Urteil des LG Stuttgart vom 24.02.2015

subjektives recht, geschäftsführer, vertragliche haftung, eigenes verschulden

LG Stuttgart Urteil vom 24.2.2015, 9 O 108/14
Ansprüche wegen Verletzung der Beratungspflichten aus einem Anwaltsvertrag
nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: EUR 500.000,00
Tatbestand
1 Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen behaupteter Verletzung
ihrer Beratungspflichten aus einem Anwaltsvertrag nach den Grundsätzen des
Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geltend.
2 Der Kläger war Ministerpräsident des Landes S (Land). Die Beklagte Ziffer 1 war
als Anwaltskanzlei für das Land und die A GmbH beim Erwerb der vom
Stromkonzern B über seine Tochtergesellschaft C gehaltenen Aktien am
börsennotierten Energieunternehmen D in Höhe von 45,01% im
November/Dezember 2010 durch die A GmbH, einer im Eigentum des Landes
stehenden Gesellschaft, beratend tätig. Der Beklagte Ziffer 2 betreute das Mandat
als verantwortlicher Partner der Beklagten Ziffer 1.
3 Am 24.11.2010 fragte der Banker E, damals Deutschland-Chef der
Investmentbank R AG, telefonisch beim Beklagten Ziffer 2 an, ob Bereitschaft
bestehe, das Land bei einer Transaktion „mit D / B auf der anderen Seite“ zu
beraten. Am Vormittag des folgenden Tages erklärte der Beklagte Ziffer 2 dem
Banker E, dass die Beklagte Ziffer 1 das Mandat übernehmen werde.
4 Am 26.11.2010 fand gegen 13:30 Uhr eine Telefonkonferenz statt, an der neben
dem Kläger, dem Beklagten Ziffer 2 und dem Banker E auch der CEO (Chief
Executive Officer, was dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen AG entspricht)
der B, Herr F, teilnahm. Der CEO F erklärte, dass er keinen weiteren Vorbehalt
außer einem fusionsrechtlichen wünsche und auf einem sonst unkonditionalen,
bindenden Vertragsschluss bestehe. Es wurde vereinbart, dass der Kläger der B
am 06.12.2010 um 9:00 Uhr ein Angebot für die Übernahme ihrer Aktien an der D
machen solle, welches nur unter dem Vorbehalt der Kabinettszustimmung stehen
und im Übrigen unbedingt sein sollte. Eine bis anderthalb Stunden später sollte er
vom CEO F die Annahme des Angebotes erhalten, die sodann vom Kabinett des
Landes bestätigt werden sollte. Das Kabinett des Landes und das Board der B
sollten parallel tagen. Für den weiteren Inhalt der Telefonkonferenz wird Bezug
genommen auf das Protokoll der Telefonkonferenz (Anlage CC16, Bl. 253 d. A.).
5 Mit E-Mail vom 28.11.2010, 21:52 Uhr, (Anlage CC18, Bl. 255 d. A. S. 2) wies der
Beklagte Ziffer 2 seine Kollegen darauf hin, dass der Kläger glaube, für den Kauf
der Anteile durch das Land sei die Zustimmung des Landtages erforderlich.
6 Daraufhin wurde bei der Beklagten unter Einbeziehung des Bankers E über die
möglicherweise bestehende Notwendigkeit, das Parlament zu beteiligen beraten.
Zunächst erklärte der Beklagte Ziffer 2 in seiner E-Mail vom 29.11.2010, 10:48 Uhr,
(Anlage CC19, Bl. 258 d. A.) an den Banker E, dass ein Zustimmungsvorbehalt
des Parlamentes wohl erforderlich sei. Mit E-Mail vom 29.11.2010, 15:04 Uhr,
(Anlage CC21, Bl. 258 d. A.) erhielt der Banker E vom Beklagten Ziffer 2 ein Memo
des Partners H der Beklagten Ziffer 1 zu dieser verfassungsrechtlichen Frage
(Anlage CC22, Bl. 259 d. A.). Nach diesem Memo konnte nach Art. 81 des
Landesverfassung im Falle eines „unvorhergesehenen und unabweisbaren
Bedürfnisses“ die Zustimmung des Parlamentes nachträglich eingeholt werden,
wenn der Finanzminister seine Zustimmung erklärte. Unter der Annahme, dass
Dringlichkeit wegen eines drohenden Weg-Erwerbes durch ausländische
Investoren bestehe, sei die Kernfrage, inwieweit das Bedürfnis zum Kauf der
Anteile Unabweisbar sei.
7 Sodann wurde bei der Beklagten Ziffer 1, ebenfalls unter Einbeziehung des
Bankers E, darüber beraten, wie man die B rechtlich oder tatsächlich an ein
Angebot binden könne bis das Parlament seine Zustimmung erteilen würde. Mit E-
Mail vom 30.11.2010, 07:26 Uhr, (Anlage CC40, Bl. 277 d. A.) an die Beklagten
teilte ein hinzugezogener französischer Rechtsanwalt mit, dass der CEO F der B
im Interesse seines Unternehmens handeln müsse, weswegen davon
auszugehen sei, dass er ein besseres Angebot eines anderen Bieters annehmen
würde, selbst wenn er dem Angebot des Landes bereits zugestimmt habe.
8 Die damalige Sekretärin des Klägers übersandte dem Banker E mit E-Mail vom
30.11.2010, 7:51 Uhr den „W.-Vermerk“. Der Banker E leitete den Vermerk mit E-
Mail vom selben Tag, 8:53 Uhr (beide E-Mails in Anlage CC36, Bl. 273 d. A.) an
den Beklagten Ziffer 2 mit dem Kommentar weiter, er habe die Lösung. Dabei
fragte er nach, ob der Beklagte Ziffer 2 daraufhin eine „Legal Opinion“ der
Beklagten Ziffer 1 erstellen könne. Nach dem „W.-Vermerk“ benötige der
Ministerpräsident für den Kauf von Beteiligungen keine Zustimmung des
Parlamentes nach der Landeshaushaltsordnung, wenn im Haushalt für den Erwerb
genügend Geld im sogenannten Allgemeinen Grundstock (= Einnahmen aus der
Veräußerung von Grundstücken und Beteiligungen) vorhanden sei. Für den
weiteren Inhalt des „W.-Vermerkes“ wird Bezug genommen auf Anlage CC 68, Bl.
489 d. A.).
9 Am 30.11.2010 erklärte der Banker E in seiner E-Mail von 09:36 Uhr gegenüber
dem Banker G der R Frankreich, dem Zwillingsbruder des CEO F, dass sein
Bruder ein unbedingtes Angebot erhalten werde.
10 Mit E-Mail vom 30.11.2010, 9:37 Uhr, an seine Rechtsanwaltskollegen bei der
Beklagten Ziffer 1, erklärte der Partner H, dass der „W.-Vermerk“ sein Memo
bestätige, wonach eine Zustimmung des Parlamentes erforderlich sei, und § 65
Abs. 1 LHO neben den Regelungen der Landesverfassung zusätzlich zu beachten
sei.
11 Der Partner J der Beklagten Ziffer 1 teilte seinen Kollegen mit E-Mail vom
30.11.2010, 12:01 Uhr, (Anlage CC45, Bl. 282 d. A.) mit, dass R mitgeteilt habe,
seitens des Landes bestehe eine etwas andere Auffassung zum
Parlamentsvorbehalt. In anderem Zusammenhang sei man zu dem Ergebnis
gekommen, ein Kabinettsbeschluss reiche aus.
12 Der Partner H schrieb in seiner E-Mail vom 30.11.2010, 12:09 Uhr, (Anlage CC43,
Bl. 280 d. A.), dass sich bei dem wunschgemäß erfolgten Gespräch mit einer
weiteren Person seine bisherige Position bestätigt habe. Trotz Risiken sähen sie
jedoch Ansatzpunkte dafür, die zentrale Voraussetzung der Unabweisbarkeit einer
Notbewilligung des Finanzministers darzulegen.
13 Um 13:10 Uhr fand eine Besprechung der Rechtsanwälte der Beklagten Ziffer 1 zu
der Angelegenheit statt. In seiner E-Mail vom 30.11.2010, 14:41 Uhr, (Anlage
CC47, Bl. 284 d. A.) berichtete Rechtsanwalt K der Beklagten Ziffer 1 seinem
Kollegen Rechtsanwalt L, dass das Treffen sehr schnell gegangen sei. Der Kläger
nehme das Risiko, es ohne Parlamentsvorbehalt zu machen. Damit könne man
alles so machen, wie ursprünglich besprochen.
14 Der Beklagte Ziffer 2 schrieb am 30.11.2010, 14:52 Uhr, an den Banker E in einer
E-Mail (Anlage CC38, Bl. 275 d. A.), dass die Verfassungsrechtler der Beklagten
Ziffer 1 den telefonisch besprochenen Weg abgesegnet haben. Das Problem
werde über Art. 81 LV gelöst, das heiße die Zustimmung des Finanzministers. Also
kein Parlamentsvorbehalt, man könne am 6.12. ohne Bedingung (außer
Fusionskontrolle) abschließen.
15 Am 01.12.2010 trafen sich der Kläger und der Beklagte Ziffer 2 um 19:45.
16 Am 02.12.2010 wurde die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Land und der
Beklagten Ziffer 1 durch Staatsminister M unterzeichnet.
17 Am 05.12.2010 wurde der Finanzminister N gegen 23:00 Uhr vom geplanten Kauf
der Anteile an der D von der B unter Anwesenheit des Klägers und des Beklagten
Ziffer 2 informiert.
18 Am 06.12.2010 informierte der Kläger bei einem Frühstück den
Fraktionsvorsitzenden der F.-Fraktion im Landtag O sowie den Wirtschaftsminister
P. Um 9:00 Uhr des selben Tages informierte der Kläger das Kabinett. Der
Beklagte Ziffer 2 nahm an beiden Terminen teil.
19 Um 9:39 des 6.12.2010 stimmte das Kabinett des Landes dem Kauf der Anteile an
der D zu, der am 17.02.2011 nach der Genehmigung durch die Kartellbehörde
vollzogen wurde.
20 Der Kläger trägt vor,
die Feststellungklage sei zulässig. Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass dem
Kläger durch die Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden sei. Für die
Zulässigkeit der Feststellungklage reiche es aus, dass der Schaden sich noch in
der Entwicklung befinde.
21 Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien
gegeben.
22 Das Merkmal der Leistungsnähe liege vor. Der Kläger sei nämlich mit der Leistung
der Beklagten aus dem zwischen der Beklagten Ziffer 1 und dem Land
geschlossenen Anwalts- und Beratungsvertrag bestimmungsgemäß in Berührung
gekommen und sei der Gefahr von Pflichtverletzungen in gleicher Weise
ausgesetzt gewesen wie das Land. Eine mangelhafte Beratung sei nicht nur
geeignet gewesen, die Vermögensinteressen des Landes zu beeinträchtigen,
sondern als Reflex zugleich und direkt auch den Kläger.
23 Ein Einbeziehungsinteresse des Landes ergebe sich aus einer Fürsorgepflicht des
Landes, welche sich aus dem Amtsverhältnis des Klägers ableite, § 1 MinG BW.
Darüber hinaus bestehe Drittschutz , weil sich nach Auslegung des Vertrages
ergebe, dass der Kläger aufgrund eine besonderen Interesses in den vertraglichen
Schutz einbezogen werden solle. Der Kläger sei vom Rechtsrat des Beklagten
Ziffer 2 abhängig gewesen. Es sei um eine umfassende Rückendeckung für den
politisch und damit auch rechtlich verantwortlichen Ministerpräsidenten gegangen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stünden selbst gegenläufige
Interessen zwischen Drittem und Gläubiger einem Drittschutz nicht entgegen.
Gerade in Gutachterfällen habe die Rechtsprechung eine Erstreckung des
Drittschutzes angenommen. Ferner sei der Drittschutz auch erkennbarer
Vertragszweck gewesen. Ein Rechtsberatervertrag könne Schutzwirkung zu
anderen Personen mit enger Beziehung zum Mandanten entfalten.
24 Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse seien für die Beklagten auch
erkennbar gewesen. Den Beklagten sei durchgehend gegenwärtig gewesen, dass
letztlich der Ministerpräsident selbst in seinen Rechten bis hin zur persönlichen
Haftung berührt werde, wenn sie anwaltliche Pflichten verletzten. Den Beklagten
würden durch die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des
beschlossenen Anwaltsvertrages keine Pflichten aufgebürdet, die über das
hinausgingen, was sie von vornherein überschauen konnten.
25 Der Kläger sei schutzbedürftig. Er habe einen inhaltsgleichen vertraglichen
Anspruch weder gegen die Beklagte noch gegen einen anderen Gläubiger.
26 Die Beklagten hätten ihre Pflichten aus dem Rechtsanwaltsvertrag verletzt, indem
sie mangelhaft beraten hätten. Ein Anwalt schulde umfassende Beratung und eine
umfassende Aufklärung über Risiken. Der Beklagte Ziffer 2 habe nicht hinreichend
über die rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit dem Vorgehen nach dem
Notbewilligungsrecht, Art. 81 LV, belehrt. Der Beklagte Ziffer 2 hätte eine
Risikobelehrung insbesondere auch gegenüber dem Finanzminister N am Abend
des 05.12.2010 und gegenüber dem Kabinett am Morgen des 06.12.2010
vornehmen müssen. Der Beklagte Ziffer 2 habe hingegen wahrheitswidrig
behauptet, dass rechtliche Risiken nicht bestünden. Die Frage, ob eine Gefahr
durch weitere Bieter bestanden habe, die letztlich zu einer Dringlichkeit des Kaufes
geführt habe, womit die Beklagten das Vorgehen nach Art. 81 LV gerechtfertigt
haben, hätte von den Beklagten aufgeklärt werden müssen. Sie hätten es nicht mit
der Bemerkung des Bankers E bewenden lassen dürfen, dass bei der
Verhandlung von Unternehmenskäufen Bieter plötzlich und überraschend
auftauchen könnten. Das Mandat der Beklagten sei inhaltlich nicht beschränkt
gewesen. Gleichwohl sei ein Hinweis auf die §§ 7, 65 LHO durch die Beklagten
überhaupt nicht erfolgt. Die Beklagten hätten Fragen um die Wertermittlung nicht
geprüft, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen wären. Ferner haben die Beklagten
in der rechtlichen Beratung nicht berücksichtigt, dass der an die B gezahlte
Kaufpreis europarechtlich eine verbotene Beihilfe darstellen könnte.
27 Die Beratung sei schon gegenüber dem Banker E fehlerhaft gewesen. Zudem
reiche es nicht aus, wenn die Beklagten den Banker E hinreichend beraten hätten.
Ein Hinweis gegenüber einem Dritten sei unbeachtlich. Die Beklagten hätten das
Land als ihre Mandantin und somit den Kläger, den Finanzminister N und das
Kabinett aufklären und rechtlich beraten müssen.
28 Wenn die Beklagten den Finanzminister N oder das Kabinett hinreichend über die
Risiken aufgeklärt hätten, die dem Notbewilligungsrecht verknüpft waren, hätten
beide diesem Vorgehen nicht zugestimmt.
29 Dem Kläger sei ein Schaden entstanden, der sich noch in der Entwicklung befinde.
Der Kläger habe Einkommensverluste erlitten. Zudem seien ihm Kosten für die
anwaltliche Beratung beispielsweise im Zuge eines gegen ihn laufenden
Ermittlungsverfahrens entstanden.
30 Der Kläger beantragt:
31 Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
dem Kläger alle Schäden zu ersetzen, die der Kläger durch die Verletzung des
Beratungsvertrages zwischen der Beklagten zu 1) und dem Land S betreffend
dem Erwerb des D-Aktienpakets vom Unternehmen B erlitten hat und zwar
insbesondere durch die mangelhafte Beratung in der Frage der Notwendigkeit
und Sinnhaftigkeit einer vorherigen Beteiligung des Landtages von S sowie in der
Frage der rechtlichen Anforderungen an die pflichtgemäße Prüfung und
Bewertung des Kaufgegenstandes.
32 Die Beklagten beantragen:
33 Klagabweisung.
34 Die Beklagten tragen vor,
die Feststellungklage sei unzulässig. Der Kläger trage nicht substantiiert vor, einen
Schaden erlitten zu haben.
35 Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien nicht
anzuwenden.
36 Das Merkmal der Leistungsnähe liege nicht vor. Der Kläger sei den Gefahren der
Pflichtverletzung nicht in gleichem Maße ausgesetzt gewesen wie das Land als
Gläubiger und sei nicht bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung
gekommen. Der Kläger sei nur mittelbar betroffen, was für eine Einbeziehung nicht
ausreiche.
37 Das Merkmal der Gläubigernähe liege ebenfalls nicht vor. Ein Anwaltsvertrag
könne wegen drohender Interessenkollisionen nur im Ausnahmefall drittschützend
sein. Zum Beispiel habe ein Gutachtervertrag einer
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einer Behörde nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes keine Schutzwirkung für den Antragsteller als Dritten, wenn
das Gutachten nicht Grundlage für Vermögensdispositionen des Antragstellers,
sondern allein für das behördliche Vorgehen sein solle.
38 Für die Beklagten sei eine Leistungsnähe des Klägers, wie ein Interesse des
Landes an der Einbeziehung des Klägers in den Vertrag nicht erkennbar gewesen.
Zudem ergebe sich aus Punkt 4.1 der Mandats- und Vergütungsvereinbarung
zwischen der Beklagten Ziffer 1 und der A GmbH (Anlage K3, Bl. 64 d. A.), wonach
schriftliche Stellungnahmen und Gutachten ausschließlich für die Mandantin
bestimmt seien, dass die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit
Schutzwirkung zugunsten Dritter von den Parteien ausgeschlossen werden sollte.
39 Der Banker E sei Wissensvertreter des Klägers als damaliger Ministerpräsident
gewesen. Das sich aus der Beratung der Beklagten ergebende Wissen des
Bankers E sei dem Kläger deswegen zuzurechnen gewesen.
40 Eine Beratung über die Problematik der Parlamentsbeteiligung hinaus sei vom
Kläger nicht in Auftrag gegeben worden und seitens der Beklagten nicht
geschuldet gewesen.
41 Der Beklagte zu 2 habe vom Kläger nie den Auftrag bekommen, den
Finanzminister N oder das Kabinett über die Risiken des Weges über Art. 81 LV zu
belehren. Der dem Beklagten Ziffer 2 durch den Banker E und damit vom Kläger
vermittelte Auftrag habe gelautet, dem Finanzminister N und dem Kabinett den
Weg über die Notbewilligung zu erläutern soweit erforderlich. Um alternative Wege
sei es nicht mehr gegangen. Erläutern bedeute in diesem Zusammenhang, die
Voraussetzungen zu nennen und den tatsächlich vorzunehmenden Ablauf zu
schildern.
42 Am 30.11.2010 habe der Beklagte Ziffer 2 in einem Telefongespräch zwischen
10:00 Uhr und 10:30 Uhr vom Banker E einen neuen Prüfauftrag erhalten. Zu
prüfen sei nunmehr gewesen, ob die Notbewilligung wenigstens irgendwie
vertretbar sei. Der Kläger sei nach der Mitteilung des Bankers E eher bereit
gewesen, verfassungsrechtliche Risiken zu übernehmen als den Deal scheitern zu
lassen. Um 11:00 Uhr habe der Beklagte Ziffer 2 den Staatsminister M getroffen,
welcher erklärt habe, es werde der Weg über die Notbewilligung gewählt, wenn
dieser rechtlich vertretbar wäre. Der Beklagte Ziffer 2 habe dem Staatsminister M
mitgeteilt, dass die Beklagte Ziffer 1 beauftragt worden sei, nur noch einen Weg
ohne Parlamentsbeteiligung zu prüfen.
43 Die Entscheidung über den Kauf der D Anteile und das Vorgehen sei bereits am
30.11.2010 durch E getroffen worden. Das Verfahren wäre bei einer Beratung, die
die vom Kläger gerügten Punkte beinhaltete, nicht geändert worden. Das Kabinett
und der Finanzminister N hätten keine andere Entscheidung getroffen.
44 Für das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf die
gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der mündlichen Verhandlung vom
28.10.2014 (Bl. 428-440 d. A.).
Entscheidungsgründe
45 Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
1.
46 Das Feststellungsinteresse liegt vor. Voraussetzung hierfür ist eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung der Beklagten
zurückzuführenden Schadenseintritts (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR
384/03 -, BGHZ 166, 84-117 in juris: Rn. 27). Dies hat der Kläger hinreichend
substantiiert vorgetragen, indem er behauptet hat, durch seine rechtliche
Vertretung und Beratung im gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren, seien
Kosten angefallen, deren vollständiger Ersatz durch die Staatskasse (auch im
Falle der Einstellung des Ermittlungsverfahren) zweifelhaft sei.
2.
47 Der Kläger begehrt mit seinem Klagantrag die Feststellung eines
Rechtsverhältnisses. Ein Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer
anderen Person oder Sache, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung
feststellbares) subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen
können (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 ZPO Rn. 3). Der
Schadensersatzanspruch, dessen Feststellung der Kläger begehrt, stellt eine
solche Verbindung zwischen dem Kläger und den Beklagten dar, die ein
subjektives Recht des Klägers enthält. Die Frage, ob dieser Anspruch tatsächlich
besteht, ist erst im Rahmen der Begründetheit zu beantworten.
3.
48 Die Klage ist unbegründet.
49 Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen
eventueller Verletzung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten gegenüber dem
Land aus dem zwischen dem Land und der Beklagten Ziffer 1 geschlossenen
Anwaltsvertrag nach §§ 280, 611, 675 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen
des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
50 Die Vertragsparteien haben den Kläger nicht in den Schutzbereich des
Anwaltsvertrages einbezogen.
a)
51 Ein Dritter kann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein,
wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen
bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein
schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den
Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung
Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte
für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein. Schutzwirkungen
zugunsten Dritter werden insbesondere bei solchen Verträgen angenommen, mit
denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat
anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger,
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung
bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil
vom 07. März 2013 - IX ZR 64/12 -, NJW-RR 2013, 983-986 in juris Rn. 25).
52 Grundsätzlich kann auch ein Anwaltsvertrag Vertragspflichten enthalten, die
Schutzwirkung zu Gunsten Dritter begründen.
53 Jedoch erlaubt der Anwaltsvertrag von seinem Wesen und seiner Struktur her nur
in seltenen Fällen eine solche, unmittelbar Schadensersatzansprüche auslösende
Einbeziehung Dritter in die aus dem Vertrag entstehenden Pflichten. Denn er ist auf
ein Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt aufgebaut und daher vom
Inhalt her streng zweiseitig ohne Außenwirkung angelegt. Interessen Dritter am
Ergebnis der anwaltlichen Tätigkeit können daher im Allgemeinen nicht zu einer
Haftungserweiterung des Rechtsanwalts führen, selbst wenn diese Personen dem
Rechtsanwalt benannt oder gar bekannt sind (BGH, Urteil vom 11. Januar 1977 -
VI ZR 261/75 -, NJW 1977, 2073-2074 in juris Rn. 17).
54 Ein echter Anwaltsvertrag, aufgrund dessen der Rechtsanwalt seinem
Auftraggeber Rechtsbeistand schuldet, kann aber dennoch zum Inhalt haben,
dass der Anwalt auch die Vermögensinteressen eines Dritten wahrzunehmen hat.
Dann kann die - notfalls ergänzende - Auslegung des Vertrages ergeben, dass der
Dritte in den Schutzbereich der anwaltlichen Pflichten einbezogen ist. Hieraus kann
er zwar, falls nicht die Voraussetzungen des § 328 BGB vorliegen, keinen primären
Anspruch auf die vertragliche Hauptleistung, wohl aber einen eigenen sekundären
Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt haben. Diese Grundsätze
gelten insbesondere für Anwaltsverträge mit Schutzwirkung zugunsten von
Angehörigen des Mandanten. Voraussetzung ist, dass die Rechtsgüter des Dritten
nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall durch die Anwaltsleistung mit
Rücksicht auf den Vertragszweck beeinträchtigt werden können und der Mandant
ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten hat (BGH, Urteil vom 19.
November 2009 - IX ZR 12/09 -, NJW 2010, 1360-1362 in juris Rn. 10).
b)
55 Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt bereits am ersten Merkmal, der
sogenannten Leistungsnähe. Die Beratungstätigkeit der Beklagten für das Land
sollte nach dem Inhalt des Rechtsanwaltsvertrages nicht dem Interesse des
Klägers dienen.
56 Der Kläger kommt mit der Hauptleistung der Beklagten bestimmungsgemäß nicht
in hinreichendem Maß in Berührung. Die Beklagten hatten im Rahmen des
Anwaltsvertrages mit dem Land nicht die Vermögensinteressen des Klägers
wahrzunehmen. Es fehlt an einem „spezifischen Risikozusammenhang“ (vgl. BGH,
Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10 -, WM 2011, 2334-2338 juris: Rn. 15,
18) zwischen der vertraglichen Tätigkeit der Beklagten und der Gefährdung der
Interessen des Klägers. Bei diesem Merkmal ist nicht entscheidend, inwieweit der
eingetretene Schaden einer Pflichtverletzung der Beklagten zuzurechnen ist.
Diese Frage wird (erst) im Tatbestandsmerkmal der Ursächlichkeit einer
Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden geprüft (vgl. BGH, Urteil vom
13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10 -, WM 2011, 2334-2338 juris: Rn. 7). Für die
Leistungsnähe kommt es vielmehr darauf an, welchen Risiken der Kläger bei
Vertragsschluss, aus ex ante Sicht, durch die vertragliche Leistung der Beklagten
ausgesetzt ist.
c)
57 Eine Betrachtung der höchstrichterlichen Entscheidungen (vgl. Palandt-Grüneberg,
74. Auflage, § 328 Rn. 21 mit den Nachweisen aus der Rechtsprechung)
verdeutlicht weitergehend, was mit dem Merkmal des spezifischen
Risikozusammenhanges gemeint ist.
aa)
58 Die Leistungsnähe wurde durch den Bundesgerichtshof in einem Fall bejaht, in
dem ein Rechtsanwalt die testamentarische Erbeinsetzung der Tochter des
Mandanten bewirken sollte. Aufgrund eines Anwaltsfehlers unterblieb das zu
erstellende Testament. Der Bundesgerichtshof bejahte eine Sorgfaltspflicht auch
gegenüber der Tochter, deren Vermögensinteressen durch die Rechtsberatung
oder Geschäftsbesorgung gewahrt werden sollten (BGH, Urteil vom 06.07.1965 -
VI ZR 47/64, NJW 1965,1955).
bb)
59 Die Leistungsnähe wurde durch den Bundesgerichtshof in einem Fall bejaht, in
dem ein Rechtsanwalt Eheleute beim Abschluss einer Scheidungsvereinbarung
beraten hatte, in der der eine Teil dem anderen versprach, ihren Kindern
bestimmte Vermögenswerte zuzuwenden. Nachdem die Vereinbarung wegen
eines Verschuldens des Rechtsanwaltes nicht durchsetzbar war, konnten die
Kinder, welche aus der Scheidungsvereinbarung Rechte erhalten sollten, gegen
den Rechtsanwalt eigene Ansprüche geltend machen (BGH, Urteil vom 11. Januar
1977 - VI ZR 261/75 - NJW 1977, 2073-2074).
cc)
60 Ebenfalls bejaht hat der Bundesgerichtshof die Leistungsnähe in einem Fall, in
dem ein Rechtsanwalt eine Vereinbarung zwischen einem Arbeitnehmer und
dessen Arbeitgeber über den Erhalt von Ruhegeld verschriftlichen sollte. Die
mitklagende Ehefrau des Arbeitnehmers machte geltend, dass der vom beklagten
Rechtsanwalt entworfene Vertrag nicht eindeutig formuliert sei und sich unmittelbar
auf die Anwartschaft der ihr zustehende Witwenrente auswirke (BGH, Urteil vom
01. Oktober 1987 - IX ZR 117/86 - NJW 1988, 200-204).
dd)
61 Als in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrages einbezogen hat der
Bundesgerichthof die Kinder eines im Beauftragungszeitpunkt lebensgefährlich
erkrankten Erblassers angesehen, welche gegen einen Rechtsanwalt klagten, der
zugunsten der Kinder ein durch Erbvertrag mit vertraglicher Rücktrittsklausel
begründetes Alleinerbrecht der Ehefrau des Erblassers ausschließen sollte (BGH,
Urteil vom 13. Juli 1994 - IV ZR 294/93 - NJW 1995, 51-53).
ee)
62 Auch im Falle eines Erblassers, der sich zu Lebzeiten erbrechtlich hat beraten
lassen, waren die Erben in den Anwaltsvertrag einbezogen. Das entschied der
Bundesgerichtshof, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die fehlerhafte
Beratung des Rechtsanwaltes bei der Errichtung des Testamentes zum Verlust
von Gesellschaftsanteilen der Erben führte (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - IX ZR
121/94 -, NJW 1995, 2551-2553).
ff)
63 Schutzwirkung wurde auch zugunsten eines Altgesellschafters angenommen aus
einem Vertrag zwischen einer GmbH und einem Rechtsanwalt, welcher die GmbH
hinsichtlich einer Kapitalerhöhung im Wege der verdeckten Sacheinlage beraten
sollte. Der Bundesgerichtshof argumentierte, dass die verdeckte Sacheinlage für
den Gesellschafter die Gefahr begründe, die Einlage bei Vermögensverfall doppelt
aufbringen zu müssen. Der Gesellschafter bleibe zur Bareinzahlung verpflichtet,
ohne bei Insolvenz der Gesellschaft eine anderweitige Forderung gegen die
Gesellschaft verwirklichen zu können (BGH, Urteil vom 02. Dezember 1999 - IX ZR
415/98 -, NJW 2000, 725-728).
gg)
64 Drittschutz hatte zu Gunsten betrogener Anleger ein Treuhandvertrag zwischen
einem Rechtsanwalt und einem betrügerischen Anlagevermittler, der gezielt
Anlegergelder veruntreute. Die Zahlungen der Anleger erfolgten - laut dem
Anlageprospekt zu deren Sicherheit - über das Anderkonto des Rechtsanwaltes.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Tatrichter dem Zusammenspiel
zwischen dem Anlagevermittler und dem Rechtsanwalt und den jeweils neu
unterzeichneten Vereinbarungen über die Zahlungsabwicklungen entnehmen
durfte, dass dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis eines Dritten Rechnung
getragen werden sollte (BGH, Urteil vom 02. Dezember 1999 - IX ZR 415/98 -,
NJW 2000, 725-728).
hh)
65 Die erforderliche Leistungsnähe hat der Bundesgerichtshof auch in einem
Steuerberatervertrag zugunsten des Geschäftsführers einer GmbH angenommen.
Der klagende Geschäftsführer machte den Steuerberater für das Entstehen einer
Steuernachforderung verantwortlich, für die er der GmbH persönlichen haftete, weil
der dortige Beklagte bei der Betriebsprüfung Anforderungen der Finanzverwaltung
nicht hinreichend nachgekommen sei und zuvor schon fehlerhafte Buchungen und
Bilanzierungsarbeiten vorgenommen habe. Der Bundesgerichtshof argumentierte,
die Leistungsnähe des Geschäftsführers zur steuerlichen Beratung seiner
Anstellungs-GmbH ergebe sich aus § 34 Abs. 1 AO. Der Geschäftsführer hatte die
von ihren Beratern vorbereiteten Steuererklärungen der GmbH zu unterzeichnen
und zu verantworten. Den Geschäftsführer treffe persönlich auch die
Mitwirkungspflicht der GmbH gemäß § 90 AO, für deren Erfüllung er typischerweise
auf die Unterstützung der steuerlichen Berater angewiesen sei, welche die GmbH
beauftragt habe. Unrichtige Steuererklärungen und unzureichende Mitwirkung für
die steuerpflichtige GmbH begründeten ein spezifisches steuerliches
Haftungsrisiko, dem der Geschäftsführer nach den §§ 69, 191, 219 AO ausgesetzt
sei und welches bei entsprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf deren
Tätigkeit zurückgehen könne.
66 Ergehe nach den §§ 34, 69 AO ein Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer,
so könne diese Heranziehung auch rechtswidrig sein. Das Risiko der
haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH werde
unter Umständen erst geschaffen, wenn der steuerliche Berater infolge eigener
Nachlässigkeit mit Bezug auf die Mitwirkungspflichten der Mandanten gemäß § 90
AO die Finanzverwaltung annehmen lasse, die von ihm betreute Gesellschaft habe
bislang nicht offenbarte Steuertatbestände verwirklicht oder ungerechtfertigte
Abzüge in Anspruch genommen, während pflichtmäßiges Handeln ihm ermöglicht
hätte, die ungünstige Feststellung der Finanzverwaltung und damit den
Steuerschaden der Mandantin zu vermeiden.
67 Dieses Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers sei
eine typische Begleiterscheinung pflichtwidrig verursachter Steuerfestsetzungen
gegen eine zahlungsschwache GmbH, wenn zur vollen Begleichung der
Steuerschuld später die Mittel fehlten. Es komme für die Frage des Drittschutzes
nicht darauf an, ob dieses Risiko sich verwirkliche oder nicht und ob ein
ergangener Haftungsbescheid in seinen subjektiven Voraussetzungen und
hinsichtlich der Ermessensausübung rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Gehe eine
Verletzung der Mitwirkungspflicht des Mandanten nach § 90 AO auf Versäumnisse
des steuerlichen Beraters zurück, so könnten sich die Folgen bei der
steuerrechtlich gebotenen Sachverhaltsfeststellung innerhalb des Beweismaßes
und der anzustellenden Beweiswürdigung der Finanzverwaltung auch zum
Nachteil eines möglichen Haftungsschuldners auswirken. Die Leistungsnähe des
Geschäftsführers zur pflichtwidrigen steuerlichen Betreuung seiner Anstellungs-
GmbH, die ungünstige Beweisfolgen und im weiteren vermeidbare
Steuerfestsetzungen gegen die GmbH zur Folge habe, sei demnach so groß, dass
der Geschäftsführer in den persönlichen Schutzbereich der verletzten
Beraterpflichten einbezogen werden müsse.
68 Ebenso komme der Geschäftsführer einer GmbH mit der ihr gegenüber erbrachten
Leistung bestimmungsgemäß in Berührung, wenn er von den steuerlichen
Beratern der GmbH durch Fehler der Buchführung, ungerechtfertigte
Vorsteuerabzüge oder Fehlbeurteilung umsatzsteuerpflichtiger Tatbestände als
umsatzsteuerfrei in das Haftungsrisiko der §§ 69, 191, 219 AO verstrickt werde.
Zwar erleide dann die GmbH bei normativer Betrachtung keinen Schaden; sie
werde nur der gesetzmäßigen Besteuerung unterworfen. Der Geschäftsführer sei
aber durch seine Haftung auch im Rechtssinne geschädigt, weil er bei Erfüllung
seiner Pflichten für Steuerausfälle durch die Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht
einzustehen gehabt hätte.
69 Bei dem Verhalten des Geschäftsführers, welches ihm möglicherweise als
vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden könne, der
verspäteten und fehlerhaften Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, seien
Angehörige und Mitarbeiter der beklagten Steuerberatersozietät beteiligt gewesen.
Der Geschäftsführer einer GmbH dürfe ebenso wie die Auftraggeberin im Blick auf
die vertragliche Haftung darauf vertrauen, dass die von der Gesellschaft
beauftragten Steuerberater die anstehenden steuerlichen Fragen fehlerfrei
bearbeiten, ohne dass von seiner Seite eine Kontrolle notwendig sei.
Insbesondere gelte dies, wenn auch die Buchführung von dem steuerlichen
Berater zu besorgen sei, wie hier vom Kläger behauptet werde, für die
Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen
einer GmbH. Zur sorgfältigen Erfüllung solcher Vertragspflichten habe der Berater
die Geschäftsunterlagen des Mandanten anzufordern, zu sichten, auf abziehbare
Vorsteuern zu prüfen und steuerfreie Umsätze auszuscheiden.
70 Bei der steuerlichen Inhaftungnahme des Geschäftsführers einer GmbH für offene
Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft würden jedoch gegenüber der
Finanzverwaltung andere Grundsätze gelten. Zwar könne dem Geschäftsführer
einer GmbH das Verschulden des steuerlichen Beraters der GmbH bei der
Fertigung von Steuererklärungen nicht als eigenes Verschulden zugerechnet
werden. Der Geschäftsführer hafte aber nach den §§ 34, 69 AO für die Verletzung
der ihm in diesem Rechtsverhältnis abverlangten sorgsamen Auswahl und
Überwachung derjenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm auferlegten
steuerlichen Pflichten für die GmbH übertragen habe. Für den Fall der
Unterzeichnung einer vom Steuerberater entworfenen Umsatzsteuererklärung
könne eine Haftung des die Unterschrift leistenden Geschäftsführers in Frage
kommen, wenn er selbst nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls Anlass
und Möglichkeiten gehabt habe, die Richtigkeit der Steuererklärung zu überprüfen
(BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10 - WM 2011, 2334-2338).
d)
71 Im Gegensatz zu den oben zitierten Entscheidungen ist im streitgegenständlichen
Fall keine Leistungsnähe gegeben.
72 Der Kläger und dessen Vermögensinteressen sind mit den vertraglichen Pflichten
der Beklagten nicht bestimmungsgemäß in Berührung gekommen, weil der
Anwaltsvertrag zwischen dem Land und der Beklagten Ziff. 1 nach dem
hypothetischen und tatsächlichen Willen der Vertragsparteien nicht auch dem
Schutz des Klägers dienen sollte.
aa)
73 Der Kläger sollte kein eigenes Recht aus dem Aktienkaufvertrag des Landes
erwerben, zu dessen Abschluss sich das Land hat beraten lassen. Anders als in
einer Vielzahl der oben zitierten Fälle, sind die Beklagten nicht beauftragt worden,
um ein Geschäft zu begleiten, aus welchem dem Kläger ein unmittelbarer
Vermögensvorteil erwachsen sollte. Die Situation des Klägers unterscheidet sich
insofern signifikant von den Fällen, welche den oben unter c) aa)-ee) zitierten
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zugrunde lagen. Der Kläger ist nicht
bestimmungsgemäß betroffen, weil durch die Rechtsberatung die Rechtslage für
den Kläger nicht unmittelbar mitgestaltet werden sollte.
bb)
74 Dem Kläger drohte im Falle einer Falschberatung durch die Beklagten auch keine
persönliche Haftung (wie in den oben unter c) ff)-hh) zitierten Fällen). Anders als
die §§ 34, 69 und 90 AO für den Geschäftsführer einer GmbH in steuerlichen
Fragen vorsehen, gibt es für den Ministerpräsidenten des Landes keine
Bestimmung, die eine persönliche Verantwortung gegenüber Dritten begründet.
Gerade die letztgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshof zeigt deutlich,
dass ein Organ einer juristischen Person grundsätzlich nicht in die Beratungspflicht
des Rechtsanwalts gegenüber der juristischen Person einbezogen ist. Die
Verpflichtung des Rechtsanwaltes, das Organ einer von ihm betreuten juristischen
Person vor Nachteilen zu schützen, ist nur dann gegeben, wenn besondere
Umstände hinzukommen - wie bei der genannten Entscheidung des
Bundesgerichtshofs das Eingreifen der steuerrechtlichen Regelungen, die
ausnahmsweise eine Haftung des Geschäftsführers bestimmen. Eine solche
typischerweise vorliegende Gefährdung ist vorliegend nicht gegeben.
cc)
75 Eine mögliche haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Klägers durch das Land
als Folge einer eventuellen Falschberatung durch die Beklagten begründet ohne
die oben angeführte typische Gefährdung keine Leistungsnähe. Der Kläger war als
Organ den Gefahren einer Schutzpflichtverletzung nicht ebenso ausgesetzt wie
das Land als Mandant. Da die anwaltliche Leistung mangels spezieller
Eigenhaftung des Klägers als Organ nicht auch dem Kläger diente und diesem
nicht unmittelbar zugute kommen sollte, ist die anwaltliche Beratungspflicht
vorliegend zu unterscheiden von der allgemeinen Pflicht, Dritte nicht zu schädigen,
welche nicht für eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages
ausreicht.
76 Im Übrigen setzen sowohl eine Anklage nach Art. 57 der Landesverfassung durch
den Landtag, als auch eine persönliche Haftung des Klägers nach § 48 BeamtStG
als Verschuldensmaßstab Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Bei der
Prüfung dieses Verschuldens ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger sich aus
rechtlicher Sicht gegenüber dem Land auf die Richtigkeit einer rechtsanwaltlichen
Beratung verlassen darf, die im Auftrag des Landes erfolgt.
dd)
77 Die Gefahr, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren eröffnet werden kann,
wenn er sich an einen fehlerhaften Rat der Beklagten hält, begründet ebenfalls
keine Leistungsnähe. Diese Gefahr ist nicht unmittelbar und hinreichend eng mit
der Beratungsleistung der Beklagten verknüpft, weshalb sich daraus nicht ableiten
lässt, der Anwaltsvertrag solle nach dem Willen der Vertragsparteien auch dem
Schutz des Klägers dienen. Die Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft.
Zwischen der Beratungsleistung der Beklagten und den Vermögensinteressen des
Klägers im Hinblick auf Rechtsanwaltskosten liegen mehrere unsichere
Zwischenschritte. Dadurch weicht der zu beurteilende Sachverhalt maßgeblich von
den oben zitierten Fällen ab, über die der Bundesgerichthof entschieden hat, in
denen sich bei einer Falschberatung die Haftung des Dritten als zwingende und
unmittelbare Folge des Beratungsfehlers darstellte.
78 Überdies hat der Bundesgerichtshof die Dritthaftung eines Rechtsanwaltes
gegenüber einem Organ einer juristischen Person gerade nicht mit der
Begründung angenommen, bei fehlerhafter Beratung drohe die Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens. Das entscheidende Argument des Bundesgerichtshofes für
den Drittschutz im oben zitierten Fall c) hh) war, dass eine persönliche Haftung des
Dritten, des Organs der juristischen Person, für die Fehler des - dort steuerlichen -
Beraters gesetzlich speziell angeordnet wurde (nach §§ 34, 69, 90 AO). Dieses
Argument trifft hier gerade nicht zu. Im Gegenteil: Anders als im zitierten Fall
existiert für den Kläger mit § 17 StGB eine Regelung, die ihn von der
(strafrechtlichen) Haftung befreit, soweit sein Verhalten auf einer fehlerhaften
Rechtsberatung durch die Beklagten beruht. Soweit der Kläger sich auf die
rechtliche Einschätzung der Beklagten verlässt, unterliegt er nämlich einem
unvermeidbaren Verbotsirrtum, § 17 StGB. Für die Annahme der Unvermeidbarkeit
reicht die Einholung einer unrechtsverneinenden Rechtsauskunft aus (Vogel/
Leipziger Kommentar zum StGB, § 17 Rn. 76).
79 Der Hinweis des Bundesgerichtshofes auf §§ 34, 69, 90 AO wäre zudem unnötig,
wenn bei Verträgen, die von juristischen Personen mit einem Berater
abgeschlossen werden, die Organe der Auftraggeberin grundsätzlich in den
Schutzbereich des Vertrages einbezogen würden.
ee)
80 Eine Einbeziehung des Klägers ergibt sich auch nicht, soweit ihm bei
Vertragsschluss politische Risiken für seinen beruflichen Werdegang (namentlich
das Risiko einer Abwahl als Ministerpräsident) drohten. Auch die Realisierung
dieses Risikos ist zu weit von der Beratungsleistung der Beklagten entfernt, als
dass das Merkmal der Leistungsnähe erfüllt wäre. Es stellt keine typische Gefahr
einer anwaltlichen Beratung gegenüber einer Gebietskörperschaft dar, dass ein
politischer Entscheidungsträger aufgrund einer Falschberatung nicht wieder
gewählt wird. Vielmehr liegen auch im Hinblick auf dieses Risiko aus ex ante Sicht
unsicher erscheinende Zwischenschritte in Form von Wahlen und Abstimmungen
zwischen einer potentiellen Schlechtleistung der Beklagten und nachteiligen
politischen Konsequenzen für den Kläger.
4.
81 Auf deliktische Anspruchsgrundlagen kann der Kläger den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch nicht stützen, weil der Kläger entsprechend seiner
Darlegungs-und Beweislast nicht hinreichend substantiiert zu einem vorsätzlichen
Handeln der Beklagten vorgetragen hat. Auf die Darlegungs- und Beweislast
wurde der Kläger in der mündlichen Verhandlung von der Kammer hingewiesen.
5.
82 Nachdem die Klage bereits aus rechtlichen Gründen abzuweisen war, ist über die
weiteren zwischen den Parteien streitigen Fragen nicht mehr zu entscheiden und
nicht Beweis zu erheben. Die Kammer ist sich darüber bewusst, dass
möglicherweise bestehende Hoffnungen auf eine gerichtliche Aufarbeitung des
zugrunde liegenden Sachverhaltes hierdurch enttäuscht werden könnten.
83 Das deutsche Rechtsystem sieht aber eine - von einem konkreten und zulässigen
Klagebegehren losgelöste - Aufarbeitung eines Falles durch ein Zivilgericht nicht
vor. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers hat ihren Niederschlag in
verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen gefunden. Nach § 256 ZPO darf das
Gericht im Wege der Feststellungsklage nur über Rechtsverhältnisse oder die
Echtheit (oder Unechtheit) von Urkunden entscheiden. Dies auch nur dann, wenn
der Kläger ein besonderes Interesse an der Feststellung hat. Nach § 308 ZPO ist
das Gericht im Zivilprozess an die gestellten Anträge gebunden und darf den
Parteien über diese Anträge hinaus nichts zusprechen. Eine Beweisaufnahme,
welche vor einer Klagabweisung durchgeführt wird, ohne dass es für das Ergebnis
des Rechtsstreites auf diese Beweisaufnahme ankommt, gälte zudem als Fehler
des Gerichtes im Sinne des § 21 Abs. 1 GKG (BDPZ/Zimmermann GKG § 21 Rn.
7.
84 Ziel dieser gesetzgeberischen Entscheidung, die das Gericht bindet, ist - neben
der Entlastung der Justiz - der Schutz der Parteien. Die Beteiligung an einem
Rechtsstreit kann die Parteien zeitlich, finanziell und emotional erheblich belasten.
85 Das Recht zur Untersuchung von Sachverhalten im öffentlichen Interesse -
unabhängig von einer möglichen Rechtsfolge - bleibt in der deutschen
Rechtsordnung den Parlamenten, namentlich dem Bundestag (vgl. Art. 44 Abs. 1
GG) und den Landtagen (vgl. etwa Art 35 Abs. 1 Landesverfassung), vorbehalten.
6.
86 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige
Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.