Urteil des LG Wuppertal vom 18.07.2002

LG Wuppertal: berufsunfähigkeit, post, beamter, diskont, versicherter, akte, meinung, zusatzversicherung, altersgrenze, versetzung

Landgericht Wuppertal, 7 O 419/01
Datum:
18.07.2002
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 O 419/01
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.957,20 EUR (=
29.253,75
DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz
nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes auf
1.031,53 DM seit dem 01.07.2000 und auf jeweils
1.553,16 EUR seit dem 02.07.2000, 02.10.2000,
02.01.2001, 02.04.2001, 02.07.2001, 02.10.2001,
02.01.2002, 02.04.2002 und 02.07.2002 zu zahlen.
2.Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin ab dem
01.10.2002 eine
vierteljährlich vorauszahlbare Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von zur
Zeit
517,72 EUR monatlich zuzüglich der dynami-schen Zuschläge jeweils
im voraus
zum 01.01., 01.04, 01.07. und 01.10. eines Jahres bis zum 01.01.2033
(65.
Lebensjahr der Klägerin) zu zahlen.
3.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Si-cherheitsleistung in
Höhe von 18.500,00 EUR. Die Sicherheitsleistung kann erbracht werden
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank oder öf-fentlichen
Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder durch
Hinterlegung.
T a t b e s t a n d
1
Am 26.07.1994 schloss die Klägerin bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung
unter Einschluss einer dynamischen Berufs- unfähigkeitszusatzversicherung ab.
Versicherungsbeginn war der 01.11.1994. Die jährliche Rente sollte 12.105,00 DM
betragen.
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Die Klägerin war zuletzt tätig bei der Deutschen Post AG als Briefzustellerin. Wegen
Beschwerden an insbesondere den beiden Knien war sie im Jahr 1999 dienstunfähig
krankgeschrieben. Auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 07.12.1999 wurde
die Klägerin mit Wirkung vom 11.04.2000 in den Ruhestand versetzt.
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Die Klägerin macht geltend:
4
Die Beklagte schulde wegen dieses Umstandes der Klägerin Leistungen wegen
Berufungsunfähigkeit.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 17.148,75 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-
Gesetzes auf 2.017,50 DM seit dem 01.07.2000 und auf jeweils 3.026,25 DM seit
dem 02.07.2000, 02.10.2000, 02.01.2001, 02.04.2001 und 02.07.2001 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem
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01.10.2001 eine vierteljährlich vorauszahlbare
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Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von zur Zeit
11
1.008,75 DM monatlich zuzüglich der dynamischen
12
Zuschläge jeweils im voraus zum 01.01., 01.04,
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01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis zum
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01.01.2033 (65. Lebensjahr der Klägerin) zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte macht geltend:
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Die Klägerin sei nicht berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen. Eine
solche Berufsunfähigkeit sei nämlich nur dann gegeben, wenn eine allgemeine
Dienstunfähigkeit bei der Klägerin vorhanden gewesen sei. Dies sei jedoch nicht
gegeben. Die Klägerin könne durchaus im Postdienst noch andere Tätigkeiten als die
der Briefzustellerin erfüllen. Vollständige Berufsunfähigkeit liege nämlich erst dann vor,
wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich
nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine
andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt
werden kann oder seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Die Beklagte listet
insbesondere in ihrer Klageerwiderung vom 13.11.2001 eine Reihe von Tätigkeiten auf,
die nach ihrer Meinung von der Klägerin noch vollschichtig ausgeführt werden könnten.
Insoweit wird auf Blatt 29 ff. der Akte verwiesen.
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Den Ausführungen der Beklagten ist die Klägerin entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage hat Erfolg.
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Aus der am 26.07.1994 mit der Beklagten abgeschlossenen Kapitallebensversicherung
unter Einschluss einer dynamischen Berufsun-
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fähigkeitszusatzversicherung stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche zu.
In den Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung heißt es unter
anderem in § 2 Abs. 10:
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"Berufsunfähigkeit liegt auch vor, wenn ein versicherter Beamter vor Erreichen der
gesetzlich vorgeschriebenen Altersgrenze infolge seines Gesundheitszustandes wegen
allgemeiner Dienstunfähigkeit entlassen oder in den Ruhestand versetzt worden ist."
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Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin unstreitig gegeben. Die Klägerin wurde von
der Deutschen Post AG unter dem 11.02.2000 wie folgt angeschrieben:
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"Sehr geehrte Frau X2,
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gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - ist ein Beamter in den
Ruhestand zu versetzen, wenn er zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig
(dienstunfähig) ist.
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Sie haben infolge Erkrankung seit dem 07.04.1999 keinen Dienst getan. Nach dem
Gutachten des Postvertragsarztes Herrn Dr. med. Dipl.-Ing. E2 vom 07.12.1999 kann mit
der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit nicht mehr gerechnet werden. Auch ich
halte Sie nach pflichtgemäßen Ermessen für dauernd unfähig, ihre Amtspflichten zu
erfüllen. Ich beabsichtige daher, Ihre Versetzung in den Ruhestand gemäß § 42 Abs. 1
in Verbindung mit § 44 BBG mit dem Ende des Monats April 2000 einzuleiten."
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Unstreitig datiert - wie oben gesagt - die Entlassungsurkunde vom 11.04.2000. Damit ist
der Versicherungsfall eingetreten. Einschränkungen im Sinne der Beklagten enthalten
die Versicherungsbedingungen hier nicht. Eine Interpretation der unwiderlegbaren
Vermutung kommt nicht in Betracht. Die Beklagte muss sich an ihren Bedingungen
festhalten lassen. Die Kammer bleibt insoweit bei ihrer Rechtsprechung (vgl. 7 O
301/99, Urteil vom 16.12.1999). Diese Rechtsprechung ist vom Oberlandesgericht
Düsseldorf bestätigt (vgl. z. B. Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
14.11.2000 in 4 U 216/99 = 7 O 191/99 Landgericht Wuppertal. Danach käme es auf die
von der Beklagten
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angesprochene anderweitige Verwendungsmöglichkeit der Klägerin nur an, wenn die
oben genannte Beamtenklausel nicht eingreifen würde.
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Die Beklagte ist daher antragsgemäß zu verurteilen. Dabei hat die Kammer
entsprechend der Bitte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin die Anträge
so ausgelegt, dass in erster Linie auf Leistung geklagt ist.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: 59.516,25 DM.
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