Urteil des LG Wuppertal vom 10.08.2007

LG Wuppertal: entlassung aus dem amt, befangenheit, gehilfe, beschwerderecht, objektivität, auflage, rechtfertigung, aufgabenbereich, eng, datum

Landgericht Wuppertal, 6 T 508/05
Datum:
10.08.2007
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 508/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Wuppertal, 145 IN 426/00
Sachgebiet:
Sonstiges
Tenor:
Das Verfahren wird ohne Sachentscheidung an das Amtsgericht
Wuppertal zurückgegeben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
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In der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 09. Juni 2005 regten dessen Mitglieder
an, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, um zu überprüfen, ob vom
Insolvenzverwalter durchgeführte Immobilienverkäufe "unter Preis" erfolgt seien und ob
der Insolvenzverwalter pflichtwidrig Zahlungen getätigt habe, ohne den Baufortschritt
eines Bauvorhabens zu prüfen und hierdurch die Insolvenzmasse geschmälert worden
sei. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses bezogen sich zur Begründung ihrer
Anregung auf ein von dem Dipl.-Finanzwirt L erstelltes Gutachten. Am 07. Juli 2005
regten die Mitglieder des Gläubigerausschusses die Bestellung des weiteren Beteiligten
als Sonderinsolvenzverwalter an.
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Durch Beschluß des Amtsgerichts - Rechtspfleger - vom 14. Juli 2005 wurde der weitere
Beteiligte als Sonderinsolvenzverwalter mit dem Aufgabenbereich der Prüfung von
Schadensersatzansprüchen der Masse gegen den Insolvenzverwalter bestellt.
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Gegen diesen Beschluß legte der Insolvenzverwalter mit Schrift vom 18. Juli 2005
Erinnerung ein und machte geltend, die Entscheidung über die Bestellung eines
Insolvenzverwalters obliege allein dem Richter. Im übrigen rügte er, daß der weitere
Beteiligte als Sonderinsolvenzverwalter ausgewählt worden sei. Der weitere Beteiligte
sei befangen. Einer seiner Sozien sei in W tätig und konkurriere daher unmittelbar mit
ihm, dem Insolvenzverwalter. Zudem sei er auch in L2 als Insolvenzverwalter tätig, wo er
mit einem weiteren Sozius des weiteren Beteiligten konkurriere. Ferner habe sich der
weitere Beteiligte darum bemüht, als Insolvenzverwalter der Schuldnerin eingesetzt zu
werden. Schließlich arbeite der weitere Beteiligte eng mit dem Dipl.-Finanzwirt L
zusammen, zu dem er selbst ein gespanntes Verhältnis habe. Es sei zu befürchten, daß
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der weitere Beteiligte das von Herrn L erstellte Gutachten nicht objektiv würdigen werde.
Ferner trug der Insolvenzverwalter vor, er mache "hilfsweise" Bedenken gegen die
Sonderverwaltung als solche geltend. Eine solche dürfe nur angeordnet werden, wenn
das Gericht eine "einigermaßen gesicherte Kenntnis" habe, daß
Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter bestünden.
Unter dem 19. Juli 2005 nahm der weitere Beteiligte das Amt des
Sonderinsolvenzverwalters an und trat mit Schrift vom 04. August 2005 der Erinnerung
des Insolvenzverwalters entgegen. Er trug vor, der Insolvenzverwalter könne gegen den
Beschluß vom 14. Juli 2005 kein Rechtsmittel einlegen, da er nicht in seinen Rechten
betroffen sei. Ohnehin könne ein Sonderinsolvenzverwalter nicht abgelehnt werden. Der
Rechtspfleger sei für die Entscheidung über die Sonderinsolvenzverwaltung auch
funktional zuständig. Im übrigen sei die Besorgnis der Befangenheit nicht gegeben.
Allein aus der Konkurrenzsituation zwischen dem Insolvenzverwalter und seinen Sozien
dürfe eine solche nicht abgeleitet werden, zumal er selbst - und nicht seine Sozien - zum
Sonderinsolvenzverwalter bestellt worden sei. Schließlich habe er sich nicht selbst als
Insolvenzverwalter der Schuldnerin vorgeschlagen; er sei von der Schuldnerin
vorgeschlagen worden, ohne daß dies zuvor mit ihm abgestimmt worden sei.
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Mit Beschluß vom 08. August 2005 beschied der Richter beim Amtsgericht die
Erinnerung gegen den Beschluß des Rechtspflegers vom 14. Juli 2005 mit folgendem
Tenor:
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"(...) wird die Erinnerung des Insolvenzverwalters zurückgewiesen, soweit er
beanstandet, der Rechtspfleger sei für die Bestellung des
Sonderinsolvenzverwalters funktional nicht zuständig."
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In den Gründen des Beschlusses führte er aus:
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"Nachdem der gemäß §§ 3 Nr. 2 e, 4 Abs. 1 RPflG zuständige Rechtspfleger das
Ablehnungsgesuch des Insolvenzverwalters beschieden hat, wird ggfls. über die
hilfsweise geltend gemachten (Bedenken gegen die Sonderverwaltung als solche’
zu entscheiden sein."
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Gegen den Beschluß des Richters beim Amtsgericht vom 08. August 2005 legte der
Insolvenzverwalter mit Schrift vom 12. August 2005 vorsorglich Rechtsmittel ein und
führte aus, daß seines Erachtens noch über seine Erinnerung entschieden werden
müsse, soweit er die Auswahl des Sonderverwalters angegriffen habe. Ferner machte er
geltend, sein Beschwerderecht ergebe sich aus § 59 Abs. 2 InsO, weil die Bestellung
des Sonderinsolvenzverwalters seiner partiellen Entlassung aus dem Amt
gleichkomme. Er müsse auch deshalb ein Ablehnungsrecht haben, weil die Einsetzung
eines Sonderinsolvenzverwalters eine Aufsichtsmaßnahme des Gerichtes darstelle.
Zudem müsse der Sonderinsolvenzverwalter geeignet sein; diese Voraussetzung liege
aber bei Besorgnis der Befangenheit nicht vor. Der weitere Beteiligte sei im übrigen
auch deshalb nicht geeignet, weil er kein Jurist sei. Schließlich sei der Prüfungsumfang
der Sonderinsolvenzverwaltung zu unbestimmt.
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Mit der angefochtenen Entscheidung vom 16. August 2005, auf die verwiesen wird,
tenorierte der Rechtspfleger beim Amtsgericht wie folgt:
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"(...) wird der Antrag des Insolvenzverwalters, den bestellten
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Sonderinsolvenzverwalter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzuberufen, als
unbegründet zurückgewiesen."
Hiergegen richtet sich das als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel des
Insolvenzverwalters vom 18. August 2005, mit dem er geltend macht, es komme auf die
Gesamtschau der von ihm vorgetragenen Umstände an. Zudem sei schon die Besorgnis
der Befangenheit ausreichend.
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Alsdann hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht der Erinnerung nicht abgeholfen und
die Sache dem Amtsrichter zur Entscheidung vorgelegt. Der Richter beim Amtsgericht
hat die sofortige Beschwerde als statthaft erachtet und daher die Sache der Kammer zur
Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.
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Das Verfahren war ohne Sachentscheidung an das Amtsgericht zurückzugeben, weil
die Kammer zur Entscheidung über das Rechtsmittel des Insolvenzverwalters nicht
berufen ist. Denn eine Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung des
Rechtspflegers ist nicht statthaft.
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Das Rechtsmittel des Insolvenzverwalters ist nicht als Beschwerde entsprechend §§ 4
InsO, 46 Abs. 2, 406 ZPO statthaft. Denn der Insolvenzverwalter kann einen
Sonderinsolvenzverwalter nicht entsprechend §§ 4 InsO, 406 ZPO ablehnen, so daß
auch kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den - bereits nicht statthaften -
Ablehnungsantrag (wobei offenbleiben kann, ob ein solcher von dem Insolvenzverwalter
überhaupt gestellt worden ist) eröffnet ist.
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Die in § 406 ZPO vorgesehene Möglichkeit, den Sachverständigen abzulehnen, findet
(wie auch die Möglichkeit einer Ablehnung eines Dolmetschers) ihre Rechtfertigung
darin, daß der Sachverständige als Gehilfe des Gerichts tätig ist und mittelbar
erheblichen Einfluß auf die richterliche Entscheidung nehmen kann, weil er dem Richter
die zur Entscheidung nötige Sachkunde vermittelt (vgl. Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 21.
Auflage, § 406 Rz. 1). Aus Sicht der Parteien ist eine "richtige" Entscheidung daher nur
gewährleistet, wenn der Sachverständige seine Feststellungen objektiv und
unbeeinflußt trifft. Mit dieser "Gehilfenstellung" ist die Tätigkeit des
Sonderinsolvenzverwalters nicht vergleichbar. Denn der Sonderinsolvenzverwalter wird
nicht als "Gehilfe" des Gerichts tätig. Vielmehr besteht seine Aufgabe - wie auch im
vorliegenden Fall - allein darin, mögliche Ersatzansprüche gegen den amtierenden
Insolvenzverwalter eigenständig (also ohne unmittelbare Beteiligung des
Insolvenzgerichts) zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen (vgl. Lüke, ZIP
2004, Seite 1695). Der Sonderinsolvenzverwalter kann allein Klage erheben, die
Entscheidung über die Klage bleibt aber einem Gericht vorbehalten. Im Gegensatz zu
einem Sachverständigen hat der Sonderinsolvenzverwalter daher keinen - wenn auch
nur mittelbaren - Einfluß auf den Ausgang eines Gerichtsverfahrens.
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Nicht zu verkennen ist allerdings, daß auch der Sonderinsolvenzverwalter gehalten ist,
mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter objektiv und
unvoreingenommen zu prüfen. Diese Verpflichtung trifft ihn aber allein im Interesse der
Insolvenzmasse, die nicht durch letztlich erfolglose Rechtsstreitigkeiten mit
entsprechenden Kosten geschmälert werden soll. Die vom Sonderinsolvenzverwalter
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geforderte Objektivität steht mithin in einem anderen Kontext als die vom
Sachverständigen geforderte Objektivität, so daß auch unter diesem Aspekt keine
entsprechende Anwendung von § 406 ZPO gerechtfertigt werden kann.
Ferner ist zu bedenken, daß der Sonderinsolvenzverwalter unter Umständen für die
Masse Rechtsstreitigkeiten gegen den Insolvenzverwalter führen soll. Die Führung
solcher Rechtsstreitigkeiten schließt aber geradezu notwendig die "Befangenheit" des
Sonderinsolvenzverwalters ein, da dieser nur dann solche Rechtsstreitigkeiten führen
wird, wenn er von dem pflichtwidrigen Verhalten des Insolvenzverwalters überzeugt ist.
Es wäre sinnwidrig, wenn der Insolvenzverwalter deshalb den
Sonderinsolvenzverwalter ablehnen könnte.
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Ein Ablehnungsrecht entsprechend § 406 ZPO kann - entgegen der Auffassung des
Insolvenzverwalters - schließlich auch nicht daraus abgeleitet werden, daß sich die
Einsetzung des Sonderinsolvenzverwalters als "Aufsichtsmaßnahme" des
Insolvenzgerichts darstelle. Dies könnte nur dann als zutreffend erscheinen, wenn ein
Sonderinsolvenzverwalter mit dem Aufgabenkreis eingesetzt wird, zu untersuchen, ob
der hauptamtliche Insolvenzverwalter ungeeignet und deshalb gemäß § 59 Abs. 1 S. 1
InsO zu entlassen ist. Denn in einem solchen Fall wäre der Sonderinsolvenzverwalter
als "Gehilfe" des Gerichts bei der Aufsicht über den Insolvenzverwalter tätig, so daß
möglicherweise auch § 406 ZPO entsprechend angewandt werden könnte. Ein solcher
Fall liegt jedoch nicht vor. Der weitere Beteiligte ist nach dem Beschluß des
Rechtspflegers vom 14. Juli 2005 ersichtlich nicht dazu bestellt worden, dem
Insolvenzgericht bei der Aufsicht über den Insolvenzverwalter "behilflich" zu sein, zumal
die grundsätzliche Eignung des Insolvenzverwalters auch weder vom Insolvenzgericht
noch von anderen Verfahrensbeteiligten in Frage gestellt worden ist.
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Entgegen der Auffassung des Insolvenzverwalters ergibt sich auch nicht aus § 59 Abs. 2
InsO, daß die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Ablehnung eines
Sonderinsolvenzverwalters statthaft ist. Denn § 59 Abs. 2 InsO regelt allein das
Beschwerderecht des Insolvenzverwalters gegen seine Entlassung, nicht aber gegen
eine Ablehnungsentscheidung. Dies gilt auch dann, wenn - dem Insolvenzverwalter
folgend - die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters als "partielle" Entlassung des
Insolvenzverwalters eingeordnet wird. Denn auch bei dieser Sichtweise kann sich der
Insolvenzverwalter nur gegen die Entlassung als solche wehren, also dagegen, daß ein
Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt und er selbst teilweise "entlassen" worden ist.
Bezüglich der Person und Eignung des eingesetzten Sonderinsolvenzverwalters wird
ihm aber kein Beschwerderecht eingeräumt. Denn die Entscheidung des
Insolvenzgerichts über die Person des Sonderinsolvenzverwalters steht zwar in
Zusammenhang mit der "Entlassungsentscheidung", es handelt sich aber gleichwohl
um davon zu trennende, gesonderte Anordnungen, die die "Entlassung" des
Insolvenzverwalters nicht unmittelbar betreffen und daher nicht in entsprechender
Anwendung von § 59 Abs. 2 InsO anfechtbar sein können.
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Nach alledem war wie geschehen zu erkennen.
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Die Entscheidung ist eines Kostenausspruchs nicht zugänglich.
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Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da grundsätzliche Fragen zur Entscheidung
anstanden (§§ 4 InsO, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist
auch erforderlich, weil eine solche nur entsprechend §§ 4 InsO, 46 Abs. 2, 406, 574 ZPO
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statthaft sein könnte und nicht gemäß § 7 InsO bereits ohne Zulassung statthaft wäre
(vgl. BGH, ZIP 2004, Seite 732).