsprechung die Beklagte und die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen des vom Amtsermittlungsgrundsatz bestimmten Verfahrens nicht an die rechtliche
Beurteilung des Arbeitsgerichts gebunden sein können, wenn dem geltend gemachten Anspruch wesentliche im
dortigen Verfahren nicht vorgebrachte und ermittelte Umstände entgegenstehen, die deshalb nicht berücksichtigt
werden konnten und berücksichtigt worden sind. Dies gilt insbesondere bei einem Versäumnisurteil (vgl. BSG SozR
1500 § 141 Nr. 9; SozR 3-4100 § 141b Nr. 15 S. 69 f.; BSG, Urteil vom 20. Juni 1995 - 10 RAr 6/94 - ZIP 1995, 1534).
Die Parteien des Arbeitsverhältnisses sollen sich insbesondere nicht auf Kosten der Kaug-Versicherung abweichend
von der materiell-rechtlichen Lage einigen können. Dieser Gesichtspunkt zielt auf Grund und Höhe von
Entgeltansprüchen. Hierzu kann aber nicht zählen, daß der Arbeitnehmer eine Kündigung mit der
Kündigungsschutzklage angreift und damit Erfolg hat. Auf diese Weise wird der rechtliche Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses, auch mit allen Risiken, gesichert. In diesem Ergebnis liegt keine Veränderung oder gar
Manipulation materiell nicht zustehender arbeitsrechtlicher Ansprüche. Es wird lediglich die Kündigungserklärung des
Arbeitgebers beseitigt. Diese von ihm selbst erstrittene Position vermag der Kläger nicht ungeschehen zu machen,
wenn ihm später ein anderer Kaug-Zeitraum als günstiger erscheint. Die Höhe des dem Kläger zustehenden Kaug (vgl.
hierzu § 141 Abs. 1 AFG) ist im Bescheid vom 19. März 1999 zutreffend berechnet worden. Laut der
Verdienstbescheinigung der R./Sch. & Co. GmbH hätten dem Kläger vom 04. August bis 03. November 1998
insgesamt DM 9.724,29 netto zugestanden. Hiervon war der im selben Zeitraum bei der J. Sch. GmbH erzielte
Nettoverdienst von DM 6.398,83 (während Annahmeverzugs erzielter Verdienst, vgl. § 615 Satz 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) abzuziehen, ebenso das vom 04. bis 23. August 1999 bezogene Arbeitslosengeld von DM 1.158,80. Es
verbleibt der auszuzahlende und bewilligte Betrag von DM 2.166,66. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.