Urteil des LG Wuppertal vom 19.06.2009

LG Wuppertal: unterbringung, anstalt, pflichtverteidiger, probezeit, bestandteil, zwang, strafvollzug, aufwand, kündigung, datum

Landgericht Wuppertal, 23 Qs 90 Js 6437/07 - 122/09
Datum:
19.06.2009
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
3. Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 Qs 90 Js 6437/07 - 122/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Mettmann, 31 Ds 401/07
Sachgebiet:
Strafrecht
Tenor:
Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen
Beschlusses auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
1
Das Beschwerdevorbringen und die erneute Überprüfung des Sachverhaltes
rechtfertigen keine andere Entscheidung.
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I.
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Mit Schreiben vom 15.02.2008 beantragte der Verteidiger des früheren Angeklagten,
dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden im Hinblick auf den
Umstand, dass dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung der Widerruf der
Bewährung drohe und der Angeklagte sich zurzeit in einer "staatlichen Drogentherapie-
Einrichtung i. S. d. § 35 BtMG" befinde. Im Hauptverhandlungstermin vom 19.03.2008
wurde Rechtsanwalt L2 dem Angeklagten gem. § 140 StPO ohne weitere Begründung
als Pflichtverteidiger beigeordnet und das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt im
Hinblick auf die in dem Verfahren….. – Amtsgericht Mettmann – bereits verhängte
Freiheitsstrafe von 10 Monaten und die in dem Verfahren #####/#### Amtsgericht
Mettmann – noch zu erwartende Freiheitsstrafe.
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Tatsächlich wohnte der frühere Angeklagte nach Kostenübernahme gem. § 53 SGB XII
seit dem 06.02.2008 stationär in der sozialtherapeutischen Einrichtung
sozialtherapeutisches Wohnheim, Pferdepension, O, einer Einrichtung für chronisch
Suchtkranke, nachdem er sich zuvor bereits mehrere Jahre lang im "Ambulant Betreuten
Wohnen der C GmbH" befunden hatte und nunmehr erstmalig auf eigenen Wunsch eine
stationäre Maßnahme durchführen wollte. Mit Schreiben vom 31.01.2008 hatte diese
Einrichtung dem Verteidiger bestätigt, dass sie im Falle einer Maßnahme nach § 35
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BtMG mit der zuständigen Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten werde. Erst durch
Beschluss des Amtsgerichts Mettmann vom 30.04.2008 wurde in dem Verfahren 31 Ds
90 Js #####/#### der Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG zugestimmt
und in dieser Sache gem. § 36 Abs. 1 BtMG die Zeit des Aufenthaltes des Verurteilten in
einer staatlichen anerkannten Therapieeinrichtung als anrechnungsfähig auf die Strafe
erklärt.
Mit Kostenberechnung nach RVG vom 20.03.2008 begehrte der Verteidiger des
früheren Angeklagten die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von
insgesamt 662,83 Euro. Dabei setzte der Verteidiger die Grund-, die Verfahrens- und die
Terminsgebühr mit Zuschlag gemäß dem Vergütungsverzeichnis Nr. 4101, 4107 bzw.
4109 an, da der frühere Angeklagte sich seit dem 06.02.2008 nicht auf freiem Fuß
befunden habe. Mit Beschluss vom 28.07.2008 setzte das Amtsgericht Mettmann –
Rechtspfleger – die dem Verteidiger zu erstatteten Gebühren und Auslagen unter Abzug
des sog. "Haftzuschlags" und nicht erstattungsfähiger Kopiekosten auf 535,50 Euro fest.
Durch richterlichen Beschluss des Amtsgerichts Mettmann vom 03.11.2008 wurde die
hiergegen eingelegte Erinnerung des Verteidigers nach Nichtabhilfe durch den
Rechtspfleger als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde gegen diese
Entscheidung zugelassen.
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II.
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Die unter dem 13.11.2008 eingelegte Beschwerde des Verteidigers gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Mettmann vom 03.11.2008, der das Amtsgericht nicht
abgeholfen hat, ist gem. § 33 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 56 Abs. 2 RVG zulässig, in der Sache
jedoch nicht begründet.
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Die Kammer teilt die vom Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss vertretene
Auffassung. Ein Anspruch auf Festsetzung des geltend gemachten Gebührenzuschlags
und der beanspruchten Kopiekosten besteht nicht.
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Die Grund-, die Verfahrens- und die Terminsgebühr entstehen nur dann mit Zuschlag
gemäß Nr. 4101,4107 und 4109 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG, wenn der
Mandant sich während des Zeitraums, für den die entsprechende Gebühr entsteht, nicht
auf freiem Fuß – und beispielsweise in Haft oder Unterbringung nach PsychKG in einer
geschlossenen Anstalt – befindet. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts,
dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen ist, weil der vormalige Angeklagte sich in
einer freiwilligen stationären Maßnahme, nicht jedoch in einer beispielsweise der Haft
oder Untersuchungshaft oder Unterbringung nach Psych KG entsprechenden
unfreiwilligen Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt befand (vgl. dazu auch
OLG Bamberg, Beschl.v. 07.09.2007, 1 Ws 584/07; LG Berlin, Beschl. v. 17.08.2007,
546 StVK 482/06; AG Koblenz, Beschl. v. 26.09.2006 2090 Js #####/####Ls).
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Der vormalige Angeklagte war in der Wohneinrichtung O zu Bedingungen
untergebracht, die in ihren Auswirkungen auf das Mandatsverhältnis nicht die
zusätzlichen besonderen Erschwernisse einer geschlossenen Unterbringung mit sich
zogen und selbst den weniger schweren Auswirkungen einer Unterbringung im offenen
Vollzug nicht vergleichbar waren:
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Die Aufnahme erforderte die Aufnahmebereitschaft und Zustimmung der Einrichtung.
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Der vormalige Angeklagte benötigte eine Kostenzusage gem. § 53 SGB XII.
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Er schloss einen Heimvertrag für die vollstationäre, nicht aber geschlossene,
Unterbringung mit der Einrichtung ab. Danach erhielt er einen Haustürschlüssel und
Zimmerschlüssel, die Bestandteil einer zentralen Schließanlage waren und die ihn
befähigten, nicht nur sein persönliches Zimmer, sondern auch die gesamte stationäre
Einrichtung, jederzeit zu verlassen. Danach war in der Regelung zum Leistungsentgelt
die Möglichkeit einer vorübergehenden Abwesenheit des vormaligen Angeklagten von
der Einrichtung geregelt, die ihm die Möglichkeit auf eine Freihaltung des Heimplatzes
sicherte bei Abwesenheit von mehr als 3 Tagen bis zu 28 Tagen jährlich. Danach waren
die beiden ersten Monate des Vertragsverhältnisses als Probezeit vereinbart. Beide
Vertragsparteien, namentlich der vormalige Angeklagte, waren berechtigt, das
Vertragsverhältnis durch Kündigung zu beenden.
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Den Regelungen dieses Vertragsverhältnisses entsprechend sind die Wirkungen der
vollstationären, nicht aber geschlossenen, Aufnahme des vormaligen Angeklagten in
die Wohneinrichtung nicht mit einer Haftmaßnahme vergleichbar, unbeachtlich des
Umstandes, ob die Zeit des Aufenthaltes gem. §§ 35, 36 BtMG auf eine Strafe
angerechnet werden kann. Ganz entscheidend kommt es hier darauf an, dass die
Aufnahmebedingungen nicht denen einer geschlossenen Einrichtung vergleichbar
waren. Jederzeit war es dem vormaligen Angeklagten - auch bei ihm vollstationär
angebotenen Leistungen - möglich, Termine mit seinem Verteidiger abzusprechen und
auch außerhalb der Räumlichkeiten der Einrichtung wahrzunehmen. Jederzeit war es
seinem eigenen Entschluss überlassen, die Maßnahme zu beenden. Eine staatliche
Anordnung, der er sich – auch gegen seinen Willen – unter Zwang zu fügen hatte,
bestand gerade nicht.
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Gerade hierdurch unterscheidet sich vorliegend die Verteidigertätigkeit von der für einen
gegen seinen Willen geschlossen untergebrachten Mandanten, bei der grundsätzlich
erhöhter Aufwand durch die Einhaltung besonderer Besuchszeiten oder die Einlegung
von Rechtsmitteln gegen die angeordnete unfreiwillige Unterbringung erforderlich ist.
Letzteres unterscheidet namentlich gerade auch die Verteidigertätigkeit im offenen
Strafvollzug von der vorliegend zu beurteilenden.
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Dass der Haftzuschlag im offenen Vollzug unstreitig bestünde, wie es der Verteidiger
behauptet, trifft im Übrigen nicht zu (vgl. dazu LG Berlin, 546 StVK 482/06 vom
17.08.2007).
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Kopiekosten waren nur in der vom Amtsgericht festgesetzten Höhe zu erstatten, da über
die Anzahl der ersetzten Kopien hinaus weitere nicht erforderlich waren.
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Nach alledem war die Beschwerde zu verwerfen.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 , Satz 2 und 3 RVG.
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