Urteil des LG Wuppertal vom 17.12.2004

LG Wuppertal: wichtiger grund, wesentliche veränderung, unmöglichkeit, verhinderung, beitrag, geschäftsbedingung, krankheit, vollstreckbarkeit, beratung, gegenleistung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Landgericht Wuppertal, 10 S 151/04
17.12.2004
Landgericht Wuppertal
10. Zivilkammer
Urteil
10 S 151/04
Amtsgericht Remscheid, 20 Cs 483/03
Bürgerliches Recht
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Juni 2004 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Remscheid (Aktenzeichen: 20 C 483/03) wird auf
ihre Kosten zu-rückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Die Kläger, die ein Fitnessstudio in Remscheid betreiben, begehren von der Beklagten mit
der Klage die Zahlung von Mitgliedschaftsbeiträgen in Höhe von 644,00 EUR. Die
Beklagte hatte am 14.10.2002 einen Fitnessvertrag mit den Klägern für eine Laufzeit von 24
Monaten unterschrieben. Diesen Fitnessvertrag kündigte die Beklagte mit Schreiben vom
10.07.2003 wegen einer Rückenerkrankung, unter der sie bereits seit 1999 leidet. Die
Kündigung erfolgte, weil sich ihre Rückenbeschwerden im Januar 2003 verstärkten und ihr
Arzt mit Attest vom 10.07.2003 bescheinigte, dass die Beklagte wegen einer
Wirbelsäulenerkrankung kein Fitnessstudio mehr aufsuchen könne.
Das Amtsgericht hat der Klage mit am 23. Juni 2004 verkündetem Urteil, auf das zur
näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, stattgegeben.
Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht
stattgegeben.
Dabei kann dahinstehen, ob das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die
Beklagte die Kündigungsfrist nicht eingehalten hat (§ 626 Abs. 2 BGB). Denn das
Amtsgericht hat seine Entscheidung auch damit begründet, dass ein wichtiger Grund auf
Seiten der Beklagten, der ihr ein Kündigungsrecht geben würde, nicht vorliegt, weil ihre
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Erkrankung eine Störung aus ihrem eigenen Risikobereich darstellt, die für die Beklagte
vorhersehbar war. Jedenfalls mit dieser Begründung hat das Amtsgericht der Klage zu
Recht stattgegeben.
Des Weiteren kann dahinstehen, ob man den Fitnessvertrag als Mietvertrag oder als
Dienstvertrag ansieht. Soweit man die mietvertraglichen Elemente des Fitnessvertrages in
den Vordergrund stellt, kommt eine Kündigung gemäß § 543 BGB schon deswegen nicht in
Betracht, weil bei einer Kündigung nach dieser Vorschrift der wichtige Grund aus dem
Risikobereich des Kündigungsempfängers herrühren muss (Palandt/Putzo, 62. Aufl. 2003,
§ 543 Rdnr. 5), was vorliegend nicht der Fall ist. Rührt der wichtige Grund bei Mietverträgen
- wie hier - aus der Interessenssphäre des Kündigenden her, kann in Ausnahmefällen
dennoch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß §§ 313, 314 BGB bestehen,
wenn ein Wegfall oder eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage vorliegt und
eine Anpassung des Vertragsverhältnisses nicht zumutbar ist (Palandt/Putzo, a. a. O., Rdnr.
8). Für eine Vertragsanpassung oder ein Kündigungsrecht gemäß diesen Vorschriften ist
allerdings eine schwerwiegende Veränderung von Umständen nach Abschluss des
Vertrages erforderlich, wobei vorhersehbare Veränderungen in der Regel kein
Kündigungsrecht begründen (Palandt/Putzo, a. a. O., § 313, Rdnrn. 14, 15, 18).
Das Amtsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Umstand, dass die Beklagte
unstreitig bereits seit 1999 von ihren gesundheitlichen Problemen Kenntnis hatte und in
Kenntnis dieser Umstände den Vertrag mit 24-monatiger Laufzeit abgeschlossen hat, ohne
sich zuvor ärztlich beraten zu lassen, ihr Kündigungsrecht wegen gerade dieser
gesundheitlicher Probleme ausschließt. Wegen der Abwägung im Einzelnen wird auf die
zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts Bezug genommen.
Nichts anderes gilt, wenn man bei einem Fitnessvertrag die Merkmale eines
Dienstvertrages für prägend hält und eine Kündigung gemäß § 626 BGB annimmt. Im
Rahmen einer derartigen Kündigung ist für die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, auf
alle Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Kündigungserklärung unter
Berücksichtigung aller Interessen beider Vertragspartner und Prüfung, ob die Fortsetzung
des Dienstverhältnisses bis zu dessen regulärer Beendigung für den Kündigenden
unzumutbar ist, abzustellen. Letztlich greifen hier also dieselben Erwägungen, wie im
Rahmen der Prüfung gemäß §§ 313, 314 BGB. Auf obige Ausführungen wird insofern
verwiesen.
Dass die Beklagte für einen etwaigen Aufhebungsvertrag beweisfällig geblieben ist, hat
das Amtsgericht zutreffend ausgeführt und wird von der Beklagten mit der Berufung auch
nicht angegriffen.
Schließlich gehen die Ausführungen der Beklagten, es bestehe für den Zeitraum einer
Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen keine Entgeltpflicht, weil insoweit eine vom
Gläubiger nicht zu vertretende Unmöglichkeit vorliege, fehl. Die von der Beklagten zitierte
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1997, S. 193 ff.) befasst sich lediglich mit der
Frage, ob eine allgemeine Geschäftsbedingung des Inhalts, dass der Beitrag für ein
Fitnessstudio auch dann regelmäßig zu zahlen ist, wenn das Mitglied die Einrichtungen
nicht nutzt, wirksam ist. Aus dem Kontext der Entscheidung ergibt sich, dass in den dort
streitigen allgemeinen Geschäftsbedingungen - anders als hier - gerade kein
Kündigungsrecht aus wichtigem Grund vorgesehen war. Soweit der Bundesgerichtshof in
der Entscheidung die Vorschrift des § 323 BGB (alte Fassung) heranzieht, geschah dies für
einen Fall, in dem der Vertragspartner sich nach Abschluss des Vertrages verletzt und
infolgedessen das Fitnessstudio nicht mehr nutzen kann.
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Um einen solchen Fall nachträglicher unverschuldeter Verhinderung geht es hier aber
gerade nicht.
Im Übrigen gilt bei einer durch ein dauerndes Annahme- oder Mitwirkungshindernis auf
Seiten des Gläubigers begründeten Unmöglichkeit (hier auf Seiten der Beklagten
Annahmehindernis bezüglich der Angebote des Fitnessstudios) für die Gegenleistung, d. h.
die Entgeltpflicht, § 326 BGB (Palandt/Putzo, a. a. O., § 275 Rdnr. 19). Daraus folgt, dass
der von der Sachleistungspflicht frei gewordene Schuldner (hier: die Kläger) seinen
Vergütungsanspruch behält, wenn der Gläubiger den Zweckfortfall alleine oder weitaus
überwiegend zu vertreten hat (§ 326 Abs. 2 BGB). Das ist vorliegend der Fall. Denn (nur)
die Beklagte wusste bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von ihrer Krankheit. Wenn
sie sich ungeachtet dessen ohne ärztliche Beratung auf einen zweijährigen Vertrag einließ,
so hat sie das Risiko für die etwaige Verwendbarkeit der Leistungen der Klägerin allein zu
tragen und ist für die etwaige Unmöglichkeit selbst verantwortlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO).
Streitwert: 644,00 EUR