Urteil des LG Wuppertal vom 12.03.2009

LG Wuppertal: zedent, rückvergütung, aufklärungspflicht, sicherheit der anlagen, offenlegungspflicht, positives interesse, unrichtige auskunft, anleger, darlehensvertrag, beratungsvertrag

Landgericht Wuppertal, 3 0 240/08
Datum:
12.03.2009
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 0 240/08
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zug um Zug gegen
Übertragung der Beteiligung des Herrn xx an der x GmbH & Co.KG EUR
26.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 30.05.2003 bis zum
01.08.2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz, jedoch maximal in Höhe von 8 %, seit dem 02.08.2008 zu
zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zug um Zug gegen
Übertragung der Beteiligung des Herrn x an der x GmbH & Co.KG EUR
29.750,00 nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 26.06.2004 bis zum
01.08.2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz, jedoch maximal in Höhe von 8 %, seit dem 02.08.2008 zu
zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3729,70 nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
dem 02.08.2008 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin
Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung des Herrn xx an der x
GmbH & Co.KG mit gleicher Fälligkeit den Betrag zu zahlen, der der
Höhe nach der Schuld des Herrn xx hinsichtlich seiner Beteiligung an
der x GmbH & Co.KG aus dem Darlehensvertrag mit der rbank,
Darlehenskonto ... spätestens zum 30.11.2014 entspricht.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Zug
um Zug gegen Übertragung der Beteiligungen des Herrn xx an den
Filmfonds # und ## weiteren Schaden zu ersetzen, der dem Zedenten x
im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an den Medienfonds VIP #
und VIP ## mit Ausnahme der reinen Nachzahlung von
Einkommenssteuern entstanden ist oder noch entstehen wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des beizutreibenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Klägerin klagt aus ihr von ihrem Ehemann, dem Zeugen XX (auch: Zedent)
abgetretenem Recht. Der Zedent ist Kunde der Beklagten. Nach Gesprächen mit dem
Zeugen Y2, einem Kundenbetreuer der Beklagten, beteiligte sich der Zedent an der X
GmbH & Co.KG (im Folgenden:y) und an der X GmbH & Co.KG (im Folgenden:yy). Am
04.06.2008 trat er seine gesamten derzeitigen und zukünftigen Ansprüche im
Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an y und yy an die Klägerin ab.
2
Der Zedent unterzeichnete den Zeichnungsschein für Y am 26.05.2003 bezogen auf
einen Beteiligungsbetrag von EUR 25.000. Der Fondsbeitritt erfolgte durch einen
Treuhandvertrag des Zedenten mit der W GmbH, die als Kommanditistin dem Fonds
beigetreten war.
3
Die Beteiligung sah die Zahlung eines Agios in Höhe von 5 % der Beteiligungssumme
vor. Der Zedent zahlte insgesamt EUR 26.250,00 an die Fondsgesellschaft.
4
Die Anteilsübernahmeerklärung bezüglich YY unterzeichnete der Zedent am
22.06.2004 bezogen auf einen Beteiligungsbetrag von EUR 50.000. Der Fondsbeitritt
erfolgte ebenfalls durch einen Treuhandvertrag des Klägers mit der W GmbH, die als
Kommanditist dem Fonds beigetreten war.
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Die Beteiligung war mit einer obligatorischen Finanzierung von 45,5 % des
Beteiligungsbetrages durch die Rbank verbunden. Den entsprechenden
Darlehensvertrag mit der Rbank über einen Betrag von EUR 22.750,00 unterzeichnete
der Kläger ebenfalls am 22.06.2004. Der Darlehensvertrag mit der Rbank sieht eine
Stundung der jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres, letztmals zum Laufzeitende
abverlangten Zinsen vor. Der Darlehensnennbetrag und die bis dahin aufgelaufenen
Zinsen, insgesamt EUR 39.623,36, sind am 30.11.2014 zurückzuzahlen.
6
Die Beteiligung sah die Zahlung eines Agios in Höhe von 5 % der Beteiligungssumme
vor. Das Konto des Klägers wurde für die eigen zu finanzierenden 55,5 % der
Beteiligungssumme zuzüglich Agio mit insgesamt EUR 29.750,00 belastet.
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Der Inhalt und Ablauf der Gespräche zwischen dem Zedenten und dem Zeugen Y2 den
Fonds und den Beteiligungen sind in ihren Einzelheiten im Wesentlichen streitig. Zum
einen ist die Darstellung der Risiken und Vorteile der Beteiligungen durch den Zeugen
Y2 streitig, insbesondere die Darstellung einer als "Garantie" bezeichneten
Schuldübernahme gegenüber den Fonds als garantierte Rückzahlung der
Kommanditeinlage des Zedenten und der Sicherheit der mit den Beteiligungen
verbundenen Möglichkeit, steuerliche Verluste geltend zu machen. Des Weiteren ist
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streitig, welche Motivation zur Beteiligung der Zedent hatte.
In den Verkaufsprospekten der Fonds wird darauf hingewiesen, dass die
Fondsgesellschaft mit der Y Beratung für Banken AG Verträge zur
Eigenkapitalbeschaffung geschlossen hatte. Demgemäß erhielt die Y Beratung für
Banken AG als Vergütung im Zusammenhang mit Y das Agio in Höhe von 5 % der
Zeichnungssumme sowie Vergütung in Höhe von weiteren 8,9 % des
Kommanditkapitals (S. 40 des Prospektes). Als weitere emissionsbedingte
Nebenkosten weist der Prospekt eine Geschäftsbesorgungsgebühr in Höhe von 2,9 %,
eine Platzierungsgarantiegebühr in Höhe von 2,9 % sowie Gründungs- und
Eintragungskosten in Höhe 0,09 %, jeweils bezogen auf das Kommanditkapital, aus.
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Im Zusammenhang mit YY erhielt die Y Beratung für Banken AG laut Prospekt als
Vergütung das Agio in Höhe von 5 % der Zeichnungssumme sowie Vergütung in Höhe
von weiteren 4,9 % des Kommanditkapitals (S. 63 f. des Prospektes). Als weitere
emissionsbedingte Nebenkosten weist der Prospekt eine Geschäftsbesorgungsgebühr
in Höhe von 2,9 %, eine Platzierungsgarantiegebühr von 2,0 %, Gründungs- und
Eintragungskosten in Höhe von 0,09 % und eine Finanzvermittlungsgebühr in Höhe von
2,0 %, jeweils bezogen auf das Kommanditkapital, aus.
10
Die Parteien sind unterschiedlicher Ansicht darüber, ob die Darstellungen des
Fondskonzeptes sowie der Chancen und Risiken einer Beteiligung in den Prospekten
zutreffend oder fehlerhaft sind.
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Es ist zudem streitig, ob und wann der Zedent jeweils den Fondsprospekt erhalten hat.
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Die Beklagte erhielt für die Vermittlung von Anteilen an Y Provisionen in Höhe von
8,25% und für die Vermittlung von Anteilen an YY zwischen 8,25% und 8,72%, jeweils
bezogen auf die Zeichnungssumme des Kunden. Über die Provisionen und deren Höhe
klärte die Beklagte bzw. der Zeuge T2 den Kläger unstreitig nicht auf.
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Über die Provisionen und deren Höhe klärte die Beklagte bzw. der Zeuge Y2 den
Zedenten unstreitig nicht auf.
14
Im Zusammenhang mit den Fonds Y und YY wurden strafrechtliche und
steuerfahndungsrechtliche Ermittlungen u.a. gegen der Fondsinitiator und ersten
Kommanditisten Andreas Schmidt, der im Jahr 2007 u.a. zu 6 Jahren Freiheitsentzug
verurteilt wurde, aufgenommen. Der Vorwurf bezog sich u.a. darauf, dass nur ein Teil
der für die Filmproduktion vorgesehenen Mittel tatsächlich investiert wurde und der Rest
zur Sicherung des Kommanditkapitals genutzt wurde.
15
Als Reaktion hob die Finanzverwaltung die Grundlagenbescheide für Y und YY auf.
Daraufhin erließen Wohnsitzfinanzämter gegenüber den Anlegern geänderte
Einkommenssteuerbescheide und forderten Nachzahlungen.
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob die tatsächlich durchgeführte Geschäftstätigkeit
des Fonds und die Probleme hinsichtlich der steuerlichen Verlustmöglichkeit aufgrund
der Darstellung des Fonds im Prospekt vorhersehbar waren oder auf einer
prospektwidrigen Umsetzung des Fondskonzeptes beruhen.
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Die Klägerin hält die Plausibilitätsprüfung, die die Beklagte laut ihrem Vortrag u.a.
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anhand positiver Prospekt- und Steuergutachten sowie eines Bescheides des
Finanzamtes W II durchgeführt hat, und die die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet,
jedenfalls für unzureichend.
Die Klägerin hält die Beklagte für schadensersatzpflichtig aus mehreren Gründen,
insbesondere wegen mangelnder Aufklärung über die von der Beklagten erhaltenen
Provisionen, mangelnder Plausibilitätsprüfungen, u.a. auch wegen nach Klägervortrag
bekannter warnender Berichte in der Fachpresse, und mangelnder Aufklärung über
verschiedene Risiken der Beteiligung.
19
Die Klägerin trägt vor, dass sie hinsichtlich jedes von ihr geltend gemachten
Aufklärungsfehlers vom Beitritt abgesehen hätte, wenn sie in diesem Punkt
ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, was die Beklagte hinsichtlich des Falles einer
Aufklärung über die von ihr erhaltenen Provisionen mit Nichtwissen bestreitet.
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Die Klägerin trägt vor, der Zedent hätte die im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen
an Y und YY gezahlten Eigeneinsätze und Agien im Falle der Nichtbeteiligung
anderweitig gewinnbringend angelegt und so Erträge in Höhe von wenigstens 8% p.a.
erzielt.
21
Unter dem 19.03.2008 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagten
namens des Zedenten unter Fristsetzung von zwei Wochen zum Schadensersatz
einschließlich der Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber der Rbank im
Zusammenhang mit der Finanzierung der Beteiligung an YY auf. Dem kam die Beklagte
nicht nach.
22
Die Klägerin macht vorgerichtlich entstandene Gebühren für die anwaltliche
Inanspruchnahme der Beklagten in Höhe von EUR 3.729,70 geltend, die der Zedent
aufgewandt hat.
23
Die Klägerin hält den Eintritt weiteren Schadens für wahrscheinlich. Mit weiteren
Schäden sei sowohl auf steuerlicher Seite zu rechnen als auch durch Aufwendungen
z.B. für Beratung und Vertretung im Zusammenhang mit der unfreiwilligen
Gesellschafterstellung bei Y und YY.
24
Die Klägerin ist der Ansicht, zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag
zustande gekommen.
25
Sie ist außerdem der Ansicht, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
(BGH) käme es für die Ermittlung des Prozentsatzes der Innenprovisionshöhe, ab der
eine Aufklärungspflicht über diese bestehe, auf den selbst aufgebrachten Einsatz für die
Kommanditbeteiligung an. Der fremdfinanzierte Teil sei außer Betracht zu lassen. Sie
meint außerdem, dass, soweit der BGH für die Aufklärungspflicht über Innenprovisionen
eine Schwelle bei 15% annimmt, diese bei Medienfonds niedriger anzusetzen sei.
26
Ferner ist die Klägerin der Ansicht, dass die Beklagte hilfsweise die von ihr erhaltenen
Provisionen auskehren müsse.
27
Die Klägerin beantragt,
28
1. die Beklagte Zug um Zug gegen Abtretung des Anteils in Höhe des
Nominalbetrages von EUR 25.000 an der X GmbH & Co. KG des Herrn XXX zu
verurteilen,
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a. an sie EUR 26.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 % seit dem 26.05.2003 zu
zahlen,
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32
b. mit der Feststellung, dass die Beklagte weiter verpflichtet ist, jeden Schaden des
Herrn XX zu ersetzen, der über diese Forderungen hinaus entstanden ist oder
noch entstehen wird,
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2. die Beklagte Zug um Zug gegen Abtretung des Anteils in Höhe des
Nominalbetrages von EUR 50.000 an der X GmbH & Co. KG des Herrn XX zu
verurteilen,
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a. an sie EUR 29.750,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 % seit dem 22.06.2004 zu
zahlen,
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b. mit der Feststellung, dass sie verpflichtet ist, an sie mit gleicher Fälligkeit den
Betrag zu zahlen, der der Höhe nach der Schuld des Herrn XX hinsichtlich der im
Antrag zu Ziffer 2. bezeichneten Beteiligung VIP aus dem Darlehensvertrag mit der
Rbank, Darlehenskonto #####/####, spätestens zum 30.11.2014 entspricht,
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c. mit der Feststellung, dass die Beklagte weiter verpflichtet ist, jeden Schaden des
Herrn XX zu ersetzen, der über diese Forderungen hinaus entstanden ist oder
noch entstehen wird,
42
3. festzustellen, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Abtretung der Fondsanteile in
Annahmeverzug befindet,
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4. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere EUR 3.729,70 nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
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hilfsweise,
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1. die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die ihr im Hinblick auf die in
den Klageanträgen zu Ziff. 1. und 2. bezeichneten Fonds zugeflossenen Gelder
und geldwerten Vorteile,
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2. die Beklagte zu verurteilen, den sich nach Rechnungslegung ergebenden
Geldbetrag an sie zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, zwischen den Parteien seien lediglich Vermittlungsverträge, keine
Beratungsverträge zustande gekommen.
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Sie sei nicht verpflichtet gewesen, erhaltene Vermittlungsprovisionen über die
Prospektangaben hinaus offenzulegen. Eine Offenlegungspflicht bestünde ohnehin erst
bei Überschreiten der 15%-Schwelle.
55
Bei Unterstellung einer Offenlegungspflicht träfe sie jedenfalls kein Verschulden, da sie
in Bezug auf die bisherige Rechtsprechung Vertrauensschutz genieße, denn erst durch
eine Rechtsprechungsänderung könne sich die Verpflichtung zur ungefragten Mitteilung
der Provisionshöhe unabhängig vom Schwellenwert ergeben. Zum Zeitpunkt der
Vertriebsgespräche sei aufgrund der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung
eine Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht vorhersehbar gewesen. Die
Beklagte habe durch ihre Rechtsabteilung stets sorgfältig die Rechtsprechung,
insbesondere die des BGH, zu den Pflichten bei der Anlagevermittlung und –beratung
verfolgt und durch organisatorische Hinweise an die für den Anteilsvertrieb zuständige
Fachabteilung für eine Beachtung und Umsetzung der danach bestehenden Pflichten
gesorgt. Aufgrund der damaligen Rechtsprechung des BGH sei man davon
ausgegangen, dass für Anlagevermittler und –berater keine Verpflichtung bestünde,
Provisionen unterhalb einer Schwelle von 15% ungefragt mitzuteilen. Außerdem sei ein
Verschulden der Beklagten insoweit ausgeschlossen, da mehrere Kollegialgerichte
ebenfalls keine Pflicht zur Offenlegung von Provisionen unterhalb der 15%-Schwelle
angenommen hätten.
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Sie ist ferner der Ansicht, dass selbst eine fehlerhafte Darstellung der
Schuldübernahmen als direkte Zahlungen an die Anleger statt an die Fonds unerheblich
sei, da die eng umgrenzten Gesellschaftszwecke und die Geschäftsmodelle
sicherstellten, dass die Fonds keine anderen Verbindlichkeiten anhäuften. Außerdem
trage der Zedent eine Mitverantwortung aufgrund seiner Pflicht zum Prospektstudium.
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Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Schadens ist sie u.a. der Ansicht,
dass erlangte Steuervorteile anzurechnen seien. Der Freistellungsantrag sei zumindest
teilweise unbegründet, da er hinsichtlich erhaltener Steuervorteile positives Interesse
erfasse.
58
Zudem sei der Zug-um-Zug-Antrag fehlerhaft, da zur Übertragung der vom Zedenten
erlangten Treuhandkommanditbeteiligung eine Zustimmung des Komplementärs nötig
sei, was die Klägerin im Grundsatz nicht bestreitet.
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Sie erklärt die Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegen den Zedenten,
weil dieser entgegen seinem Vortrag auf den Zeichnungsscheinen den Erhalt des
Prospektes bestätigt habe.
60
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 26.11.2008. Bezüglich
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.02.2009
(Bl. 351 ff. der GA) Bezug genommen.
61
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
62
Entscheidungsgründe
63
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
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Die Beklagte ist der Klägerin gegenüber gemäß § 280 BGB schadensersatzpflichtig
wegen Verletzungen ihrer Pflicht zur objekt- und anlegergerechten Beratung im Rahmen
der zwischen dem Zedenten und der Beklagten zustande gekommenen
Anlageberatungsverträge. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur objekt- und
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anlegergerechten Beratung liegt hier in der prospektwidrigen Beratung über die mit den
Beteiligungen einhergehenden Risiken sowie in der unterlassenen Aufklärung des
Zedenten über von der Beklagten erhaltene Rückvergütungen.
I. Anlageberatungsvertrag
66
Vorliegend ist zwischen der Beklagten und dem Zedenten hinsichtlich des Erwerbs des
jeweiligen Fondsanteils nicht nur ein Anlagevermittlungs- und Auskunftsvertrag,
sondern ein Beratungsvertrag gekommen. Ein Beratungsvertrag kommt nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig konkludent zustande, wenn im
Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung
stattfindet. Tritt ein Anlageinteressent an ein Kreditinstitut oder der Anlageberater einer
Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu
werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines
Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches
angenommen.
67
St. Rspr. des BGH, z.B. BGH, Urt. v. 25.09.2007- XI ZR 320/06,BKR 2008, 199
(200).
68
Ein Anlageberatungsvertrag kommt dabei im Unterschied zu einem bloßen
Anlagevermittlungs- und Auskunftsvertrag zustande, wenn der Kunde nicht nur die
Mitteilung von Tatsachen erwartet, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung
und Beurteilung, die er zur Grundlage seiner Kapitalanlageentscheidung machen will.
Häufig wünscht er dabei auch eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene
Beratung. An einen Anlagevermittler wendet sich der Kunde hingegen in dem
Bewusstsein, dass dieser im Interesse des Kapitalsuchenden und im Hinblick auf die
versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat und daher werbende und
anpreisende Aussagen im Vordergrund des Vermittlers stehen.
69
BGH, Urt. v. 13.05.1993 – III ZR 25/92, NJW-RR 1993, 1114 (1114).
70
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass vorliegend ein Beratungsvertrag und nicht nur ein Vermittlungs- und
Auskunftsvertrag zustande gekommen ist. Der Sachverhalt stellt sich für das Gericht wie
folgt dar: Im Rahmen der langjährig zwischen den Parteien vereinbarten Übung, dass
die Beklagte den Zeugen X telefonisch hinsichtlich seiner Anlagen berät, riefen
Mitarbeiter der Beklagten den Zeugen X jeweils von sich aus an und empfahlen ihm die
Beteiligung an Y bzw. YY. Diese Empfehlungen waren der Grund für die jeweilige
Anlageentscheidung des Zeugen X. Im Rahmen der langjährigen Kundenbeziehung zur
Beklagten vertraute er dabei auf die sachkundige Bewertung der jeweiligen Anlage
durch die Mitarbeiter der Beklagten.
71
Nach den Bekundungen des Zeugen X rief ihn der Zeuge Y2, der seit längerem sein
Kundenberater war und ihn, wie zwischen den Parteien abgesprochen, jeweils
telefonisch kontaktierte, von sich aus an, um ihm die Beteiligung an Y zu empfehlen.
Dabei habe der Zeuge Y2 ihm die Vorteile der Beteiligung erläutert, woraufhin er, der
Zeuge X, sich entschieden habe, die Anlage zu zeichnen. Im folgenden Jahr habe der
Zeuge Y2 angerufen, um ihm YY zu empfehlen. Dabei habe er auf das Konzept bei Y
verwiesen, woraufhin er, der Zeuge X, sich ebenfalls zur Zeichnung entschieden habe.
Der Zeuge Y2 hat zwar bekundet, sich nicht erinnern zu können, ob er oder ein anderer
72
Berater dem Zeugen X die Beteiligung an Y empfohlen hatte. Er hat jedoch hinsichtlich
YY wörtlich bestätigt, er habe den Zeugen X angerufen, um ihm die Beteiligung an YY
"zu empfehlen". Auch der Zeuge Y2 hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es zur
Zeichnung jeweils "auf Initiative" der Beklagten kam. Das Gericht schenkt den
Bekundungen beider Zeugen, die sich nicht widersprechen, Glauben. Es hat
insbesondere keinen Anlass, an der Wahrhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen X zu
zweifeln, da seiner Aussage trotz des bestehenden hohen Eigeninteresses an dem
Ausgang des Rechtsstreits keine Tendenz zu entnehmen war, den Sachverhalt für ihn
bzw. die Klägerin vorteilhaft darzustellen. So hat er beispielsweise zugegeben, dass er
sich keine Vorstellung darüber gemacht habe, wer bei der sogenannten Garantie wem
was garantiert, und dass der Zeuge Y2 und er abgesehen von der Aussage des Zeugen
Y2, das Geld des Zeugen X sei sicher, nicht näher über die Garantie gesprochen hätten.
Bei Belastungstendenz wäre es an dieser Stelle ein Leichtes für den Zeugen X
gewesen, beispielsweise zu behaupten, der Zeuge Y2 hätte ihm gesagt, dass er, der
Zeuge X, sein Geld direkt von der garantierenden Bank zurückerhalte.
II. Prospektwidrige Beratung
73
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass die Beklagte den Zedenten hinsichtlich der mit den Beteiligungen einhergehenden
Risiken fehlerhaft beraten hat.
74
Zwar sind die Bekundungen des Zeugen Y2 insoweit unergiebig. Denn er hat bekundet,
sich nicht daran erinnern zu können, ob er überhaupt derjenige Mitarbeiter der
Beklagten gewesen sei, der den Zedenten zu Y beraten habe. Hinsichtlich der Beratung
zu YY hat der Zeuge Y2 bekundet, auf Aufforderung des damaligen Filialleiters den
Zedenten angerufen zu haben, um ihm die Anlage zu empfehlen. Bei der Beratung habe
er sich aber darauf beschränkt, darauf zu verweisen, dass die Beteiligung sich ähnlich
darstelle wie die bei Y. Außerdem habe er dem Zedenten den Langprospekt geschickt.
75
Das Gericht ist jedoch auf Basis der Aussage des Zeugen X von einem Beratungsfehler
überzeugt. Der Zeuge X hat bekundet, dass ihm sowohl die Beteiligung an Y als auch
an YY telefonisch vom Zeugen Y2 empfohlen worden sei, wobei er die Bekundungen
des Zeugen Y2 insoweit bestätigt hat, dass das Telefonat zu YY außerordentlich kurz
war wegen der Vergleichbarkeit mit Y.
76
Hinsichtlich der Darstellung der mit Y verbundenen Sicherheiten und Risiken hat der
Zeuge X bekundet, der Zeuge Y2 habe ihm, auch auf Nachfrage des Zeugen X nach
dem Verlustrisiko, gesagt, es handele sich um einen Garantiefonds, dort habe er kein
Risiko, die Banken stünden dahinter, die Anlage sei nicht spekulativ und das Geld des
Zeugen X sei sicher. Er, der Zeuge X, sei davon ausgegangen, dass sein Geld sicher
sei.
77
Das Gericht schenkt den Bekundungen des Zeugen X, die nicht im Widerspruch zu den
Bekundungen des Zeugen Y2 stehen, insbesondere – wie bereits ausgeführt – wegen
keiner erkennbaren Belastungstendenz, Glauben.
78
Nach Überzeugung des Gerichts durfte der Zeuge X nach den Ausführungen des
Zeugen Y2 davon ausgehen, dass bei der Beteiligung an Y kein Risiko bestünde, das
eingesetzte Kapital zu verlieren. Eine andere Deutung lassen die Aussagen des
Zeugen Y2, die er gerade auf Nachfrage zum Verlustrisiko getätigt hatte, die Anlage sei
79
sicher, das Geld des Zeugen X sei sicher, er trage kein Risiko, nicht zu.
Dies ist indes eine prospektwidrige und fehlerhafte Darstellung der mit dem Fonds
verbundenen Risiken. Denn es handelt sich, wie auch im Prospekt zutreffend
dargestellt, um eine unternehmerische Beteiligung mit einem Risiko bis hin zum
Totalverlust. Zwar bietet eine Schuldübernahme der Dresdner Bank eine gewisse
Sicherheit. Sie sichert aber nur die Schlusszahlungen der Lizenznehmer gegenüber
dem Fonds. Dadurch erhöht sich nur mittelbar die Chance, dass die Anleger ihre
Kommanditeinlage zurückerhalten, keineswegs ist dies jedoch sicher.
80
Soweit die Beklagte der Ansicht ist, aufgrund der bestehenden Schuldübernahme wirke
sich die Darstellung, dass die Rückzahlung der Kommanditeinlage gesichert sei, nicht
aus, da nach der Konzeption des Fonds die vom Fonds erhaltenen Schlusszahlungen
auch an die Anleger ausgekehrt werden müssten, geht diese Annahme fehl.
Unabhängig davon, ob die Konstruktion des Fonds tatsächlich so engmaschig ist,
besteht jedenfalls das Risiko, dass der Fonds – berechtigt oder unberechtigt - mit den
Schlusszahlungen andere bestehende Schulden begleicht oder die Zahlungen
anderweitig auskehrt. Im Prospekt ist zutreffend erwähnt, dass bei der Beteiligung ein
Totalverlustrisiko besteht, welches der Zeuge Y2 in seiner Beratung gerade verneint hat,
indem er sagte, das Geld des Zeugen X sei sicher.
81
Da sich die Beratung zu YY nach übereinstimmenden Bekundungen beider Zeugen im
Wesentlichen auf den Verweis auf Y beschränkte, setzt sich der Beratungsfehler aus der
Beratung zu Y in der Beratung zu YY fort.
82
Die fehlerhafte Beratung war auch jeweils ursächlich für die Beteiligung des Zedenten,
wofür bereits die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens streitet. Das Ergebnis der
Beweisaufnahme kann diese Vermutungswirkung auch nicht zur Überzeugung des
Gerichts ausräumen, da der Zedent glaubhaft darstellte, dass die Garantie für ihn, der
vergleichbare Anlagen ohne eine solche "Garantie" nach seinen Bekundungen zuvor
und auch in der Folgezeit stets abgelehnt hat, entscheidend war.
83
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Gerichts
fest, dass die Beratung über die bereits dargestellte Ursächlichkeit hinsichtlich des
jeweiligen Beteiligungsentschlusses hinaus ursächlich für die Fehlvorstellung des
Zedenten über die mit den Beteiligungen einhergehenden Risiken war. Nach den
glaubhaften Bekundungen des Zeugen X entschloss er sich aufgrund der Darstellung
der Sicherheit der Anlagen durch den Zeugen Y2 jeweils in dem Telefonat mit dem
Zeugen Y2, die Anlage zu zeichnen.
84
Den Zedenten trifft auch kein Mitverschulden hinsichtlich der fehlerhaften Vorstellung
über die Risiken. Zwar sind Schuldübernahme und das bestehende Totalverlustrisiko im
Prospekt jeweils zutreffend dargestellt. Soweit der Prospekt hier überhaupt übergeben
wurde – die Bekundungen des Zeugen Y2 sind nur hinsichtlich der Übersendung des
Prospektes zu YY ergiebig, während der Zeuge X bekundet hat, jedenfalls nur in einem
Fall einen Prospekt erhalten zu haben – stand jedoch der Beteiligungsentschluss des
Zeugen X schon vorher, nämlich im bzw. nach dem jeweiligen Telefonat mit dem
Zeugen Y2, fest. Den Bekundungen des Zeugen X dahingehend schenkt das Gericht
insoweit Glauben. Hingegen schenkt es den Bekundungen des Zeugen Y2, der Zeuge
X habe sich den Prospekt zu YY erst ansehen wollen, bevor er sich entscheide, keinen
Glauben. Denn insoweit hat der Zeuge Y2nächst widersprüchliche Angaben gemacht,
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so dass das Gericht, in Zusammenschau mit dem Gesamteindruck der Aussage des
Zeugen Y2, insoweit von einer Belastungstendenz ausgeht.
III. Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten über Provisionen
86
Eine Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit
Innenprovisionen bzw. Rückvergütungen kann sich für Anlagevermittler bzw. -berater
grundsätzlich aus drei Gesichtspunkten ergeben. Anlageberater und -vermittler haben
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum einen ungefragt über die
Gesamthöhe der für die Vermittlung der Anteile geschlossener Fonds an Vermittler
gezahlten Innenprovisionen aufzuklären – und zwar unabhängig davon, wie hoch die
erhaltene Innenprovision des in Anspruch genommenen Beraters oder Vermittlers war –,
wenn die Gesamtsumme der Innenprovisionen 15% des Kommanditkapitals übersteigt.
Die 15%-Schwelle gilt jedenfalls für geschlossene Immobilienfonds.
87
Zuletzt BGH, Urt. v. 25.09.2007- XI ZR 320/06-,BKR 2008, 199 (200 f.).
88
Dazu ist es jedoch ausreichend, wenn die Summe zutreffend als "Kosten der
Eigenkapitalbeschaffung" im rechtzeitig übergebenen Prospekt ausgewiesen ist.
89
BGH, Urt. v. 25.09.2007- XI ZR 320/06,BKR 2008, 199 (200 f.)
90
Zum anderen haben Anlageberater und –vermittler auch dann über die Gesamtsumme
der gezahlten Innenprovisionen aufzuklären, wenn diese zwar unter der 15%-Schwelle
liegt, jedoch im Prospekt falsch ausgewiesen ist.
91
BGH, Urt. v. 22.03.2007 - III ZR 218/06, NJW-RR 2007, 925 (926).
92
Darüber hinaus haben Banken im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages nach der
Rechtsprechung des BGH ungefragt über Rückvergütungen, die sie selbst für die
Vermittlung der Fondsanteile erhalten, aufzuklären, wobei die 15%-Schwelle keine
Rolle spielt.
93
BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, NJW 2007, 1876 (1878 f.); Beschl. v.
20.01.2009 – XI ZR 510/07.
94
Die Beklagte ist aus dem Gesichtspunkt der mangelnden Aufklärung über erhaltene
Rückvergütungen schadensersatzpflichtig.
95
1. Keine Aufklärung über Rückvergütung
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Die Beklagte hat unstreitig nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie für die Beteiligungen
des Zedenten Provisionen, das heißt eine Rückvergütung, erhielt und in welcher Höhe.
Dazu war sie jedoch verpflichtet.
97
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Bank, die ihrem Kunden im
Rahmen eines Beratungsvertrages die Beteiligung an einem Medienfonds empfiehlt,
verpflichtet, den Kunden über Rückvergütungen aufzuklären - unabhängig von deren
Höhe -, um ihn in die Lage zu versetzen, ihr Umsatzinteresse einschätzen und
beurteilen zu können, ob sie die Anlage nur oder hauptsächlich deswegen empfiehlt,
weil sie selbst daran verdient.
98
BGH, Beschl. v. .20.01.2009 – XI ZR 510/07.
99
Demnach hätte die Beklagte den Zedenten über die Rückvergütungen in Höhe von
8,25% bzw. 8,25% bis 8,72% der Kommanditbeteiligung, die die Beklagte im
Zusammenhang mit den Zeichnungen des Zedenten erhielt, aufklären müssen, was
nicht der Fall war. Eine solche Aufklärung ergibt sich auch nicht aus dem jeweiligen
Prospekt – soweit er hier überhaupt rechtzeitig übergeben sein sollte -, da aus diesem
zwar der Vertriebsaufwand insgesamt hervorgeht, jedoch nicht, ob und in welcher Höhe
speziell die Beklagte daran beteiligt ist. Insofern ist es auch irrelevant, ob der Zedent
vermuten konnte, dass die Beklagte, die für ihre Beratung keine direkte Vergütung vom
Zedenten erhielt, an den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebskosten, die dem
Zedenten zunächst nur Auskunft über die dadurch verursachte Minderung der
Werthaltigkeit der Anlage geben, partizipierte. Denn um den Interessenkonflikt der
beratenden Bank einschätzen zu können, ist für den Anleger nicht nur das mögliche
Wissen, dass die Bank überhaupt eine Rückvergütung erhält, ausreichend, sondern es
kommt nach der Rechtsprechung des BGH auch gerade auf das Wissen um die
konkrete Höhe an.
100
2. Kausalität
101
Die fehlende Aufklärung über die Rückvergütung war für die Anlageentscheidungen des
Zedenten auch kausal. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird im
Falle einer Beratungs- bzw. Aufklärungspflichtverletzung vermutet, dass der
Geschädigte sich "aufklärungsrichtig" verhalten hätte.
102
St. Rspr. des BGH, z.B. BGH, Urt. v. 16.11.1993 – XI ZR 214/02; NJW 1994, 512
(513 f.); BGH, Urt. v. 09.02.2006- III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 (687)).
103
Soweit die Beklagte ausführt, die Vermutung greife vorliegend nicht, da sich die
Provision im üblichen Rahmen bewegt habe und sich für den Anleger daher bei einer
Offenlegung mehrere Möglichkeiten einer vernünftigen Entscheidung ergeben hätten,
geht diese Überlegung fehl. Der Bundesgerichtshof geht gerade davon aus, dass der
Zweck von Aufklärungspflichten, die – wie vorliegend - dazu bestimmt sind, dem Partner
eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss bestimmter Geschäfte zu
ermöglichen, nur erreicht wird, wenn Unklarheiten, die durch eine
Aufklärungspflichtverletzung bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen.
Daher hat dieser die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung zu beweisen. Der BGH
nimmt insoweit an, dass es in diesen Fällen nur eine bestimmte Möglichkeit
"aufklärungsrichtigen" Verhaltens gibt.
104
BGH, Urt. v. 16.11.1993 – XI ZR 214/02; NJW 1994, 512 (513 f.);
105
Auch die beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur Aufklärungspflicht einer
Bank über von ihr erhaltene Rückvergütungen geben keinen Anlass, am Eingreifen der
Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu zweifeln. Das Urteil vom 19.12.2006
betraf die Aufklärungspflicht einer Bank über Rückvergütungen für vom Kunden
erworbene Aktienfondsanteile. Am Ende seines Rückverweisungsurteils führt der
Bundesgerichtshof aus, dass bei Feststellung einer vorsätzlichen
Aufklärungspflichtverletzung (Ansprüche wegen fahrlässiger
Aufklärungspflichtverletzung waren bereits verjährt) Schadensersatz in Form der
106
Rückabwicklung bezüglich der Fondsanteile, bei denen Rückvergütungen
verschwiegen wurden, verlangt werden könnte. Nur hinsichtlich der weiteren
Wertpapiergeschäfte des Kunden bei der Bank, hinsichtlich derer aber keine
Rückvergütung verschwiegen worden war, könne nicht ohne weiteres davon
ausgegangen werden, dass sie bei erfolgter Aufklärung ebenfalls nicht, also der
Geschäftskontakt insgesamt nicht, zustande gekommen wären.
BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, NJW 2007, 1876 (1879).
107
Für die von der Aufklärungspflichtverletzung betroffenen Fondsanteile ging der
Bundesgerichtshof folglich offenbar von dem Eingreifen der Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens aus.
108
Auch der aktuelle Rückverweisungsbeschluss des Bundesgerichtshofes bezüglich
verschwiegener Rückvergütungen für vermittelte Medienfondsanteile bietet keinen
Anlass, am Eingreifen der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu zweifeln.
109
BGH, Beschl. v. 20.01.2009 – XI ZR 510/07.
110
Die Nichtursächlichkeit ihrer Pflichtverletzung hat die Beklagte vorliegend nicht
dargelegt. Der bloße Vortrag der Beklagten, dass es für den Kläger, nach dessen
Vortrag er bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Beteiligung abgesehen hätte,
mehrere Möglichkeiten gegeben hätte, auf die Aufklärung über Rückvergütungen zu
reagieren, ist insoweit nicht ausreichend.
111
3. Verschulden
112
Das Verschulden der Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Eine
Entlastung ist der Beklagten nicht gelungen.
113
Zu ihrer Entlastung trägt die Beklagte vor, ihr käme Vertrauensschutz in Bezug auf die
bisherige Rechtsprechung zugute, denn erst durch eine Rechtsprechungsänderung
könne sich die Verpflichtung zur ungefragten Mitteilung der Provisionshöhe unabhängig
vom Schwellenwert ergeben. Zum Zeitpunkt der Vertriebsgespräche sei aufgrund der
damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Aufklärungspflicht über
Rückvergütungen nicht vorhersehbar gewesen. Außerdem sei ein Verschulden der
Beklagten insoweit ausgeschlossen, da mehrere Kollegialgerichte ebenfalls keine
Pflicht zur Offenlegung von Provisionen unterhalb der 15%-Schwelle angenommen
hätten.
114
Es trifft zwar zu, dass der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen zu überhöhten
Innenprovisionen bei der Rückverweisung darauf hingewiesen hat, dass bei der
Entlastungsmöglichkeit der maßgebliche Stand der Rechtsprechung zu verborgenen
Innenprovisionen von Bedeutung sein kann.
115
BGH, Urt. v. 22.03.2007 – III ZR 218/06, NJW-RR 2007, 925 (926); BGH, Urt. v.
28.07.2005 – III ZR 290/04, Rz. 38.
116
Den Stand der Rechtsprechung zur Frage der Offenlegungspflicht von Rückvergütungen
eines Anlageberaters kann die Beklagte jedoch nicht erfolgreich für einen auch die
Fahrlässigkeit ausschließenden Rechtsirrtum anführen.
117
a) Stand der Rechtsprechung
118
Zum Zeitpunkt der Beratung des Klägers durch die Beklagte in den Jahren 2003 und
2004 gab es zwar keine höchstrichterliche Entscheidung, die eine Offenlegungspflicht
einer Bank über ihr zufließende Rückvergütung im Rahmen der Anlageberatung
ausdrücklich thematisiert und bejaht hatte. Eine solche Entscheidung war jedoch bereits
zum Zeitpunkt der Beratung des Klägers durch die Beklagte nicht auszuschließen. Denn
in der bis dahin ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung waren die Grundsteine
für die später ergangene Rechtsprechung bereits gelegt. Die spätere Rechtsprechung
entwickelte die bereits zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beratung ergangene
Rechtsprechung fort. Zudem gab es zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beratung
keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die der späteren Entwicklung der
Rechtsprechung entgegenstand oder eine andere Entwicklung andeutete.
119
Im Einzelnen stellte sich der Stand der Rechtsprechung zur Offenlegung von
Provisionen bzw. Vergütungen durch Banken wie folgt dar:
120
Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob eine Bank im Rahmen eines
Anlageberatungsvertrages ungefragt offenlegen muss, dass sie für die Vermittlung einer
Anlage eine Rückvergütung erhält, gab es nicht. Das heißt, diese Frage war von der
Rechtsprechung weder positiv noch negativ beantwortet.
121
Es gab bereits höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der regelmäßig konkludent ein
Beratungsvertrag, der strengere Anforderungen an den Berater stellt als an einen
bloßen Vermittler, zustande kommt, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines
Geldbetrages tatsächlich eine Beratung durch eine Bank stattfand.
122
z.B. BGH, Urt. v. 06.07.1993 – XI ZR 12/93, NJW 1993, 2433 (2433) ("Bond-
Anleihe").
123
Es gehörte außerdem bereits zur gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes,
dass Sondervorteile, die einem Beauftragter von dritter Seite zugewandt werden und die
eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Auftraggebers befürchten lassen, nach §
667 BGB an den Auftraggeber herauszugeben sind, obwohl sie nach dem Willen des
Dritten gerade nicht für den Auftraggeber bestimmt waren.
124
Siehe Nachweise bei BGH, Urt. v. 01.04.1987 – IVa ZR 211/85, NJW-RR 1987,
1380 (1380).
125
Der Bundesgerichtshof hatte in diesem Zusammenhang ebenfalls bereits mehrere Fälle
entschieden, in denen ein Steuerberater bzw. ein Anwalt aufgrund dieser
Rechtsprechung Provisionen, die er für an seinen Mandanten vermittelte Immobilien
vom Vertreiber der Immobilien erhielt, an seinen Mandanten herausgeben musste. Der
erforderliche innere Zusammenhang zwischen Provisionszahlung durch den Dritten und
Geschäftsbesorgung für den Mandanten sei gegeben, da der Berater in Gefahr gewesen
sei, seine Anlageempfehlungen nicht allein an den Interessen des Mandanten
auszurichten.
126
BGH, Urt. v. 01.04.1987 – IVa ZR 211/85, NJW-RR 1987, 1380 (1380); BGH, Urt. v.
18.12.1990 – XI ZR 176/89, NJW 1991, 1224 (1224 f.); BGH, Urt. v. 30.05.200 –
127
ISX ZR 121/99, NJW 2000, 2669 (2672).
Darüber hinaus entschied der Bundesgerichtshof im Jahr 1990, dass eine Vermittlerin
von Warentermingeschäften, die durch die Broker-Gesellschaft Provisionen des Kunden
zurückerstattet erhielt ("Kick-back-Vereinbarung"), verpflichtet sei, diese gemäß §§ 675,
667 BGB an den Kunden herauszugeben. Tue sie dies nicht und verheimliche dem
Kunden die Kick-back-Vereinbarung in Bereicherungsabsicht vorsätzlich, mache sie
sich wegen Betruges gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB
schadensersatzpflichtig.
128
BGH, Urt. v. 06.02.1990 – XI ZR 184/88, NJW-RR 1990, 604 (605).
129
Ebenfalls im Jahr 1990 erließ der Bundesgerichtshof ein Urteil, nach dem eine Bank
ihrem Kunden gegenüber im Rahmen ihrer Pflichten bei der Vertragsanbahnung
verpflichtet ist, diesen darüber aufzuklären, dass die für ihn tätige Vermögensverwalterin
an den Provisionen und Depotgebühren der Bank beteiligt ist. Denn ein solches
Verhalten der Vermögensverwalterin enthalte eine schwer wiegende Treuwidrigkeit und
lasse die Grundlage für das unabdingbare Vertrauen in die Seriosität des Verwalters
entfallen. Die Aufklärungspflicht diene dem Zweck, dem Anleger eine sachgerechte
Entscheidung über die Inanspruchnahme der Dienste der Vermögensverwalterin zu
ermöglichen.
130
BGH, 11. Senat, Urt. v. 19.12.2000 - XI ZR 349/99 NJW 2001, 962 (963).
131
b) Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf die streitgegenständliche
Konstellation
132
Bei der Prüfung der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Rückvergütungen der
Bank für Anlagevermittlung mit vorhergehendem Beratungsvertrag ist zunächst
festzustellen, dass die zugrundeliegenden Konstellationen nicht identisch sind. Im Urteil
des BGH aus 2000 hatte die Bank Rückvergütungen gewährt, nicht erhalten. Der
Rückvergütungsempfänger war eine Vermögensverwalterin, keine Bank.
133
Die Konstellationen waren jedoch vergleichbar. Der maßgebliche Grund für die
Aufklärungspflicht war nach der Rechtsprechung des BGH, dass der Kunde in die Lage
versetzt werden sollte, eine sachgerechte Entscheidung über die Inanspruchnahme der
Vermögensverwalterin zu treffen. Denn durch die Rückvergütungen entfalle das
Vertrauen in die Seriosität des Vermögensverwalters.
134
Aus dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2000 ist daher zu folgern, dass auch die
Vermögensverwalterin selbst in der dem Urteil zugrundeliegenden Fallgestaltung zur
Aufklärung über die Rückvergütungen verpflichtet war, um dem Kunden zu ermöglichen,
sich über die Interessenskonflikte der Vermögensverwalterin ein Bild zu machen.
135
Vergleicht man die Interessenskonflikte eines Vermögensverwalters in dieser Situation
mit denen einer Bank, die einem Kunden zu einer Anlage rät und dafür eine
Rückvergütung erhält, sprechen gute Gründe dafür, eine Aufklärungspflicht über die
Rückvergütung auch durch die Bank zu fordern. Zwar kann man einwenden, dass die
Bank im Gegensatz zum Vermögensverwalter für ihre Beratung in aller Regel kein
Entgelt vom Kunden erhält und daher, anders als der Vermögensverwalter, auf eine
Vergütung von dritte Stelle angewiesen ist, da sie die Vermittlung bzw. Beratung nicht
136
aus altruistischen Gründen wahrnimmt.
Jedoch war es auch schon gefestigte Rechtsprechung des BGH, dass zwischen den
Pflichten eines Anlageberaters und denen eines Anlagevermittlers zu unterscheiden ist.
Der BGH sieht einen Anlageberater, auch wenn dieser für den Kunden unentgeltlich
tätig ist, im Gegensatz zu einem Anlagevermittler nicht im Lager der Vertreiber der
Anlage stehen. Während der Kunde bei einem Vermittler davon ausgehen muss, dass
dieser die Anlage auch aus seiner eigenen Vergütungsmotivation anpreist, stellt die
Rechtsprechung an den Berater gerade die Anforderung, die Anlage unabhängig zu
bewerten und rein an den Interessen des Kunden ausgerichtet zu beraten. Vor diesem
Hintergrund, in Zusammenschau mit der Tatsache, dass der BGH ebenfalls bereits die
Auszahlungspflicht der von Dritten erlangten Provisionen an den Kunden bejaht hatte
und das Verschweigen einer Rückvergütung bereits als Betrug gewertet und somit
einen Schadensersatzanspruch bejaht hatte, konnte damit gerechnet werden, dass der
BGH auch die Offenlegung des bestehenden Interessenskonfliktes durch die
Provisionszahlungen für erforderlich halten würde. Selbst wenn der Kunde bei
verständiger Betrachtung davon ausgehen muss, dass der Berater für seine Tätigkeit
irgendeine Vergütung bekommen wird, ist die Aufklärung der konkrete Höhe der
erhaltenen Rückvergütung für ihn von Bedeutung, um das Maß des Interesses der Bank
an der Vermittlung genau dieser Anlage im Gegensatz zur Vermittlung anderer Anlagen
mit geringerer Vergütung für die Bank beurteilen zu können.
137
c) Keine entgegenstehenden Entscheidungen
138
Dieser möglichen Fortentwicklung der Rechtsprechung, die eine Offenlegungspflicht
von Rückvergütungen durch eine beratende Bank statuieren würde, steht auch nicht die
zum Zeitpunkt der zweiten streitgegenständlichen Beratung ergangene Rechtsprechung
des BGH entgegen, nach der ein Anlagevermittler Innenprovisionen – jedenfalls bei der
Vermittlung von Immobilienanlagen - erst ab einer Schwelle von über 15% offenlegen
muss.
139
BGH, Urt. v. 12.02.2004 – III ZR 359/02, NJW 2004, 1732 (1735).
140
Denn abgesehen von der Frage, ob diese Schwelle auch auf die Vermittlung von
Medienfonds übertragbar ist, betraf diese Entscheidung lediglich einen Fall eines
Anlagevermittlungsvertrages, nicht den eines Anlageberatungsvertrages. Aus dem
Umstand, dass der BGH in der Entscheidung zunächst die zutreffende Qualifizierung
des zugrundeliegenden Vertrages nur als Anlagevermittlungs- und gerade nicht als
Anlageberatungsvertrag bestätigt hat, lässt sich ableiten, dass die Entscheidung keine
Aussage zur Offenlegungspflicht von Provisionen bei Anlageberatungsverträgen trifft.
Sie lässt vielmehr sogar vermuten, dass die 15%-Schwelle nicht für
Anlageberatungsverträge gilt, da es ansonsten nicht auf die Abgrenzung zwischen
Anlagevermittlungs- und Anlageberatungsvertrag angekommen wäre.
141
Darüber hinaus thematisiert die Entscheidung zur 15%-Schwelle lediglich die
Werthaltigkeit der Anlage, die durch die vom Fonds (insgesamt) gezahlten
Innenprovisionen beeinträchtigt wird. Die Offenlegung der vom Berater selbst erhaltenen
Rückvergütung soll hingegen nicht über die Werthaltigkeit der Anlage aufklären,
sondern über den Interessenkonflikt des Beraters, der aufgrund des Anreizes der
Provision möglicherweise nicht objektiv berät. Das Thema der Interessenkollision wird
in der Rechtsprechung des BGH zur 15%-Schwelle nicht thematisiert, somit bietet diese
142
keine Anhaltspunkte gegen eine Offenlegungspflicht einer Rückvergütung.
d) Zwischenzeitliche Fortführung der Rechtsprechung zu Rückvergütungen
143
Mit seinen erst in der Folgezeit ergangenen und der Beklagten zum Zeitpunkt der
Beratung daher noch nicht bekannten Entscheidungen aus den Jahren 2006 und 2009
hat der BGH mittlerweile klargestellt, dass eine Bank im Rahmen eines
Beratungsvertrages die Rückvergütungen, die sie für die Vermittlung eines Fonds,
explizit auch für die eines Medienfonds, erhält, offenlegen muss. Der BGH begründet
dies damit, dass der Kunde nur so in die Lage versetzt wird, das Umsatzinteresse der
Bank einzuschätzen und zu beurteilen, ob sie die Beteiligung nur empfiehlt, weil sie
selbst daran verdient.
144
BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, NJW 2007, 1876 (1878 f.); Beschl. v.
20.01.2009 – XI ZR 510/07.
145
Die beiden Entscheidungen sind somit die Fortführung der bereits im Jahr 2000 aus
dem Gesichtspunkt der Interessenkollision statuierten Aufklärungspflicht über von einem
Vermögensverwalter erhaltene bzw. an diesen gezahlte Rückvergütungen.
146
e) Fahrlässigkeit der Beklagten
147
Im Rahmen des hier für das Verschulden allein in Betracht kommenden
Fahrlässigkeitsvorwurfes hat die Beklagte - hier in Form des Organisationsverschuldens
- die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem sie nicht über die
Rückvergütungen aufklärte.
148
Sowohl die Gefährdung des Kunden als auch die Rechtswidrigkeit waren für die
Beklagte erkennbar. Im Tatsächlichen war für sie erkennbar, dass sie sich aufgrund der
für die Vermittlung erhaltene Vergütung und der gleichzeitigen objektiven
Beratungspflicht gegenüber ihrem Kunden in einem Interessenkonflikt befand. Es war
für sie auch erkennbar, dass der Kunde sich nur durch Aufklärung über die Vergütung
und deren Höhe über Bestehen und Ausmaß dieses bei seinem Berater bestehenden
Interessenkonfliktes bewusst werden und nur vor diesem Hintergrund die von der
Beklagten abgegebene Empfehlung richtig bewerten konnte. Somit war für sie ebenfalls
erkennbar, dass für den Kläger ein Schaden dadurch entstehen konnte, dass er ohne
Wissen um den Interessenkonflikt der Beklagten der Empfehlung der Beklagten Folge
leisten und die empfohlene Beteiligung erwerben würde.
149
Die Gefahrverwirklichung ist hier auch, wie mittlerweile vom BGH explizit entschieden,
rechtswidrig. Wenn sowohl die Gefahr im Tatsächlichen erkennbar und deren
Verwirklichung objektiv rechtswidrig ist, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass auch
die Rechtswidrigkeit erkennbar war, da erwartet werden kann, dass der Schädiger
Anstrengungen unternimmt, um die Schädigung des Betroffenen zu vermeiden.
150
MüKo, BGB, 5. Aufl. 2007, § 276 Rn. 73.
151
Der Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten ihre Rechtsabteilung die
Rechtsprechung des BGH sorgfältig verfolgt hat und danach davon ausging, dass keine
Offenlegungspflicht der Rückvergütung bestand, entlastet die Beklagte nicht. Der
rechtliche Schluss durch die Rechtsabteilung der Beklagten war unzutreffend. Die
152
richtige Feststellung einer Rechtsabteilung wäre gewesen, dass die spezielle
Fallgestaltung höchstrichterlich noch nicht entschieden war, eine mögliche Bejahung
der Offenlegungspflicht aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden konnte.
Da die Rechtsabteilung Teil der Beklagten ist, muss die Beklagte für das Verschulden
der fehlerhaften Bewertung der Rechtslage durch ihre Rechtsabteilung einstehen. Sogar
die unrichtige Auskunft eines externen Rechtskundigen ist kein Entschuldigungsgrund
im Rahmen der Fahrlässigkeit, wenn der Schädiger sich das Verschulden gemäß § 278
BGB zurechnen lassen muss.
153
BGH, Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428 (429); weitere
Nachweise bei Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 276 Rn. 22.
154
Da man eine spätere Entscheidung, die die Vergütungspflicht bejahen würde, nicht
ausschließen konnte, also eine Rechtsunsicherheit bestand, handelte die Beklagte
schuldhaft, indem sie die Schädigung verwirklichte. Denn nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung handelt schuldhaft, wer selbst bei einem nur geringen Maß an
Rechtsunsicherheit die Gefährdung realisiert, sofern er nicht ein besonderes Interesse
an sofortiger Rechtsdurchsetzung hat.
155
Nachweise bei MüKo, BGB, 5. Aufl. 2007, § 276 Rn. 74.
156
Ein solches besonderes Interesse der Beklagten ist hier nicht ersichtlich. Zudem war es
ihr ohne Weiteres möglich und zumutbar, die Gefahr zu verhindern. Sie hätte angesichts
der Gefahr für den Kunden und der Rechtsunsicherheit bezüglich der Rechtswidrigkeit
nicht auf die Entgegennahme der Rückvergütung verzichten müssen, sondern lediglich
den Kläger und andere Kunden über die Rückvergütung aufklären müssen.
157
f) Keine Entlastung durch Entscheidungen von Kollegialgerichten
158
Die Beklagte kann sich auch nicht dadurch entlasten, dass sie Entscheidungen von
Kollegialgerichten anführt, die keine Pflicht zur Offenlegung der Rückvergütungen
angenommen haben. Nach der Rechtsprechung des BGH wird Rechtsunsicherheit
gerade nicht durch Urteile von Kollegialgerichten beseitigt.
159
MüKo, BGB, 5. Aufl. 2007, § 276 Rn. 74 mwN zur Rspr.
160
Vielmehr hat der Verpflichtete das Risiko seines Irrtums über die Rechtslage selbst zu
tragen.
161
BGH, Urt. v. 01.12.1981 – VI ZR 200/80, NJW 1982, 635 (636 f.).
162
Die von der Beklagten ebenfalls angeführte Kollegialgerichtsrichtlinie, nach der im
Rahmen der Amtshaftung unter bestimmten Voraussetzungen das Verschulden bei
einer entsprechenden Entscheidung eines Kollegialgerichts entfallen kann, gilt nach der
Rechtsprechung des BGH gerade nur für Fälle der Amtshaftung, da der Beamte auch
bei Rechtsunsicherheit handeln muss.
163
z.B. BGH, Urt. v. 18. 4. 1974. - KZR 6/73, NJW 1974, 1903 (1904 f.); Urt. v.
01.12.1981 – VI ZR 200/80, NJW 1982, 635 (636 f.); MüKo, BGB, 5. Aufl. 2007, §
276 Rn. 75 mwN zur Rspr.
164
Selbst wenn man – entgegen der Rechtsauffassung des Gerichts – Entscheidungen von
Kollegialgerichten zur Entlastung heranziehen würde, können die von der Beklagten
angeführten Entscheidungen sie nicht entlasten. Denn die von der Beklagten
angeführten Kollegialgerichtsentscheidungen ergingen erst Jahre nach der
streitgegenständlichen Beratung durch die Beklagte, als schon konkretisierende
Rechtsprechung ergangen war, die aber in mancher Hinsicht missverstanden werden
konnte. So konnte man nach dem Urteil des BGH vom 19.12.2006
165
BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, NJW 2007, 1876 (1876 ff.).
166
denken, dass die Aufklärungspflicht nur bei Anwendbarkeit des WpHG bestehe. Nach
der Entscheidung vom 25.09.2007,
167
BGH, Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 (199 ff.)l.
168
in der nicht ausdrücklich klargestellt wurde, dass Gegenstand des Urteils nur
Innenprovisionen insgesamt, aber nicht konkret an die beratende Bank gezahlte
Rückvergütungen war, konnte man den BGH dahingehend missinterpretieren, dass
auch im Falle von Rückvergütungen außerhalb des Anwendungsbereiches des WpHG
erst ab der 15%-Schwelle oder bei unrichtiger Darstellung im Prospekt eine
Aufklärungspflicht bestünde. Diesem Irrtum unterlag beispielsweise die Kammer bis
zum klärenden Rückverweisungsbeschluss vom 20.01.2009.
169
BGH, Beschl. v. 20.01.2009 – XI ZR 240/07.
170
Irrtümer, denen Kollegialgerichte erst auf Basis der nach der
Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten ergangener Urteile unterlagen, kann die
Beklagte jedoch nicht zu ihrer Entlastung für ihre Einschätzung der Rechtsprechung
zum Zeitpunkt der Beratung des Klägers heranziehen.
171
g) Kein Mitverschulden
172
Da selbst das Wissen um das Bestehen irgendeiner Rückvergütung wie dargelegt nicht
ausreicht, um das Ausmaß des Interessenskonfliktes der Beklagten zu beurteilen,
kommt ein Mitverschulden des Zedenten, selbst wenn man annimmt, er hätte mir
irgendeiner Art von Rückvergütung rechnen müssen, nicht in Betracht.
173
IV.
Dahinstehen weiterer Haftungsgründe
174
175
Ob der Prospekt fehlerhaft war oder die Beklagte bei der Plausibilitätsprüfung Risiken
hätte erkennen müssen, kann angesichts der zu bejahenden Haftung wegen der
mangelnden Aufklärung über erhaltene Rückvergütungen dahinstehen.
176
177
V.
Schadenspositionen
178
Der auf Naturalrestitution – bezogen auf den Zedenten – gerichtete
Schadensersatzanspruch umfasst zum einen die Rückerstattung von EUR 26.250,00,
sowie EUR 29.750, die der Zedent für die Beteiligungen nebst Agio aus Eigenmitteln
erbracht hat. Dass dem Zedenten durch die zunächst anerkannte steuerliche
Abzugsfähigkeit zunächst Steuervorteile erwachsen sind, mindert den
Schadensersatzanspruch nicht, da die entsprechenden Steuern mittlerweile
nachgefordert werden.
179
Da der Zedent, aus dessen abgetretenen Recht die Klägerin klagt, im Rahmen der
Naturalrestitution so zu stellen ist, als wäre er die Beteiligung an YY nicht eingegangen,
wäre er von der Beklagten auch von den Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem
obligatorischen Darlehensvertrag zur anteiligen Finanzierung der Beteiligung
gegenüber der Rbank freizustellen gewesen. Nach Ablehnung der Freistellung durch
die Beklagte und Ablauf der dazu vorgerichtlich durch den Anwalt des Zedenten
gesetzten Frist hat sich dieser Freistellungsanspruch gemäß § 281 BGB in einen
Zahlungsanspruch gewandelt, der auf die Klägerin übergegangen ist. Soweit bei
Fälligkeit der Darlehensrückzahlung inklusive Zinsen trotz Rückabwicklung noch eine
Schuld des Zedenten aus dem Darlehen besteht, ist der Klägerin dieser Schaden daher
zu ersetzen.
180
Der Schadensersatzanspruch erfasst auch entgangenen Gewinn. Nach dem
gewöhnlichen Verlauf der Dinge ist davon auszugehen, dass der Zedent die investierten
Beträge anderweitig angelegt hätte. Mangels konkreten Vortrags zu dem von der
Klägerin angegebenen anderweitig erzielten Anlagezins ist jedoch nur von einem im
maßgeblichen Zeitraum üblicherweise zu erzielenden Zinsgewinn auszugehen. Diesen
schätzt das Gericht auf 4 %. Ab Rechtshängigkeit kann sich der geforderte Zins von 8 %
jedoch aus den maximal zu erstattenden Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz ergeben. Mangels klägerischen Vortrags zum Zeitpunkt der
Zahlungen der jeweiligen Beträge nimmt das Gericht an, dass diese 3 Tage nach
Zeichnung, also am 29.05.2003 bezogen auf EUR 26.250,00 und am 25.06.2004
bezogen auf EUR 29.750,00 erfolgt ist, so dass diese Zeitpunkte maßgeblich für den
jeweiligen Zinsbeginn ist.
181
Zu den im Rahmen des Schadensersatzes zu ersetzenden Schäden gehören auch die
außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung, die der Zedent in Höhe von EUR
3.729,70 aufgewandt hat. Der Einwand der Beklagten, der Klägervertreter habe
gewusst, dass die Beklagte auf ein Anspruchsschreiben hin keinen Schadensersatz
leisten würde, trägt insoweit nicht. Auch dem Zedenten standen eine außergerichtliche
Verfolgung seiner Interessen sowie das Recht zu versuchen, die Beklagte in
Annahmeverzug zu setzen, zu.
182
Der Zinsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 291, 288
Abs. 1 BGB.
183
Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Erstattungspflicht weiterer Schäden ist
184
gegeben, da die Klägerin dargetan hat, dass der Eintritt solcher Schäden nicht
ausgeschlossen ist. Davon auszunehmen ist jedoch die reine Nachzahlung von
Steuerschulden, die dadurch zustande kommt, dass dem Zedenten zunächst eine
steuerliche Abzugsfähigkeit im Zusammenhang mit der Beteiligung an Y anerkannt
wurde und später wieder aberkannt wurde. Denn der Steuervorteil ist Teil des positiven
Interesses an der Beteiligung, die im Rahmen des Schadensersatzes nicht zu ersetzen
ist. Die Beklagte muss der Klägerin jedoch die dem Zedenten wegen der zunächst
anerkannten und später aberkannten Abzugsfähigkeit im Zusammenhang mit den
Beteiligungen an Y und YY entstandenen steuerlichen Verspätungszinsen erstatten. Ein
etwaiger Zinsvorteil, den der Zedent dadurch erlangt hat, dass er eine nun zu
verzinsende Steuerschuld erst später zahlen musste oder muss, ist nicht auf die
steuerlichen Verspätungszinsen anzurechnen. Denn insoweit handelt es sich um
Steuervorteile, die dadurch wieder ausgeglichen werden, dass auch die vorliegend
streitgegenständliche Schadensersatzleistung steuerpflichtig ist.
Den Ansprüchen der Klägerin ist nur Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung
des Zedenten stattzugeben. Die konkrete Ausgestaltung der Beteiligung des Zedenten
als Treuhandkommanditist erfordert zur geschuldeten Übertragung der konkret erlangten
Beteiligungsstellung mehr als die Abtretung seines Anteils. Vielmehr ist der Beklagten
die Ermöglichung der Vertragsübernahme mit allen dazu notwendigen Erklärungen,
auch von Dritten, geschuldet. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die notwendigen
Zustimmungserklärungen von Dritten nicht erhalten könnte, bestehen nicht.
185
Ein Annahmeverzug der Beklagten ist insoweit nicht gegeben, da der Zedent bislang
nur die Abtretung, nicht jedoch die vollständige Übertragung seiner Beteiligung
inklusive des anteilsfinanzierenden Darlehens mit allen dazu erforderlichen
Erklärungen, auch von Dritten, angeboten hat.
186
VI.
Hilfsaufrechnung
187
188
Schadensersatzansprüche der Beklagten wegen der Bestätigung des Erhalts der
Fondsprospekt kommen unabhängig davon, ob diese Bestätigung wahrheitswidrig war
oder nicht, nicht in Betracht. Vorliegend ist mangels Kausalzusammenhang zwischen
Aufklärung über Rückvergütungen und Übergabe der Prospekte schon kein kausaler
Schaden ersichtlich.
189
VII. Nebenentscheidungen
190
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
191
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 11.03.2009 bot keinen Anlass,
die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
192
Streitwert
193