Urteil des LG Wiesbaden vom 22.02.2007

LG Wiesbaden: fortsetzung des mietverhältnisses, verwertung, verkehrswert, kündigung, zustand, wohnraummiete, vermieter, eigentumswohnung, anleger, beweiswürdigung

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Gericht:
LG Wiesbaden 2.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 S 80/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 573 Abs 2 Nr 3 BGB
Wohnraummiete: Kündigung einer vermieteten
Eigentumswohnung aus Gründen der wirtschaftlichen
Verwertung
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichtes Wiesbaden
vom 14.08.2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,– EUR abzuwenden, es sei denn der Kläger
leistet zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet (§§ 517,
519, 520 ZPO); sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug
genommen.
Mit der Berufung rügt die Berufungsklägerin die Verletzung materiellen Rechtes.
Das Amtsgericht habe unzutreffend die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3
BGB bejaht.
Der Kläger sei durch den Fortbestand des Mietverhältnisses nicht an einer
angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der streitgegenständlichen Wohnung
gehindert. Die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, da der Kläger weder im
Kündigungsschreiben noch im Prozess seine Verwertungsbemühungen konkret
dargelegt habe.
Das Amtsgericht habe zudem die erhobenen Beweise falsch gewürdigt. Die
Beweisaufnahme habe ergeben, dass evt. Verkaufsbemühungen des Klägers an
dessen überzogenen Preisvorstellungen gescheitert seien. Insbesondere habe das
eingeholte Gutachten des Sachverständigen B vom 11.05.2006 nicht ergeben,
dass die streitgegenständliche Wohnung im vermieteten Zustand nicht veräußert
werden könne.
Ein Kündigungsgrund ergebe sich letztlich auch nicht in Verbindung mit der
derzeitigen wirtschaftlichen Situation des Klägers. Trotz des entsprechenden
Hinweisbeschlusses des Amtsgerichtes vom 20.01.2006 habe der Kläger seine
Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb nicht ausreichend konkret dargelegt.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 14.08.2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichtes
Wiesbaden die Klage gegen die Beklagte abzuweisen.
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Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.
Das Amtsgericht hat zutreffend die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB
bejaht. Nach der Rspr. des BVerfG ist es im Rahmen einer Verwertungskündigung
weder erforderlich, dass der Vermieter Verwertungsbemühungen konkret darlegt,
noch dass überhaupt Verwertungsbemühungen unternommen wurden (Beschluss
des BVerfG v. 04.06.1998, – 1 BVR 1575/94). Vielmehr bleibt es dem Vermieter im
Rahmen des Rechtsstreites mit dem Mieter überlassen, auf welche Weise er das
Vorliegen der Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nachweist.
Das Amtsgericht ist aufgrund der erhobenen Beweise völlig zutreffend zu dem
Schluss gelangt, dass der Kläger aufgrund des bestehenden Mietverhältnisses an
einer angemessenen Verwertung seiner Wohnung gehindert ist.
Zwar stellt der bloße Umstand, dass die Wohnung im vermieteten Zustand
weniger Erlös als im unvermieteten Zustand einbringt, keinen Kündigungsgrund
dar, im vorliegenden Fall kommt jedoch der wirtschaftlichen Situation des Klägers
entscheidende Bedeutung zu. Aufgrund der letztlich zwischen den Parteien
unstreitig gebliebenen Vermögenssituation des Klägers stellt für diesen bereits ein
Verkauf der Wohnung zu einem 17.500,– EUR unter dem Verkehrswert liegenden
Preis einen erheblichen Nachteil dar.
Der Kläger ist mit Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 55.000,– EUR belastet.
Die hierdurch entstehende Zinsbelastung kann der Kläger selbst mit den
monatlichen Mieteinnahmen aus der streitgegenständlichen Wohnung nicht
aufbringen. Seit dem 15.03.2004 hat der Kläger keine feste Anstellung. Der
Umsatz aus der derzeitigen Hausverwaltertätigkeit des Klägers betrug im Jahr
2005 lediglich 150,– EUR. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger
diese Behauptung auch bereits in erster Instanz auf den Hinweis des Gerichtes hin
durch Vorlage der Bestätigung des Finanzamtes Wiesbaden vom 06.02.2006 (Bl.
92 d. A.) hinreichend dargelegt und nachgewiesen. Die Beklagte hat dagegen die
vom Kläger dargelegten Vermögensverhältnisse weder in der ersten noch in der
zweiten Instanz ausreichend substantiiert bestritten. Die bloße Vermutung, dass
der Beklagte noch anderweitige Vermögenswerte besitzt, erfüllt nicht die
Voraussetzungen, die an ein substantiiertes Bestreiten zu stellen sind. Vielmehr
hätte es der Beklagten oblegen, auf den entsprechenden Vortrag des Klägers hin
substantiiert darzulegen, welchen Umsatz bzw. welche Vermögenswerte der Kläger
entgegen seiner Behauptung tatsächlich hat.
Letztendlich hat die Beweisaufnahme der ersten Instanz auch ergeben, dass die
Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie bisher nicht an der
überzogenen Preisvorstellung des Klägers scheiterte, sondern an dem Umstand,
dass die Wohnung vermietet ist. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des
Amtsgerichtes ist nicht zu beanstanden.
Nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ist sogar davon
auszugehen, dass das bestehende Mietverhältnis nicht nur den Verkauf zum
Verkehrswert, sondern darüber hinaus auch einen Verkauf an sich hinderte. Der
Sachverständige B stellte in seinem Gutachten vom 11.05.2006 fest, dass für
vermietete Eigentumswohnungen nur ein geringes Kaufinteresse besteht.
Aufgrund der immer wachsenden Anzahl von Möglichkeiten, sein Geld anzulegen,
wählen heutzutage immer weniger Anleger den Erwerb von Grundeigentum als
Kapitalanlage. Diejenigen, die eine Wohnung zur Eigennutzung suchen, haben
demgegenüber in der Regel aufgrund des großen Immobilienmarktes genügend
Auswahl an unvermieteten Wohnungen und werden daher in der Regel nicht das
Risiko eines möglichen Rechtsstreites mit dem wegen Eigenbedarf gekündigten
Mieters in Kauf nehmen.
Dass der Verkauf der Wohnung an einem überhöhten Preis scheiterte, ergibt sich
letztendlich auch nicht daraus, dass der Kläger an Stelle des Verkehrswertes in
Höhe von 116.500,– EUR einen Betrag in Höhe von 120.000,– EUR gefordert hat.
Da im Rahmen von Immobilienverkäufen Verhandlungen über den Kaufpreis üblich
sind, konnten interessierte Käufer davon ausgehen, dass ein Herunterhandeln des
Kaufpreises auf den tatsächlichen Verkehrswert möglich gewesen wäre.
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Die Beklagte hat gegen den Kläger auch keinen Anspruch auf Fortsetzung des
Mietverhältnisses gemäß § 574 BGB. Die Beklagte hat keine Voraussetzungen
vorgetragen, aufgrund derer die Beendigung des Mietverhältnisses für sie, ihre
Familie oder einen anderen Angehörigen ihres Haushaltes eine Härte bedeuten
würde.
Da die Berufung erfolglos war, hat die Beklagte die Kosten nach § 97 ZPO zu
tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in
den §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
Da keiner der in § 543 Abs. 2 ZPO erwähnten Zulassungsgründe ersichtlich ist, war
die Revision nicht zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.