Urteil des LG Wuppertal vom 11.03.2010

LG Wuppertal (höhe, kläger, geschäftsführung ohne auftrag, monat, zahlung, aufrechnung, wohnung, bereicherung, beendigung, zpo)

Landgericht Wuppertal, 9 S 50/08
Datum:
11.03.2010
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 S 50/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Mettmann, 25 C 275/07
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Januar 2008 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Mettmann teilweise abgeändert und insgesamt
wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
I
2
Die Beklagte hatte von den Klägern seit 1996 eine Wohnung im Hause T-Str. in F
gemietet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses verlangen die Kläger von der
Beklagten Zahlung von Restmietzins für den Monat Oktober 2006 in Höhe von 425,68
EUR und restliche Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006
in Höhe von 419,01 EUR, jeweils nebst Zinsen, sowie vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR. Das Amtsgericht hat durch das
angefochtene Urteil unter Klageabweisung im übrigen die Beklagte zur Zahlung
restlicher Oktobermiete in Höhe von 301,73 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 93,42 EUR verurteilt. Zur Begründung hat es unter
anderem ausgeführt, dass die restliche Mietzinsforderung nicht durch Aufrechnung mit
Gegenforderungen der Beklagten erloschen sei. Denn der Beklagten stünden keine
Ansprüche mehr auf Rückzahlung der Kaution zu, da diese durch Verrechnung von
Vermieterseite, insbesondere mit der für begründet erachteten Forderung auf Zahlung
von Nutzungsentschädigung für den Monat November 2006 in Höhe von 920,20 EUR,
erloschen sei. Auch der hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Anspruch auf Zahlung von
Schadensersatz wegen nicht geschuldeter Schönheitsreparaturmaßnahmen stehe der
3
Beklagten nicht zu. Zwar sei die in § 10 Nr. 5 des Mietvertrages normierte
Endrenovierungsklausel unwirksam. Dennoch ergebe sich ein Anspruch auf Ersatz der
getätigten Aufwendungen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht
aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag.
II
4
1.
5
Die sich gegen die Verurteilung wendende Berufung ist zulässig. Insbesondere liegt
eine über 600,00 EUR im Sinne des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegende Beschwer der
Berufungsklägerin vor. Denn zu ihren Lasten ist nicht nur die Verurteilung zur Zahlung
von 301,73 EUR ergangen, sondern zugleich auch der hilfsweise zur Aufrechnung
gestellte Anspruch auf Ersatz des durch die nicht geschuldete Endrenovierung
entstandenen Schadens in gleicher Höhe verneint worden, so dass sich eine Beschwer
von 603,46 EUR ergibt.
6
2.
7
Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Den Klägern stehen restliche
Mietzinsansprüche für den Monat Oktober 2006 sowie vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten nicht zu, da sie durch Aufrechnung mit Gegenforderungen der
Beklagten erloschen sind.
8
a)
9
Die Kläger können für den Monat November 2006 von der Beklagten eine Zahlung in
Höhe von nur 842,14 EUR beanspruchen. Nur in dieser Höhe und nicht in Höhe von
920,20 EUR ist daher der Anspruch auf Kautionsrückzahlung erloschen, so dass die
Beklagte mit dem restlichen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe der
Differenz von 77,86 EUR gegenüber der Restmietzinsforderung für Oktober 2006
erfolgreich aufrechnen konnte.
10
Nutzungsentschädigung gem. § 546 a Abs. 1 BGB in Höhe der zwischen den Parteien
vereinbarten Miete können die Kläger für den Monat November 2006 bis zum Tage der
Räumung verlangen. Nur für die Dauer der Vorenthaltung der Mietsache kann der
Vermieter als Entschädigung den vereinbarten Mietzins verlangen. Für die Zeit danach
bleibt ihm bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Geltendmachung
eines Schadens infolge einer erst später möglichen Vermietung (BGH NZM 2006, 52).
Auch aus § 22 Abs. 4 S. 2 des Mietvertrages der Parteien ergibt sich insoweit vorliegend
nichts anderes. Denn die Klausel eröffnet die Auslegungsmöglichkeit, dass für die Zeit
nach Beendigung der Vorenthaltung hier lediglich ebenfalls nur ein
Schadensersatzanspruch geregelt ist, der das Vorliegen eines konkreten Schadens
gerade voraussetzt. Zweifel der Interpretation gehen bei vorformulierten, allgemeinen
Geschäftsbedingung zu Lasten des Verwenders.
11
Soweit die Kläger geltend machen, aus dem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom
2.11.2006 (Bl. 63f d.A.) gehe hervor, dass die Parteien eine Vereinbarung dahingehend
getroffen hätten, dass die Beklagte die volle Novembermiete zu zahlen habe, ist dem
nicht zuzustimmen. Denn dem Wortlaut des Schreibens ist nicht zu entnehmen, dass die
Parteien tatsächlich schon eine solche Vereinbarung getroffen haben. Ebenso ist es
12
nämlich möglich, dass der Anwalt eine solche Abrede erstmals in diesem Schreiben –
erfolglos - forderte.
Schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten muss davon ausgegangen werden,
dass die Beklagte die Wohnung nicht schon am 15.11., sondern erst am 21.11.2006
übergeben hat. Die Beklagte macht lediglich geltend, dass die Kläger eine Verzögerung
der Wohnungsübergabe selbst verschuldet hätten, weil der Sohn, an den die Beklagte
verwiesen worden sei, nicht zu erreichen gewesen sei. Für diese von den Klägern
konkret bestrittene Behauptung hat die Beklagte indessen keinen Beweis angetreten.
Demnach hat die Beklagte eine Nutzungsentschädigung für 21 Tage in Höhe von
920,20 EUR (vereinbarte Miete) : 30 Tage x 21 Tage = 644,14 EUR zu zahlen.
13
Für die Zeit danach steht den Klägern ein Schadensersatzanspruch deswegen zu, weil
sie wegen der Vorenthaltung der Mietsache durch die Beklagte gehindert waren, die
Wohnung schon zum 1.11.2006 an Nachmieter zu übergeben. Nach der Vorlage des mit
den Nachmietern G geschlossenen Mietvertrages steht fest, dass dort ursprünglich der
1.11.2006 als Mietbeginn vorgesehen war. Die mit diesen Nachmietern vereinbarte
Miete beträgt danach monatlich 660,00 EUR. Mithin ist den Klägern durch die verspätete
Weitervermietung ein Schaden in Höhe von 660,00 : 30 x 9 = 198,00 EUR entstanden.
14
b)
15
Der nach dieser unbedingten Aufrechnung verbleibende Rest der Mietzinsforderung für
den Monat Oktober 2006 in Höhe von 301,73 – 77,86 = 223,87 EUR ist durch die
hilfsweise erklärte Aufrechnung mit dem Anspruch auf Ersatz des durch die nicht
geschuldete Endrenovierung entstandenen Schadens erloschen.
16
Zu Recht hat das Amtsgericht befunden, dass die in § 10 Nr. 5 des Mietvertrages der
Parteien normierte Endrenovierungsklausel unwirksam ist. Die den Mieter
unangemessen benachteiligende Verpflichtung, nicht nur während des laufenden
Mietverhältnisses die Schönheitsreparaturen vornehmen, sondern unabhängig hiervon
auch eine Endrenovierung durchführen zu müssen, führt wegen des
"Summierungseffektes" zur Unwirksamkeit beider Klauseln gem. § 307 BGB (BGH NZM
2003, 594). Soweit die Kläger unter Bestreiten der Beklagten ein individualvertragliches
Aushandeln behauptet haben, ist dies zum einen völlig unsubstantiiert, zum anderen
aber auch ohne Beweisantritt geblieben.
17
Die Beklagte kann gem. §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 3 BGB Wertersatz wegen
ungerechtfertigter Bereicherung der Kläger durch die erbrachte Endrenovierung
verlangen. (vgl. BGH NZM 2009, 541, 543) Im Gegensatz zur Ansicht des Amtsgerichts
ist eine Bereicherung des Vermieters nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Mieter
wegen der Überwälzung der Schönheitsreparaturverpflichtung während der Dauer des
Mietverhältnisses in der Regel nur einen geringeren Mietzins zu zahlen hatte. Dies gilt
schon sowieso nicht für die zusätzlich zur regelmäßigen Verpflichtung zur Durchführung
von Schönheitsreparaturen normierte Endrenovierungsverpflichtung. Es gilt aber auch
nicht, soweit die Beklagte bei Gültigkeit der Klauseln hätte renovieren müssen, wenn die
Fristen zur Vornahme der regelmäßigen Schönheitsreparaturen bei Beendigung des
Mietverhältnisses überschritten gewesen wären. Denn es bleibt dabei, dass aufgrund
der Unwirksamkeit beider Klauseln der Mieter eben gerade keine
Schönheitsreparaturen durchzuführen hatte, woraus folgt, dass diese dem Vermieter
oblagen, und zwar trotz der bestehen bleibenden Wirksamkeit der
18
Mietzinsvereinbarung. Diese war von der Unwirksamkeit nicht betroffen und musste
auch nicht etwa für die Vergangenheit angepasst werden; denn die Nachteile von
Klauselunwirksamkeiten trägt der Verwender, ohne dass ihm ein Ausgleich durch
anderweitige Vertragsanpassung zuzubilligen wäre. Soweit die Beklage im Vertrauen
auf die Wirksamkeit der Klauseln die eigentlich dem Vermieter obliegenden
Renovierungen bei Beendigung des Mietverhältnisses selbst durchgeführt hat, verschob
sich daher die Vermögenslage zugunsten der Vermieterseite. Die Kläger hatten auch
nicht etwa während der Mietzeit ihrerseits tatsächlich Schönheitsreparaturen
durchgeführt, weil sie eben von der wirksamen Überwälzung der
Renovierungsverpflichtung auf die Beklagte ausgegangen waren.
Bei rechtsgrundlos erbrachten Dienst- und Werkleistungen bemisst sich der Wert der
herauszugebenden Bereicherung grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise
der angemessenen Vergütung. Dies gilt auch für Schönheitsreparaturen, die aufgrund
einer unwirksamen Renovierungsklausel erbracht wurden (BGH NZM 2009, 541, 543).
Mit der Vorlage der Rechnung Pawlak vom 23.11.2006 über 1.252,80 EUR (Anlage zur
Klageerwiderung (Bl. 49 d.A.) hat die Beklagte die von ihr veranlassten Arbeiten
zumindest insoweit spezifiziert, als es dort heißt: "Komplettes Wohnung mit
Dispersionsfarbe Streichen". Die Kläger, die die Wohnung nach Durchführung dieser
Arbeiten gesehen haben, können sich insoweit nicht auf ein bloßes abstraktes
Bestreiten beschränken. Jedenfalls aber kann die Kammer gem. § 287 ZPO angesichts
der Gesamtrechnungssumme von 1.252,80 EUR einen Mindestschaden in Höhe der
Aufrechnungsforderung von 223,87 EUR schätzen und bejahen.
19
c)
20
Da die Klageforderung nicht begründet ist, können die Kläger auch nicht die Erstattung
vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen.
21
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
22
Angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZM 2009, 541 ff)
besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
23
Der Schriftsatz der Kläger vom 5.03.2010 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der
mündlichen Veranlassung, da er keine neuen Umstände enthält.
24
Streitwert: 603,46 EUR
25