Urteil des LG Wiesbaden vom 02.02.2007

LG Wiesbaden: geschäftsführung ohne auftrag, privatrechtliche haftung, unmittelbare gefahr, firma, haftpflichtversicherung, anwaltskosten, versicherungsvertrag, versicherungsschutz, kennzeichen

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Gericht:
LG Wiesbaden 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 O 190/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Nr 4 AKB , § 432 HGB, §
156 Abs 2 VVG
Eintrittspflicht der Kfz-Haftpflichtversicherung: Anspruch
auf Schuldbefreiung hinsichtlich Entsorgungskosten für
kontaminierte Ladung eines in Brand geratenen
Gefahrguttransporters
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein Transportunternehmen. Sein LKW (Sattelzug mit Auflieger)
mit dem amtl. Kennzeichen ... war bei der Beklagten haftpflichtversichert.
Am 19.1.2006 transportierte der oben genannte Lastzug u.a. Chemikalien und
Gefahrgut von H nach B. Auf der BAB 7 im Bezirk F trat gegen 2.30 Uhr ein
Motorbrand auf, den der Fahrer mit den bordeigenen Feuerlöschern nicht mehr
löschen konnte. Das Feuer griff auf die Ladung über, wodurch Gefahrgutbehälter
beschädigt wurden und der Inhalt austrat. Außerdem wurde die Ladung durch
austretendes Chlorgas kontaminiert. Auf Anordnung von Polizei und Feuerwehr
wurde durch die ... im Rahmen der Bergungsarbeiten verunreinigtes Erdreich
abtransportiert und entsorgt. Die beschädigte bzw. kontaminierte Ladung wurde
auf eine Deponie gebracht und dort von der Firma ... sortiert und entsorgt. Sie
stellte dem Kläger unter dem 13.2.2006 insgesamt 9.802,48 Euro in Rechnung.
Die Beklagte regulierte die sonstigen Bergungskosten, lehnte die Übernahme
dieser Kosten jedoch mit der Begründung ab, eine privatrechtliche Haftung des
Klägers gegenüber dem Wareneigentümer sei ausgeschlossen, da ihn kein
Verschulden treffe. Wegen rein öffentlich-rechtlicher Ansprüche besteht kein
Deckungsschutz. In dem Schreiben der Beklagten vom 6.7.2006 heißt es weiter
wie folgt:
"Im Rahmen der vertraglichen Deckungssumme werden wir folglich privatrechtliche
Schadensersatzansprüche befriedigen, soweit sie nachgewiesen sind und
unberechtigte Ansprüche abwehren."
Der Kläger begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm
Versicherungsschutz im Rahmen des Versicherungsvertrages für den am
19.1.2006 eingetretenen Brandschaden zu gewähren. Er verlangt ferner Zahlung
nicht anrechenbarer vorgerichtlicher Anwaltskosten an seine
Prozessbevollmächtigten.
Er ist der Ansicht, zu den von der Beklagten im Rahmen der KFZ-
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Er ist der Ansicht, zu den von der Beklagten im Rahmen der KFZ-
Haftpflichtversicherung zu ersetzenden Schäden gehörten auch die
Entsorgungskosten für die beschädigte Ladung. Nur der Schaden am Transportgut
selbst falle unter den Haftungsausschluss nach § 11 Nr. 4 AKB. Auch wenn die
Polizei hoheitlich zur Gefahrenabwehr tätig geworden sei, schließe dies nicht aus,
dass sie zugleich privatrechtlich im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag
für den verantwortlichen KFZ-Halter tätig geworden sei. Ob auch den
Wareneigentümer eine Pflicht zur Entsorgung getroffen habe, sei unerheblich und
begründe allenfalls Regressansprüche der Beklagten. Im Übrigen sei er dem
Wareneigentümer gegenüber ersatzpflichtig, da er für Mängel des Fahrzeuges
uneingeschränkt einstehen müsse.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger aus dem
Versicherungsvertrag für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ...
Versicherungsschutz nach Maßgabe und im Rahmen des Vertrages wegen der
Forderung aus der Rechnung der Firma Behrens und Behrens vom 13.2.2006 in
Höhe von 9.802,48 Euro zu gewähren, sowohl für den Fall der Geltendmachung der
Forderung durch die Firma ... selbst als auch für den Fall der Geltendmachung
durch den Landkreis Fallingbostel oder sonstige Ordnungsbehörden;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte ... (Konto bei der ...) Euro
389,65 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des jeweiligen
Basiszinssatzes per anno gem. § 288 BGB seit dem 10.7.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, es fehle schon am Rechtsschutzinteresse, da sie in ihrem
Schreiben vom 6.7.2006 bereits Deckungsschutz gewährt habe. Sofern der Kläger
von der Firma ... verklagt werden sollte, werde sie im Rahmen ihrer Zusage für die
Rechtsverteidigung des Klägers sorgen. In der Sache sei sie zur Übernahme dieser
Kosten nicht verpflichtet. Für öffentlichrechtliche Erstattungsansprüche habe sie
nach den Versicherungsbedingungen nicht einzustehen. Die privat-rechtliche
Haftung des Klägers sei nach § 432 HGB ausgeschlossen, da Entsorgungskosten
des beschädigten Transportgutes nicht erstattungsfähig seien. Dieser
Haftungsausschluss gelte auch für konkurrierende Ansprüche. Güterfolgeschäden
habe er nicht zu ersetzen. Nach der Entfernung der Ladung von der Fahrbahn
habe auch keine unmittelbare Gefahr mehr bestanden. Die Entsorgung sei
nunmehr Sache des Eigentümers der Ware gewesen.
Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist jedenfalls zur Zeit unbegründet.
Die Leistungspflicht der Beklagten erstreckt sich auf die Befriedigung berechtigter
bzw. die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche. Es liegt in ihrem
pflichtgemäßen Ermessen, darüber zu entscheiden, ob die Ansprüche des Dritten
als berechtigt anzuerkennen oder als unberechtigt abzuwehren sind. Sofern der
Versicherer – wie hier die Beklagte – die Abwehr für unbegründet erachteter
Schadensersatzansprüche anbietet, kommt eine Klage auf Befreiung von dieser
Schuld erst in Betracht, wenn das Bestehen des Haftpflichtanspruchs rechtskräftig
festgestellt ist (§ 156 As. 2 VVG, vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1993, 1390; OLG
Frankfurt, VersR 2003, 588).
Da sich die Beklagte mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem
Versicherungsvertrag nicht in Verzug befand, kommt auch ein Anspruch auf
Erstattung nicht anrechenbarer vorgerichtlicher Anwaltskosten nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.