Urteil des LG Wuppertal vom 24.10.2007

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Landgericht Wuppertal, 15 O 57/07
Datum:
24.10.2007
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
5. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 57/07
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin verkauft unter anderem über die Internetplattform ebay
Computerkomponenten nebst Zubehör sowie Telefonanlagen, letztere als Neuware für
gut 400,00 €. Die Beklagte vertreibt über ebay ausschließlich Komponenten für X
HiPath und HiCom PBX-Anlagen sowie Speech Design Genius-Anlagen als
selbständige Erweiterungen vorgenannter professioneller Telefonanlagen.
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Unter der Artikelnummer 170079940838 bot die Beklagte unter anderem am 15. Februar
2007 eine gebrauchte HiCom HiPath Speech Design Genius 200 an und belehrte
etwaige Kunden über das Widerrufsrecht wie folgt:
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"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von
Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache
widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung
der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache.
(...)"
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Diese Belehrung hält die Klägerin in mehrfacher Hinsicht für wettbewerbswidrig:
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So sei Verbrauchern bei Verkäufen über ebay eine Widerrufsfrist von einem Monat
einzuräumen; darüber hinaus beginne die Frist nicht mit Erhalt der Ware, sondern erst
nach Erhalt der Ware und Belehrung über das Widerrufsrecht in Textform.
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Mit dieser Begründung mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 16. Februar
2007 (Anlage K 2, Ablichtung Bl. 11 f. GA) ab und berechnete für dieses Schreiben
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Eigenaufwendungen in Höhe von 238,00 € einschließlich Mehrwertsteuer.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs über die Internet-Handelsplattform, insbesondere
www.ebay.de, den Abschluss entgeltlicher Verträge im Bereich Hardware mit
Verbrauchern anzubieten und/oder anbieten zu lassen und dabei über die Dauer
der Widerrufsfrist mit zwei Wochen zu belehren und über den Beginn der
Widerrufsfrist mit der Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser
Meldung" zu belehren, wie dies in der Auktion bei www.ebay.de mit der Artikel-Nr.
170079940838 geschehen;
2. die Kosten für die Eigenabmahnung in Höhe von 238,00 € an sie zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält die dem Musterentwurf des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz folgende Widerrufbelehrung für wettbewerbskonform. Zudem
bestreitet sie angesichts der Verschiedenheit der Produkte und dem hiervon
angesprochenen Kundenkreis ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den
Parteien. Im übrigen wirft sie der Klägerin vor, dass sich ihr Geschäftsführer mit
Rechtsanwaltskanzleien verbündet habe, um unter Ausnutzung vorgefertigter
Klageschreiben und Unterlassungserklärungen in immer gleicher Weise Mitbewerber
und vorgebliche Mitbewerber mit Gebührenansprüchen zu taktieren, wobei im Unklaren
bleibe, welches wirtschaftliche Interesse eigentlich wettbewerbsrechtlich berührt sein
soll.
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Dem tritt die Klägerin bestreitend entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der
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gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nach beiden Anträgen unbegründet.
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Es mag auf sich beruhen, ob die beanstandete Widerrufsbelehrung der Beklagten
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wettbewerbswidrig ist. Auch brauchte dem naheliegenden Vorwurf
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin vorliegend nicht abschließend
nachgegangen zu werden, da der Klägerin die Abmahnbefugnis fehlt. Denn allein der
Umstand, dass beide Parteien im Internet "Telefonanlagen" vertreiben, macht die
Klägerin noch nicht zu einem "Mitbewerber" der Beklagten im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1
UWG.
Die von der Beklagten vertriebenen Produkte richten sich ausschließlich an den
gewerblichen Kundenkreis. So heißt es in dem von der Klägerin beanstandeten
Internetauftritt der Beklagten zu dem dort angebotenen Gerät:
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"Genius 200 hält der Telefonzentrale den Rücken frei. Bis zu 2 Anrufer gleichzeitig
werden automatisch angenommen, begrüßt und weitervermittelt. So wird im
Überlastungs- oder Besetzfall kein Anrufer vor der telefonischen Eingangstür
stehen gelassen.
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Die immer freundliche Begrüßung
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Eine individuell gestaltbare, automatische Begrüßung heißt Anrufer willkommen
und gibt diesen das sichere Gefühl, richtig gewählt zu haben. Mit dieser
Begrüßung, der akustischen Visitenkarte Ihres Unternehmens, legen Sie den
Grundstein für eine dauerhafte Kundenorientierung.
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Rasch zum persönlichen Gesprächspartner
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Nach dem akustischen Händedruck vermittelt Genius 200 Anrufer automatisch an
die Zentrale oder an einen Mitarbeiter, der, beispielsweise in Spitzenzeiten, das
Telefonpersonal entlastet. Per Tastendruck ist dieses Vermittlungsziel jederzeit
und schnell änderbar.
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Telefonpersonal entlasten – selbst vermitteln
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Anrufern mit einem Tonwahl-Telefon erlaubt Genius 200 sich selbst mit dem
gewünschten Ansprechpartner zu verbinden. Mit dem Begrüßungstext erhalten die
Anrufer beispielsweise die Aufforderung, entweder die "1" für die Auftragsannahme
oder die "2" für den Vertrieb u wählen. Dank dieser Durchwahlmöglichkeit wird das
Telefonpersonal nachhaltig entlastet. Durch die telefonische Eingangstür gelangen
insgesamt mehr Kunden ins Unternehmen.
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Musik- und Infoeinspielung Wartesaal – First Class
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Genius 200 sorgt für die Einspielung von Wartemusik und –informationen in
Telefonanlagen. Gewählte Musiktitel und Ansagen werden einfach in den digitalen
Widergabespeicher geladen und von dort verschleißfrei wiedergegeben. So
garantiert das System auch nach jahrelangem Dauerbetrieb konstante Tonqualität
auf höchstem Niveau.
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Tonstudio an Bord
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Wie in einem Tonstudio, werden Ansagen "weich" in die Musik ein- und nach einer
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von Ihnen definierten Zeitspanne wider ausgeblendet. Dank der 2-Spur-
Wiedergabetechnik können Warteansagen und Musik jederzeit und unabhängig
voneinander geändert werden.
Aus Wartezeit und Werbezeit
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Vielfältigste Ansagen lassen sich über den integrierten Hörer aufsprechen:
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Werbeaussagen zu Produkten und Dienstleistungen, Imageaussagen zum
Unternehmen oder einfach nur Aussagen zu geänderten Öffnungszeiten. Mit
Genius 200 nutzen Sie vermittlungsbedingte Wartezeit aktiv zur Erreichung Ihrer
Marketing- oder PR-Ziele.
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Der Programmdirektor sind Sie
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Flexible, individuelle Auswahl und Einspielung der Musik schafft die
Voraussetzung für ein scharfes Firmen- und Produktprofil. Genius 200 bietet
größtmöglichen Freiraum bei der Wahl der passenden Musikstücke: ob Klassik,
Jazz oder Pop – lassen Sie Ihrer Kreativität einfach freien lauf.
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Musik am Telefon steigert nicht nur der Bekanntheitsgrad eines
Leistungsangebots. Firmenindividuell gestaltet und komponiert, trägt sie erheblich
zur Corporate Identity bei. Ein Unternehmen erhält ein "phonetisches Gesicht" oder
eine "akustische Visitenkarte" – und dies filialübergreifend."
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Dass dieses Gerät von keinem Verbraucher benötigt wird, liegt auf der Hand und bedarf
keiner weiteren Begründung. Darüber hinaus hat die Beklagte unwidersprochen
vorgetragen, dass dieses Anbaugerät auch nicht anschaltbar ist selbst an die
höherpreisigen Telefonanlagen, die die Klägerin vertreibt und die bereits über 400,00 €
kosten. Vielmehr – so hat die Beklagte unwidersprochen ausgeführt – sei selbst bei sehr
mäßigem Ausbau einer neuen Telefonanlage ein Investitionsaufwand von mindestens
5.000,00 € erforderlich, um die von ihr vertriebenen gebrauchten Produkte zu nutzen.
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Das aber bedeutet, dass beide Parteien auf unterschiedlichen Märkten tätig sind mit der
Folge, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien entfällt.
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Soweit die Klägerin einwendet, dass auch Verbraucher die von der Beklagten
angebotenen Geräte erwerben können, ist dies ebenso richtig wie unerheblich.
Unerheblich ist ferner, dass die Beklagte ihre Angebote überhaupt mit einem
Widerrufsrecht versieht und "Verbrauchern" ein Recht zur Rückgabe einräumt. Alldies
begründet keinen gemeinsamen Markt, auf dem sich beide Parteien als Wettbewerber
auseinandersetzen. Soweit gleichwohl insoweit zwischen den Parteien eine
geringfügige Marktüberschneidung besteht, als sich die Klägerin mit ihren im
Preissegment von etwa 400,00 € liegenden Telefonanlagen (EUMEX 820 LAN, ... 4410,
USB) auch an gewerbliche Anbieter wie kleinere Arztpraxen oder Anwaltsbüros wendet,
ist auch dies ohne Belang, da sie hieraus keine Abmahnbefugnis hinsichtlich der
(angeblich) fehlerhaften Widerrufsbelehrung von Verbrauchern herleiten kann.
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ngels Abmahnbefugnis hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung von
Kosten für das vorformulierte Abmahnschreiben vom 16. Februar 2007 (Ablichtung Bl.
11 bis 13 GA), in das lediglich Name und Anschrift des Abzumahnenden sowie Datum
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und Artikel-Nr. der ebay-Aktion einzusetzen waren und für das die Klägerin
Kostenerstattung in Höhe von 238,00 € beansprucht, das ist ein der Höhe nach absolut
unakzeptabler Betrag, der nicht nur die Frage nach einem rechtsmissbräuchlichen
Verhalten der Klägerin aufwirft, wenn sie sich eigener Kosten in dieser Größe berühmt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Nr. 11 ZPO.
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Gebührenstreitwert: 30.000,00 €.
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