Urteil des LG Stuttgart vom 29.07.2015

ausbildung, verwalter, amt, immobilienverwaltung

LG Stuttgart Urteil vom 29.7.2015, 10 S 68/14
Beschlussanfechtungsklage gegen die Bestellung eines
Wohnungseigentumsverwalters: Geeignetheit eines Verwalterkandidaten ohne
Ausbildung in der Immobilienverwaltung und ohne selbstständige Erfahrungen
als Wohnungseigentumsverwalter
Leitsätze
1. Ein Verwalterkandidat ist nicht allein deshalb ungeeignet, weil er keine Ausbildung
in der Immobilienverwaltung absolvierte und noch nie selbstständige Erfahrungen als
WEG-Verwalter gesammelt hat (entgegen LG Düsseldorf, Urteil 18.10.2013 - 25 S
7/13).
2. Die Verwalterbestellung eines Kandidaten kann auch dann ordnungsgemäßer
Verwaltung entsprechen, wenn dieser weder über eine betriebswirtschaftliche noch
über eine rechtliche Ausbildung verfügt.
3. Tatsachen, die erst nach der Beschlussfassung über die Verwalterbestellung
eingetreten sind, sind im Beschlussanfechtungsverfahren nicht zu berücksichtigen.
Tenor
1. Die Berufung der Berufungskläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen
vom 26.09.2014, Az. 10 C 496/14 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufungskläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts
Reutlingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1
abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO
2 Die zulässige Berufung ist unbegründet.
3 Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Rechtsfehler.
4 Die der Berufungsverhandlung zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen
keine andere Entscheidung.
5 Das Amtsgericht geht in dem angegriffenen Urteil zu Recht davon aus, dass der
Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1 der Eigentümerversammlung vom
25.3.2014, mit welchem die Miteigentümerin P. zur Verwalterin bestellt wurde, nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht. Auf die zutreffenden Gründe der
angegriffenen Entscheidung wird in vollem Umfang Bezug genommen.
6 Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dabei legt
die Kammer den Vortrag der Kläger zugrunde, wonach die gewählte Verwalterin
weder über eine einschlägige betriebswirtschaftliche, buchhalterische oder
rechtliche Ausbildung noch über eine betriebliche Ausstattung verfüge. All dies
reicht indes nicht aus, die Feststellung zu treffen, die
Wohnungseigentümergemeinschaft habe ihren Beurteilungsspielraum
überschritten, weil die von den Wohnungseigentümern bei der Bestellung
anzustellende Prognose darüber, ob die bestellte Miteigentümerin das ihr
anvertraute Amt ordnungsgemäß ausüben wird, aus objektiver Sicht nicht mehr
vertretbar erscheint. Die Kläger haben keine Tatsachen vorgetragen, welche den
Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung bekannt waren und Zweifel
rechtfertigen könnten, die bestellte Miteigentümerin werde die bei der Wahl
gegebenen Zusagen, sich zur Einarbeitung in das Amt kundig zu machen,
Fortbildungen zu besuchen und die notwendigen Versicherungen abzuschließen,
um damit dem klägerischen Vorwurf der „Null-Qualifikation“ zu begegnen, nicht
einhalten. Ihre berufliche Stellung als Polizeibeamtin weist sie als zuverlässig aus.
Auch wenn sie in Vollzeit tätig ist, bleibt ihr außerhalb ihrer beruflichen Arbeitszeit
dennoch genügend Freiraum, sich die erforderlichen Fähigkeiten durch
entsprechende Schulungen anzueignen und das Amt den gesetzlichen und
vertraglichen Anforderungen entsprechend auszuüben. Umstände, welche die
bestellte Miteigentümerin daran hindern könnten, die zur Amtsausübung
erforderliche betriebliche Ausstattung zu erwerben, sind klägerseits nicht
vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Dies berücksichtigt ist es aus objektiver
Sicht nicht unvertretbar, eine ordnungsgemäße Amtsausübung der gewählten
Verwalterin zu prognostizieren. Ihre Bestellung hat für die Wohnungseigentümer
gegenüber den anderen Bewerbern § 26er25 Bew.: SV Gutachten 7/13). zudem
den Vorteil, dass die von ihr geforderte Verwaltervergütung mit 10 EUR netto pro
Einheit und Monat deutlich günstiger ist.
7 Der Rechtsauffassung, von der mangelnden Eignung sei bereits dann
auszugehen, wenn der Verwalterkandidat keine Ausbildung in der
Immobilienverwaltung absolviert und noch nie selbständige Erfahrungen als WEG-
Verwalter gesammelt habe, vermag die Kammer nicht zu folgen. Die dahin
gehende Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (Urteil vom 18.10.2013 - 25 S
7/13) lässt außer Acht, dass eine fachliche Qualifikation nicht Voraussetzung für
die Ausübung einer Verwaltertätigkeit ist. Würde man den Nachweis von
Berufserfahrung als Voraussetzung für eine gültige Beschlussfassung über die
Verwalterbestellung verlangen, wäre Berufsanfängern der Weg zu einer
selbständigen Berufsausübung als Verwalter versperrt (vgl. Kapries, ZMR 2014,
856, 857).
8 Der Vortrag der Kläger, die Wohnungseigentümerin P. sei von dem Sohn einer
Miteigentümerin, Herrn St., bei der Versammlung vom 25.3.2014 verleitet worden,
ist nicht von vornherein nicht geeignet, Zweifel an der Gültigkeit des
Bestellungsbeschlusses aufkommen zu lassen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern
dieser Umstand, die gewählte Verwalterin als ungeeignet erscheinen lässt.
Streitigkeiten unter den Wohnungeigentümern, welche gegen die Eignung der
gewählten Verwalterin sprechen könnten, wurden von den Klägern innerhalb der
Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht vorgetragen. Die Klageschrift
enthält hierzu nicht einmal „im Kern“ Ausführungen. Das Vorbringen in den
rechtlichen Erwägungen, zwischen den Miteigentümern bestehe Streit, steht im
Zusammenhang mit der von den Klägern ebenfalls begehrten Bestellung der Firma
T. GmbH durch das Gericht. Ein solcher Streit reicht nicht aus, die Eignung eines
Miteigentümers für das Verwalteramt in Frage zu stellen.
9 Ohne Erfolg berufen sich die Kläger zum Beleg der mangelnden Eignung der
bestellten Verwalterin - auch im Berufungsverfahren - auf Tatsachen, die erst nach
der streitgegenständlichen Beschlussfassung eingetreten sind. Zu Recht geht das
Amtsgericht davon aus, dass im Rahmen der Anfechtungsklage nur solche
Tatsachen zu berücksichtigen sind, die den Eigentümern bei der
Beschlussfassung bekannt waren. Es kann daher dahinstehen, ob die bestellte
Verwalterin im Rahmen der späteren Beschlussfassung über die
Fassadensanierung gegen ihre Pflichten verstoßen hat. Diese nachträglich
eingetretenen Tatsachen sind auch nicht geeignet, dem Klagantrag Ziff. 2 zum
Erfolg zu verhelfen, da die Bestellung der Firma T. GmbH die Ungültigkeit des
Bestellungsbeschlusses voraussetzt.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
11 Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Revision nach § 543 ZPO zuzulassen.
Auch wenn die Entscheidung von der seitens des Landgerichts Düsseldorf im
Urteil vom 18.10.2013 (a.a.O.) vertretenen Rechtsauffassung abweicht, war
dennoch ein Einzelfall zu beurteilen, der keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.