Urteil des LG Stuttgart vom 14.10.2015

verfassungskonforme auslegung, rückzahlung, gegenleistung, bausparvertrag

LG Stuttgart Urteil vom 14.10.2015, 4 S 122/15
Rückzahlungsanspruch wegen unwirksam vereinbarter Bearbeitungsgebühr im
Bauspardarlehensvertrag: Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung in
Ansehung unklarer Rechtslage
Leitsätze
Der Verjährungsbeginn bezüglich eines Anspruchs auf Rückzahlung einer bei
Gewährung eines Bauspardarlehns angefallenen Darlehnsgebühr ist nicht durch eine
unsichere oder zweifelhafte Rechtslage hinausgeschoben worden (Abgrenzung zu
BGH XI ZR 348/13 und XI ZR 174/14 v.28.10.2014).
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom
17.04.2015, 10 C 133/15, aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 Prozent des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit
in derselben Höhe.
5. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert der Berufung: 2.539,00 Euro.
Tatbestand
1 Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich die
Beklagte/Berufungsklägerin (zukünftig nur Beklagte), eine Bausparkasse, gegen
das Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg, mit welchem sie zur Rückzahlung einer
sog. Darlehensgebühr verurteilt wurde, die der Kläger/Berufungsbeklagte (zukünftig
nur Kläger) im Zusammenhang mit einem ihm am 01.01.2007 gewährten
Bauspardarlehen in Höhe von 2.539,05 Euro an sie geleistet hat.
2 Auf der Grundlage eines vom Kläger am 03.04.2002 gestellten Antrags (welcher
noch über eine Bausparsumme von insgesamt 300.000,00 Euro lautete) haben die
Parteien mit Vertragsbeginn zum 10.04.2002 eine Bausparvertrag, Typ IDEAL
Bausparen, über eine Bausparsumme von 280.000,00 Euro geschlossen.
Bestandteil dieses Vertrages sind die Allgemeinen Bedingungen für
Bausparverträge (ABB I) IDEAL Bausparen für Neuabschlüsse ab dem 01.01.2002.
Aus diesen AGB ergibt sich (§ 11 Absatz 1) der Nominalzinssatz für das
Bauspardarlehen mit 4,25 % jährlich und (§ 11 Absatz 5) ein jederzeitiges Recht zur
Leistung von Sondertilgungen. Außerdem ergibt sich aus den ABB die Fälligkeit
einer Darlehensgebühr in Höhe von 2 % des Bauspardarlehens mit Beginn der
Darlehensauszahlung. Es heißt in § 10: Mit Beginn der Darlehensauszahlung wird
eine Darlehensgebühr in Höhe von 2 % des Bauspardarlehens fällig und dem
Bauspardarlehen zugeschlagen (Darlehensschuld). Auf diese Darlehensgebühr wie
aber auch auf die Abschlussgebühr und auf die Höhe des Darlehenszinses wird in
einem durch schwarzen Rahmen hervorgehobenen Kasten und in Fettdruck auf
Seite 1 der ABB I unter dem Punkt „Präambel: Inhalt und Zweck des Bausparens“
ausdrücklich hingewiesen.
3 Mit Wirkung ab 02.05.2002 haben die Parteien außerdem einen
Zwischendarlehensvertrag über 280.000,00 Euro abgeschlossen, wovon
140.000,00 Euro zur Auffüllung des Bausparkontos verwendet wurden. Für diesen
Zwischendarlehensvertrag haben sie einen jährlichen Nominalzins von 5,45 %
vereinbart sowie eine monatliche Zinsrate von 1.271,67 Euro.
4 Am 01.01.2007 wurde dem Kläger der Bausparvertrag zugeteilt und ihm, unter
Verrechnung des Zwischendarlehens, ein Bauspardarlehen in Höhe von - inklusive
der streitgegenständlichen Darlehensgebühr von 2.539,05 Euro - 129.491,48 Euro
gewährt, worauf eine monatliche Rate in Höhe von 980,00 Euro, beginnend ab
01.02.2007, zu bezahlen war. Im Dezember 2014 hat der Kläger wegen der
streitgegenständlichen Darlehensgebühr sowie wegen darauf entfallender Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 02.01.2007 den
Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte beantragt. Dieser Mahnbescheid
wurde der Beklagten am 17.12.2014 zugestellt. Nach Widerspruchseingang wurde
das Verfahren am 09.01.2015 an das Gericht des 1. Rechtszugs abgegeben.
5 Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben (veröffentlicht in juris:
AG Ludwigsburg 10 C 133/15 v. 17.4.2015), insbesondere hat es die von der
Beklagten erhobene Einrede der Verjährung als nicht durchgreifend erachtet.
6 Mit der Berufung vertritt die Beklagte die Auffassung, das Amtsgericht sei zu Unrecht
davon ausgegangen, dass es sich bei der „Darlehensgebühr“ um eine
Preisnebenabrede handele und dass diese der Inhaltskontrolle gemäß § 307
Absatz 1 BGB deshalb nicht standhalte, weil durch sie der Kläger unangemessen
benachteiligt werde. Die Beklagte rügt außerdem die vom Amtsgerichtvertretene
Rechtsauffassung zur Verjährung. Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die
Abweisung der Klage insgesamt.
7 Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig und beantragt
Zurückweisung der Berufung.
8 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Begründung des
erstinstanzlichen Urteils ebenso Bezug genommen wie auf die Ausführungen der
Parteien im Berufungsverfahren und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
über die Berufungsverhandlung vom 16.09.2015.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Berufung ist auch begründet. Das amtsgerichtliche Urteil ist
aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen
die Beklagte auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensgebühr zu.
10 1. Der geltend gemachte Anspruch ist verjährt.
11 Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensgebühr auf §
812 Absatz 1 BGB. Er vertritt die Auffassung, er habe diese Zahlung ohne
Rechtsgrund geleistet, weil die Regelung in § 10 der ABB I als Allgemeine
Geschäftsbedingung gemäß § 305 BGB eine sog. Preisnebenabrede darstelle,
welche eine unangemessene Benachteiligung enthalte und deshalb gemäß § 307
Absatz 1 BGB unwirksam sei.
12 Ob diese rechtliche Einordnung zutrifft, kann zunächst dahingestellt bleiben, weil,
selbst wenn eine rechtsgrundlose Leistung des nunmehr zurückgeforderten
Betrages unterstellt wird, die Beklagte nach wirksamer Erhebung der Einrede der
Verjährung nicht mehr zur Rückzahlung verpflichtet (§ 214 Absatz 1 BGB) ist.
13 1.1. Der Kläger hat den nunmehr zurückgeforderten Betrag bereits mit Auszahlung
des Bauspardarlehens an ihn am 01.01.2007 an die Beklagte geleistet.
14 Wann und in welcher Form die kreditgebende Bank ein Entgelt, das im
Zusammenhang mit der Auszahlung einer Darlehensvaluta berechnet wird, im
Sinne von § 812 Absatz 1 Satz 1, Fall 1 BGB erlangt, kann nicht einheitlich beurteilt
werden, sondern nur differenziert nach Art des abgeschlossenen
Darlehensvertrages (BGH, XI ZR 348/13 vom 28.10.2014 = NJW 2014, 3713, Rn.
22). Wird das Entgelt nicht Bestandteil des Darlehensnennbetrages, sondern
lediglich in den zurückzuzahlenden Gesamtbetrag, den Bruttodarlehensbetrag,
eingerechnet, entsteht der Rückzahlungsanspruch nur - anteilig - mit der
Entrichtung des in den einzelnen Darlehensraten enthaltenen Entgelts, wobei in
der Regel davon auszugehen ist, dass nur Beträge pro rata temporis entsprechend
dem Verhältnis des Entgelts zum gesamten Bruttodarlehensbetrag aus den
gleichbleibenden monatlichen Raten zurückgezahlt werden (BGH, a. a. O., Rn. 28).
Dann jedoch, wenn das Entgelt mitkreditiert wird, wird es bereits im Zeitpunkt der
Valutierung des Darlehens durch Einbehalt des auf das Entgelt entfallenden Teils
der Darlehensvaluta in voller Höhe geleistet; der Darlehensnehmer nimmt dann ein
um den Betrag des Entgelts erhöhtes Darlehen auf, wobei das Entgelt in der Regel
bei der Kreditauszahlung sofort fällig wird (BGH, a. a. O., Rn. 24). Der
Darlehensnehmer ist dann so zu stellen, wie wenn die Bank die Darlehensvaluta
voll an ihn ausgezahlt und er diese teilweise sofort zur Zahlung des Entgelts an die
Bank verwendet hätte (BGH, a. a. O., Rn. 25 unter Verweis auf LG Bonn, WM
2013, 1942, 1943).
15 Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger das Bauspardarlehen (“Anfangsdarlehen“)
ausweislich ihres Schreibens vom 02.01.2007 über den Gesamtbetrag in Höhe
von 129.491,48 Euro gewährt, worin die streitige Darlehensgebühr in Höhe von
2.539,05 Euro enthalten ist. Diese ist damit Bestandteil des gewährten Kredits und
entsprechend den im Darlehensvertrag vereinbarten Konditionen zu verzinsen und
zurückzuzahlen. Der Kläger hat damit seine Leistung im Sinne des § 812 Absatz 1
Satz 1 BGB mit Valutierung des Bauspardarlehens am 02.01.2007 erbracht.
Davon geht auch er selbst aus, weil er seinerseits als Nutzungsersatz (§ 818
Absatz 1 BGB) Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz schon ab 02.01.2007 verlangt.
16 1.2. Der vom Kläger geltend gemachte Bereicherungsanspruch verjährt nach der
Regelverjährung des § 195 BGB in drei Jahren. Vorliegend hat die Verjährung des
im Jahre 2007 entstandenen Anspruchs mit dem Ende dieses Jahres zu laufen
begonnen, sie war daher am 31.12.2011 abgelaufen. Durch das erst im Dezember
2014 in Gang gesetzte Mahnverfahren gegen die Beklagte konnte der Kläger die
bereits abgelaufene Verjährung nicht mehr hemmen.
17 1.2.1. Gemäß § 199 Absatz 1 BGB beginnt die Verjährung grundsätzlich mit dem
Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Gläubiger von
den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne
grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Der Gläubiger eines
Bereicherungsanspruchs aus § 812 Absatz 1 Satz 1 Fall 1 BGB hat Kenntnis von
den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den
Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH, XI
ZR 160/07 v. 29.1.2008 = BGHZ 175, 161 Rn. 26); der Verjährungsbeginn setzt
aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der
den Anspruch begründenden Umstände voraus, nicht erforderlich ist in der Regel,
dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen
Schlüsse zieht (BGH, a. a. O., Rn. 35).
18 Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den
Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte
Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig
einzuschätzen vermag, und ihm deshalb eine klageweise Geltendmachung nicht
zugemutet werden kann (BGH, a. a. O., Rn. 35 unter Verweis auf die ständige
Rechtsprechung des BGHs). Ob es, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine
gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht, immer an der
Zumutbarkeit der Klagerhebung als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn
fehlt (so BGH vom 28.10.2014 (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14), kann - mangels
Entscheidungserheblichkeit - dahingestellt bleiben.
19 1.2.2. Vorliegend wurde der Verjährungsbeginn weder durch eine unsichere oder
zweifelhafte, von divergierenden Meinungen und Entscheidungen geprägte
Rechtslage hinausgeschoben noch dadurch, dass dem Kläger eine
Klageerhebung wegen absehbarer Erfolglosigkeit nicht zumutbar war. Aus den
Grundsätzen, die der BGH in seiner Entscheidung v. 28.10.2014 dargelegt hat,
folgt nichts Gegenteiliges, denn die streitgegenständliche Darlehensgebühr ist -
worauf auch schon das Amtsgericht zutreffend verwiesen hat - gerade kein sog.
Bearbeitungsentgelt, welches im Zusammenhang mit der Gewährung eines dem
gesetzlichen Leitbild des § 488 Absatz 1 BGB entsprechenden Verbraucherkredits
erhoben wurde.
20 Die Vereinbarung über die Fälligkeit der 2%igen Darlehensgebühr erfolgte gemäß
§ 10 der ABB I bereits mit Abschluss des Bausparvertrages dahingehend, dass sie
bei Inanspruchnahme des Bauspardarlehens fällig wird. Ein Bausparvertrag ist
kein Verbraucherkreditvertrag im Sinne des § 488 BGB, sondern ein Vertrag
besonderer Art, der sich aus verschiedenen Elementen in der so genannten
Anspar- bzw. Darlehensphase zusammensetzt, weshalb es an einer
Vergleichbarkeit der rechtlichen Beurteilungskriterien fehlt. Dass die
Darlehnsgebühr - nur und erst - bei Inanspruchnahme des Bauspardarlehens der
Darlehnsschuld zugeschlagen wird, führt nicht dazu, dass sie isoliert als
Gegenleistung für die Valutagewährung anzusehen ist (näher dazu unter 2.1.).
21 Zu der Frage, ob eine per Allgemeiner Geschäftsbedingung in einem
Bausparvertrag vereinbarte Darlehensgebühr, eine wirksame Regelung enthält
oder nicht, gibt es bisher keine höchstrichterliche Entscheidung, erst Recht keine
entgegenstehende (wie es sie für das Bearbeitungsentgelt im
Verbraucherkreditvertrag gab: zunächst: BGH, III ZR 156/77 = NJW 1979, 2089,
2090 bis BGH, XI ZR 11/04 = WM 2004, 2306, 2308 vom 14. September 2004;
a.A. dann: BGH vom 13.05.2014 (XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13) ) und es gab
auch keinen Meinungsstreit dazu im Schrifttum oder in der Rechtsprechung
(vielmehr haben übereinstimmend diese die Darlehnsgebühr als wirksam
angesehen : LG Aachen v. 27.7.2009 5 S 242/08; LG Hamburg WM 2009, 1315;
OLG Hamburg Beschluss v. 24.5.2011 10 U 12/09). Insbesondere gab es trotz der
Tatsache, dass der Bundesgerichtshof am 7. Dezember 2010 (XI ZR 3/10
„Abschlussgebührenentscheidung“) entschieden hatte, dass eine bei Abschluss
des Bausparvertrages erhobene, laufzeitunabhängige sog. Abschlussgebühr (die
als Preisnebenabrede bewertet wurde) eine wirksame AGB-Klausel darstellt, und
er dies mit den Besonderheiten des Bausparvertrages begründet hatte, darauf
folgend keine divergierende Rechtsprechung zu Darlehensgebühren in
Bausparverträgen, wohingegen zahlreiche Urteile zu als „Bearbeitungsentgelt“
oder „Bearbeitungsgebühr“ bezeichneten Bankentgelten in
Verbraucherkreditverträgen ergangen sind.
22 1.2.3. Soweit das Amtsgericht die Auffassung vertritt, das Fehlen derartiger
gerichtlicher Auseinandersetzungen erkläre sich dadurch, dass
Bauspardarlehensnehmer davon ausgegangen seien, die von ihnen gezahlte
Darlehensgebühr sei ein „Bearbeitungsentgelt“ und ihnen sei deshalb vor Ablauf
des Jahres 2011 eine Klagerhebung nicht zumutbar gewesen, überzeugt dies
schon deshalb nicht, weil auch nach Vorliegen einer gefestigten obergerichtlichen
Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Bearbeitungsentgelt-Klauseln
Darlehensgebührenvereinbarungen aus Bausparverträgen gerade nicht
beanstandet wurden, was aber im Hinblick auf die genannte Entscheidung des
Bundesgerichtshofs zur Rechtswirksamkeit von Abschlussgebühren mehr als
angezeigt gewesen wäre.
23 1.2.4. Soweit das Amtsgericht schließlich darauf verweist, man könne sogar der
Meinung sein, erst mit der Entscheidung des BGH im Mai 2014 sei die
Unzumutbarkeit einer Klagerhebung zur Rückforderung von Darlehensgebühren
entfallen (so wohl auch Schwintowski in Herberger/Martinek/Rüssmann u. a., juris
PKBGB, 7. Auflage 2014, § 488 Rn. 23.1) ist diese Auffassung verfehlt. Das mit
den Verjährungsregelung in §§ 194 ff. BGB erstrebte gesetzgeberische Ziel,
Herstellung von Rechtsfrieden durch Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit sowie
Schuldnerschutz (BGHZ 128, 82) unter Berücksichtigung berechtigter
Gläubigerinteressen (BGH NJW-RR 05, 1683), wobei letzte vor allem durch
verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der „Kenntnis“ im Sinne des § 199
Absatz 1 Nr. 2 geschützt werden (BGH, XI ZR 348/13 vom 28.10.2014, Rn. 53; und
Ritter/Wardenbach, BB 2015, 2,9), kann dann nicht erreicht werden, wenn man die
Auffassung vertritt, in streitigen Rechtsfragen beginne der Lauf der Verjährung erst
mit Vorliegen einer höchstrichterlichen Entscheidung. Diese Auffassung
widerspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, denn schon in der
Entscheidung vom 7.12.2010 (XI ZR 348/09) hat er ausgeführt, dass allein das
Nichtvorliegen einer höchstrichterlichen Entscheidung keine unsichere oder
zweifelhafte Rechtslage darstellt. Nichts anderes ergibt sich aus den
Entscheidungen vom 28.10.2014 (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14), mit welchen nur
die Voraussetzungen der subjektiven Kenntnis des Gläubigers gemäß § 199
Absatz 1 Nr.2 BGB im Hinblick auf das - ungeschriebene - Tatbestandsmerkmal
der „Zumutbarkeit“ im Falle einer geänderten höchstrichterlichen
Rechtsprechungsansicht bezogen auf einen konkreten Sachverhalt und eine
Rechtsfrage, nämlich die Beurteilung der AGB-rechtlichen Wirksamkeit einer
Klausel über das Bearbeitungsentgelt in einem Verbraucherkreditvertrag gemäß §
488 Absatz 1 BGB, behandelt wird. Diese Rechtsprechung muss auf einen
extremen Ausnahmefall beschränkt bleiben (vgl. dazu auch Geissler, juris, PR-
BGH Zivilrecht, 23/2014 Anmerkung 1; Müller-Christmann, juris, PR-BKR 2/2015
Anmerkung 2; Singbartl, Zintl in EWiR 2015, 33 bis 34), eine Ausweitung auf nur
ähnliche Sachverhaltskonstellationen und Rechtsfragen kommt deshalb nicht in
Betracht.
24 2. Nur hilfsweise ist zudem darauf hinzuweisen, dass dem Kläger der geltend
gemachte Anspruch auch dann nicht zusteht, wenn die Einrede der Verjährung
nicht durchgreift.
25 Der Kläger hat die Darlehensgebühr mit Rechtsgrund geleistet, ihm steht daher
gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung dieser gemäß § 812 Absatz 1
Satz 1 Fall 1 BGB zu.
26 2.1. Bei der Regelung in § 10 ABB I, die in den zwischen den Parteien
geschlossenen Bausparvertrag einbezogen wurde, handelt es sich um eine per
Allgemeiner Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Absatz 1 BGB geregelte
Preishauptabrede. Diese ist transparent ( § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB), denn ihr
Inhalt ist eindeutig und klar, dem Bausparer wird die Zahlungspflicht nach Höhe,
Fälligkeit und Verrechnungsweise dargelegt.
27 Diese Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB
(vergl. dazu auch: LG Stuttgart v. 14.10.2015, 4 S 142/14).
28 Nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB sind nur solche Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese
ergänzende Regelungen vereinbart werden, der Inhaltskontrolle unterworfen.
Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung und Klauseln über
das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene
Sonderleistung sind dann kontrollfrei, wenn diese nicht Aufwendungen für die
Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten des
Klauselverwenders oder für Tätigkeiten, die in dessen eigenem Interesse liegen,
auf den Kunden abwälzen (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshof u. a.
BGHZ 180, 257 Rn. 16; BGH vom 13.05.2014, XI ZR 405/12 = WM 2014, 1224).
Ob eine Klausel eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie
Preishauptabrede enthält, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln (BGH, XI
ZR 405/12, a. a. O.), wobei sich die Auslegung ausgehend von den
Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden
nach dem objektiven Inhalt und subjektiven Sinn der in Rede stehenden Klausel
einheitlich danach zu richten hat, wie der Wortlaut von verständigen und redlichen
Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten
Verkehrskreise verstanden wird; Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305 c
Absatz 2 BGB zu Lasten des Verwenders und außer Betracht zu bleiben haben
solche Auslegungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber
fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (für alles: BGHZ
187, 360 Rn. 29 = WM 2011, 363).
29 Die bereits bei Abschluss des Bausparvertrages vereinbarte Darlehensgebühr,
welche erst mit Inanspruchnahme des Bauspardarlehens fällig wird, regelt ein
Entgelt, welches - neben der Zahlung der vereinbarten Zinsen - als Gegenleistung
vom Bausparer dann zu entrichten ist, wenn er das Bauspardarlehen in Anspruch
nimmt. Dass diese Gegenleistung nicht laufzeitabhängig geregelt ist, ändert nichts
an ihrem Charakter als Hauptpreisabrede. Die Parteien haben gerade keinen
Verbraucherkreditvertrag im Sinne des § 488 Absatz 1 BGB abgeschlossen - bei
welchem die vom Darlehnsnehmer zu erbringende Gegenleistung zinsähnlich,
also laufzeitabhängig, zu sein hat -, sondern einen Bausparvertrag, in welchem die
Darlehensgewährung in Form eines Bauspardarlehens nur einen Teil des
gesamten Vertragsgefüges darstellt. Mit Abschluss des Bausparvertrages wird
dem Bausparer, obwohl der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des
Bauspardarlehens offen ist, schon ein fester Zinssatz dafür in § 11 der ABB
ebenso zugesagt, wie ihm die Möglichkeit, in § 11 Absatz 5 ABB I, eingeräumt
wird, jederzeit Sondertilgungen auf ein gewährtes Bauspardarlehen ohne
zusätzliche Kosten erbringen zu können. Leistung und Gegenleistung im Falle der
Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens ergeben sich somit aus §§ 10 und 11
ABB I des Bausparvertrages. Diese Regelungen können nicht isoliert betrachtet
werden, insbesondere ist die Darlehnsgebühr nicht nur die Gegenleistung für die
Überlassung der Darlehensvaluta, sondern sie ist eine von einem Bausparer für
besondere Vorteile, die ihm als solchem gewährt werden, zu erbringende Leistung,
die aber erst mit Inanspruchnahme des Bauspardarlehns fällig wird. Die Klausel in
§ 10 ABB I ist somit eine kontrollfreie Preishauptabrede.
30 2.2. Nur höchsthilfsweise ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst dann die
Darlehensgebühr mit Rechtsgrund im Sinne des § 812 Absatz 1 BGB geleistet
hätte, wenn die Klausel als so genannte Preisnebenabrede zu qualifizieren wäre.
Denn dann wäre er, der als Bausparer ein Bauspardarlehen mit von einem
„normalen“ Verbraucherdarlehen abweichenden Sonderkonditionen - gesicherte
Zinshöhenzusage schon bei Abschluss des Bausparvertrages und jederzeitiges
Sondertilgungsrecht ohne Zusatzkosten - durch die Belastung mit der
Darlehensgebühr nicht unangemessen benachteiligt worden, weil diese Gebühr
durch die Vorteile, die er als Mitglied der Bausparsolidargemeinschaft genießt,
ausgeglichen wird (vergl. dazu BGH XI ZR 3/10 v. 7.12.2010).
31 3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
32 4. Die Revision wird gemäß § 543 Absatz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, die
Rechtssache hat wegen der großen Zahl von Verfahren grundsätzliche Bedeutung
und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Revisionsgerichts.