Urteil des LG Tübingen vom 29.08.2006
LG Tübingen: gefahr, hindernis, aufwand, rechtsberatung, verfügung
LG Tübingen Beschluß vom 29.8.2006, 5 T 292/06
Restschuldbefreiungsverfahren: Antrag auf Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszuges während der Wohlverhaltensperiode
Leitsätze
Die in § 201 II 3 ZPO vorgenommene Einschränkung des Anspruchs auf Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs ist dahingehend
abschließend, daß ein solcher Antrag erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden kann. Weitergehende Einschränkungen werden
nicht vorgenommen.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Tübingen vom 14.08.2006 aufgehoben.
2. Das Amtsgericht Tübingen hat der Gläubigerin den vollstreckbaren Tabellenauszug hinsichtlich der festgestellten Forderung zur laufenden Nr. 5
der Tabelle zu erteilen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
4. Der Antrag der Gläubigerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für dieses Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Gläubigerin hatte am 26.5.2006 die Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs zur laufenden Nr. 5 der Tabelle beantragt. Zuvor war
mit Beschluß vom 4.5.2006 das Insolvenzverfahren aufgehoben worden. Derzeit befindet sich das Verfahren in der Restschuldbefreiungsphase.
2
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs
bestätigt.
II.
3
Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und
begründet
4
Das Amtsgericht stützt sich in der angefochtenen Entscheidung insbesondere auf praktische Erwägungen und eine Relation zwischen
justiziellem Aufwand und Nutzen des vollstreckbaren Tabellenauszugs.
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Diese Erwägungen finden im Gesetz keine ausreichende Basis.
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§ 201 II 3 ZPO schränkt den Anspruch auf Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs abschließend dahingehend ein, daß ein solcher
Antrag erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden kann. Weitergehende Einschränkungen werden nicht vorgenommen. Für
Praktikabilitätserwägungen oder Kosten-Nutzen-Erwägungen ist kein Raum gegeben; insoweit würde erst die mißbräuchliche Antragstellung
eine Grenze bilden. Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Antragstellung sind aber nicht ersichtlich.
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Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich zudem, daß gerade die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens kein Hindernis für die Erteilung
des vollstreckbaren Auszugs darstellt; insoweit stellt § 201 III ZPO ausdrücklich klar, daß die diesbezüglichen Vorschriften unberührt bleiben.
Ausdrücklich werden dort nur Zwangsvollstreckungshandlungen erwähnt, worunter aber die Erteilung der Ausfertigung nicht fällt.
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Dafür, daß die Gläubigerin ggf. trotz vollständiger oder teilweiser Befriedigung den Titel einsetzen würde und so die Schuldnerin zu prozessualen
Gegenmaßnahmen zwingen würde, gibt es keine Anhaltspunkte; im übrigen droht diese Gefahr bei jedem Titel, insbesondere beispielsweise bei
Versäumnisurteilen.
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Im übrigen findet sich auch in den einschlägigen Kommentierungen keine Fundstelle, die ausdrücklich die angefochtene Entscheidung stützt. Die
Kommentierungen machen die Erteilung des vollstreckbaren Tabellenauszugs ausschließlich von der Frist gem. § 201 II 3 ZPO abhängig
(Eickmann/Flessner u.a., InsO, 3. A. § 201; Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 201; Hess/Weiss/Wienberg, InsO, 2. A.,, § 201; Münchner Kommentar,
InsO, § 201), stellen teilweise ausdrücklich klar, daß die Anträge auf Erteilung des vollstreckbaren Tabellenauszugs gerade keine
Vollstreckungsmaßnahmen im Sinne von § 294 InsO darstellen (Uhlenbruck, a.a.O., § 294 Rn. 10;Hess/Weiss/Wienberg, a.a.O. § 294) bzw.
führen explizit aus, daß das laufende Restschuldbefreiungsverfahren (Wohlverhaltensperiode) einem Antrag auf Erteilung des vollstreckbaren
Auszugs nicht entgegensteht (Münchner Kommentar, InsO, § 294, Rn. 15; Wimmer, Frankfurter Kommentar, InsO, 3. A., § 294 Rn. 20).
10 Die Kammer folgt damit letztlich im Ergebnis den Entscheidungen der Landgerichte Leipzig und Göttingen (12 T 33/06, B. v. 8.3.2006 bzw. 10 T
89/05, 22.9.2005).
III.
11 Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war gemäß § 115 III ZPO zurückzuweisen.
IV.
12 Wert des Beschwerdeverfahrens: Bis 300,- EUR