Urteil des LG Wuppertal vom 22.06.2006

LG Wuppertal: sachverständiger, unparteilichkeit, verschmutzung, befangenheit, verunreinigung, störfall, anleitung, akte, datum, anhörung

Landgericht Wuppertal, 6 T 320/06
Datum:
22.06.2006
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 320/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Solingen, 12 C 330/05
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert:
Der Ablehnungsantrag der Beklagten gegen den Sachverständigen wird
für be-gründet erklärt.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
G r ü n d e :
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Am 8. März 2005 kam es im Betrieb der Beklagten zu einem Störfall, bei dem verstärkt
Eisenoxidstaub austrat. Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang
hiervon auch der Kraftwagen des Klägers betroffen war, für den Fall der Verunreinigung
streiten sie über die Art und Weise der erforderlichen Schadensbeseitigung. Der Kläger
hat hierzu vorprozessual ein Privatgutachten eingeholt, gegen das die Beklagte
Einwendungen erhebt. Mit Beweisbeschluss vom 23. November 2005 hat das
Amtsgericht angeordnet, dass Beweis erhoben werden soll über die Frage, ob der Pkw
des Klägers zum Zeitpunkt seiner Begutachtung durch das Sachverständigenbüro N mit
Flugrost bedeckt war, wenn ja in welchem Grade die Verschmutzung über das übliche
Maß hinausging, und zwar durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, sowie
erforderlichenfalls ergänzende Vernehmung des vorprozessual tätigen
Sachverständigen. Entsprechend einem Vorschlag der IHK E hat das Amtsgericht
alsdann Herrn Dipl.-Ing. T aus S zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat ein
Gutachten vom 21. April 2006 vorgelegt. Neben grundsätzlichen Ausführungen zur
Wirkung von Eisenoxidstäuben auf Lacke hat er ausgeführt, eine Besprechung mit dem
vorprozessual auf Klägerseite beauftragten Sachverständigen durchgeführt zu haben.
Alsdann hat er dessen Feststellung hinsichtlich des Verschmutzungsgrades im
Gutachten übernommen.
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Nach Übersendung des Gutachtens hat die Beklagte den Sachverständigen deshalb
wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie rügt diese Besprechung mit dem
Privatsachverständigen, die Übernahme dessen Ergebnisses im Gutachten und den
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Umstand, dass sie von der Besprechung nicht benachrichtigt worden ist.
Durch die angefochtene Entscheidung, auf die im Übrigen verwiesen wird, hat das
Amtsgericht alsdann nach Anhörung der Beteiligten das Ablehnungsgesuch
zurückgewiesen.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit dem rechtzeitig beim
Amtsgericht eingegangenen Rechtsmittel ihrer Prozessbevollmächtigten, mit dem sie ihr
Ablehnungsbegehren weiterverfolgt.
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Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur
Entscheidung vorgelegt.
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Der Kläger und der Sachverständige sind dem Rechtsmittel entgegengetreten, auf die
eingereichten Stellungnahmen wird Bezug genommen.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akte
Bezug genommen.
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Das gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 ZPO als sofortige Beschwerde zulässige
Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Es führt zur Abänderung der
angefochtenen Entscheidung.
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Nach § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur
Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Es muss also ein Grund
vorliegen, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen
zu rechtfertigen. Dabei muss es sich zum einen objektiven Grund handeln, der vom
Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung
erwecken kann, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und
damit nicht unparteiisch gegenüber.
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Nach diesen Grundsätzen besteht die Besorgnis der Befangenheit des
Sachverständigen bei der Beklagten zu Recht. Dies wird gestützt durch die schriftliche
Stellungnahme des Sachverständigen im Beschwerdeverfahren.
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Zwar hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt,
dass nicht jede eigenmächtige Ermittlungstätigkeit eines Sachverständigen geeignet ist,
Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu begründen. Etwas anderes hat jedoch dann zu
gelten, wenn dies ohne Hinzuziehung der Parteien erfolgt und unter Berücksichtigung
der konkreten Sachlage mit einem fairen Verfahren nicht mehr vereinbar ist (vgl. Zöller,
ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 5 a zu § 402). Dies ist hier der Fall. Der Sachverständige hat sich
bei der Beantwortung der Beweisfrage bei streitigem Umfang einer Verunreinigung des
Fahrzeuges darauf beschränkt, den Privatgutachter der Klägerseite über das Ausmaß
des Befalles zu befragen. Da ein Privatgutachten aber prozessual nur substantiierter
Parteivortrag ist, ist damit aus der Sicht der Beklagten zu Recht der Eindruck erweckt, er
könne aufgrund seiner Vorgehensweise den Angaben des Gegners mehr Glauben
schenken. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Beweisbeschluss des
Amtsgerichts denkbar unglücklich gefasst ist, indem auf den Zeitpunkt der Begutachtung
durch den Privatgutachter abgestellt ist, wozu das Sachverständigengutachten eingeholt
werden soll. Es konnte somit das offensichtlich vorliegende Missverständnis beim
Sachverständigen ohne geeignete weitere Anleitung durch das Amtsgericht eintreten,
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dass hier Umfang und Art eingetretener Verschmutzung nicht durch eine eigene
Besichtigung, sondern quasi durch Überqualifizierung der Angaben des
Privatsachverständigen eintreten sollte, obwohl der Beweisbeschluss anders formuliert
ist und die Feststellung streitiger Anknüpfungstatsachen grundsätzlich Sache des
Gerichtes, nicht aber des Sachverständigen ist. Dass ein solches Vorgehen indessen
mit den Grundsätzen fairer Verfahrensgestaltung auf keinen Fall vereinbar ist, hätte ein
erfahrener Sachverständiger, zumal er durch den Beweisbeschluss eindeutig zu
eigenen Feststellungen und Bewertungen aufgefordert war, ohne weiteres erkennen
können.
Die Stellungnahme des Sachverständigen im Beschwerdeverfahren muss die
Besorgnis der Beklagten bestärken. Denn er hält – auch trotz der erhobenen Bedenken
– an seiner Vorgehensweise fest, auch für künftige Fälle.
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Nach alldem konnte es bei der angefochtenen Entscheidung nicht verbleiben, weshalb
sie abzuändern war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.800,00 €
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