Urteil des LG Zweibrücken vom 14.01.2002

LG Zweibrücken: entlassung, flucht, rechtsnorm, luxemburg, scheidung, resozialisierung, sanktion, freilassung, bewährung, persönlichkeit

Strafrecht
LG
Zweibrücken
14.01.2002
StVK 14/01 - Vollz.
Aktenzeichen:
StVK 14/01-Vollz.
Vom 14. 01. 2002
LANDGERICHT ZWEIBRÜCKEN
B e s c h l u s s
In der Strafvollzugssache
der Strafgefangenen I. M. J.
, zur Zeit JVA Zweibrücken
wegen Vollzugslockerungen,
hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung
hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwei-
brücken durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht
am 14. 01. 2002
beschlossen:
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Der Geschäftswert wird auf 500,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Die im Inland bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Antragstellerin wurde am 16. 05. 2000
durch das Appellationsgericht des Großherzogtums Luxemburg (Az.: 150/00 V) wegen Verstoßes gegen
das Gesetz zum Kampf gegen die Drogensucht und gegen das Waffengesetz zu einer Gefängnisstrafe
von 8 Jahren verurteilt.
Aufgrund eines im Einvernehmen mit der Antragstellerin ausgesprochenen Ersuchens des
luxemburgischen Justizministeriums auf Übernahme der Vollstreckung des vorgenannten rechtskräftigen
Urteils hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier durch Exequaturentscheidung vom 04.
12. 2000 (StVK 291/00) die Vollstreckung aus dem o. g. Urteil für zulässig erklärt und eine Freiheisstrafe
von 8 Jahren festgesetzt. Gleichzeitig wurde die Anrechnung der bereits seit dem 30. 06. 1998 in
Luxemburg gegen die Antragstellerin vollstreckten Untersuchungs- und Strafhaft ausgesprochen.
Das Vollstreckungshilfeersuchen des luxemburgischen Justizministeriums vom 27. 06. 2000 enthielt
keinerlei die Dauer der Vollstreckung betreffende Vorgaben.
Die Antragstellerin verbüßt die gegen sie verhängte Strafe nach ihrer am 19. 02. 2001 erfolgten
Überstellung in die Bundesrepublik in der JVA Zweibrücken. Die Hälfte der Strafe wird sie am 29. 06.
2002, 2/3 der Strafe am 29. 10. 2003 verbüßt haben; Strafende ist auf den 29. 06. 2006 vorgemerkt.
Zwei Ausgangsanträge der Antragstellerin vom 22. 07. 2001 und vom 01. 10. 2001 hat die Vollzugsanstalt
abgelehnt.
Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet sich die Antragstellerin gegen die grundsätzliche
Ablehnung der Gewährung von Vollzugslockerungen bei dem derzeitigen Vollstreckungsstand und führt
zur Begründung aus, sie sei in Luxemburg bereits seit dem 14. 02. 2001 lockerungsberechtigt gewesen
und wäre dort auf Halbstrafe entlassen worden. Dabei beruft sie sich u. a. auf ein an sie gerichtetes
Schreiben der luxemburgischen Generalstaatsanwaltschaft vom 06. 11. 2001, in dem ausgeführt ist, dass
das luxemburgische Strafgesetzbuch eine bedingte Freilassung ermöglicht, nachdem die Hälfte der Strafe
verbüßt ist und eine Resozialisierung möglich erscheint. Weiter macht sie geltend, bei ihr bestünde keine
Missbrauchsgefahr, weil sie bereits seit 4 1/2 Jahren keine Drogen mehr genommen habe, nie
drogenabhängig gewesen sei und nur gelegentlichen Drogenkonsum betrieben habe.
Die Vollzugsanstalt hat zu dem Antrag im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
"Frau J. hat am 22. 07. 2001 Besuchsausgang für den 18. 08. 2001 beantragt. Als Begleitperson
benannte Frau J. Frau V. W., eine Freundin wohnhaft in . Am 03. 08. 2001 wurde dieser Antrag aufgrund
der Entscheidung in der Vollzugsplankonferenz vom 02. 08. 01 mit folgender Begründung abgelehnt:
"Angesichts des erheblichen Strafrestes (2/3-Termin ist der 29. 10. 03) können noch keine
Vollzugslockerungen gewährt werden. Flucht- und Missbrauchsgefahr sind nicht auszuschließen".
Frau J. wurde die Ablehnung des Ausgangsantrages von der Unterzeichnerin am 03. 08. 01 mündlich
eröffnet und erläutert.
Dabei wurde der Gefangenen verdeutlicht, dass gemäß der für die Vollzugsbehörde bindenden
Verwaltungsvorschriften Gefangene, gegen die bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt noch
mehr als 18 Monate Freiheitsstrafe zu vollziehen sind, i.d.R. ungeeignet für die Gewährung von Urlaub
sind (VV Nr. 4 II a zu § 13 StVollzG) zum anderen auch bei Gefangenen die wegen Verstoßes gegen das
Betäubungsmittelgesetz, wie vorliegend, verurteilt worden sind, die Frage der Verantwortbarkeit von
Vollzugslockerungen einer besonders gründlichen Prüfung bedarf (VV Nr. 7 IV zu § 11 StVollzG).
Die Gefangene ist wegen eines Betäubungsmitteldeliktes zu einer ganz gravierenden Freiheitsstrafe
verurteilt worden und befindet sich erst seit dem 19. 02. 01 in der hiesigen Vollzugsanstalt. Stabile
Sozialkontakte in der Bundesrepublik Deutschland bestehen nicht mehr. Bei der angegebenen
Bezugsperson, die in L. lebt, handelt es sich um eine ehemalige Mitgefangene aus dem Gefängnis L. Ob
diese Kontakte zur Drogenszene unterhält oder gar selbst abhängig ist, ist hier nicht bekannt. Deshalb
kann diesseits nicht beurteilt werden, ob diese Kontakte förderungswürdig sind.
Hinzu kommt, dass angesichts der hohen Freiheitsstrafe ein ganz erheblicher Fluchtanreiz für die
Gefangene besteht, die vor ihrer Inhaftierung selbst in L. und F. gelebt hat. Vor diesem Hintergrund ist
nicht auszuschließen, dass Frau J. die noch weitere Auslandskontakte (Verlobter ist in I. inhaftiert)
unterhält, im Falle der Gewährung von Vollzugslockerungen diese zur Flucht missbrauchen und ins
Ausland flüchten könnte, um sich so der weiteren Strafvollstreckung zu entziehen. Deshalb erscheinen
Vollzugslockerungen derzeit nicht verantwortbar.
Am 01. 10. 2001 stellte Frau J. erneut einen Ausgangsantrag für den 20. 10. 2001.
Als Bezugsperson und Abholerin nannte sie wieder die Freundin V. W. aus L.
Auch dieser Ausgangsantrag wurde abgelehnt.
Frau J. wurde von der Unterzeichnerin (Sozialarbeiterin/Abteilungsleiterin) eröffnet: "Gemäß Vollzugsplan
vom 02. 08. 2001 gehen wir von der voraussichtlichen Entlassung zum 2/3-Termin am 29. 10. 2003 aus.
Daher können angesichts des hohen Strafrestes noch keine Vollzugslockerungen gewährt werden. Die
Flucht- und Missbrauchsgefahr kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden". Auf die
Entscheidung vom 03. 08. 2001 wurde verwiesen.
Die Ablehnung wurde Frau J. von der Unterzeichnerin am 16. 10. 2001 mündlich eröffnet.
In den hier vorliegenden Vollstreckungsunterlagen befinden sich keinerlei Hinweise darauf, dass Frau J.
in L. bereits nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe, d. h. am 29. 06. 2002 Entlassungschancen
gehabt hätte.
Frau J. wurde ergänzend mitgeteilt, dass die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt überprüft wird, wenn
sich Hinweise darauf ergeben, dass mit einer vorzeitigen bedingten Entlassung bereits zum
Halbstrafentermin (29. 06. 2002) gerechnet werden kann. Ansonsten ist die Fortschreibung des
Vollzugsplanes für März 2002 terminiert".
II.
Der Antrag ist nach §§ 109, 112 StVollzG zulässig, jedoch unbegründet.
Die Ablehnung der begehrten Lockerungen lässt keinen Rechtsfehler erkennen, insbesondere geht die
Vollzugsanstalt dabei zu Recht von einer voraussichtlichen Entlassung zum 2/3-Zeitpunkt am 29. 10. 2003
aus. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem nach § 1 Abs. 3 IRG anwendbaren
Überstellungsübereinkommen vom 21. 03. 1983 (BGBl. II 1991, 1007 ff.) . Denn gemäß Art. 9 Abs. 3
dieses Übereinkommens richtet sich die Vollstreckung der Sanktion nach dem Recht des
Vollstreckungsstaats, so dass hier § 57 StGB einschlägig ist. Danach wäre eine Strafaussetzung bereits
nach Verbüßung von lediglich der Hälfte der Strafe nur möglich, wenn eine Gesamtwürdigung von Tat,
Persönlichkeit der Verurteilten und ihrer Entwicklung während des Strafvollzuges ergebe, dass besondere
Umstände vorliegen, § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Angesichts der von der Antragstellerin begangenen
schwerwiegenden Betäubungsmittelstraftat vermögen ihre erstmalige Straffälligkeit sowie ihre kooperative
Haltung während des Strafverfahrens besondere Umstände nicht zu begründen. Zudem liegt entgegen
der Auffassung der Antragstellerin keine Entscheidung des Urteilsstaats gem. Art. 12, 14 des
Überstellungsübereinkommens vor, wonach die Antragstellerin bereits nach Verbüßung der Hälfte der
gegen sie verhängten Strafe auf Bewährung zu entlassen sei. Insbesondere enthält das an die
Antragstellerin gerichtete Schreiben der l. Generalstaatsanwaltschaft vom 06. 11. 2001 keine Ent-
scheidung zur Frage der bedingten Entlassung zum Halbstrafentermin (vgl. KG JR 93, 257). Denn darin
wird der Antragstellerin lediglich allgemein bestätigt, dass das l. Strafgesetzbuch eine bedingte
Freilassung ermöglicht, nachdem die Hälfte der Strafe verbüßt ist und eine Resozialisierung möglich
erscheint. Der Anwendung dieses für die Antragstellerin günstigeren l. Strafaussetzungsrechts steht
jedoch Art. 9 Abs. 3 des Überstellungsübereinkommens entgegen, wonach sich die Vollstreckung der
Sanktion nach dem Recht des Vollstrekkungsstaats richtet, so dass der rechtshilferechtliche Grundsatz der
Meistbegünstigung nicht eingreift (Schomburg/Lagodny, IRG 3. Aufl. § 57 Rdnr. 8 c).
Mithin kommen Lockerungen zur Entlassungsvorbereitung -wie von der Antragstellerin beantragt- derzeit
nicht in Betracht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 121 Abs. 2 StVollzG, 13 GKG.
gez.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese gerichtliche Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die
Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu
ermöglichen.
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet
worden ist.
Die Rechtsbeschwerde muss bei dem Landgericht Zweibrücken binnen eines Monats nach Zustellung der
gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben,
inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu be-
gründen.
Aus der Begründung muss hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über
das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen
die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten
Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle tun (§§ 116 Abs. 1 und 2, 1 bis 3 StVollzG).
Befindet sich der Antragsteller nicht auf freiem Fuß, so können die Erklärungen, die sich auf das
Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts gegeben werden, in dessen
Bezirk die Anstalt liegt, in der er auf behördliche Anordnung verwahrt wird (§ 299 StPO).