Urteil des LG Wuppertal vom 02.02.2005

LG Wuppertal: ersatzfahrzeug, sicherungsabtretung, abrechnung, zwangsvollstreckung, form, kaution, verkehrsunfall, tarif, zumutbarkeit, reparatur

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Leitsätze:
Tenor:
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2
Aktenzeichen:
Landgericht Wuppertal, 8 S 82/04
02.02.2005
Landgericht Wuppertal
8. Zivilkammer
Urteil
8 S 82/04
Amtsgericht Mettmann, 21 C 84/04
Kein Anspruch auf Erstattung des sog. Mietwagen-Unfallersatztarifes,
wenn dem Unfallgeschädigten bekannt ist, dass er auch zu einem
deutlich günstigeren Normaltarif mieten kann
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts
Mettmann vom 03.08.2004 - Az. 21 C 84/04 - abgeändert und die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Wegen des
Tatbestandes
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Ergänzend hat
die Kammer unter Berücksichtigung des wechselseitigen schriftsätzlichen Parteivortrages
und des Vorbringens im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom
12.01.2005 folgende Feststellungen getroffen:
Bei Abschluss des Mietvertrages am 25.08.2003 klärte ein Mitarbeiter der Klägerin den
Geschädigten in mündlicher Form ausführlich und zutreffend darüber auf, dass er bei ihr ein
Fahrzeug nicht nur zum Unfallersatztarif, sondern wahlweise auch zum wesentlich
günstigeren Normaltarif anmieten könne. Dieser wies den Geschädigten in
Übereinstimmung mit der entsprechenden Klausel in der schriftlichen Abtretungserklärung
vom 25.08.2003 überdies nochmals mündlich darauf hin, dass trotz der
Sicherungsabtretung zu Gunsten der Klägerin die persönliche Haftung des Mieters für die
Mietwagenkosten auf der Basis des teureren Unfallersatztarifs bestehen bleibe. Bei der
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Wahl des günstigeren Normaltarifs hätte der Geschädigte den Mietzins im Voraus
zuzüglich einer Kaution mit Kreditkarte entrichten müssen, wozu er auch wirtschaftlich
imstande war. Der Geschädigte wünschte dennoch aus freien Stücken die Abrechnung der
Mietwagenkosten nach dem aktuellen Unfallersatztarif gegenüber der Beklagten, obwohl
dieser - wie der Geschädigte auch wusste - deutlich höher lag als der Normaltarif, den die
Beklagte ihrer im September 2003 erfolgten Zahlung an die Klägerin in Höhe von 785,--
EUR zugrunde legte.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form-
und fristgemäß Berufung eingelegt und diese ordnungsgemäß begründet.
Sie beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Mettmann vom 03.08.2004 (Az.: 21 C
84/04) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
a.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein über den
bereits geleisteten Betrag in Höhe von 785,-- EUR hinausgehender Anspruch auf Zahlung
von 683,75 EUR aus den §§ 7, 17 StVG, 3 Nr. 1 PflVG, 398 BGB zu.
1.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin auch nach Auffassung der Kammer
aktivlegitimiert ist. Die Sicherungsabtretung des Geschädigten vom 25.08.2003 ist wirksam
und verstößt nicht gegen Art. 1 § 1 RBerG. Dabei schließt sich die Kammer den insoweit
zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in den Entscheidungsgründen des
angefochtenen Urteils an. Die Berufungsbegründung rechtfertigt in dieser Hinsicht keine
abweichende Entscheidung. Der Klägerin geht es bei der Einziehung der abgetretenen
Forderung nicht um die Besorgung dem Geschädigten obliegender Rechtsgeschäfte (sonst
Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG und damit Nichtigkeit der Sicherungsabtretung nach § 134
BGB), sondern darum, die ihr eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen. Für diese
Bewertung sprechen die folgenden Umstände:
Die Abtretungserklärung vom 25.08.2003 enthält bereits ihrem Wortlaut nach eine
Zweckbestimmung zur Sicherung der Zahlungsansprüche der Klägerin gegen den
Geschädigten und einen deutlichen Hinweis auf das Weiterbestehen der persönlichen
Haftung des Zedenten für die Mietwagenkosten sowie des Weiteren darauf, dass er - der
Geschädigte - die Schadensersatzansprüche selbst geltend zu machen habe. Auch hat
sich die Klägerin nicht sämtliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger
abtreten lassen; die Abtretung ist vielmehr auf die Ersatzansprüche hinsichtlich der
Mietwagenkosten beschränkt. Schließlich forderte die Klägerin den Geschädigten mit dem
als Anlage zur Klageschrift beigefügten anwaltlichen Schreiben vom 16.01.2004 ernsthaft
auf, die noch offene Restforderung zu begleichen. Diese Zahlungsaufforderung hat der
Geschädigte auch erhalten, da dieser mit Schreiben vom 27.01.2004 ablehnend
antwortete. Die Entgegnung der Beklagten, dass der Geschädigte aufgrund der
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Vorgehensweise der Klägerin davon ausgegangen sei, mit der Geltendmachung der
Mietwagenkosten nicht belastet zu werden, sondern der Ausgleich der Forderung
unmittelbar zwischen der Klägerin und der Beklagten erfolgen werde, ist unerheblich. Es
mag sein, dass er - der Geschädigte - auf eine reibungslose Begleichung der
Mietwagenkosten unmittelbar durch die Beklagte vertraute. Daraus folgt aber nicht, dass er
und die Klägerin eine vom Wortlaut der Sicherungsabtretung abweichende mündliche
Absprache getroffen haben, für die auch im Übrigen nichts vorgetragen ist.
2.
Der Klägerin steht aber vorliegend kein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der
Mietwagenkosten nach dem - im Vergleich zum Normaltarif - deutlich teureren
Unfallersatztarif zu. Das Amtsgericht hat unter Berufung auf die Entscheidung des 6.
Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 07.05.1996 (Az. VI ZR 138/95) die Ansicht
vertreten, dass der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte im Regelfall ein Ersatzfahrzeug
nach dem Unfallersatztarif anmieten darf, sofern sich der Tarif, zu dem das Ersatzfahrzeug
angemietet wird, im Rahmen des Üblichen bewegt. Es hat ferner ausgeführt, dass der von
der Klägerin verlangte Satz den Rahmen der von anderen Mietwagenunternehmern dieser
Region angebotenen Unfallersatztarife nicht überschreitet. Der angeführten Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 07.05.1996 lag jedoch ein Fall zugrunde, in welchem dem
Geschädigten nach den getroffenen Feststellungen ein Mietfahrzeug allein zum
Unfallersatztarif angeboten worden war und auch andere Mietwagenunternehmer ihm nach
den üblichen Marktgepflogenheiten ein Ersatzfahzeug ausschließlich zum Unfallersatztarif
zur Verfügung gestellt hätten.
Hier liegt der Fall aber anders. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie den Geschädigten
ausführlich über die unterschiedlichen Tarife und deren Höhe und Modalitäten aufgeklärt
und ihm angeboten habe, ein Ersatzfahrzeug nach dem Normaltarif oder wahlweise nach
dem deutlich höheren Unfallersatztarif zu mieten und der Geschädigte daraufhin aus freien
Stücken eine Abrechnung nach dem - wie er auch wusste - gegenüber dem Normaltarif
erheblich teureren Unfallersatztarif gewünscht habe. Danach hatte der Geschädigte
vorliegend - abweichend von dem der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vom 07.05.1996 zugrunde liegenden Sachverhalt - umfassende Kenntnis von den
unterschiedlichen Mietwagensätzen nach dem Normal- und dem Unfallersatztarif. Der 6.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinen Urteilen vom 12.10.2004 (Az. VI ZR
151/03) und 26.10.2004 (Az. VI ZR 300/03) klargestellt, dass er im Grundsatz an seiner
bisherigen Rechtsprechung zu der Frage der Erstattung von Unfallersatztarifen im Rahmen
eines Schadensersatzanspruchs festhalte. Danach ist im Allgemeinen davon auszugehen,
dass der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung
verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem
Normaltarif teurer ist. Das gilt aber nur, solange dieser Preisunterschied dem Geschädigten
nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Da aber der Geschädigte im Entscheidungsfall - wie
gezeigt - aufgrund der ausführlichen Aufklärung der Klägerin ohne Weiteres Kenntnis von
den erheblichen Unterschieden der Mietwagensätze nach dem Normal- und dem
Unfallersatztarif hatte, musste er ein Ersatzfahrzeug nach dem deutlich niedrigeren
Normaltarif wählen. Aus Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden
Geschädigten war bei dieser Ausgangslage die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zu dem
wesentlich höheren Unfallersatztarif weder zweckmäßig noch objektiv erforderlich. Indem
der Geschädigte dennoch freiwillig mit der Klägerin eine Abrechnung nach dem deutlich
teureren Unfallersatztarif vereinbarte, verstieß er gegen seine Pflicht zur
Schadensgeringhaltung, da er unter diesem Gesichtspunkt gehalten war, im Rahmen des
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Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der
Schadensbeseitigung zu wählen. Dass es dem Geschädigten unzumutbar gewesen wäre,
wegen der Mietwagenkosten zum niedrigeren Normaltarif in Vorleistung zu treten, ist nicht
ersichtlich. Der Zumutbarkeit der Vorfinanzierung steht nach Auffassung der Kammer nicht
entgegen, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges
oftmals nicht imstande ist, die anfallenden Mietkosten genau zu beziffern, weil die
voraussichtliche Reparaturzeit geringfügig überschritten werden kann. Dies ist jedoch für
den Geschädigten in der Regel hinnehmbar, da die Sätze nach dem Normaltarif
vergleichsweise niedrig sind. Vorliegend ist die Dauer der Reparatur und damit des
unfallbedingten Ausfalls seines Pkw von insgesamt neun Tagen nicht derart lang, dass
eine Vorfinanzierung der Mietwagenkosten auch unter Berücksichtigung der zu stellenden
Kaution für den Geschädigten mit außergewöhnlichen finanziellen Belastungen verbunden
gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und
sowohl die Fortbildung des Rechts als auch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Gebührenstreitwert zweiter Instanz: 683,75 EUR.
Dr. Schulte Dudda Jung