Urteil des LG Zweibrücken vom 13.02.2007

LG Zweibrücken: unwirksamkeit der kündigung, beendigung, gebühr, auflage, meinung, einheit, vollstreckung, bauer, räumung, quelle

Bürgerliches Recht
LG
Zweibrücken
13.02.2007
3 S 144/06
Aktenzeichen:
3 S 144/06
3 C 247/06 Amtsgericht Pirmasens
Verkündet am: 13.02.2007
gez. Vollmar, Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
- Ausfertigung -
Landgericht Zweibrücken
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
pp.
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter: pp.
gegen
pp.
Beklagte und Berufungsbeklagte,
anwaltlich nicht vertreten,
wegen Rechtsanwaltskosten,
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken
durch die Präsidentin des Landgerichts Wolf, den Richter am Landgericht Christoffel und die Richterin
Walfort
auf die mündliche Verhandlung vom 13.02.2007
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Pirmasens vom
26.07.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 199,81 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin war Vermieterin, die Beklagte Mieterin einer Wohnung in pp. Gegenstand der Klage waren
die Räumung und Herausgabe der Wohnung, rückständige Miete bzw. Nutzungsentschädigung sowie
außergerichtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung.
Im Berufungsverfahren ist nur noch im Streit, ob sich der Gegenstandswert für die Berechnung der
vorgerichtlichen Kosten der Klägerin, die ihren Rechtsanwalt und späteren Prozessbevollmächtigten mit
der Kündigung des streitgegenständlichen Wohnraummietverhältnisses beauftragt hatte, nach § 23 Abs. 1
Satz 3 RVG i. V. m. § 41 GKG errechnet, oder ob § 23 Abs. 3 RVG i. V. m. § 25 KostO einschlägig ist. Nach
§°23 Abs. 1 Satz 3 RVG i. V. m. § 41 Abs. 2 GKG beträgt der Gegenstandswert den Wert einer
Jahresnettokaltmiete. Nach § 23 Abs. 3 RVG i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 2 KostO ist der Wert eines
dreijährigen Mietzinses einschlägig.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Gegenstandswert für die Berechnung der vorgerichtlichen
Kosten nach dem Nettomietzins für einen Dreijahreszeitraum maßgeblich ist, während das Amtsgericht
Pirmasens Bedenken an der Schlüssigkeit der Klageforderung insoweit hatte, worauf es auch
hingewiesen hat. Mit Teil-Versäumnis- und Endurteil vom 26.07.2006 hat das Amtsgericht Pirmasens
daher der Klage mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten voll stattgegeben und die säumige
Beklagte zur Räumung der Mietwohnung und Zahlung des Mietrückstandes verurteilt, sowie darüber
hinaus zur Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 250,15 €. Diese Kosten berechnet das
Amtsgericht aus einer 0,65-Gebühr aus dem Gegenstandswert der Jahresnettokaltmiete von 4.510 € nebst
Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Im Übrigen hat das Amtsgericht Pirmasens die Klage
abgewiesen und antragsgemäß die Berufung zugelassen.
Zur Begründung der Teil-Klageabweisung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass sich der
Gegenstandswert für die Berechnung der Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit dem Ausspruch
der fristlosen Kündigung sich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG
i. V. m. § 41 Abs. 2 GKG nach dem Jahreskaltmietbetrag bestimme. Insoweit sei entscheidend, dass der
Ausspruch der Kündigung der Vorbereitung der Räumungsklage diene.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und führt aus, dass die Rechtsauffassung des
Amtsgerichts fehlgehe, weil es nicht darauf ankomme, ob der Ausspruch einer fristlosen Kündigung der
Vorbereitung einer Räumungsklage diene, sondern darauf, ob die ausgesprochene Kündigung
Gegenstand eines nachfolgenden Räumungsprozesses sein könne. Hier vertritt die Klägerin die
Auffassung, dass die Kündigung selbst nicht Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne,
da Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens nur die Rechtsfolge der Kündigung sein könne, also
das Fortbestehen oder die Beendigung eines Mietverhältnisses.
Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe vom
14.10.2005, Az.: 9 S 177/05.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Da die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung säumig war, entscheidet die Kammer hierüber
durch unechtes Versäumnisurteil, wobei die Kammer Bezug nimmt auf die mit der Terminsverfügung
mitgeteilten Erwägungen.
1.1
Die Berufung ist zulässig. Zwar ist die gemäß § 511 ZPO grundsätzlich erforderliche Beschwer von 600,00
€ nicht erreicht, allerdings hat das Amtsgericht die Berufung gegen sein Urteil zugelassen. Hieran ist das
Berufungsgericht gebunden.
1.2.
Die Berufungsbeklagte war zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer säumig, dies
rechtfertigte aber kein Versäumnisurteil zugunsten der Klägerin, da die Berufung unbegründet ist, § 539
Absatz 2 Satz 2 letzter Halbsatz ZPO.
2.
Für die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i. V. m. § 41 GKG kommt es zwar nicht - wie das
Amtsgericht ausgeführt hat - nur darauf an, ob der Ausspruch der Kündigung der Vorbereitung einer
Räumungsklage dient, sondern darauf, ob die Kündigung auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens
sein kann.
2.1.
Man könnte zwar hier einerseits der Ansicht sein, dass die Kündigung selbst nicht Streitgegenstand eines
Gerichtsverfahrens sein kann, sondern nur deren Rechtsfolgen (vgl. LG Karlsruhe vom 14.10.2005 - 9 S
177/05). Auch im Rahmen einer Feststellungsklage solle nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sein, damit also das Fortbestehen oder der
Wegfall eines Mietverhältnisses infolge einer Kündigung, nicht aber die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit
der Kündigung selbst (vgl. LG Karlsruhe a. a. O., m. w. N.).
2.2
Diese Ansicht führt zur weiteren Begründung an, dass es seit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994
nicht mehr darauf ankomme, ob die in Frage stehende Tätigkeit einem gerichtlichen Verfahren
üblicherweise vorausgeht, da § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO geändert wurde. § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO a.F.
lautete „Diese Wertvorschriften gelten sinngemäß auch für anwaltliche Tätigkeiten, die einem gerichtlichen
Verfahren vorausgehen, insbesondere für Zahlungsaufforderungen, Mahnungen, Kündigungen…“.
Nachdem diese Passage dahin geändert worden sei, dass es nur darauf ankomme, dass Gegenstand der
Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne, seien die vorgerichtlichen
Tätigkeiten wie Kündigungen nicht mehr vom Gesetzeswortlaut umfasst.
In der amtlichen Begründung (Bundestagsdrucksache 12/6962) heißt es dazu:
„Die Beschreibung der außergerichtlichen Tätigkeiten, in denen die für die Gerichtsgebühren geltenden
Wertvorschriften anzuwenden sind, stellt jedoch nicht wie in der bis 1994 geltenden Vorschrift darauf ab,
dass diese Tätigkeiten üblicher Weise einem gerichtlichen Verfahren vorausgehen, sondern darauf, dass
der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann.“
(vgl hierzu LG Karlsruhe a.a.O.; Enders, JurBüro 1998, 1, 2; Schneider in MDR 2000, 685).
2.3.
Für die Annahme, dass die Kündigung nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne,
spreche ferner auch die in der Rechtsprechung teilweise vertretene Ansicht, dass die vorgerichtlichen
Gebühren für die Kündigung nicht auf die Gebühren im späteren Räumungsverfahren anzurechnen seien,
da sie nicht denselben Gegenstand betreffe wie das Räumungsverfahren (vgl. OLG Köln MDR 2004, 178,
zitiert nach juris). Die Kündigung ziele auf die Beendigung des Rechtsverhältnisses ab, während der
Räumungsanspruch erst mit der Beendigung des Mietverhältnisses entstehe, also zu einem Zeitpunkt, als
die auf die Beendigung gerichtete Tätigkeit des Anwalts schon abgeschlossen sei (vgl Schneider, MDR
2003, 1162, 1164).
2.4
Dieser Meinung vermag sich die Kammer jedoch nicht anzuschließen.
Zum einen handelt es sich um eine sehr formale Betrachtungsweise, anzunehmen, dass die Kündigung
nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne, sondern nur deren Rechtsfolge. Zu
berücksichtigen ist nämlich, dass auch die Kündigung als anspruchsbegründende Voraussetzung für den
Herausgabeanspruch Gegenstand des Räumungsprozesses ist. Kündigung und Räumungsklage bilden
dabei bei wertender Betrachtung eine Einheit. Dies steht der Annahme entgegen, dass es sich
gebührenrechtlich um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt (OLG Frankfurt am Main vom
22.12.2004, Az.: 2 U 34/04, zitiert nach Juris).
2.5.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass es nicht stimmig wäre, wenn man dem Ausspruch der
Kündigung einen höheren Gegenstandswert zugrunde legen würde als dem nachfolgenden
Räumungsverfahren (vgl. AG Köln in MDR 2002, 1030, zitiert nach juris).
2.6.
Gegen das Argument der Änderung der Rechtslage aufgrund des Kostenrechtsänderungsgesetzes lässt
sich anführen, dass - auch wenn diese Streichung des Gesetzgebers bewusst vorgenommen sein sollte -
zu berücksichtigen ist, dass diese immerhin schon 1994 vorgenommen wurde und danach immer noch
kein Wandel in der Rechtsprechung oder herrschenden Meinung in Schrifttum stattgefunden hat.
2.7.
Ob die Kosten für die Kündigung zur Hälfte auf die Kosten des anschließenden Räumungsverfahrens
anzurechnen sind, ist ebenfalls obergerichtlich noch nicht geklärt (vgl. OLG Frankfurt am Main vom
22.12.2004 einerseits, und OLG Köln MDR 2004, 178 andererseits), so dass dieses Argument nicht
herangezogen werden kann.
2.8.
Kündigung und Räumungsprozess stehen in einem engen Sachzusammenhang. Sinn und Zweck des §
41 GKG ist es auch, den Mieter zu schützen (AG Lübeck vom 27.9.2006, Az 31 C 2023/06, zitiert nach
juris, vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, GKG, § 41 Rn 2). Dies verkennt auch das LG
Karlsruhe nicht völlig und bringt statt der 1,3-Gebühr nur eine 0,5-Gebühr in Ansatz.
2.9.
Nach der überwiegenden Meinung in der Kommentarliteratur gilt § 23 Absatz 1 Satz 3 RVG dann, wenn
der Anwalt im Hinblick auf ein bevorstehendes oder bereits stattfindendes gerichtliches Verfahren tätig
wird, also in einem inneren Zusammenhang mit diesem Verfahren (Hartmann, a.a.O, RVG § 23 Rn 7;
Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 9. Auflage 2005, § 23 Rn 9). Es kommt also darauf an, ob ein
gerichtliches Verfahren bei der in Frage stehenden Tätigkeit denkbar wäre (Riedel/Sußbauer/Fraunholz
a.a.O.)
Auch nach Ansicht von Madert (Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Auflage 2006, § 23 Rn 17) fallen solche
Tätigkeiten, die üblicher Weise ein gerichtliches Verfahren vorbereiten oder vermeiden sollen, in den
Anwendungsbereich des § 23 Absatz 1 Satz 3 RVG. Ein gerichtliches Verfahren müsse im Hintergrund
stehen. Dabei sei der Rahmen dieser Tätigkeit nicht zu eng zu ziehen. Als Beispiel wird explizit die
Kündigung genannt.
Des Weiteren ist § 23 Absatz 3 RVG nur eine Auffangregelung (Hartmann, a.a.O Rn 13). Dies wird schon
durch die Formulierung „soweit sich aus diesem Gesetz nicht anderes ergibt“ und durch das Wort „andere“
deutlich (Hartmann, a. a. O.).
3.
Bei wertender Betrachtungsweise ergibt sich also eine Einheit zwischen vorangegangener Kündigung
und nachfolgendem Räumungsverfahren, sodass sich der Gegen-
standswert - wie das Amtsgericht Pirmasens zu Recht angenommen hat - nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.
V. m. § 41 GKG berechnet.
Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Absatz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; den Streitwert
hat die Kammer nach dem Berufungsantrag bemessen.
Die Kammer lässt gemäß § 543 Absatz 2 Ziffer 1 und 2 ZPO die Revision zu, da die
Rechtssache zum einen grundsätzliche Bedeutung hat und zum anderen die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die divergierende Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe
eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
gez. Wolf gez. Christoffel gez. Walfort
Präsidentin Richter Richterin
des Landgerichts am Landgericht
Ausgefertigt:
Vollmar, Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle