Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 04.08.2003

LSG Bwb: unselbständige erwerbstätigkeit, aufenthalt im ausland, aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, auflage, weiterbildung, arbeitserlaubnis, gestatten, zusicherung, ausländer

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Beschluss vom 04.08.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Mannheim S 10 AL 866/03 ER
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 13 AL 2554/03 ER-B
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 6. Juni 2003 wird
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist statthaft (vgl. § 172 Abs. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) und auch sonst zulässig.
Mit der Beschwerde erstrebt die Klägerin in Wirklichkeit, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihr für die beabsichtigte
weitere Beschäftigung als zahnmedizinische Fachhelferin bei Dr. R. und die während dieser Beschäftigung ab 10.
Oktober 2003 beabsichtigte Weiterbildung zur Dental-Hygienikerin eine vorläufige Arbeitserlaubnis zu erteilen,
hilfsweise eine solche für den Fall vorläufig zuzusichern, dass ihr weiterer Aufenthalt ausländerrechtlich erlaubt ist
oder als erlaubt gilt und die Ausübung einer weiteren Beschäftigung einschließlich der Weiterbildung nicht durch eine
ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen wird. Vorab ist insoweit nämlich klarzustellen, dass bei summarischer
Prüfung die Klägerin bei Dr. R. seit ihrer Wiedereinreise in die Bundesrepublik am 11. November 1998 nicht lediglich in
einem Weiterbildungsverhältnis, sondern in einem Beschäftigungsverhältnis steht, in welches die einzelnen
Weiterbildungsabschnitte eingebettet waren und das auch für die Weiterbildung zur Dental-Hygienikerin weiter
bestehen soll. Hierfür stützt sich der Senat auf die mehrfachen Erklärungen von Dr. R., die Klägerin sei seit
September 1995 bei ihm im Rahmen eines ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt und die
Klägerin bleibe für die gesamte Weiterbildungszeit bei ihm mit vollem Arbeitsentgelt angestellt. In seinem Schreiben
vom 27. Januar 2003 an Bürgermeister J. von der Stadt M. bringt Dr. R. klar zum Ausdruck, dass die Klägerin auch
nach der Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachhelferin bei ihm beschäftigt bleiben soll, andernfalls es zu
schwerwiegenden Beeinträchtigungen im Praxisablauf komme; in gleicher Weise äußern sich die Klägerin und Dr. R.
in weiteren Schreiben an die Ausländerbehörde und das Arbeitsamt. Nach alledem begehrt die Klägerin die
Arbeitsgenehmigung nicht lediglich für ein Weiterbildungsverhältnis, sondern für eine ihren Erwerbszwecken und den
Zwecken des Arbeitgebers dienende Beschäftigung.
Die Beschwerde ist weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag begründet. Das Sozialgericht hat im
Ergebnis zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Der Erlass der einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der im
Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch
wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab
anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Vorliegend ist ein
Anordnungsanspruch zu verneinen, denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin mit ihrem Begehren auf
Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung als zahnmedizinische Fachhelferin bei Dr. R. mit Weiterbildung
zur Dental-Hygienikerin ab 13. Oktober 2003 unterliegen wird.
Prüfungsmaßstab sind die §§ 284 f des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie die Regelungen der
Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung - ArGV)
vom 17. September 1998 (BGBl. I S. 2899), zuletzt in der Fassung des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung
von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2787). Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III
besteht für ausländische Arbeitnehmer - von hier nicht einschlägigen supranationalen Regelungen abgesehen -
grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt (vgl. Bundessozialgericht [BSG] BSGE 43, 153,
155; BSG, Urteil vom 26. März 1998 - B 11 AL 75/97 R - DBlR 4444a, AFG/§ 19). Zwischenstaatliche Vereinbarungen
zugunsten der Klägerin, die nicht die deutsche, sondern die kroatische Staatsangehörigkeit besitzt, sind nicht
vorhanden; ebensowenig greifen die sonstigen Regelungen in § 284 Abs. 1 Satz 2 SGB III und § 9 ArGV ein. Deshalb
benötigt sie zur Fortsetzung der schon bisher ausgeübten und auch zukünftig beabsichtigten Beschäftigung als
zahnmedizinische Fachhelferin bei Dr. R. eine Arbeitsgenehmigung; daran ändert nichts, dass sie sich während dieser
Beschäftigung auf Kosten ihres Arbeitgebers zur Dental-Hygienikerin weiterbilden möchte. Entgegen der Auffassung
der Klägerin kann von vorn herein keine Anwendung finden die Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung
einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung - ASAV)
vom 17. September 1998 (BGBl. I S. 2893) in der Fassung der Verordnung vom 30. Januar 2002 (BGBl. I S. 575).
Deren § 1 bestimmt, dass diese nur für Ausländer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gilt; zu
diesem Personenkreis gehört die Klägerin aber nicht, da sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. § 30
Abs. 3 Sätze 1 und 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) seit der Wiedereinreise am 11. November 1998 im
Bundesgebiet hat.
Dem mit dem Hauptantrag verfolgten Anordnungsanspruch steht § 284 Abs. 5 SGB III entgegen. Danach darf die
Arbeitsgenehmigung nur erteilt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des
Ausländergesetzes (AuslG) besitzt, soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist, und wenn die
Ausübung einer Beschäftigung nicht durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist. Zwar besitzt die
Klägerin derzeit keine der in § 5 AuslG aufgeführten Arten einer Aufenthaltsgenehmigung. Das ist indes unschädlich.
Denn nach § 5 Nr. 3 ArGV kann die Arbeitsgenehmigung abweichend von § 284 Abs. 5 SGB III auch Ausländern
erteilt werden, deren Aufenthalt - wie hier - nach § 69 Abs. 3 AuslG als erlaubt gilt. Die von der Stadt M. als
Ausländerbehörde ausgestellte und bis 31. August 2003 geltende Bescheinigung enthält jedoch die Auflage, dass eine
Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist. Diese jedenfalls nicht nichtige Auflage ist wirksam; sie hat Tatbestandswirkung
und bindet sowohl die Beklagte als auch den Senat (vgl. BSG SozR 4100 § 19 Nr. 1, Nr. 3; BSG SozR 3-4100 § 103
Nr. 3 m.w.N.). Die Auflage ist auch nicht mit Widerspruch oder Klage angegriffen, sodass sich auch nicht die Frage
stellt, ob ein solcher Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hätte, was vom BSG für die Rechtslage vor Inkrafttreten
des AuslG vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) verneint wurde (BSG SozR 4100 § 103 Nr. 44; BSG SozR 3-4100 § 103
Nr. 1), zum Teil für die Rechtslage unter Geltung dieses Gesetzes aber bejaht wird (vgl. Bieback in Gagel, SGB III
Arbeitsförderung, Rz 131 zu § 284 m.w.N.).
Auch mit dem hilfsweise verfolgten Begehren auf vorläufige Zusicherung einer Arbeitsgenehmigung für den Fall, dass
ausländerrechtlich der Aufenthalt ohne die Auflage "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" erlaubt wird oder als erlaubt gilt,
vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Denn ein solches Begehren hat zur Voraussetzung, dass die
Ausländerbehörde zum Ausdruck bringt, ausländerrechtlich die unselbständige Erwerbstätigkeit (vgl. § 10 Abs. 1
AuslG) gestatten zu wollen, wenn die Arbeitsverwaltung eine Arbeitsgenehmigung zusichert oder, sofern die
Ausländerbehörde sich dazu nicht entschließen kann, dies ganz offensichtlich unhaltbar ist. Andernfalls würde den
Gerichten die gutachtliche Prüfung für das Vorliegen der für die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung erforderlichen
Rechts- und Ermessensvoraussetzungen aufgebürdet, obwohl völlig offen ist, ob die Erwerbstätigkeit
ausländerrechtlich gestattet wird. Eine solche gutachtliche Würdigung für einen völlig ungewissen Fall sieht aber das
Gesetz nicht vor. Aus § 284 Abs. 5 SGB III ergibt sich, dass ein Vorrang des Ausländerrechts gegenüber dem
Arbeitserlaubnisrecht besteht, der auch durch § 1 der Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen zur Ausübung einer
unselbständigen Erwerbstätigkeit (Arbeitsaufenthalteverordnung - AAV) vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2994) in
der Fassung der Verordnung vom 4. Februar 2002 (BGBl. I S. 578) nicht aufgehoben sondern allenfalls abgeschwächt
ist (vgl. z.B. die Konstellation im Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2002 - L 13 AL 2459/02 ER-B, zur
Veröffentlichung vorgesehen); auch im dort entschiedenen Fall, in welchem ein sich noch in der Türkei aufhaltender
ausgebildeter Koch als Spezialitätenkoch in einem türkischen Restaurant arbeiten sollte und hierfür zwar eine
Arbeitsgenehmigung, aber noch kein Visum beantragt hatte, hat der Senat für die begehrte Zusicherung einer
Arbeitsgenehmigung verlangt, dass auch unter ausschließlich ausländerrechtlichen Gesichtspunkten eine
Wahrscheinlichkeit für eine positive Entscheidung der Auslandsvertretung bzw. der Ausländerbehörde besteht.
Vorliegend hat die Ausländerbehörde dem Senat auf telefonische Anfrage mitgeteilt, eine unselbständige
Erwerbstätigkeit nur im Rahmen eines Weiterbildungsverhältnisses gestatten zu wollen. Damit kann die Klägerin
jedenfalls derzeit nicht damit rechnen, dass ihre fortzusetzende Beschäftigung bei Dr. R. ausländerrechtlich gestattet
wird. Eine solche Entscheidung ist auch nicht unhaltbar. Angesichts der auf dem Anwerbestopp beruhenden
Rechtslage lässt sie evidente Mängel nicht erkennen; insbesondere sind die Voraussetzungen des § 8 AAV ganz
ersichtlich nicht erfüllt, denn weder das Innenministerium Baden-Württemberg noch das Regierungspräsidium
Karlsruhe haben bei überdies abgelehntem Benehmen des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg festgestellt, dass
ein besonderes öffentliches Interesse an der Beschäftigung der Klägerin bei Dr. R. mit Weiterbildung zur Dental-
Hygenienikerin besteht; diese Entscheidung lässt keine offensichtlichen Fehler erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).